Autor Thema: Fragen bezüglich eines Schildes  (Gelesen 20071 mal)

Fionnbhar of Corcaigh

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Fragen bezüglich eines Schildes
« am: 17. Mai 2010, 21:42:39 »
Salve Brüder.

Gleich mal meine erste Frage in diesem Forum ;)

Ich denke gerade nach, wie ich denn mein Schild für meine Lazariterdarstellung bauen will. Habe mir schon Verschiedenes überlegt, bitte verzeiht meine noch bestehende Unwissenheit über die Waffentechnik der christlichen Ritterheere.
Waren die Schilde immer gewölbt?
Welche Formen und speziell welche Größen waren möglich?
Gab es Buckler?

Danke im Vorraus,

Pax vobiscum

Thomas von Griphenhagen

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Fragen bezüglich eines Schildes
« Antwort #1 am: 17. Mai 2010, 22:29:23 »
Dominus det tibi pacem

Waren die Schilde immer gewölbt?
Auszug aus der Mittelalterliche Reiterschild von Jan Kohlmorgen: (s.28-29)

"Fraglich ist jedoch, ab wann es möglicherweise auch gebogene Schildkörper gab. Es wird zwar allgemein vermutet, das dies bereits zur Zeit der Eroberung Englands der Fall war, allerdings ist auf dem Teppich von Bayeux ebenfalls zu sehen, das einige Krieger ihren Schild vor sich auf den Knien liegen haben und diesen als Tisch benutzen, was die vermutung nahelegt, daß jedenfalls um die Mitte des 11. Jhd ungebogene Schildkörper durchaus üblich waren. Abbildungen von eindeutig gebogenen Schildkörpern finden sich meines Wissens erst ab etwa dem Jahre 1140.
Zeitgenössischen Abbildungen zufolge, scheinen tatsächlich um die Mitte des 12 jhd sehr stark gebogenen - teilweise fast halbzylindrische- Schildkörper üblich geworden zu sein."

Bei meinen eigenen Recherchen habe ich festellen können das Die Mehrheit der Schilde jedoch ab dem  Ende des 12 jhd eine Wölbung von ca 10-20 cm aufweisen.

Welche Formen und speziell welche Größen waren möglich?
Schau mal im oben gennanten Buch. dort gibt es eine sehr schöne Tabelle auf S. 138-139
oder eine etwas abweichende bei Tempus Vivit Link

Zur größe würde ich sagen... hmm meinen Schild habe ich auch um 20cm in der Höhe verändert um  ihn an meine Größe anzupassen (194 cm klein)
von der Breite habe habe ich die Maße der originale übernommen.
Je nachdem welche Schildform du dir aussuchst würde ich die Proportionen der Schilde auf Abbildungen vergleichen und ihn auf deine Größe anpassen.


Gab es Buckler?
Bis zum Ende des 12 Jhd waren Schildbuckel noch häufiger zu finden, hatten jedoch meist nur noch einen optischen nutzen oder waren in ein Schildgespänge eingearbeitet. Nicht wie die Schildbuckel der Wikischilde.
Es gibt noch vereinzelt Abbildungen von Schildbuckeln bis in das Jahr 1250
aber das wird wirklich die Ausnahme gewesen sein.


Ich hoffe ich konnte dir ein bisschen weiterhelfen. Dies gilt für die allgemeine Beschaffenheit der Schilde. Ob der Orden noch spezielle anforderungen  an die Schilde hatte kann ich dir leider nicht sagen.

Valete
Thomas

Lazarus v. Akkon

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Fragen bezüglich eines Schildes
« Antwort #2 am: 18. Mai 2010, 00:28:16 »
Ich glaube er meint mit Buckler die kleinen Faustschilde

wikipedia sagt dazu aus :
Das Manuskript I.33, ein wohl im späten 13. Jahrhundert in Süddeutschland verfasstes Fechtbuch, enthält ausschließlich Kampftechniken mit Einhandschwert und Buckler und stellt somit die umfangreichste Einzelquelle zum Umgang mit dem Buckler dar.
Du weist du bist ein richtiger Reenactor wenn.....
.... dir klar ist das Mittelaltermärkte nix mit deinem Hobby zu tun haben.

Benedikt von Söllbach

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Fragen bezüglich eines Schildes
« Antwort #3 am: 18. Mai 2010, 07:54:55 »
Guten Morgen,
bezogen auf das frühe 13. Jhd (ich nehme mal an, du meinst damit die Jahre 1200-1225):

Zitat
Waren die Schilde immer gewölbt?
Ich teile Jan Kohlmorgens Auffassung bezüglich dem Teppich von Bayeux und auch der Abbildungen mit den extremen Schildkörpern nicht so ganz. Die Abbildungen sind teils stark vereinfachend, gerade was die Stickereien auf dem Teppich angeht. Auch auf einem leicht gebogenen Schildkörper lässt es sich gut essen und trinken, es ging bei der Abbildung aber meiner Ansicht nach nicht um den Schild, sondern um die Szene des "im Felde essen".
Gleiches beim Hortus Deliciarum, der extrem gewölbte Schildkörper zeigt: Zu dieser Zeit entwickelte sich die Heraldik und der Schild hatte nicht mehr nur Schutzwirkung. Es ging dort wohl mehr um die Darstellung der Schildvorderseite, als um eine möglicherweise vorhandene Schildwölbung abzubilden. Solche extremen Wölbungen sind im Gefecht recht unpraktisch und lassen sich an erhaltenen Schilden (der Brienzer Schild fällt ziemlich genau in diese Zeit) nicht nachvollziehen.

Zitat
Welche Formen und speziell welche Größen waren möglich?
Vorherrschend war der große Dreiecksschild, d.h. der Schild war noch relativ lang und spitz, aber im Vergleich zum normannischen Tropfenschild schon verkürzt (Gesamthöhe dürfte bei etwa einem Meter gelegen haben), und hatte ebenfalls eine gerade Oberkante. Die um 1190 verbreitete Variante mit den typisch abgerundeten Ecken dürfte auch noch in Gebrauch gewesen sein, war aber bereits deutlich im Verschwinden, die Ecken waren oft deutlich und nur schwach abgerundet.
Speziell beim Brienzer Schild wird immer wieder behauptet, es wäre ein normannischer Tropfenschild, der nachträglich abgesägt worden wäre, das ist aber widerlegt (vgl. Kohlmorgen).

Zitat
Gab es Buckler?
Meines Wissens nach kamen die erst deutlich später auf.
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Fionnbhar of Corcaigh

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Fragen bezüglich eines Schildes
« Antwort #4 am: 18. Mai 2010, 10:18:31 »
Hallo,

Zitat
bezogen auf das frühe 13. Jhd (ich nehme mal an, du meinst damit die Jahre 1200-1225)

Fast, genaugenommen ist es ab 1230.
Zu der Geschichte mit den Schildern als Tischen stimme ich zu, dass eine Wölbung vorhanden sein könnte, Da diese Stelle eh aus "einer blöden Perspektive" gestickt wurde.
Dennoch: bei kleineren, nicht für den Schildwall o.Ä. Aktionen bestimmten Schild braucht man doch eigentlich keine Wölbung, oder?

Zitat
Vorherrschend war der große Dreiecksschild, d.h. der Schild war noch relativ lang und spitz, aber im Vergleich zum normannischen Tropfenschild schon verkürzt (Gesamthöhe dürfte bei etwa einem Meter gelegen haben), und hatte ebenfalls eine gerade Oberkante. Die um 1190 verbreitete Variante mit den typisch abgerundeten Ecken dürfte auch noch in Gebrauch gewesen sein, war aber bereits deutlich im Verschwinden, die Ecken waren oft deutlich und nur schwach abgerundet.
Speziell beim Brienzer Schild wird immer wieder behauptet, es wäre ein normannischer Tropfenschild, der nachträglich abgesägt worden wäre, das ist aber widerlegt (vgl. Kohlmorgen).

Die Dreiecksform habe ich in der Tat schon häufiger gesehen.
Aber: wären (obacht Konjunktiv) auch kleinere Schilder möglich gewesen?

Zitat
Meines Wissens nach kamen die erst deutlich später auf.

Okay, Danke :)

Pax vobiscum

Thomas von Griphenhagen

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Fragen bezüglich eines Schildes
« Antwort #5 am: 18. Mai 2010, 14:01:51 »
Gerade im Schildwall ist eine Rundung des Schildes eher kontraproduktiv, da die Schilde sich nicht oder nur schlecht miteinander verkeilen lassen.

Eine Wölbung des Schildes hat den Vorteil, das:
1. der Schild sich besser an den Körper schmiegt.
2. durch eine Wölbung ein Lanzenstoß oder ein Hieb leichter abgleiten kann und somit nur ein Teil der auftreffenden Energie auf den Schild übertragen wird.

Daniel

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Fragen bezüglich eines Schildes
« Antwort #6 am: 19. Mai 2010, 08:09:45 »
3. Die Schutzwirkung erhöht wird, da die auftreffende Energie eines Stoßes seitlich abgeleitet wird und die Waffe durch die Wölbung im besten fallen seitlich abgelengt wird. Ein komplett gerades Schild lenkt die Waffe nicht ab und du musst die komplette Stoßenergie mit dem Arm/Schulter abfangen.
[align=center]
[/align]

Michael von Schattengrund

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Fragen bezüglich eines Schildes
« Antwort #7 am: 19. Mai 2010, 08:27:32 »
Rein physikalisch könnte ich mir auch vorstellen, dass ein gerader Schild bei einem nicht mittigen Treffer auch leichter kippen kann, da die Kraft nicht abgeleitet wird...

Gruß
Michael von Schattengrund

Fionnbhar of Corcaigh

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Fragen bezüglich eines Schildes
« Antwort #8 am: 19. Mai 2010, 10:21:03 »
Gut. Wenn man sich jetzt auf die Größe bezieht, muss man im Auge behalten wie denn die schlagenden Brüder gekämpft haben. Als Reiter (was mir logisch erscheint, denn so kann die Schwächung durch Lepra jedenfalls größtenteils kompensiert werden)? Als Infanteristen?

Berthold von Krukow

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Fragen bezüglich eines Schildes
« Antwort #9 am: 19. Mai 2010, 13:54:29 »
Die Lepra schwächt in dem Sinne nicht den Körper, zumindest nicht im frühen Stadium. Vielmehr ist es eine Erkrankung der Nervenzellen, wodurch der Betroffene kein Schmerzempfinden mehr hat. Verletzungen werden nicht als solche wahrgenommen und können sich ungehindert infizieren, was dann zu dem bekannten Substanzverlust führt.
Man muß auch bei der Lepra zwei Formen unterscheiden. Aber dazu steht hier im Forum schon mal irgendwo irgendwas. jedenfalls gibt es auch eine selbstheilende bzw. heilbare Form. Erst bei der schweren Lepra bilden sich Hautgeschwüre, die dann zu den typischen Aussehen des Leprakranken führen. Der Tod tritt aber nicht durch den Primarerreger ein sondern durch Sekundärinfektionen, die nicht mehr abgewehrt werden können, da das Immunsystem schon zu schwer belastet ist.
Die Brüder könnten also genauso gut als Infanterie gekämpft haben, zumindest im frühen Stadium der Erkrankung.

Gruß Berthold
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Fionnbhar of Corcaigh

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Fragen bezüglich eines Schildes
« Antwort #10 am: 19. Mai 2010, 16:35:19 »
Vielen Dank für diese sehr interessante medizinische Information.
Ergo haben anscheinend die Brüder im Schildwall mitgekämpft und
hatten somit recht große Schilder, wenn ich das richtig verstanden
habe. Oder weiß jemand von anderweitigen Einsatzmöglichkeiten
bzw. historischen Belegen für solche?

Pax vobiscum

Thomas von Griphenhagen

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Fragen bezüglich eines Schildes
« Antwort #11 am: 19. Mai 2010, 17:49:36 »
Möchtest du auf die Einsatzmöglichkeiten der Lazarener oder oder Schilde hinaus?

In Sachen Schilde kann ich dir sagen, das es zb. eine lange schlanke Naumburger Schildform gibt, die nahezu die Höhe eines Tropfenschildes hat. werden um 1250-1300 datiert (zb Höhe ca 94cm Breite  ca 60 cm)
Das diese Schilde auch in der Reiterei eingesetzt wurde kann man daran erkennen das Alternative Beriemungen an einem Schild existieren

Fionnbhar of Corcaigh

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« Antwort #12 am: 19. Mai 2010, 19:02:55 »
De facto bezog sich meine Frage auf die Einsätze der Ordensritter.

Thomas von Griphenhagen

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« Antwort #13 am: 19. Mai 2010, 21:38:14 »
Da müsstest du dich vieleicht selber mal durcharbeiten welche genauen Aufgabengebiete den Lazarenern zugesprochen wurden. Da kenne ich mich nicht aus.

William

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« Antwort #14 am: 21. Mai 2010, 11:08:03 »
Zitat
Original von Fionnbhar of Corcaigh
De facto bezog sich meine Frage auf die Einsätze der Ordensritter.

Um das etwas allgemeiner zu beantworten:

Die Hauptwaffe des Ritters (kommt von Ridder=Reiter) ist die Lanze und dementsprechend in erster Linie der berittene Kampf!

Die Truppengattung "Infanterie" gab es im Hochmittelalter noch nicht (oder im Vergleich zur Antike nicht mehr!)

Natürlich mußte ein Ritter auch abgesessen kämpfen können - z.B. bei Belagerung und Verteidigung einer Burg - aber die Hauptwaffe des Mittelalters war der Reiter mit eingelegter Stoßlanze.

Dies kann man für jeden Ordensritter also vorbehaltlos so übernehmen.

Ein Ordensritter in einem s.g. Schildwall wird daher die absolute Ausnahme gewesen sein - z.B. ein unbefestigtes Lager das überaschend angegriffen wird (siehe Hattin) oder bei dem provisorischen Schließen einer Mauerlücke, aber dabei kam die eigentliche Kampfkraft eines Ritters eben überhaupt nicht zur Geltung!

Daher können wir bei der Ausrüstung eines Ordensritters klar von dem Reiterschild ausgehen und dort ist eine Wölbung sehr wichtig um die gegnerische Lanze abgleiten zu lassen und auch das Bein noch zu schützen!
Wenn ca 700Kg (Pferd,Reiter und Rüstung) mit einer Geschwindigkeit von ca 30 kmh, auf die Spitze einer Lanze konzentriert, auf ein grades Schild treffen, geht das durch wie durch Butter!  *smoky*

Die einzige Chance einen solchen Angriff zu überleben bestand eben darin die gegnerische Lanze abzulenken - dieses Prinzip wurde dann später auch bei den Vollplattenharnischen und Helmen (Hundsgugel etc.) konsequent übernommen.
(Bei heutigen Crashtests fährt ein Auto mit 30kmh gegen eine Wand - stellt euch da einfach mal eine Eisenspitze vorne vor, bei der die Kaft des Aufpralls dann auf ca 2mm konzentriert wird!)


Aus den oben genannten Gründen ergibt sich also dann die Länge und Form des Schildes ebenso wie die Beriemung.

Eine mögliche Variante wäre die doppelte Beriemung in Form eines Quadrates, die das Tragen des Schildes sowohl als Fußkampfschild, wie auch als Reiterschild ermöglicht - besonders bei den "armen" Ordensrittern halte ich diese Variante für sehr wahrscheinlich!
Ein reicher weltlicher Ritter wird sicher für jeden Zweck ein Extraschild gehabt haben.

Gruß
William
Ist es nicht klüger zu akzeptieren, dass man nichts Genaues weiß, als sich auf tönernen Füßen Wahrheiten aufzubauen?