Autor Thema: Wandmalereien in der Gamburg  (Gelesen 14566 mal)

Walram von Limburg

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Wandmalereien in der Gamburg
« am: 23. Mai 2013, 00:33:26 »
Mittlerweile suche ich mir meine Urlaubsorte nach historischen Gegebenheiten aus, vorzugsweise Hochmittelalter. Auf meiner Liste stehen noch ganz viele schöne Orte, die im Moment leider nicht wirklich gefahrlos bereist werden können.

Ich weiß nicht, inwieweit das noch aktuell ist (auch die Kinder sind ja mittlerweile zwei Jahre älter geworden), aber ich hätte da noch eine lohnende Strecke für die Liste mit drei staufischen Burgen und einem Zisterzienserkloster auf weniger als 30 Kilometern.

Da ist zunächst die Henneburg (Ruine), ehemals Deutscher Orden, über Stadtprozelten am Main mit schönem Ausblick vom Südrand des Spessarts über das Maintal zu den Ausläufern des Odenwalds. Nächste Station wäre ca. 12 Kilometer weiter die Burg Wertheim, eine gewaltige Ruine mit Gastwirtschaft und tollem Blick vom Bergfried über die alte Stadt, das Maintal und das Taubertal. Hier hat sich auch Wolfram von Eschenbach, der Ministerialer der Grafen von Wertheim war, zeitweilig aufgehalten (Parzival). Nächster lohnender Halt (11 km) ist das vielfach für Kulturveranstaltungen genutzte Zisterzienserkloster Bronnbach/Tauber, das Mitte des 12. Jahrhunderts entstanden ist. Eine Besichtigung lohnt sich auf jeden Fall. Die Klosterkirche wurde 1157 begonnen, der Kreuzgang mit Brunnenhaus stammt aus dem 13. und 14. Jahrhundert. Letzte Station (7 km) ist die Gamburg über dem gleichnamigen Dorf an der Tauber. Sie ist bewohnt und in Privatbesitz, es werden aber Führungen und diverse Veranstaltungen angeboten. Absolutes Highlight ist hier der mittelalterliche Palas mit seit der Renaissance zugemauerten Bogenarkaden und den ältesten profanen Wandmalereien nördlich der Alpen von 1200. Erst nach dem Erwerb der Burg durch die jetzigen Eigentümer, die Familie v. Mallinckrodt, wurden Arkaden und Malereien entdeckt und freigelegt. Die Gemälde zeigen u.a. Szenen aus dem Dritten Kreuzzug, z.B. die Erstürmung von Iconium am 18. Mai 1190.

Ein paar Kilometer weiter westlich sind bei Amorbach die mittelalterlichen Ruinen der Wildenburg (vermuteter Gast: Wolfram v. Eschenbach, Parzival) und der Gotthardsberg einen Besuch wert. Auf letzterem hat Friedrich Barbarossa 1168 die Burg Frankenberg schleifen lassen, dann entstand ein Frauenkloster, von dem die Ruine der Klosterkirche erhalten ist.

Deine Signatur finde ich übrigens gut. ;)
« Letzte Änderung: 23. Mai 2013, 23:01:18 von Walram von Limburg »
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Cornelius

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Fresken in der Gamburg
« Antwort #1 am: 23. Mai 2013, 07:38:59 »
Pardon wegen offtopics, aber...
[...] die Gamburg [...] wurden Arkaden und Malereien entdeckt und freigelegt. Die Gemälde zeigen u.a. Szenen aus dem Dritten Kreuzzug, z.B. die Erstürmung von Iconium am 18. Mai 1190.
DAS will ich sehen. Dazu findet man nicht einmal im Netz Bilder. Bekommt man davon irgendwie Material oder sind Fotografien, womöglich mit Stativ, streng verboten? Erkennt man noch nennenswert etwas darauf?

Walram von Limburg

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Fresken in der Gamburg
« Antwort #2 am: 23. Mai 2013, 10:10:56 »
Ich kann Dir einen fünfseitigen Zeitungsartikel, ich glaube von 2009, als PDF-Datei zur weiteren Information anbieten. Der enthält auch Bilder. Es gibt eine stärker komprimierte Version von etwa 2,2 MB, die zum Lesen völlig ausreicht, außerdem eine etwas höher aufgelöste von 7,4 MB, bei der man durch Skalieren etwas mehr auf den Fotos erkennt. Ich habe beide Dateien in die Cloud geschoben und kann jedem, der mir eine E-Mail-Adresse schickt, den Zugriff auf die beiden Dateien freigeben.

Ein Besuch lohnt sich allemal. Fotografieren mit Stativ wird wohl nichts. Das ist auch bereits geschehen. Ein Freund von mir und ich haben dort mehrere Nächte im November 2009 mit Strahlern und einer Großformatkamera verbracht und alle vier Wände des Palas mit hoher Auflösung aufgenommen. Bei einer zweiten Aktion, an der ich aus Zeitmangel nicht beteiligt war, hat mein Freund alles nochmals mit Infrarotfotografie erfasst, was im Detail hier und da weitere Aufschlüsse brachte. Die sehr umfangreichen Fotodaten (auf eine CD passt gerade eine Aufnahme) sind der Eigentümerfamilie und der Wissenschaft zur Verfügung gestellt worden. Was davon wann und wo veröffentlicht werden wird, weiß ich nicht. Von den größeren Bildszenen gibt es aber auch kleinere, noch gut aufgelöste Aufnahmen, die sich zum ausführlichen Betrachten eignen, aber nicht für photogrammetrische Untersuchungen. Das Wesentliche sieht man aber auch schon in dem Zeitungsartikel.

Vielleicht sollte man einen Administrator bitten, diesen speziellen Teil des Threads als eigenes Thema an geeignete Stelle zu kopieren. Denn bei Maras Vorstellung sucht das auf die Dauer niemand mehr.

Walram
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Re:Fresken in der Gamburg
« Antwort #3 am: 23. Mai 2013, 17:15:11 »
Vielen Dank, ist angekommen. Das ist ja wirklich ein Schatz; die Zahl solcher Fresken in Europa sollte sich in engen Grenzen halten. Und mal wieder sieht man keine richtigen Waffenröcke, wie es so typisch im 12. Jahrhundert zu sein scheint.

Walram von Limburg

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Re:Fresken in der Gamburg
« Antwort #4 am: 23. Mai 2013, 23:00:44 »
Kleine Korrektur: Es handelt sich nicht um Fresken, also um al fresco in den feuchten Putz gemalte Bilder, sondern um al secco, auf das Trockene, aufgetragene Malereien.
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Re:Wandmalereien in der Gamburg
« Antwort #5 am: 23. Mai 2013, 23:04:38 »
Sehr spannend finde ich den Rosspanzer.
Es handelt sich um ein Pferd mit Panzerreiter, da selber eine Art Schabracke aus Kettengeflecht trägt.
Für die Zeit erstaunlich - vielleicht irrt Körner mit seinem "Rosspanzer" ja doch nicht? Hier haben wir jedenfalls einen Beleg für sowas.
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Walram von Limburg

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Re:Wandmalereien in der Gamburg
« Antwort #6 am: 24. Mai 2013, 00:36:37 »
Ich möchte in diesem Zusammenhang auch noch auf echte Fresken aufmerksam machen, die sich in einer ganz tollen mittelalterlichen Burg befinden, dem Schloss Rodenegg in Rodeneck/Rodengo am Eingang des Pustertals in Südtirol. Dort befindet sich ein sehenwerter Fresken-Zyklus zum Iwein-Lied, der im ersten Viertel des 13. Jhdts. entstanden sein dürfte. Die Burg ist jedoch älter. Mein Tipp: Burg und Fresken unbedingt anschauen, wenn man mal über den Brenner kommt!

Anekdotenhaftes kann ich dazu ebenfalls berichten, wobei einmal eine alte, vornehme, gebildete Dame und einmal eine junge, hübsche Studentin der Kunstgeschichte eine Rolle spielen.

Ich habe die Fresken zum ersten Mal Ende der 1970er Jahre gesehen und wurde von der Hausherrin, der alten Baronin von Call geführt, einer geborenen Gräfin von Wolkenstein-Rodenegg. Das Feuer, das die betagte Dame in sich trug, und die Begeisterung für diesen ungeheueren Kunstschatz, den sie noch erleben durfte, riss einen wirklich mit. Ihre Führung wird mir unvergessen bleiben.

Da ich seit Jahrzehnten mit meiner Frau wenigstens einmal im Jahr im Dorf Rodeneck Urlaub mache, war ein erneuter Besuch der Fresken nur eine Frage der Zeit. Irgendwann vor zehn oder 15 Jahren war es so weit. Wir waren diesmal nicht im Herbst, sondern schon im August in Südtirol, in der Zeit um Ferragosto, wenn in Italien Stillstand der Rechtspflege herrscht, weil das ganze Land in Ferien ist. Auch Südtirol ist um diese Zeit fest in der Hand der Gäste aus der Lombardei oder aus Venetien, die Deutschen kommen meist erst im Herbst.

An einem wahnsinnig heißen Tag wollte meine Frau unbedingt im nahen Brixen shoppen, wozu ich partout keine Lust hatte. Also ließ ich ihr das Auto und nahm mir vor, mit Muße nochmals die Iwein-Fresken anzuschauen, die sich damals schon großer Bekanntheit erfreuten, anders als zu Zeiten der alten Baronin Call, die nun inzwischen verstorben war. Ich machte mich also auf den etwas viertelstündigen Fußweg vom Hotel zum Schloss. Auf der Brücke vor dem Schlosstor, der ehemaligen Zugbrücke sahh ich zu meinem Erschrecken schon mindestens 30 bis 40 wartende Touristen stehen. Da mir die engen Verhältnisse im Innern geläufig waren, schwante mir Böses für die Führung und den zu erwartenden Kunstgenuss.

Einige Minuten später öffnete sich das Tor. Eine ältere und eine junge Frau traten heraus, um die wartende Herde nach italienisch- und nach deutschsprachigen Besuchern zu trennen: Italiener auf die linke Seite, die Deutschen auf die rechte. Zu meinem Erstaunen und nicht geringer Erleichterung sah ich kurz darauf 30 oder 40 Italiener auf der gegenüber liegenden Seite sich aufstellen. Auf meiner Seite sah ich niemanden - ich war der einzige Deutsche! Da mich obendrein noch das Los traf, dass die hübsche Studentin der Kunstgeschichte die deutschsprachige Führung machte, wurde diese zweite Begegnung mit Iwein zu einem ähnlich interessanten Erlebnis wie die erste - ein vergnügliches Privatissimum der anregenden Art.

An einem Punkt musste ich der jungen Dame allerdings widersprechen, als sie ansonsten kenntnisreich die einzelnen Fresken im Detail beschrieb. Wiederholt machte sie auf die geschlossenen Augen der Figuren aufmerksam, die sie mit angeblicher Trauer über die jeweils gezeigten Ereignisse begründete. Das erschien mir nicht in jedem Fall schlüssig, und ich schaute wieder und wieder hin. Bis es bei einer Darstellung zum Aha-Erlebnis kam. Wenn man scharf hinschaute, waren in den Augäpfeln deutlich Reste weißer Farbpigmente zu erkennen, verblasst zwar, aber noch da. Und als ich dann die anderen Augen erneut anschaute, die auf den ersten Blick fleischfarben und deshalb wie geschlossene Lider aussahen, entdeckte ich plötzlich noch mehr solche Stellen. Ganz klar, die hatten alle ihre Augen offen. Nur war die weiße Farbe viel stärker verblasst als die anderen Farben, etwa der Gewänder.

Als ich meine Führerin darauf ansprach, war sie zunächst sicher, dass ich irrte. Aber ich beharrte und forderte sie auf, diese und jene Stelle doch einmal genau anzuschauen - da, am linken Auge, neben der Nase! Man sah die Erleuchtung regelrecht kommen und auch, wie sie kurz darauf einer gewissen Bestürzung wich, dann leichter Verwirrung und Ratlosigkeit Platz machte. Die junge Frau löste die Situation mit einem Lachen und dem Eingeständnis, dass sie die Augen der Figuren plötzlich mit anderen Augen sehe, dies aber erst einmal verarbeiten müsse.

Bald darauf endete am Tor der anregende Rundgang, bei dem alle Beteiligten etwas gelernt hatten, und ich versuchte, durch ein sehr ordentliches Trinkgeld das Pech der Studentin auszugleichen, eine so kleine "Gruppe" erwischt zu haben.

Auch wenn ich für Alter und Schönheit des heutigen Führungspersonals keinerlei Garantie übernehmen kann, kann ich Schloss Rodenegg besten Gewissens empfehlen. Die Zeit um Ferragosto scheint besonders gut geeignet zu sein, da landet man leichter in der kleineren Gruppe.

Walram
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Re:Wandmalereien in der Gamburg
« Antwort #7 am: 24. Mai 2013, 09:03:03 »
OK, Fresken werden auf feuchten/frischen Putz gemalt, da war ich leider nicht Kunstgeschichtler genug. Danke für die Aufklärung (und für die Dateien; ich dachte, du hättest die Antwort hier gelesen, aber die war zweideutig, das stimmt, Pardon!). Rodenegg war übrigens das von mir erwähnte Kleinod, das ich vor kurzem im Zuge meiner Schildberiemungsrecherchen gefunden habe. Auch dort sieht man, dass ein Dreiecksschild nicht am Unterarm angeschnallt wird, wie das heute gern allerorts angenommen wird.

@Rosspanzer: Wie wird der bei Körner geschrieben? So auf jeden Fall finde ich ihn per Suche im abgetippten Dokument nicht. In irgendeiner spanischen Quelle habe ich mal recht viele dieser "Ringpanzerschabracken" gesehen, müsste aber frühes 13. Jh. gewesen sein.

Walram von Limburg

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Re:Wandmalereien in der Gamburg
« Antwort #8 am: 24. Mai 2013, 11:58:23 »
Das Interesse hier im Forum an den 800 Jahre alten Wandmalereien auf der Gamburg hat gestern zu einem spontanen Kontakt mit der Eigentümerfamilie geführt, bei dem ich erfahren habe, dass die von der Wissenschaft ursprünglich angenommene Iconium-Verortung des dargestellten Sturms auf eine Stadt, die von der Familie Mallinckrodt ohnehin früh bezweifelt worden ist, sich mittlerweile der Einnahme von Adrianopel am 22. November 1189 angenähert hat. Die Schiffsszene rechts davon stellt demnach den Übergang über den Hellesponst vom 22. bis 28. März 1190 dar. Weiteren Aufschluss könnte ein wissenschaftliches Symposion bringen, das möglicherweise im kommenden Jahr auf der Gamburg stattfinden soll.

Das nur als Ergänzung, bevor sich Iconium allzu sehr verfestigt.

Walram
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Daniel

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Re:Wandmalereien in der Gamburg
« Antwort #9 am: 25. Mai 2013, 10:44:59 »
Moin!

überlese ich grad was oder habt ihr euch den Artikel nur per MAil herumgeschickt?

Gruß
Daniel
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Walram von Limburg

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Re:Wandmalereien in der Gamburg
« Antwort #10 am: 25. Mai 2013, 11:26:01 »
Hallo Daniel,

ich kann das, was ich Cornelius und allen anderen oben (3. Posting im Thread) angeboten habe, auch Dir anbieten. Wegen der Größe der Datei gibt es keinen Mail-Versand. Hier hereinstellen (=veröffentlichen) kann ich das aus Gründen des Urheberrechts auch nicht.

Gruß Walram
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Walram von Limburg

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Re: Wandmalereien in der Gamburg
« Antwort #11 am: 17. Oktober 2017, 22:19:00 »
So, ich bin nach langer Pause wieder mal zurück. Ich weiß nicht, ob jemand von Euch mittlerweile auf der Gamburg gewesen ist.

Das von mir 2013 in Aussicht gestellte wissenschaftliche Symposion zur Gamburg hat mit prominenter Beteiligung im Oktober 2014 im Staatsarchiv Wertheim im nahen Kloster Bronnbach und auf der Gamburg stattgefunden. Veranstalter war das Landesarchiv Baden-Württemberg.

Ich habe an der sehr bereichernden zweitägigen Veranstaltung teilgenommen und hervorragende Vorträge gehört.

Gruß Walram

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