Autor Thema: Kettenbeinlinge  (Gelesen 33006 mal)

William

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Kettenbeinlinge
« Antwort #15 am: 06. Dezember 2008, 13:32:31 »
Zitat
Original von Benedikt von Söllbach
Ich spekuliere (aber ohne Grundlage) aufgrund der Abbildungen, die ich kenne, dass die Kettenbeinlinge auf einem Träger (evtl aus Leder) aufgebracht wurden. Bei der Richtung des Ringgeflechtes würde sich das Geflecht ansonsten sehr stark dehnen, das ist bei den meisten Abbildungen aber nicht der Fall. Man sieht lediglich kleine Dreiecke an den Stellen, wo das Ringgeflecht um das Bein geschnürt wurde.
Zb. sieht man das auf dem folgenden Bild aus dem Hortus Deliciarum relativ deutlich: http://bacm.creditmutuel.fr/imagesScan/IMG00036_6m.jpg

Die nächste Spekulation ist dann, dass diese Lederschicht gefüttert wurde.
Funde gibt es darüber aber leider keine!


Hallo Benedikt,

deine Vermutung erscheint mir nicht nur aufgrund der Bilder sehr stichhaltig, sondern auch aufgrund medizinischer Fakten und eigener Erfahrungen.

Ich habe meine Beinlinge mit Leder am Rand verstärkt um beim Zusammenschnüren hinten keine Einschnitte zu verursachen - daher sieht es bei mir NICHT so aus wie auf den Abbildungen!

Wenn ich aber wie auf den Abbildungen schnüren würde, dann könnte es sehr schnell zu Abschnürungen kommen - ähnlich wie häufig bei Fliesenlegern, die durch ihre Knieschoner sehr stark Emboliegefährdet sind (Berufskrankheit)

Ich kann meine Beinlinge nur dann wie abgebildet schnüren, wenn ich meine langschaftigen Reitstiefel darunter trage - dann ist es bequem, sicher und sieht genau so aus - also eine dicke Lage Leder entweder wie bei den Stiefeln einzeln oder wie von dir vermutet direkt an der Kette erscheint sehr plausibel!

Leder direkt an der Kette würde auch das Anlegen und Schnüren an der Wade sehr vereinfachen und beschleunigen, da es nicht mehr verrutscht, sondern wie eine Beinröhre recht kompfortabel angelegt werden könnte. Natürlich verhindert auch das Festnesteln ein Rutschen im Stehen, aber beim Anlegen/Schnüren im Sitzen wäre es schon einfacher.

Durch die Kombination Kette/Leder ergibt sich dann auch eine sinnvolle Schutzwirkung - so haben es ja auch die römischen Legionäre mit den Kettenteilen auf der Schulter gemacht. (s.u.)

Ich werde da mal gezielter nach Bild und/oder Grabplattenbelegen schauen! Wobei es da sehr schwer wird, da ja wie schon gesagt  sehr "idealisiert" (schlanke Wade /Beine - zugenähte Beinlinge etc.)dargestellt wurde und dort selten mal einer so sehr nach "Michelinmännchen" aussieht wie ich, wenn ich alles anhabe ! loool.

Wie würdest du das 2. Bild (ca 1230-1260 "the life of king edward the confessor") interpretieren?
Die Einschnürung ist schon recht heftig und was ist zwischen Kettenhemd und Kettenbeinling dargestellt? Leider nicht ganz die gesuchte Zeit, aber insgesamt sehr detaillierte Bilder! (siehe link)

http://www.lib.cam.ac.uk/MSS/Ee.3.59/index.html

Bei dem dritten Bild aus der temple-church ist schon recht deutlich eine Einschnürung auf dem Schienbein - unterhalb des Knies - zu erkennen, die so eigendlich anatomisch nicht sein dürfte wenn die Kette quasi direkt auf dem Knochen liegt - aber noch nicht deutlich genug - ich suche weiter....

Bild 4 (Templer) zeigt dann nochmal die, von dir beschriebene dreiecksbildung beim Schnüren - so geschnürt ohne Verstärkung würde nach stundenlanger Belastung der Muskulatur (Kampf/Ritt) ein recht hohes Risiko für eine Thrombose bedeuten!

Was ist eine Thrombose?

Als Thrombus oder Thrombose wird ein Blutpfropf
in einem Gefäß bezeichnet, der zu einem teilweisen oder kompletten Verschluß desselben führt. Er entsteht entweder als Folge  bei
verlangsamtem Blutfluß (sog. Stase - Bewegungsmangel oder Abschnürung) oder erhöhter Gerinnungsbereitschaft des Blutes.
Bei längeren Flügen z.B. müssen die Reisende viele Stunden auf engstem Raum mit abgewinkelten Beinen sitzen. Dadurch sind die Bewegungsmöglichkeiten stark eingeschränkt und die zur guten Durchblutung der Venen benötigte Muskelpumpe der Unterschenkel kann nicht effizient arbeiten. Diese Konstellation führt zu einem verlangsamten venösen Rückfluß des Blutes (sog. Stase). Hinzu kommt häufig noch eine gewisse Eindickung des Blutes durch  Flüssigkeitsmangel bei geringer Luftfeuchtigkeit und mangelnder Flüssigkeitsaufnahme. Diese beiden Faktoren begünstigen
generell eine Thrombose. Als Folge einer Thrombose tritt häufig die s.g. Lungenembolie auf, welche unbehandelt häufig tödlich endet.



Ich denke wir haben da in jeden Fall eine nette These die es zu überprüfen gilt!

Wobei wir sie kaum wirklich belegen können, da soweit mir bekannt keine Funde von Kettenbeinlingen aus der Zeit vor 1200 vorhanden sind und wenn, kann die Polsterung auch "abhanden" gekommen sein.

Aber auch die Archeologie arbeitet dann - bis konkrete Funde vorliegen - mit der These die am wahrscheinlichsten erscheint!

Aber auch ohne Belege sollte dieser thread als Warnung für MA-Darsteller verstanden werden, denn bei unsachgemäßer  Schnürung ist die o.g. Gefahr sehr aktuell und da sie sich nicht ankündigt, sollte niemand das Risiko leichtsinnig unterschätzen!

Gruß

William
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Kettenbeinlinge
« Antwort #16 am: 07. Dezember 2008, 11:59:25 »
Hallo,

ich wollte den obigen Beitrag nicht noch etliche male editieren, daher hier zur Vollständigkeit noch 2 Bilder die relativ frühe alternative Außenpolsterungen zeigen - allerdings nur im Bereich Oberschenkel/Knie.

Bild 1(roter Ritter links)
Hier scheint - nach Farbe und Faltenwurf eine Art Leder großzügig um das Knie gewickelt oder gebunden zu sein - aber es gibt natürlich keinen Rückschluß auf das was unter der Kette ist.

Wie gesagt nur der Vollständigkeit halber noch diese anderen Varianten.

Bild 2
Ob es sich um einen Oberschenkelschutz, oder "auch" um eine Art "Reithose"  handelt mag ich nicht beurteilen.

Kette rutscht jedoch ziemlich im Sattel und weltliche Ritter trugen oft auch lederne Beinlinge, die an der Oberschenkelinnenseite nicht von Kette umgeben waren um dadurch einen besseren Sitz im Sattel zu gewährleisten (Bilder folgen, sobald ich hochladbare finde!) - solche Lederbeinlinge würden dann auch den Zweck erfüllen in Verbindung mit Kette einen guten Schutz für die Beine zu bieten.


Gruß

William
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Benedikt von Söllbach

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Kettenbeinlinge
« Antwort #17 am: 07. Dezember 2008, 13:05:31 »
Hallo!


Damit das jetzt nicht ganz durcheinander kommt, erstmal antworten auf Beitrag 1:
Zitat
Wie würdest du das 2. Bild (ca 1230-1260 "the life of king edward the confessor") interpretieren?
ich kann da leider nirgens eine einschnürung erkennen. Der Beinling ist komplett gearbeitet, deswegen ist eine Schnürung nicht nötig. Übrigens ist das bild wieder eine starke Stütze dafür, dass die Abbildungen idealisiert sein muss - Kettenbienlinge schmiegen sich doch in der Regel nicht so schön an, oder?

Zitat
Bild 4 (Templer) zeigt dann nochmal die, von dir beschriebene dreiecksbildung beim Schnüren - so geschnürt ohne Verstärkung würde nach stundenlanger Belastung der Muskulatur (Kampf/Ritt) ein recht hohes Risiko für eine Thrombose bedeuten!
Bild 4 zeigt keinen Templer. Es handelt sich um St. Georg, das steht auch direkt über seinem Kopf. Gräm dich aber nicht, der Fehler wurde hier im Forum sicher schon an die fünf mal entlarvt ;)

Zitat
Ich denke wir haben da in jeden Fall eine nette These die es zu überprüfen gilt!
Jawohl ja! :)
Funde werden wir leider nicht erhoffen dürfen. Leder vergeht meistens recht schnell; aber wir spekulieren hier zumindest fundiert (und raten nicht!).
Die These hört sich plausibel an. Ich habe Kettenbeinlinge in Planung und werde da die These testen. Das wird aber sicher noch etwas dauern ;)


Jetzt zu Beitrag 2:
Zitat
Bild 1(roter Ritter links)
Hier scheint - nach Farbe und Faltenwurf eine Art Leder großzügig um das Knie gewickelt oder gebunden zu sein - aber es gibt natürlich keinen Rückschluß auf das was unter der Kette ist.
Schwer zu interpretieren. Die Farbe könnte Leder andeuten. Es scheint auf jeden Fall ein separater Knieschutz zu sein. Super interessant sind übrigens die Keulen auf dem Bild.

Zitat
Bild 2
Ob es sich um einen Oberschenkelschutz, oder "auch" um eine Art "Reithose" handelt mag ich nicht beurteilen.
Das Bild ist das von mir erwähnte aus dem Elisabethpslater. Das sind sogenannte "Diechlinge", später gab es die auch mit Kniekacheln. Soweit ich weiß, wurden die über der Kette getragen.
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William

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Kettenbeinlinge
« Antwort #18 am: 07. Dezember 2008, 15:19:42 »
Grüße


Zitat
Zitat:
Wie würdest du das 2. Bild (ca 1230-1260 "the life of king edward the confessor") interpretieren?


Zitat
ich kann da leider nirgens eine einschnürung erkennen. Der Beinling ist komplett gearbeitet, deswegen ist eine Schnürung nicht nötig. Übrigens ist das bild wieder eine starke Stütze dafür, dass die Abbildungen idealisiert sein muss - Kettenbienlinge schmiegen sich doch in der Regel nicht so schön an, oder?

Mit Einschnürung meine ich hier keine gebundene Schnürung, sondern wenn du dir den unteren Rand des Diechlings(?) anschaust siehst du auch am Verlauf der Kettenglieder eine deutliche "Einengung" - d.h. die Kette wird durch den engeren,unteren Bund des Diechlings eingeschnürt.
Da diese Einschnürung auch oben - also am Schienbein zu sehen ist, muß unter der Kette etwas "nachgiebiges" sein, denn der Knochen würde sich nicht eindrücken lassen. Wenn der Dichling aber ohne Druck auf der Kette sitzen würde, dann müßte im Gegensatz zum Bild die untere/vordere Kante erhaben sein (also vom Bein abgesetzt).

(Mit Einschnürung meine ich das Abschnüren, medizinisch, des Beines - mit Schnürung meine z.B. Lederriemen, Lederbänder o.Ä.zur Befestigung)

Natürlich kann man auch sagen das der Maler "geschlampt" hat, aber in vergleichbaren Bildern sieht man die Kniekacheln oder Diechlinge deutlich erhaben über der Kette.

Die Kette ist ansonsten natürlich wieder idealisiert dargestellt - so kann keine Kette sitzen, die hinten nicht geschnürt wurde, bzw durch Lederriemen gehalten wird.

Zitat
Jawohl ja!  
Funde werden wir leider nicht erhoffen dürfen. Leder vergeht meistens recht schnell; aber wir spekulieren hier zumindest fundiert (und raten nicht!).Die These hört sich plausibel an. Ich habe Kettenbeinlinge in Planung und werde da die These testen. Das wird aber sicher noch etwas dauern  

Was hälst du davon wenn wir beim Treffen im Juli den o.g. Feldversuch selber durchführen? (Und hinterher den "zerhackten Schweineschinken grillen!) :]"



Noch ein paar Bilder zu dem Thema (allgemein - nicht zur These) - das eine (sitzend/Diechlinge) ist leider sehr klein und war ohne Quellenangabe - hat jemand davon eine größere Variante auf der man mehr Details erkennt?
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Benedikt von Söllbach

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Kettenbeinlinge
« Antwort #19 am: 08. Dezember 2008, 08:45:15 »
Ich würde nicht davon ausgehen, dass der Maler 1:1 die Realität abgbildet hat. Der Maler wollte klarstellen "Das ist ein Krieger mit Diechlingen", die wenigsten Maler "fotografierten" ihre Motive, vor allem im beginnenden Hochmittelalter. Solche Schlüsse, wie du sie ziehst, würde ich deswegen nicht ableiten.
Oft war es zudem so, dass ein Vorzeichner die Umrisszeichnung angefertigt hat, die ein Kolorist dann ausgemalt hat - wieder eine Möglichkeit des Zeichenfehlers.
Die Einschnürung durch den Bund erkenne ich trotzdem immer noch nicht, vielleicht bin ich blind. Für mich ist das einfach eine "natürliche" Fußform mit Kettengeflechtsmuster.

Das zweite Bild deines letzten Posts müsste (vom Zeichenstil her) aus der Kreuzfahrerbibel stammen, wenn ich nicht irre. Ich habs bei einer schnellen Durchsicht aber nicht gefunden.
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Kettenbeinlinge
« Antwort #20 am: 08. Dezember 2008, 10:19:21 »
Ja das zweite Bild ist aus der Kreuzfahrerbibel .

William

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Kettenbeinlinge
« Antwort #21 am: 08. Dezember 2008, 11:58:28 »
Zitat
Original von William

Mit Einschnürung meine ich hier keine gebundene Schnürung, sondern wenn du dir den unteren Rand des Diechlings(?) anschaust siehst du auch am Verlauf der Kettenglieder eine deutliche "Einengung" - d.h. die Kette wird durch den engeren,unteren Bund des Diechlings eingeschnürt.


Was hälst du davon wenn wir beim Treffen im Juli den o.g. Feldversuch selber durchführen? (Und hinterher den "zerhackten Schweineschinken grillen!) :]"


Hallo Benedikt,

wir sollten am besten beide Material sammeln und dann beim Treffen im Juli tatsächlich einmal life die Varianten prüfen und evtl auch einen "Schlagtest" durchführen.

Ich glaube das ist dann einfacher und aufschlußreicher, da man zeigen kann was man meint und dann auch gleich "testen" wie es funktioniert.

Aber um noch mal deutlicher zu erklären was ich mit Einschnürung meine:
 Zieh mal deinen Gambi + Kette an und schnüre von außen ganz eng einen Lederriemen um den Unterarm - dann das selbe OHNE Gambi - der sichtbare Unterschied ist groß und vor allem merkt man mit Gambi die Abschnürung durch den Lederriemen kaum - somit auch kein Risiko für Thrombose.Am Bein ist die Einschnürung im Gegensatz zum Arm deutlicher, da OHNE Polsterung auf dem Schienbeinknochen keine Einschnürung sichtbar sein dürfte - mit Polserung dann schon.

Ich hoffe ich konnte nun verdeutlichen was ich meine - habe schon mehrere Bilder und Grabplatten die so eine Einschnürung zeigen - aber teilweise in Büchern und ein Teil bekomme ich nicht hochgeladen.
Ich bringe das dann alles zum Treffen mit!

Gruß

William
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Benedikt von Söllbach

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Kettenbeinlinge
« Antwort #22 am: 08. Dezember 2008, 13:49:54 »
Hallo, leider weiß ich nicht, ob ich zum treffen kommen kann. Zum einen liegt das terminlich für mich schlecht und zum anderen ist das echt sehr weit zu fahren.

Ich weiß, was du mit der Abschnürung meinst, aber ich habe das noch nirgends auf Grabplatten oder Abbildungen gesehen.
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Kettenbeinlinge
« Antwort #23 am: 09. Dezember 2008, 10:07:25 »
@Benedikt - schade, ich würde gerne mal persöhnlich mit dir diskutieren und Erfahrungen austauschen - aber dann eben beim TT 09!


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Sodele und nun mal wieder eine meiner typisch "ketzerischen" Fragestellungen:


Folgender Hintergrund - ausgehend davon, das Menschen unter gleichen Bedingungen zu ähnlichen Schlüssen kommen sollten, habe ich mir mal Gedanken zu einem Post von Lancelot gemacht (bzw mich davon inspirieren lassen, da ich es ebenso sehe)

Zitat
Ich benutze wegen meiner berittenen Darstellung auch Stiefel die nicht "A" sind ( aber auch nicht auf den ersten Blick als modernes Schuhwerk erkennbar ) und ausserdem trage ich eine Wildlederhose in braun gehalten - auch nicht "A" - aber ich habe auch keine Lust mir beim reiten mit der Bruche den A.... aufzuwetzen  

Ich denke mal das jeder Reiter bestätigen kann, das der alte Spruch: ".......fest im Sattel sitzen...." in seiner ursprüngliche Bedeutung, durchaus berechtigt ist.

Ein guter, d.h. sicherer Sitz ist heute noch genauso viel wert wie vor ein paar hundert Jahren!

Wodurch erreiche ich einen sicheren Sitz?
Die Form des Sattels, die Sitzhaltung, und der Reibungswiederstand spielen hier neben den rein reiterlichen Fertigkeiten eine große Rolle.

Ich denke mal es ist mehr Fact als Spekulation wenn ich behaupte, das den Reitern im Mittelalter diese Dinge ebenso bekannt waren, wie einem neuzeitlichen Reiter.

So wurden die Sättel vorne und hinten besonders hochgezogen, da der mittelalterliche Reiter mit gestrecktem Bein Ritt und dadurch weniger Kontakt zum Pferd hatte als in der heutigen Sitzhaltung (mit angewinkeltem Bein) - dementsprechend war ein guter "Sitz" noch wichtiger.

Der Begriff "breeches" wird in der mittelalterlichen Lektüre oft nur mit einer bestimmten Form Beinlinge in Zusammenhang gebracht, aber er ist unter Reitern bis heute geläufig als "moderne" Bezeichnung für eine spezielle Reithose, die als allgemeines Merkmal eng anliegt und einen Lederbesatz am Gesäß und /oder Oberschenkel hat! (Bild unten zeigt mal nicht die typisch enge Form, dafür aber deutlich den Lederbesatz)

Zitat:breeches  
c.1205, a double plural, from O.E. brec, which was already pl. of broc "garment for the legs and trunk," from P.Gmc. *brokiz (cf. O.N. brok, Du. broek, O.H.G. bruoh, Ger. Bruch, obsolete since 18c. except in Swiss dialect), perhaps from PIE base *bhreg- (see break). The P.Gmc. word is a parallel form to Celt. *bracca, source (via Gaulish) of L. braca (cf. Fr. braies), and some propose that the Gmc. word group is borrowed from Gallo-L. Expanded sense of "part of the body covered by breeches, posterior" led to senses in childbirthing (1673) and gunnery ("the part of a firearm behind the bore," 1575). As the popular word for "trousers" in Eng., displaced in U.S. by pants c.1840. The Breeches Bible (Geneva Bible of 1560) so called on account of rendition of Gen. iii.7 (already in Wyclif) "They sewed figge leaues together, and made themselues breeches."



Im Spätmittelalter gab es speziellen "Reithosen" aus weichem, griffigen Leder  und auch die ebenfalls spätmittelalterlichen "Reitstiefel" waren eigendlich nichts anderes als lange, weiche  lederne Beinlinge.

Leder auf Leder gibt den Besten und sichersten Halt im Sattel - man "klebt" sozusagen im Sattel, d.h. man rutscht bei Seitwärtsbewegungen und Drehungen nicht so leicht - was besonders bei Geschicklichkeitsübungen (und im Kampf) sehr von Vorteil ist.

So wie Lancelot, würde auch ich bei Turnieren (mit schnellen Wendungen, Seitwärtsbewegungen etc. aus Sicherheitsgründen niemals auf diese zusätzliche "Hilfe" verzichten wollen - darf ich hier mal unterstellen, das diese "Sicherheit" auch für mittelalterliche Reiter von Bedeutung und daher bekannt war?

Warum aber schreibe ich das nun in DIESEN Thread?

Weil eben durch 1+1 schnell eine MÖGLICHE Erklärung auch für dieses Thema gefunden werden kann!

Ich fasse mal zusammen:

Lederne Reitbeinlinge waren den weltlichen Rittern bekannt.
Ein guter sicherer Sitz im Sattel war für den mittelalterlichen Reiter wichtiger als für den "Hobbyreiter" von heute - da lebenswichtig!

Eine zusätzliche Schutzschicht, wie obenrum beim Gambeson üblich, macht auch bei den Kettenbeinlingen Sinn - eine Schicht Leder würde deutlich mehr Sicherheit und Schutz bringen,als nur Wollbeinlinge.

Also meine Frage:

Würde man nicht zwei "Fliegen mit einer Klappe" schlagen, wenn man als mittelalterlicher Reiter die Reitbeinlinge, unter den Kettenbeinlingen, aus Leder macht ?........bzw. mit Leder verstärkt?

Leder war billig und als "Verstärkung" auch in allen Bereichen (nicht nur militärisch) beliebt !

Könnte es dann nicht auch sein das die Templer solche Lederbeinlinge trugen? (rein spekulative Frage!)

Wenn ja warum steht es dann nicht in der Regel?

Weil sie nicht getragen wurden (!) oder aber war es einfach nur zu banal und selbstverständlich um es extra zu erwähnen?

In jedem Fall gab es das im weltlichen Bereich.

(Ich denke mal dazu muß ich hier nicht extra Belege bringen - sollte auch so hinlänglich bekannt sein -  lediglich die "Zeitfrage" dürfte in dem Zusammenhang noch von Bedeutung sein!)

Wie gesagt nur ein Gedanke - zur Diskussion - gestützt auf modernen Fakten und reiterlichen Erkenntnissen!

Was meint ihr dazu?


Gruß

William
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Benedikt von Söllbach

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Kettenbeinlinge
« Antwort #24 am: 09. Dezember 2008, 10:52:22 »
Hallo!
Ich bin kein Reiter und kann daher deine Argumente nur bedingt nachvollziehen.
An sich hört sich das plausibel an. Die Details müsste man noch klären.

Zitat
Der Begriff "breeches" wird in der mittelalterlichen Lektüre oft nur mit einer bestimmten Form Beinlinge in Zusammenhang gebracht
Das was ich aus dem englischen als "Breeches" kenne bezeichnet immer die Bruche. Kommt aber wohl auch auf die Zeit und Thematik an, in der das geschrieben wurde.

Zitat
Würde man nicht zwei "Fliegen mit einer Klappe" schlagen, wenn man als mittelalterlicher Reiter die Reitbeinlinge, unter den Kettenbeinlingen, aus Leder macht ?........bzw. mit Leder verstärkt?
Würde man, vorrausgesetzt, die Lederfläche hat Kontakt zum Sattel/Pferd - was bei Kettenbeinlingen nicht der Fall ist, da auch die Innenseite des Beins mit Geflecht bedeckt ist.

Zitat
Leder war billig
Ich dachte bisher, Leder war aufgrund der aufwändigen Herstellung nicht besonders billig. Für jemanden (kämpfende Klasse), der sich ein Pferd und Rüstung leisten konnte, ist das aber wohl sowieso hinfällig.

Zitat
Könnte es dann nicht auch sein das die Templer solche Lederbeinlinge trugen? (rein spekulative Frage!)  Wenn ja warum steht es dann nicht in der Regel?  Weil sie nicht getragen wurden (!) oder aber war es einfach nur zu banal und selbstverständlich um es extra zu erwähnen?
Spekulativ könnte man "ja" sagen. genauso könnte man aber auch sagen "nein", weil bisher jeglicher Nachweis fehlt. Beim Detaillierungsgrad der Regel wäre so ein wichtiges Merkmal nicht ausgelassen worden, wenn an anderer Stelle (paar Artikel daneben) selbst banale Nebensächlichkeiten Erwähnung finden.

Zitat
In jedem Fall gab es das im weltlichen Bereich.  (Ich denke mal dazu muß ich hier nicht extra Belege bringen - sollte auch so hinlänglich bekannt sein - lediglich die "Zeitfrage" dürfte in dem Zusammenhang noch von Bedeutung sein!)
Soweit ich das meinem Lehnart entnehmen kann, sind diese Reitlederhosen ebenfalls spekulativ - gibts da inzwischen neue Erkenntnisse? Funde? Datierungen?
Wenn du da was hast, wäre das recht interessant und hilft uns evtl weiter.
Die Zeitfrage ist eine ganz besonders kritische und darf nicht immer vernachlässigt oder so grob betrachtet werden. selbst 50 Jahre waren auch im Mittelalter viel Zeit, man schaue sich nur die Entwicklungen der Rüstung zwischen 1200 und 1250 an. Man kann in keinem Fall sagen, nur weil es etwas um 1250 gab, dass es das deswegen auch um 1200 gegeben haben muss! Das ist nur dann plausibel (aber selbst dann strittig), wenn eine Fundlücke vorherrscht, also z.b. für 1150-1180 Belege existieren, aber dann erst wieder um 1220-1250. Nur dann kann man halbwegs sicher davon ausgehen, dass es den Gegenstand (etc) auch dazwischen gegeben haben könnte. Andernfalls nicht.
Das ist überspitzt so, als wenn man in 200 Jahren davon ausgehen würde, dass die Soldaten im WKI bereits mit dem G36 herumgelaufen sind. Oder vielleicht noch besser, dass um 1915 Farbbilder bereits die Regel waren.

Zusammengefasst würde ich aufgrund der Beleglage im weltlichen und Templerischen Bereich davon ausgehen, dass Reitbeinlinge oder eine lederne Reitbruche zur Zeit der Templer unbekannt waren. Fundiert ist das aber nicht, weil ich mich mit der Reiterei, den Sätteln und Reittechniken nicht ausgiebig befasst habe. Vergessen werden darf auch nicht, dass die Primärwaffe auf dem Pferd die Lanze war, mit dem Schwert wurde erst danach gekämpft.
Aufschluss könnte hier sicher ein Fachbuch über diese Themen bringen.
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Kettenbeinlinge
« Antwort #25 am: 09. Dezember 2008, 10:52:45 »
Noch mehr Sinn würde die Sache ergeben wenn man den Aspekt des Kettenschutzes des vorderen Beines ( hinten mit Lederbändern verschnürt) und die Lederbeinlinge kombiliert.

Quasi - Sattelauflage / Sitzfläche (Rau)leder + (Rau)leder Beinlinge oder Reiterbruche = klebt im Sattel wie Mr. Loctite.
Darüber die Kettenbeinlinge geschnürt = doppelte Wirkung - und zwar 1.) der tolle Halt im Sattel und 2.) die dämpfende Wirkung im Falle eines Schlages auf das Bein.

Eine einleuchtende Theorie - aber - warum steht nirgendwo was vermerkt darüber ? Kann das wirklich so banal und einfach normal gewesensein, daß es nicht nötig war darüber Aufzeichnungen zu machen ?
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Kettenbeinlinge
« Antwort #26 am: 09. Dezember 2008, 11:11:45 »
Zitat
Original von Lancelot vom See
Eine einleuchtende Theorie - aber - warum steht nirgendwo was vermerkt darüber ? Kann das wirklich so banal und einfach normal gewesensein, daß es nicht nötig war darüber Aufzeichnungen zu machen ?

Das ist genau der springende Punkt - es ist ja erstmal nur eine logische Kombination - aber ich werde da mal gezielt nachforschen und versuchen Belege zu finden.

Zu den Templern wird es da wohl nichts zu finden geben (einfach zu wenige erhaltene Belege)  - höchstens aus dem weltlichen Bereich.

Demnach würde diese These, für die Templerdarstellung,  auch spekulativ bleiben wenn ich Belege für weltliche Ritter finde - aber es ist einfach zu "einleuchtend einfach" um da nicht weiter nachzuhaken!

Ich lasse es euch wissen wenn ich irgendetwas finde!

Gruß

William
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Kettenbeinlinge
« Antwort #27 am: 09. Dezember 2008, 11:20:48 »
DO ist da noch schwieriger  *sadangel*
Von uns gibt es gar keine Aufzeichnungen über solche Dinge - der DO hat es wahrscheinlich nicht so wichtig genommen den Ritterbrüdern alles bis ins Kleinste vorzuschreiben  *smoky*
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« Antwort #28 am: 09. Dezember 2008, 12:43:36 »
Also wenn es sowas zur fraglichen Zeit im weltlichen Bereich gab und es verbreitet war, dann wäre es nicht all zu abwegig. Klar nicht belegbar, aber zumindest könnte man dann eine ernsthafte These aufstellen.
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Kettenbeinlinge
« Antwort #29 am: 10. Dezember 2008, 10:38:27 »
Ich fürchte wir werden da keine Quellen finden, denn für unsere Zwecke müßten wir einem Adligen in den Schritt, bzw unter das Gewand schauen können - ich kenne aber nur 2 Bilder in denen man einen Adligen "von unten" sieht!

War ja auch nicht grade populär zu einer Zeit in der idealisiert dargestellt wurde und in der im weltlichen Bereich das zur Schau stellen von Macht über Kleidung/Rüstung ging.

Übrigens ist Lehnert in "Kleidung und Waffen der Früh- und Hochgotik", auf Seite 44 zu einem ähnlichen Schluß gekommen wie wir!

Zitat:"...,da der Stoff...beim Aufsteigen und im Spreizsitz zum Ausreißen neigt und die Stofffalten auf der Schenkelinnenseite das Wundreiten begünstigen. Obwohl es auch Abbildungen von Reitern gibt, die eine solche faltenreiche Unterhose tragen, muß doch bezweifelt werden, daß die Ritter, die Tage und Wochen im Sattel zubrachten, unabhängig von der Witterung, unter ihrem Rock nichts außer einer dünnen Leinenunterhose getragen haben sollen.
Zwar sind hirschlederne, mit Stoff gefütterte Reit(unter)hosen erst für die Mitte des 14. jhd urkundlich nachgewiesen, doch halte ich es aus praktischen Gründen für wahrscheinlich, daß ähnliche Hosen schon im 13. Jhd getragen wurden.
Obwohl es hiervon keine Darstellungen gibt - auch nicht aus dem 14. Jhd - , weil man einen Adligen prinzipiell  nicht in Unterhosen abbildete, ist dies für mich allein kein Grund, die Existenz einer speziellen Reitunterhose für das 13. Jhd. zu verneinen............"Zitat Ende

Lehnert geht hier noch von anderen praktischen Überlegungen aus, die jedoch unsere These nur untermauern!
Zumal wie oben erwähnt damit nicht nur der Sitz im Sattel besser wäre, sondern auch die Kettenbeinlinge weniger rutschen, besseren Schutz bieten und die Schnürung weniger "abschnüren" würde!

Ich denke mal die Summe aller Überlegungen und die Tatsache, das die Erfahrungen heutiger Reiter sich kaum von denen der Ritter unterscheiden dürften, läßt diese These sehr plausibel erscheinen.

Auch die später völlig geschlossenen Röhrenkettenbeinlinge waren im Schnitt eher wie "normale" Beinlinge, so das am inneren Oberschenkel und am Gesäß - bei einer ledernen Reit(unter)hose, der gleiche Effekt (antirutsch) auftritt, wie bei den modernen, lederbesetzten Reithosen (evtl hat sich daher auch der mittelalterliche Name für diese (Reit-) Hosen bis heute erhalten).

Ich werde nochmal schauen was andere Autoren zu dem Thema sagen!

Gruß

William


p.s. Lehnert geht davon aus, das Unterwäsche (außer besagter Reitkleidung) immer aus Leinen war - macht von der Reinigung auch mehr Sinn, denn Wollunterwäsche kann nunmal nicht gekocht werden und bei meinen Kindern habe ich oft schon, mit Baumwolle, das Problem das  - trotz Kochwäsche und Maschine - die "Hinterlassenschaften" kaum raus zu bekommen sind!^^


EDIT:
@Benedikt zum Thema Leder schreiben mehrere Autoren, das z.B. Schuhfunde belegen, das auch beim einfachen Volk Schuhe auch schon mit kleinsten Mängeln weggeworfen wurden und somit billiges Verbrauchsmaterial waren - es wäre also unlogisch wenn die Schuhe billig, aber das Leder teuer war.
Natürlich hängt auch hier wieder der Preis von der Qualität/Farbe und Art des Ausgangsmaterials ab.
Ist es nicht klüger zu akzeptieren, dass man nichts Genaues weiß, als sich auf tönernen Füßen Wahrheiten aufzubauen?