Original von Benedikt von Söllbach
Ich habe den Wilcke schon fast durch, und mir scheint, dass sein Schlechter Eindruck vom Orden daraus resultiert, dass er das Chinonpergament noch nicht kannte, das ist ja erst 2003 aufgetaucht.
Lieber Benedikt!
Auch wenn er das Dokument gekannt hätte, wäre seine Meinung dieselbe geblieben. Ich habe schon an anderer Stelle beschrieben, daß das Chinon-Dokument nichts mit einem Freispruch der Templer zu tun hat. Das von Dr. Barbara Frale im Jahre 2003 entdeckte Pergament wird im folgenden vorgestellt. Übrigens kann man ein Faksimile beim Archiv-Verlag bestellen.
PERGAMENTURKUNDE VON CHINON - ABSOLUTION
DER HÄUPTER DES TEMPELORDENS DURCH PAPST CLEMENS V.
Chinon, Diözese von Tours, 17.-20. August 1308
Das Original besteht aus einem einzigen Pergamentblatt von großen Ausmaßen (700x580mm) und besaß ursprünglich hängende Siegel der drei apostolischen Legaten, welche die von Clemens V. ernannte apostolische Sonderkommission ad inquirendum bildeten: Bérenger Frédol, Kardinalpriester des Titels der Hl. Nereus und Achilleus und Papstnepot, Étienne de Suisy, Kardinalpriester von Hl. Cyriacus in Therminis, Landolfo Brancacci, Kardinaldiakon von S. Angelo. Ziemlich guter Erhaltungszustand, obwohl aufgrund Bakterienbefalls auffällige violettfarbige Flecken vorhanden sind. Das Original war mit einer authentischen Kopie versehen, die noch heute im Vatikanischen Geheimarchiv mit der Signatur Archivum Arcis, Armarium D 218 erhalten ist.
ASV, Archivum Arcis, Arm. D 217
Das Dokument enthält die Absolution, die Clemens V. dem letzten Großmeister des Tempels, Bruder Jacques de Molay, und den anderen Häuptern des Ordens erteilte, nachdem jene einen Bußakt vollführt und die Kirche um Vergebung gebeten hatten; nach der formellen Abschwörung, obligatorisch für alle, die häretischer Vergehen auch nur verdächtigt waren, wurden die ranghöchsten Mitglieder des Tempelordens in die katholische Kommunion wiederaufgenommen und zu den Sakramenten wieder zugelassen. Das Dokument stammt aus der ersten Phase des Prozesses gegen die Tempelritter, als Clemens V. noch überzeugt war, das Weiterbestehen des religiös-militärischen Ordens garantieren zu können, und antwortet dem apostolischen Bedürfnis der Aufhebung der Schande der Exkommunikation, welche sich die Krieger-Mönche von alleine aufgeladen hatten, als sie Jesus Christus unter der Tortur des französischen Inquisitors verleugnet hatten.
Wie verschiedene zeitgleiche Quellen bestätigen, wies der Papst nach, dass sich unter den Templern in der Tat schwere Formen von Unsitten eingeschlichen hätten, und plante eine Reform des Ordens von Grund auf, um ihn dann in einem einzigen Institut gemeinsam mit dem anderen großen religiös-militärischen Orden der Hospitaliter zu vereinen. Der Akt von Chinon, der den Tempelorden nicht aufgelöst sondern vielmehr losgesprochen hatte, war eine notwendige Voraussetzung für die Reform, blieb aber leeres Wort. Die Reaktion der französischen Monarchie löste einen regelrechten Erpressungsmechanismus aus, woraufhin Clemens V. 1312 während des Konzils von Vienne auf einen fragwürdigen Kompromiss eingehen musste: da der Papst sich dem König von Frankreich, Philipp dem Schönen, der den Tempelorden auflösen wollte, nicht widersetzen konnte, enthob er den Orden aus der zeitlichen Realität. Ohne ihn zu verdammen noch abzuschaffen isolierte er ihn vielmehr dank eines wendigen Kunstgriffs des kanonischen Rechts und versetzte ihn in eine Art von “Winterschlaf”. Nachdem Clemens V. ausdrücklich erklärt hatte, der Prozess hätte nicht die Anklage der Häresie bewiesen, löste er dann den Orden der Templer auf, und zwar in einem nicht endgültigen Urteilsspruch, den ihm die äußerste Notwendigkeit auferlegt hatte, um eine ernste Gefahr von der Kirche abzuwenden. Darin verbat er unter Androhung der Exkommunikation den weiteren Gebrauch des Namens und der Erkennungszeichen.
Quelle: Archivum Secretum Apostolicum Vaticanum
asv.vatican.va