Liebe Brüder und Schwestern,
nach einem langen Gespräch mit einem guten Freund, der ebenfalls manchmal hier im Forum liest und mich seit vielen Jahren kennt, wurde ich auf ein Problem aufmerksam gemacht, das mir bisher so nicht bewußt geworden ist. Was aber sicherlich der Grund für manche "hitzige" Diskussion war!
In den Diskussionen um strittige Punkte weiche ich sehr oft von der eingeschlagenen Richtung ab, hole sehr sehr weit aus und ziehe daher manchmal Rückschlüsse, die nicht leicht nachvollziehbar sind - das klingt dann sicher oft wirr!
Mir ist das bisher nicht bewußt gewesen, denn es ist für mich beruflicher Alltag.
Ich möchte deshalb hier mal den Versuch machen zu erklären warum das so ist:Seit 20 Jahren arbeite ich als Sozialpsychologe und Psychotherapeut und seit 17 Jahren als Heilpraktiker und Chiropraktiker.
Zu mir kommen überwiegend Patienten, die schulmedizinisch austherapiert sind, das heißt die lineare Diagnostik ergebnislos ausgeschöpft ist.
Daher muß ich immer von nichtlinearen Kausalketten (das ist der Weg von der Ursache zum Symptom und umgedreht) ausgehen!
Um das zu verdeutlichen ein Beispiel:
Ein Patient kommt mit unklaren Herzrhytmusstörungen.
Schulmedizinisch wurde natürlich das Herz, das Herzreizleitungssystem (Nerven) und evtl. noch das Hormonsystem überprüft - das entspräche den linearen Ursachen für das Symptom.
Hier beginnt meine Arbeit - ich suche also gleichzeitig nach 5- x nicht linearen Ursachen - das erscheint dann oft weit hergeholt - selbst für befreundete Ärzte, die den Patienten zu mir geschickt haben!
Aber es hätte keinen Sinn wieder dort anzufangen, wo bereits mehrere Ärzte gesucht haben - also muss ich zwangsläufig weiter ausholen.
So komme ich dann rückwärtsgehend über Kausalketten zu Ursachen, die oft sehr weit weg sind von dem erkrankten Organ - also um in dem Beispiel zu bleiben: ein Darmpilz, der eine gestörte Nährstoffresorption im Darm verursacht, darüber kommt es zu einer Gasansammlung in der oberen linken Dickdarmschlinge - dadurch zu einem Zwerchfellhochstand und dadurch wiederum zu den unklaren Herzrhytmusstörungen.
Somit behandele ich dann Herzprobleme mit einem Antipilzmittel!
Dieses gedankliche Durchspielen mehrerer weit auseinanderliegender Lösungswege nennt sich Differentialdiagnostik!
Da ich eben eine 20jährige Routine in dieser Art zu denken habe, gehe ich diesen Weg auch automatisch wenn ich hier nach Lösungen suche.
Ich verlasse also die ausgetretenen Pfade und suche parallel nach mehreren Lösungsansätzen, die oftmals sehr weit von dem Problem entfernt sind.
So kann es sein, das ich mit drei/fünf völlig unterschiedlichen Ideen gleichzeitig versuche das Problem einzukreisen.
In der Medizin habe ich häufig um die fünf verschiedene Möglichkeiten -
vier davon sind am Ende zwangsläufig falsch - aber das sieht man eben erst, wenn man alle 5 Varianten durchgegangen ist.
So ist es dann auch hier - ich werfe z.B. 3 unterschiedliche Gedankengänge in die Diskussion und verfolge sie parallel - Denn eine Krankheit kann 5 Symptome, aber trotzdem nur eine Ursache haben - aber eben auch 5 Ursachen und nur ein Symptom!
Mir ist dann von vornherein bewußt, das von den 3 Lösungsansätzen mindestens 2 falsch sein werden! (Genau das wird häufig nicht so rübergekommen sein und ihr dachtet, das es sich dabei bereits um eine These von mir handelte!)
Aber wenn man nur die bereits ausgetretenen Pfade nimmt - also immer wieder die Diagnose der Vorbehandler übernimmt, ohne auch mal weiter auszuholen, dann kommt man eben häufig nicht zu einem neuen Ergebnis. (In unserem Fall eben das was andere Autoren/Historiker geschrieben haben)
Also wenn ich gedanklich eine Richtung durchspiele, dann heißt das nicht, das ich davon überzeugt bin, das es auch so ist - es heißt auch nicht, das dieser Weg zu einem Ergebnis führt, aber ich versuche dann im Sinne einer Ausschlußdiagnostik andere mögliche Ursachen auszuschließen um damit zumindest den Bereich des Möglichen weiter einzukreisen!
Denn wenn ich keine Belege für eine neue These finde, aber die bisherige offensichtlich falsch oder unvollständig ist, muss ich eben auch mal den linearen Weg verlassen und in ganz andere Richtungen vorstossen.
Natürlich werden diese anderen Richtungen dann oft in Sackgassen enden - aber so manches Mal hat es uns in den letzten Jahren auch zu neuen Erkenntnissen verholfen - und sei es nur weil ich mit dem weiten Ausholen einem Anderen dazu gebracht habe mir Gegenbelege zu liefern.
Dazu verwende ich dann meine bösen "ketzerischen" Äußerungen - also ich stelle einfach mal etwas in Frage, was als gesichert gilt, um dadurch das Vorbringen von Gegenbelegen zu erzwingen. Nur so kann man alte "Szenenmärchen" enttarnen - also eben Dinge die als wahr hingenommen werden, nur weil sie nie hinterfragt wurden!
Ich denke das ihr meine "komische" Art an Diskussionen teilzunehmen, nun etwas besser versteht und hoffe ich konnte euch meine oftmals verworren erscheinenden Gedankengänge und das sehr weite Ausholen - auch in Bereiche, die auf den ersten Blick gar nichts mit dem eigentlichen Problem zu tun haben - nachvollziehbar erklären!.
Gruß
William