Autor Thema: Der Schwertstreich und seine Folgen....  (Gelesen 29668 mal)

Cornelius

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Re:Der Schwertstreich und seine Folgen....
« Antwort #15 am: 15. Mai 2012, 15:51:00 »
Das Problem mit dem Fechten der Fechtbücher ist, dass es zumeist "zivil" ist, also dezidiert nicht-militärisch (schon das Bucklerfechten im I.33 ist ja Bloßfechten). Selbst wenn wir ein optimiertes Fechten in Rüstung und mit großem Schild unterstellen (was es mMn gegeben hat, auch wenn es garantiert anders als Reenactment-Gekloppe oder dieser Vollkontakt aussah), kann das angesichts der ganzen Hack- und Wuchtwaffen (allein in der Mac-Bibel!) nicht als "schlachtfeldrepräsentativ" gelten. Und da sind jetzt noch nicht einmal die Lanzen in Betracht gezogen... Aber prinzipiell sehe ich das so wie du. Der Ringpanzer nimmt viel weg (in erster Linie das Eindringen der Klinge), ist aber kein Rundumsorglospaket. Das gibt es ja (in der breiten Anwendung) bis heute nicht, sonst würden die Amerikaner im Nahen Osten statt ihrer Splitterschutzwesten diese Bombenentschärfungsanzüge tragen.

PS: Roland Warzecha meinte, er wolle auch mit Dreiecksschilden experimentieren. Seine Ansätze zum Rundschild (siehe hier) sind bereits sehr interessant; und wenn ich mir seine Ankündigung auf der (derzeit) zweiten Kommentarseite anschaue, werde ich mir das Symposium in Freiburg vielleicht auch antun.

Berthold von Krukow

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Re:Der Schwertstreich und seine Folgen....
« Antwort #16 am: 15. Mai 2012, 22:58:54 »
Ja ich war selbst etwas schockiert, welche Wirkung mein Schwert auf die Schweinehälfte hatte. @William, für die Wissenschaft bring ich das Opfer, mein Schwert an einem Kettenhemd auszuprobieren.

Zum Thema Kettenhemd haben wir übrigens eine interessante Erfahrung gemacht. Wir haben ein Stück vernietete Kette mit einem 40-Pfund-Bogen aus ca. 10 Metern entfernung beschossen. Wie erwartet drangen die schlanken als "Panzerbrecher" bezeichneten Pfeile durch die Kette, allerdings nicht so tief wie sie ohne Kette in die Zielscheibe eindrangen. Die breiteren Pfeilspitzen prallten beim selben Beschuß jedoch von der Kette ab und hinterließen kaum sichtbare Spuren.
Unterstellt man nun, da´die meisten Pfeile ballistisch abgeschossen wurden und grad zu Beginn der Kreuzzüge keine Panzerbrecherspitzen katten, ferner die Metallurgie der Ringherstellung zwar nicht so gut war wie heute Aber die der Pfeilherstellung ja auch nicht, kann man davon ausgehen, daß ein vernietetes Kettenhemd einen gewissen Schutz auch gegen Pfeilbeschuß bot.

Die Untersuchungen werden fortgesetzt.

Gruß

Berthold
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Jungraban

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Re:Der Schwertstreich und seine Folgen....
« Antwort #17 am: 05. Juni 2012, 18:46:26 »
Mh, also 40 Pfund scheinen mir wenig tauglich für solche Tests. Da auch die Pfeile deutlich weniger Gewicht haben. Aus diesen Grund wurde viel später ja auch der hochpfündige Langbogen entwickelt. Einfach um schwerere Pfeile zu verschießen. Und dünne Spitzen gibts schon seit der Römerzeit.
Was man nicht vergessen sollte, wirkt bei einem fallendem Pfeil die Erdanziehung mit 9,81sec/2. Und das ist nicht ohne. Viel spannender als die Kette wäre das drunter. Wenn etwas einen Pfeil bremst oder aufhält, dann wird es das drunter gewesen sein, nicht die Kette.
Bei einem Schwertstreich kommt es darauf an mit welchem Winkel die Schneide auftrifft und ob sie gezogen wird. Bei einem Reiter dürften da auch noch ganz andere Kräfte wirken.
Bono Mellius

Cornelius

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Re:Der Schwertstreich und seine Folgen....
« Antwort #18 am: 05. Juni 2012, 22:06:32 »
Wenn die Kette wirklich auf einer Scheibe auflag, ist die Aussagekraft tatsächlich gering (nun ja, besser als nichts und ausprobieren kann man ja alles mal). Dass es aber tatsächlich in erster Linie das Panzergeflecht ist, was Pfeile, Bolzen und auch Klingen davon abhält, in den Körper einzudringen, sollte mMn nicht vergessen werden, nur weil alle von Gambesons so begeistert sind. Eine textile Panzerung muss wesentlich stärker sein, um die Schutzwirkung vor Penetration von Ringgeflecht zu erreichen, und ist dadurch recht schnell hinderlich. Aber das, was den Soldaten/Ritter/Fechter im Kampf am sichersten vor Verletzungen schützt, ist seine Mobilität und Ausdauer, nicht etwa eine dicke Schutzschicht.

Meinst du mit der "gezogenen Schneide", dass daduch Hiebkraft verloren ginge? Das halte ich spontan nicht für sonderlich ausschlaggebend, viel weniger aber denke ich, dass man Ringgeflecht mit Schnitten beikommen kann, denn dagegen ist es ja die beste Versicherung. Die Entwicklung der Schwerter ab dem 11. Jahrhundert geht ja gerade hin zum Stich als potentiell panzerbrechendem Angriff, daher die rhombischen Klingenquerschnitte, die allmäglich die Hohlkehlung verkürzen.

Jungraban

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Re:Der Schwertstreich und seine Folgen....
« Antwort #19 am: 05. Juni 2012, 23:59:32 »
Mit gezogener Schneide meine ich, ob der Hieb stumpf ausgeführt wird, oder ob der Schnitt bewegt wird. Die größte Geschwindigkeit erreicht ein Schwert bekanntlich im Ort. Säbelklingen waren nicht umsonst gefürchtet. Nicht weil sie besonders gut stachen. Durch die gekrümmte Schneide schnitten sie hervorragend. Und das Kettengeflecht ein guter Schutz gegen Pfeile sind halte ich für schlichtweg falsch. Dünne Spitzen dringen einfach durch die Kette. Linothorax war nur aus Leinen und ein hervorragender Schutz gegen Pfeile. Leider nicht nachweisbar für unserer Zeit. Aber Leder in Verbindung mit Leinen funktioniert ebenfall recht gut.
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Benedikt von Söllbach

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Re:Der Schwertstreich und seine Folgen....
« Antwort #20 am: 06. Juni 2012, 08:10:28 »
Ich hab zu dem Thema vor einiger Zeit mal einen interessanten Beitrag zu dem Thema eingestellt:
Hubert Sudhues: "Wundballistik bei Pfeilverletzungen" (http://miami.uni-muenster.de/servlets/DerivateServlet/Derivate-1984/SUDHUES.PDF). Die beinhaltet sehr interessante Bilder und auch interessante Erkenntnisse, wie eben die, dass im Gefecht, wo man meist keine optimalen Beschusswinkel erreicht, an der Kette sehr wohl viele Pfeile abgeprallt sein müssen, d.h. das Panzerhemd einen wertvollen Beitrag zum Schutz vor Beschuss bietet.

Wichtig ist auch, dass gerade für die mittlere Zeit der Templer, also um das Ende des 12. Jhd herum, kaum Nachweise für textilpanzerungen unter dem Panzerhemd existieren. Wir überschätzen glaube ich systematisch die Häufigkeit des Einsatzes von Textilpanzern zu der Zeit. Selbst in der Mac-Bibel sieht man kaum Nachweise für Textilpanzer unter der Kette.

Um wieder zum Thema zurückzukehren: Oft unterschätzt wird auch der Einsatz von Wuchtwaffen (Keulen), der wohl sehr häufig war. Wir haben immer den Schwertschwingenden Ritter im Kopf, aber ich glaube, das ist so nicht richtig.
Das Schwert dürfte hauptsächich gegen ungepanzerte Gegner eingesetzt worden sein, wenn jemand Kette trug, setzte man einfach seine Keule ein, die ja für die Templer sogar als "Standardausstattung" über die Ordensregel belegt ist.
Erkenntnisse zum Thema "Schwert und Kette" sind also wohl nur die halbe Miete.


Ich würde das so zusammenfassen:
Gegen ungepanzerte Ziele ist ein Schwertstreich leicht nachvollziebar ziemlich verheerend ;)
Gegen gepanzerte Ziele ist das Schwert nur ein "Notnagel", der aber immer noch wirkungsvoll sein kann.
« Letzte Änderung: 06. Juni 2012, 08:14:20 von Benedikt von Söllbach »
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Re:Der Schwertstreich und seine Folgen....
« Antwort #21 am: 06. Juni 2012, 23:26:34 »
Zusätzlich zu Benis Ausfürhungen (Danke für den Link nebenbei!):
Die größte Geschwindigkeit erreicht ein Schwert bekanntlich im Ort.
Das passiert vielleicht, wenn man große Kreisbögen schlägt, aber dann entsteht noch keine Schnittwirkung, es hat höchstens die größte kinetische Energie beim Aufprall. Ein Schnitt danach würde davon kaum profitieren. Dazu kommt, dass uns z.B. die Hs 3227a empfiehlt, den Ort zum Gegner schießen zu lassen, als ob er an einer gespannten Schnur entlangführe. Das spricht gegen Kreisbögen, betont aber vielmehr die Wirkung des Schnittes und die Bedrohung durch den Ort. Aber das ist tatsächlich Duellsituation und weniger etwas für's Schlachtfeld.
Zitat
Linothorax war nur aus Leinen und ein hervorragender Schutz gegen Pfeile. Leider nicht nachweisbar für unserer Zeit. Aber Leder in Verbindung mit Leinen funktioniert ebenfall recht gut.
...ist aber leider auch nicht nennenswert häufig durch Quellen belegt. Der Linothorax besteht zudem auch aus Schichten und ner Menge Leim, ist also eine relativ starre Rüstung und an den Oberarmen hört die Panzerung auch schon auf. Zusammen mit der wohl doch brauchbaren Schutzwirkung von Ringgeflecht ist das kaum ein Pluspunkt, so toll die Rüstung auch sein mag (wenn ich irgendwann mal groß bin und zuviel Geld und Zeit habe, mache ich auch mal Hoplitenreenactment). Die Byzantiner haben ihre aus türkischem Pfeilhagel kommenden Kameraden auch als Stachelschweine bezeichnet, da sie überall gespickt waren – aber nicht tödlich verwundet (ich muss mal wieder die Quelle dessen heraussuchen, so oft wie ich das zitiere).

Eine andere schöne Theorie bezüglich der Schwert-Schild-Arbeit kann ich an dieser Stelle noch vorstellen, dass nämlich die am Arm befestigten gebogenen Dreiecksschilde kaum erlaubten, die Schwerthand beim Hieb zu schützen, wie das ein zentral gefasster gerader Schild tun kann. Und gerade als die Dreiecksschilde langsam aufkamen, mehrten sich die langärmeligen Ringelpanzer... (s. Stephen Hand: "Further Thoughts on Large Shields", SPADA Nr. 2, S. 62f.)

Lancelot Graf von Rothenfels

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Re:Der Schwertstreich und seine Folgen....
« Antwort #22 am: 07. Juni 2012, 08:07:31 »
@Beni -  Danke für den Einwurf mit Keulen und Flegel .... da sollten wir vielleicht in der Darstellung noch daran arbeiten und unser Denken reformieren.

@Berthold  -  Die Beschusstests mit Pfeil auf Kette sind bereits fixer Bestandpunkt für die Rosenburg 2013  .... Sience goes RB  ;)
« Letzte Änderung: 07. Juni 2012, 12:15:02 von Lancelot Graf von Rothenfels »
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Re:Der Schwertstreich und seine Folgen....
« Antwort #23 am: 07. Juni 2012, 11:03:33 »
Also Schnittschläge mit dem Ort lassen sich heute noch sehr gut beim Kendo nachvollziehen. (auch wenn man da die Klinge mit beiden Händen führt) Sie sind nicht nur sehr präzise sondern auch sehr Wirkungsvoll.
Berichte über "Stachelschweinkameraden" finden sich auch bei denn Kreuzzügen. Pfeile auf Kette haben wir schon manigfach versucht. Selbst Pfeile mit runder Knochenspitze (vom Pferd) gehen durch eine Kette locker durch. Die Spitzen brechen dabei zwar, aber sie brechen immer Spitz. Knochsplitter möchte keiner im Körper haben. Für Bögen im 60lbs Bereich und darüber, stellt ein Kettenhemd nur einen geringen Widerstand dar. Deshalb auch meine Annahme, das es auf das drunter ankam.
Nicht nur Keulen haben eine stumpfe Schlagwirkung. Auch Schwerter haben diese. Selbst wenn das Schwert nicht schneidet, macht ein Schlag mit Sicherheit Aua.
Von Steinen oder gar Bleien red ich gar nicht.
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Re:Der Schwertstreich und seine Folgen....
« Antwort #24 am: 07. Juni 2012, 19:00:58 »
Die Absicht des Kampfes wr - glaube ich - damals auch eine ganz andere als heute. Sicher gab es auch die Absicht den Gegner zu besiegen, aber das geschah ja nicht in erster Linie und ausschließlich durch das Töten.
Die Absicht war es doch eher eine zahlenmäßige Überlegenheit herzustellen, in dem so viele Gegner wie möglich kampfunfähig gemacht wurden. Verletzte Gegner waren zudem viel einträglicher als tote, konnte man sie dch in die Sklaverei verkaufen oder bei entsprechendem Rang und Ansehen gegen gutes Lösegeld freikaufen lassen.
Eine kampferfahrene und disziplinierte Einheit, wie die Ritterorden, wird hier immer gute Chancen gehabt haben, da die nicht beim ersten Pfeilhagel oder wenn der erste Kamerad neben einem fiel in Panik verfallen sind.
Zurück zur Wirkung eines Schwertstreiches.
Bei Thalhoffer und Lichtenauer wurde auf saubere technik wert gelegt, hier waren Treffer mit Sicherheit verheerend. Im Schlchtgetümmel war es eher zufall, wenn man ein suberer Schnitt oder Hieb plaziert werden konnte.
Jeder der irgendeinen Kampfsport praktiziert hat, weiß das. Die Technik, die man im Unterricht lernt ist das eine. Im Wettkampf sieht man die dann aber eher selten, weil jeder versucht zu verhindern, daß der Gegner eine subere Technik durchziehen kann.
Am Ende gewinnt der, der sein Handwerk besser beherrscht - oder mehr Glück hatte.

Eine still stehende Reistrohmatte oder eine Schweinehälfte zu zerteilen, die still an einem Gestell baumelt, ist sicher ganz etwas anderes, als ein bewegliches Ziel zu treffen und zu zerlegen. Ich werd dazu meine Versuche fortsetzen und Euch daran teilhaben lassen.
Wer die Videos mal sehen will, die wir auf der Rosenburg gemacht haben - die Vorführung am Schwein ist zum Glück noch nicht im Umlauf (hoffe ich zumindest) kann sich ja mal bei mir melden.

Berthold
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Thomas W.

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Re:Der Schwertstreich und seine Folgen....
« Antwort #25 am: 04. November 2017, 08:12:34 »
Die Entwicklung der Schwerter ab dem 11. Jahrhundert geht ja gerade hin zum Stich als potentiell panzerbrechendem Angriff, daher die rhombischen Klingenquerschnitte, die allmäglich die Hohlkehlung verkürzen.

Nach meinen Rechercheergebnissen tauchen die rhombischen Klingenquerschnitte erst deutlich später auf, als "ab dem 11. Jhd.".

Die häufigsten Klingenformen im Hochmittelalter dürfte der Oakshott Typ X, XI, XIa und XII gewesen sein. Dies sind alles Klingen die primär für den Hieb ausgerichtet waren und weniger für den Stich (auf "gerüstete" Gegner!). Ihre Orte laufen (auch bei erhaltenen Originalen dieser Zeit) in der Regel "rund" aus (Achtung! Die deutsche Oakeshott-Klassifikation auf wikipedia beschreibt das falsch! Sie spricht generell von einem spitz auslaufendem Ort. Genau wie bei den spätmittelalterlichen, primär für den Stich optimierten Schwertern... die hingegen laufen am Ort aber tatsächlich "spitz" aus! Den Unterschied sehr ihr aber gleich selbst). Aber ja, gelegentlich findet man auch um 1200 herum schon "wirklich spitze" Ausnahmen bei den Orten. Sie sind aber (meiner Meinung nach) nicht die Regel.

Erst im weiteren Verlauf des 13. Jhd. (primär ab der zweiten Hälfte) werden die Orte generell spitzer und die Klingen mit kürzeren Hohlkehlen (wie beim Typ XII zum Beispiel) versehen, um sie allgemein für den Stich zu optimieren (da die Körperpanzerung ja bekanntlich in diesem Zeitraum überarbeitet wurde = Stichwort Plattenrock, etc. und man mit hauen/schneiden nicht mehr sonderlich weit kam). Der Txp XII kann übrigens beides haben (jenachdem wann die Klinge im Einsatz war). Also einen eher runder auslaufenden, oder einen spitz auslaufenden Ort.

Nicht das wir uns falsch verstehen. Auch die rund auslaufenden Orte sind "spitz" (und scharf bis ganz nach vorn)! Aber sie sind nicht primär dazu gemacht, um z.B. Ringpanzergeflecht etc. zu durchbohren. Einen ungerüsteten Gegner konnte man damit aber auch locker "abstechen". Um aber Rüstungen im Stich zu penetrieren, benötigt es optimalerweise eine andere Form (und einen etwas anderen Aufbau der Klinge, aber dazu komme ich gleich noch).

Hier sieht man mal drei "rund auslaufende" Orte (von links nach recht) von scharf geschliffenen historischen Nachbauten der Typen XII, XI und X, wie sie um +-1200 herum im Einsatz gewesen sein könnten. Einige gut erhaltene Originale dieser Typen zeigen diese Ortform.


(Bildquelle: ich)

Ich möchte noch anmerken, dass die Gesamtlängen der einhändigen Schwerter im Zeitraum des Hochmittelalters im Schnitt bei um 100cm (+-5cm) lag. Lehnhart spricht im Durchschnitt sogar von 108cm Gesamtlänge (bei einer von ihm für sein Buch untersuchten repräsentativen Auswahl). Die frühen langen Schwerter (Typ XIIa und XIIIa) sind natürlich noch länger (aber dazu ein andermal mehr).

Nun Vergleichen wir auf einem weiteren Bild einmal direkt nebeneinder liegend (von links nach rechts) die Orte von hochmittelalterlichen Schwertklingen mit denen von spätmittelalterlichen Exemplaren. Man erkennt sofort einen Unterschied bei der Gestaltung der Orte (nämlich zwischen "rund- bzw- spitz" auslaufend). Auf den zweiten Blick fällt ebenfalls auf, dass die Klingenquerschnitte bei hoch- und spätmittelalterlichen Schwertern unterschiedlich sind. Dies hat etwas mit ihrem primären Einsatzzweck zu tun. Nämlich entweder dem Hieb- oder dem Stich (oder auch beidem, wie z.B. ab dem Typ XII beginnend und beim Typ XIV dann bereits schon oft erkennbar)


(Bildquelle: ich)

Hier noch ein Foto, dass eine "Gesamtansicht" zum besseren Vergleich zulässt. Die Reihenfolge der Klingen ist unverändert zu dem oberen Bild.


(Bildquelle: ich)

Bei den hier gezeigten Klingenformen handelt es sich (von unten nach oben) um einen Oakeshott:

- Typ XI (11. Jhd. bis um 1200, ballige Hiebklinge mit langer und recht breiter, teils auch fast bis zum Ort reichender Hohlkehle, GL = 101cm)

- Typ XII (ab 1175 bis ins 14. Jhd., ballige Hiebklinge mit langer (etwa 2/3 der Klingenlänge) Hohlkehle, teilweise bereits auch schon mit spitzem Ort (und einem kleinen, bereits rhombisch geformten, Klingenabschnitt direkt hinter dem Ort) für den Stich optimiert, GL = 102,5cm)

- Typ XIV (ab zweite Hälfte 13. Jhd. & 14. Jhd., letzter Klingentyp mit für ein Hiebschwert typisch balligem bzw. konvexem Klingenquerschnitt (hinter dem Ort bereits rhombisch), an der Basis sehr breite und kurze Klinge, sich zum Ort hin stark verjüngend, für Hieb und Stich geeignet, dieses Schwert wird auf 1300-1350 datiert, GL = 82cm)

- Typ XVIII (15. Jhd., rautenförmige, leicht konkarve Klinge, keine oder nur kurze Hohlkehle, für den Stich optimiert, die Vorlage zu dieser Schwertreplik wird auf das erste Viertel des 15. Jhd. datiert, GL = 87cm)

- Typ XVa (14./15. Jhd., rautenförmige, sehr spitz zulaufende Klinge, nadelförmiger Ort, keine oder nur kurze Hohlkehle, für den Stich optimiert, das Original wird auf um 1400 datiert, GL = 102cm)

- Typ XVIIIb (15./16. Jhd., langes Schwert mit langer und schlanker rautenförmiger Klinge, langer Griff für zweihändige Führung, dieses Exemplar wird im Original auf 1550-1580 datiert, GL = 124cm)

- Typ XVIIIa (15./16. Jhd., langes Schwert mit nun wieder breiterer Klinge, spitzer Ort mit dahinter liegendem rautenförmigen für den Stich optimierten Klingenteil, dahinter 1-3 Hohlkehlen an der breiten Klingenbasis, allgemein im gesamten kürzer als die XVIIIb Klinge, für Stich und auch wieder für den Hieb geeignet, dieses Schwert wird im Original auf 1520-1530 datiert und kann mit beiden Händen geführt werden, GL = 111cm).

« Letzte Änderung: 04. November 2017, 10:12:16 von Ritter Erasco »
Grüsse, Thomas

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Re: Der Schwertstreich und seine Folgen....
« Antwort #26 am: 11. November 2017, 21:58:32 »
Danke für die detaillierte Übersicht!
Probate spiritus si ex Deo sunt. ("Prüfet den Geist, ober er von Gott kommt" - Paulus)
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Re: Der Schwertstreich und seine Folgen....
« Antwort #27 am: 13. November 2017, 22:46:31 »
Da ist mindestens eins von Sulowski dabei, oder? Mit dem rhombischen Querschnitt hast du recht; bis Typ XIV ist die Klingenschwäche elliptisch. Ich gehe inzwischen davon aus, dass die Stiche das Ringgeflecht primär nicht durchdringen sollten (und das auch nur selten konnten, sonst wäre dieser Rüstungstyp ja recht unnütz), sondern genug Schaden darunter anrichten, damit nach einigen Treffern die Sache langsam entschieden war.* Dann wäre auch Gelegenheit für die finalen beidhändigen Hiebe, die wir dargestellt sehen. Trotzdem halte ich die Stiche für die primären treffenden (!) Attacken in einem abgesessenen Zweikampf mit Schwertern (was an sich eine Randerscheinung gewesen sein mag). Sobald man nur halbwegs fechterisch gebildet ist, wird man seine Waffe(n) vorn halten und dann haben es Hiebe arg schwer, durchzukommen, von dieser riesigen Holzwand vorm Körper ganz abgesehen. Kurz also: Penetration kaum, Stiche als Angriffe aber sehr wohl.

Dass eine Klinge nicht spitz zuläuft, ist meiner bescheidenen Meinung kein Indiz für die Unterordnung von Stichen beim Fechten (auch bei Wikischwertern oder Katzbalgern nicht). Primär hat es was damit zu tun, wo der Ort eindringen soll, denke ich. Wenn Stiche tatsächlich weniger vorkommen, würde ich das eher auf andere Faktoren zurückführen (Schildtypen, Spielregeln, Klingenkrümmung etc.).

*Die HoMi-Schwerter sind auch noch vergleichsweise dünn und flexibel. Dass die Hohlkehle zurückweicht, weist meines Erachtens aber trotzdem auf eine gestiegene Bedeutung des Stiches gegen wenig weiche Ziele hin. Wie früh die Entwicklung der Hohlkehlenverkürzung einsetzt, wäre evtl. auch eine Neubetrachtung wert. Stefan Mäder hat letztes Jahr zurecht darauf hingewiesen, dass z. B. Scheibenknäufe viel früher auftauchen (s. Utrecht-Psalter), als sie bisher eingeordnet wurden. Würde mich nicht überraschen, wenn zu solchen Sachen in den nächsten Jahren noch einige Erkenntnisse kommen. Aber du kannst auch mit der Plattenrock-These Recht haben; falls die bisherigen Datierungen wirklich verlässlich sind.

Thomas W.

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Re: Der Schwertstreich und seine Folgen....
« Antwort #28 am: 14. November 2017, 07:43:07 »
Da ist mindestens eins von Sulowski dabei, oder?

Du hast ein gutes Auge, mein lieber Cornelius.  :) Ja, auf dem Bild sind vier Stück (Typ XIV, XVa, XVIII und XVIIIb) aus seiner Schmiede.

Mit dem rhombischen Querschnitt hast du recht; bis Typ XIV ist die Klingenschwäche elliptisch. Ich gehe inzwischen davon aus, dass die Stiche das Ringgeflecht primär nicht durchdringen sollten (und das auch nur selten konnten, sonst wäre dieser Rüstungstyp ja recht unnütz), sondern genug Schaden darunter anrichten, damit nach einigen Treffern die Sache langsam entschieden war.* Dann wäre auch Gelegenheit für die finalen beidhändigen Hiebe, die wir dargestellt sehen. Trotzdem halte ich die Stiche für die primären treffenden (!) Attacken in einem abgesessenen Zweikampf mit Schwertern (was an sich eine Randerscheinung gewesen sein mag). Sobald man nur halbwegs fechterisch gebildet ist, wird man seine Waffe(n) vorn halten und dann haben es Hiebe arg schwer, durchzukommen, von dieser riesigen Holzwand vorm Körper ganz abgesehen. Kurz also: Penetration kaum, Stiche als Angriffe aber sehr wohl.

Ja, ich denke evtl. war es auch die (oder eine) Tatsache, dass es eben "mehrere" Treffer benötigte, um seinen Gegenüber ausser Gefecht zu setzen. Grundsätzlich denke ich, war es das Ziel von Zweikämpfen "auf leben und Tod" sein Gegenüber schnellstmöglich zu bezwingen. Jeder neue bzw. weitere Versuch barg eine hohe Gefahr dabei selbst verletzt zu werden. Ich denke, dass man zu jeder Zeit motiviert war, sein "Werkzeug" darauf hin zu optimieren. Und ich gebe dir natürlich Recht. Wie bereits oben auch von mir erwähnt, ist immer und mit eigentlich jeder Blankwaffe auch gestochen wurden. Aber nicht jede Blankwaffe konnte das gleich gut (vorallem eben gegen gerüstete Gegner).

Dass die Hohlkehle zurückweicht, weist meines Erachtens aber trotzdem auf eine gestiegene Bedeutung des Stiches gegen wenig weiche Ziele hin. Wie früh die Entwicklung der Hohlkehlenverkürzung einsetzt, wäre evtl. auch eine Neubetrachtung wert. Stefan Mäder hat letztes Jahr zurecht darauf hingewiesen, dass z. B. Scheibenknäufe viel früher auftauchen (s. Utrecht-Psalter), als sie bisher eingeordnet wurden. Würde mich nicht überraschen, wenn zu solchen Sachen in den nächsten Jahren noch einige Erkenntnisse kommen. Aber du kannst auch mit der Plattenrock-These Recht haben; falls die bisherigen Datierungen wirklich verlässlich sind.

Ja, ich denke das dies wirklich mal interessant wäre. Ein gute Idee von dir! Ich denke auch, dass wir hier noch einige Überraschungen erwarten können. Mit der "Plattenrock-These" bin ich mir aber in so weit sicher, dass ich sagen kann: Es hat in jeder Epoche einen ständigen "Wettlauf" zwischen Schutzbewaffnung und Blank/Stangen/Schlagbewaffnung, etc. (siehe auch "Entwicklung der Helm- und Schildformen) gegeben. Auch im Hochmittelalter war das sicher ein Thema, mit dem sich auseinandergesetzt werden musste.

Grüsse, Thomas