Autor Thema: Der Schatten einer Darstellung  (Gelesen 14636 mal)

Felx

  • Engagiert
  • ***
  • Beiträge: 135
    • http://www.projekt-erster-kreuzzug.de
Der Schatten einer Darstellung
« am: 29. Februar 2008, 16:22:04 »
So am Rande kam mir eben bei einem Gespräch mit Lancelot ein Gedanke für eine kleine Diskussion am Rande.
Ich lese oft hier im Forum die Worte
-Ritterlichkeit
-Tugenhaftigkeit eines Ritters
-Ideale
-Codex
Man bekommt den Eindruck, das Mittelalter war eine sehr schöne, romantische, Idylische Zeit.
Habt ihr euch mit den Schattenseiten Eurer Darstellungen mal vertraut gemacht?
Ich meine nur weil viele hier stellen Ordensritter, weltliche Ritter, Söldner, Kreuzfahrer etc. dar.
Die Schattenseiten eines Kreuzzuges brauche ich kaum darstellen.
Dennoch mache ich mal den Anfang.
Nachdem Papst Urban II zum Kreuzzug gerufen hatte, zogen Europaweit Menschen wie ein Heuschreckenschwarm über die bekannte Welt.
Dörfer wurden geplündert und niedergebrannt.
Frauen und Kinder, Alte und Junge wurden dahin gemetzelt. Zuvor sogar noch mit Sicherheit vergewaltigt.
Wo der Kreuzzug entlang zog wuchs kein Gras mehr ...
Der Graf von Leiningen startete den Kreuzzug indem er Juden in Worms, Speyer, Mainz und Trier ermordete.
Auch hier nicht nur die Männer.
Im Hl. Land wurde auch systematisch alles niedergemacht was nicht bei 3 auf dem Baum war. (und der wurde letztendlich dann doch gefällt...)
Man konnte nicht unterscheiden ob Christ oder Moslem. Also schlachtete man alles ab, was nicht nach Christ aussah... (uhm nun ich denke mal ab Konstantinopel sah nichts mehr christlich im Sinne eines Mitteleuropäers aus)
Um es abzukürzen: nach der Eroberung von Jerusalem fand eine Säuberung statt, nach deren Ende (Berichten zufolge) die Eroberer bis zu den Knöcheln im Blut standen.



3. Kreuzzug mit Richard Löwenherz....

...grausam wie ein Löwe.

er ließ 10tausende hinrichten, da Saladin nicht rechtzeitig Lösegeld zahte.

Templer....
Nun. Wer frei ist von Schuld der werfe den ersten Stein.
was glaubt ihr haben die Templer im Hl. Land mit nichtchristen gemacht?
Warum glaubt ihr, gab es so viele Regeln u.a. in Bezug auf Homosexualität etc?
Entweder hatte der Orden damals ein Regelungsbedürfnis, wo es keines gab; oder aber - das ist wahrscheinlicher - wurden Regeln aus gegebenem Anlass ins Leben gerufen.

Leider sind nicht viele Unterlagen über den Orden einsehbar. Daher sind auch mit Sicherheit viele Gräueltaten nicht wirklich bekannt.

--> Euer Fachgebiet. Ich höre :-)


Dt. Orden:
Er veranstaltete u.a. Fahrten nach Litauen, bei denen er aussenstehende offiziell zur Menschenjagd einlud.

--> Lancelot. Dein Fachgebiet.

--> Söldner, Soldaten etc.
hier gibts genug Berichte, was so alles getrieben wurde.

--> der feine Adel.
ich muss mir nur die damals gängige Rechtsprechung ansehen. Frei, unfrei. Niederer Adel etc.

Oder nehmen wir die Hochblüte des romantischen Rittertums. Die Schlacht von Agincourt
Waren es nicht letztendlich die feinen tapferen Ritter, die nachdem sie auf dem Schlachtfeld nichts reissen konnten hinter die Linien gingen und die wehrlosen Knappen und Pagen erschlugen?




ich will niemandem auf die füsse treten. nur zum nachdenken anregen und den einzelnen auf eine interessante unterhaltung wie ich sie schon einmal auf einem markt führen durfte, vorbeiten.
"Dann schmieden sie Pflugscharen aus ihren Schwertern und Winzermesser aus ihren Lanzen. Man zieht nicht mehr das Schwert, Volk gegen Volk und übt nicht mehr für den Krieg"


Projekt erster Kreuzzug

Sareth

  • Engagiert
  • ***
  • Beiträge: 504
    • http://www.templerlexikon.uni-hamburg.de
Der Schatten einer Darstellung
« Antwort #1 am: 29. Februar 2008, 17:20:05 »
Hallo, möchte nur insofern anmerken (ohne was entschuldigen zu wollen), es war ohnehin eine grausame Zeit, nicht nur auf dem Kreuzzug, sondern auch in Europa untereinander, und die Gegenseite hat es nicht viel anders getrieben. Es sind den Kreuzzügen ja auch gewisse Taten vorausgegangen, z.B. die Niedermetzelung unbewaffneter Pilger...

Man kann die Zeit damals nicht mit heutigen Maßstab messen.
Auf jeden Fall kann man - im Vergleich zum Frühmittelalter - feststellen, daß es im Hochmittelalter 'gesitteter' 'rechtlicher' zuging, d.h. vielen Sachen, die sich im rechtsfreien Raum abspielten, war ein Ende bereitet, oder sie waren zumindest unter strenges Reglement gestellt (Fehde, Gottesurteile...)
Ausserhalb des christlichen Kulturkreises stehende vielen da oft nicht drunter, das stimmt. Es galt der Grundsatz: JEDER hatte Zeit und Pflicht, sich zum Christentum zu bekehren, wer jetzt immer noch Heide/Moslem ist, ist das aus bewusster Verstocktheit und Boshaftigkeit ---> also muss man nachhelfen.

Andererseits war es den Moslems unter christlicher Herrschaft in Palästina z.B. erlaubt, ihr eigenes Rechtssystem zu behalten und sich selber zu verwalten. War das Land erst mal erobert, wurde nicht alles ausgerottet.

Ich denke, OHNE die Ideale von Ritterlichkeit etc., die in der Zeit etwa entstanden und ausgeformt wurden, wäre alles noch viel schlimmer gewesen. So hatte man wenigstens immer wieder den Anreiz, nach Besserem zu streben und nicht einfach nur auf ALLES draufzuhauen...

Ach ja, und Richard Löwenherz und Saladin, da kam ja grad ein Film im TV. Ich muss sagen, wenn Saladin wissentlich um die Gefahr für seine Leute einfach nicht mit dem besprochenen Lösegeld bzw. der Reliquie rausrückt, ist ER der Hauptschuldige.

Heinrich von Grubenhagen

  • Engagiert
  • ***
  • Beiträge: 121
    • http://www.einbeck1.de/html/hochmittelalter.html
Der Schatten einer Darstellung
« Antwort #2 am: 29. Februar 2008, 17:33:56 »
Zitat
Original von Sareth
...Auf jeden Fall kann man - im Vergleich zum Frühmittelalter - feststellen, daß es im Hochmittelalter 'gesitteter' 'rechtlicher' zuging, d.h. vielen Sachen, die sich im rechtsfreien Raum abspielten....
Hallo,
dem würde ich nicht unbedingt zustimmen.
Die größeren Ungerechtigkeiten entstanden m. E. erst mit der Herausbildung des Adels unter Karl dem Großen.

Was die Ideale angeht.
Es ist, wie dass Wort schon sagt, eine ideale Vorstellung von "Rittertum".
Im Prinzip hat das Rittertum als Grundlage die Kreuzzüge. Da passen Ideale ganz gut, aber das Hauptgeschäft war das Kämpfen.

Was Richard angeht, war sein einziger und entscheidender Vorteil sein Wagemut, bzw. das Erringen von Siegen für die Kreuzfahrer.
Ansonsten hatte er es noch nicht mal nötig, englisch zu sprechen und war auch sonst recht unleidlich.

Die begangenen Grausamkeiten haben mit Idealen nichts zu tun, bzw. da wurden sie ausser Kraft gesetzt.

Sareth

  • Engagiert
  • ***
  • Beiträge: 504
    • http://www.templerlexikon.uni-hamburg.de
Der Schatten einer Darstellung
« Antwort #3 am: 29. Februar 2008, 17:36:19 »
*vergessen hab*

Ordensregeln:

Nun, bei den Ritterorden hat man ja vielleicht noch Verständnis, das es mal etwa brutalinski-mäßiger herging.
Wirklich erstaunlich ist dagegen, daß es genauso strenge Gesetze / und überlieferte Anlässe (Mord, Raub, übelste Intrigen) auch in Mönchs- und Nonnenklöstern gab. Nicht nur im Mittelalter, sondern auch später noch, wo man dachte, die Leute seien etwas zahmer geworden...

Also, man kann sagen, damals waren eine Menge Leute in den Klöstern, die da nicht hingehörten...und denen musste man auch die Zügel anlegen.

Thomas, der Verwalter

  • Engagiert
  • ***
  • Beiträge: 465
Der Schatten einer Darstellung
« Antwort #4 am: 29. Februar 2008, 17:36:33 »
Seit gegrüßt Brüder und Schwestern

Man spricht nicht umsonst vom finsteren Mittelalter. Auch wenn Recht und Ordnung und Polizeigewalt noch nicht das waren was sie heute sind, so gab es doch gute Ansätze. Es ist ja mit der Geschichte nicht anders wie mit dem normalen Leben, die guten Sachen behält man in Erinnerung und die schlechten vergisst man all zu schnell.
Gott mit Euch

Thomas, der Verwalter

Lancelot Graf von Rothenfels

  • Globaler Moderator
  • Engagiert
  • ***
  • Beiträge: 1.415
  • Globaler Moderator
Der Schatten einer Darstellung
« Antwort #5 am: 29. Februar 2008, 17:36:52 »
Pax -

na Felx du bist mir ein Gauner   *jokely* aber sehen wir mal was aus diesem Thema so entsteht .......


Ich glaube bei unserem Hobby ist es nicht anders als bei allen anderen Menschen die gerne in der "guten, alten Zeit " schwelgen.

Wenn wir uns an Eltern oder Großeltern erinnern war "früher immer alles besser" aber ich denke, daß der Mensch ganz einfach dazu neigt Vergangenheit und vergangenes zu idealisieren.

Nehmen wir uns doch selbst mal an der Nase - wenn wir an vergangene Tage zurückdenken wird uns ad hoc nur das Schöne und Gute einfallen - Negatives vergessen wir gerne...... ein Selbstschutzmechanismus des Menschen vieleicht ?!



Ganz ähnlich verhält es sich mit dem MA - das nicht zu Unrecht den Beinamen "das Dunkle Mittelalter" hat  *smoky*


Die Grausamkeiten die im MA an der Tagesordnung waren können wir uns heute gar nicht ausdenken - ein Mensch zählte damals weniger als das Leben eines guten Hundes und die "Tugenden" und die "Ritterlichkeit" war nur gültig gegenüber einem Gleichgestellten in Gesellschaft,Stand und Ansehen. Von den Religionen gleich gar nicht zu reden.

Die diversen Kreuzzüge innerhalb und ausserhalb Europas machten den " Kämpfern für den Herrn" ebenfalls keine Ehre. Von christlicher Nächstenliebe war hier wohl keine Rede !

Ich muß Felx hier also völlig recht geben - bei aller Liebe zu unserer Darstellung und Freude am Hobby sollten wir auch nicht vergessen welche Grausamkeiten und Verachtung an Mensch und Leben in damaliger Zeit ganz normal an der Tagesordnung war!!

Somancher hat wohl auch noch gewisse Reinkarnationsbelastungen aufzuarbeiten - warum sonst sollte es einen Menschen unserer Zeit dazu treiben gerade einen Kreuzritter darzustellen wenn er nicht aus einem vorherigen Leben noch etwas aufzuarbeiten hätte ?!
Komthur des DO - Kommende Burg Schleynitz

"HELFEN - WEHREN - HEILEN"

Für Gott, das heilige Reich und das Vaterland !

Sareth

  • Engagiert
  • ***
  • Beiträge: 504
    • http://www.templerlexikon.uni-hamburg.de
Der Schatten einer Darstellung
« Antwort #6 am: 29. Februar 2008, 17:45:56 »
"Reinkarnationsbelastungen" - oha.... ^^ olalala...^^ *g*
naja, ich war entweder ein radikaler Mönch, oder ein radikaler Häretiker...wenn ich so auf meine heutigen LEbensentscheidungen und Einstellungen schaue, gabs da nicht viel dazwischen.

Was das Idealisieren anbelangt: sehen wir doch jeden Tag, z.B. mit der "Ostalgie"....

Die Frage ist, sind wir heute wirklich zivilisierter? Wir hauen viell. dem Gegenüber nicht gleich eins drauf (obwohl, wenn man die Jugendkriminalität gerade hier in Hamburg anguckt, dann zweifelt man am Fortschritt), aber es gibt ja heute subtilere Methoden. Und ich finde im Gegenteil, die Leute sind heute weitaus enthemmter als früher, weil sie überhaupt oft keine Werte mehr haben, weder religiöser noch sozialer Natur.

Berthold von Krukow

  • Engagiert
  • ***
  • Beiträge: 1.143
    • Templer Komthurey Pommerania
Der Schatten einer Darstellung
« Antwort #7 am: 29. Februar 2008, 18:29:38 »
Ein schönes Thema  *headbangl*, da kann ich endlich auch mal wieder ganz ungehemmt meinen Senf dazu geben.

Es wurde ja schon deutlich, daß man das Mittelalter nicht nach heutigen Maßstäben beurteilen kann. Die damaligen Ansichten von Recht und Unrecht unterschieden sich doch ein wenig von denen heute.
Das begann damit, ab wann eine Handlung als Sex galt und hörte noch lange nicht damit auf, wann das Töten eines Menschen gut und wann schlecht war.
Der Tod war allgegenwärtig. Er wurde nicht so tabuisiert und steril verpackt wie heute. Heute schämt man sich schon, wenn man für einen verstorbenen Angehörigen trauert - so richtig trauert meine ich.
Heute ist es ein Drama, wenn einer Frau ein Kind stirbt, damals hat von 10 in einer Familie geborenen Kindern nur knapp ein Drittel das Erwachsenenalter erreicht und das war im Schnitt mit 45 - 50 schon wieder zu Ende.

Deswegen waren die Leute viel spiritueller und jenseitsgläubiger als heute. Der Tod war schlimm aber er gehörte zum Leben.

Die Reglementierung duch die Obrigkeit war streng, die Strafen hart aber es wurde weniger reglementiert als heute. Viele Dinge konnte man noch unter sich klären ohne gleich mit einem Anwalt  zu drohen.

Wenn man die Zeit damals und heute vergleicht hab ich immer die Frage auf der Zunge: "Wenn ein Kanibale seine Opfer mit Messer und Gabel  und einer Serviette um den Hals verspeist, ist das dann zivilisierter?"

Und die Ritterlichen Ideale waren damals schon Ideale. Ritter Ulrich von Lichtenstein schrieb 1256 sein "Frauenbuch" und beklagt hierin schon den Verfall der hofischen Sitten. Ideale sind das was sie sind Ideale - Wunschvorstellungen, wie es heute sein sollte, wie es gestern hätte gewesen sein sollen und wie es morgen seien sollte. Diese Ideale sind mit der Realität nicht vergleichbar - damals nicht und heute auch nicht.
Wichtig ist nur, was jeder für sich daraus macht, wie sehr er sich bemüht diesen Idealen nachzueifern oder ob sie ihm völlig am Mors vorbei gehen und er lieber gegen alle Regeln lebt.

Apropos Regeln. Der Anspruch der Gründer des templerordens war sehr hoch. Solange sie unter sich waren mögen sie diesen Anspruch auch umgesetzt haben. Aber sobald der Orden wuchs und neue Ritter rekrutiert wurden, kamen auch solche Elemente in den Orden, die den Idealen der Gründerväter nicht mehr annähernd entsprachen. Erst recht, als dann immer schneller und immer mehr rekrutiert werden mußte, um die Verluste in Outremer auszugleichen. Nachdem der unfähige Großmeister Gerard de Ridefort das Debakel von Hattin herbeigeführt hatte, war der Templerorden nahezu aufgerieben. In Outremer hatte er quasi aufgehört zu existieren. Neue Ritter mußten aus Europa ins Heilige Land gebracht werden, Ritter, die die Gepflogenheiten und Sitten nicht kannten, für die jeder, der südländisch aussah ein Sarazene war und getötet werden mußte. Von den alten Idealen war hier schon lange nichts mehr zu merken. Daher war es notwendig, so ein ausgeklügelte Regelsystem aufzustellen, daß einerseits die Querulanten im Schach hielt anderseits aber auch alle "Reformer" die sich vielleicht herausbildeten sofort mundtot machte, damit sie nicht an den Entscheidungen des Großmeisters zeifelten. Oder wie sonst hätte Ridefort weiter Großmeister bleiben können, obwohl er sich als unfähig  und als Saladins beste Waffe erwiesen hatte, nachdem er sich entgegen aller Ordensregeln freigekauft hatte und dafür Burgen des Ordens opferte.

Gruß Berthold
Wenn wir vergessen wer wir waren, hören wir auf zu sein wer wir sind.

Goeffrey

  • Engagiert
  • ***
  • Beiträge: 164
  • Ab 2018: Ordo Teutonicus spitail in Luccellenburg
    • http://www.hospitaliter.lu
Der Schatten einer Darstellung
« Antwort #8 am: 29. Februar 2008, 18:37:02 »
Zum Thema Dunkles MA...

Wurden die Kreuzzüge nicht später auch von den Päpsten ins Leben gerufen da die Ritter und Söldner so langsam ausser Kontrolle gerieten. Da sie die Stabilität im Land gefärdeten?

Da gab es doch sowas, oder?  *pfeifl*
„Divide et Impera“

Komtur
Comthurey Luccellenburg-Treveri
Ballei Lothringen

Sareth

  • Engagiert
  • ***
  • Beiträge: 504
    • http://www.templerlexikon.uni-hamburg.de
Der Schatten einer Darstellung
« Antwort #9 am: 29. Februar 2008, 19:29:53 »
Ein Kreuzzug musste IMMER vom Papst befohlen werden und die Prediger autorisiert. Das man damit Ruhe in Europa schuf, war ein schöner Nebeneffekt. Es ging aber um die Befreieung der Heiligen Stätten und den Schutz der Pilger/Christen. Man sah sich einfach als aufgerufen und verantwortlich, diese vor den Moslems zu schützen, ebenso, als wäre es um, sagen wir, eine geweihte Hostie oder so gegangen. Es war einem ma. Menschen undenkbar, daß an einem derart heiligen Ort Ungläubige sitzen.

Zu Großmeister Ridefort: vorsicht mit der Quellenlage...

Ich zitiere der Faulheit halber die Passage aus meinem Lexikon:
"Nach der Histoire d'Eracles ist Ridefort der Hauptverantwortliche für die katastrophale Niederlage der Christen von Hattin am 4. Juli 1187, während der er auch selbst gefangengenommen wurde. Im Gegensatz dazu weiß eine andere Chronik, das englische Itinerarium peregrinorum, nichts von den hinterhältigen Machenschaften, die die Histoire d'Eracles Ridefort zuschreibt, sondern berichtet, daß es der Verrat Raimonds von Tripolis war, der die Christen vernichtete. Ein anderer Chronist nennt Ridefort 'entschlossen, aber draufgängerisch und kühn'. Ein zeitgenössisches Gedicht lobt seine kriegerische Tapferkeit und spricht von ihm als 'Helden'."

.......Und noch was allgemeines am Rande: nach Lesen dieser Diskussion weiß ich, warum ich nicht Re-Enacte, sondern doch lieber auf Star Trek Cons gehe *G*. Liebe eine Zukunft, in der sich die Menschen wirklich gebessert haben, als eine schreckliche Vergangenheit....
Ist jetz nicht so ernst zu nehmen, das letzte. ;)

Niclais van Poele

  • Gast
Der Schatten einer Darstellung
« Antwort #10 am: 29. Februar 2008, 21:31:24 »
Oh ja dieses heile Welt gehabe, das weitverbreitet durch die Köpfe vieler geistert kotzt mich auch an.  
Dabei muss man sich einfach nur mal breit gestreut einige quellen anschauen die man nicht in wikipedia findet.

Nur mal ein paar Bsp.:

Lt der Urkundenbücher der Familie vogt von Hunolstein, haben die Brüder Nikolaus und Johann vogt von Hunolstein mit ihren mannen allein im Jahre 1311 4 mal Dörfer im Lehnsbereich der Grafen von Sponheim überfallen, angezündet und die Bauern niedergemacht um einen Angriff der sponheimer auf trierisches Lehnsgebiet zu provozieren.  Drahzieher des ganzen:  Bischof Balduin von Trier
Bezahlung :eine domprobststelle für einen Hunolsteiner + mehrere 100 Pfund trierischer Silberpfennige
Tja Kinners DAS ist realpolitik im MA.

Noch so ein Fall aus den Urkunden:
Nikolaus vogt von hunolstein ( meine Darstellung) nebst bruder und Neffe überfällt mit seinen Mannen die Wasserburg der herren von Sötern um ihre Grenzstreitigkeiten endgültig beizulegen.
Fazit: Die burg abgefackelt, das Dorf brannte, die hälfte der Bevölkerung und er Burgbesatzung war tot,die Herren von Sötern gefangen. Am ende bekamen die hunolsteiner vom trierer bischof Recht und die Söterner konnten auch noch reparationen bezahlen.
Gerechtigkeit der Stärkeren

Schlacht von Kortrijk 1302
nachdem ein Heer von ca 4000 Franzosen ( unter ihnen ca 1000 ritter) brandschatzend durch Flandern zogen und unbeschreibliche gräuel verursachten, stellten die flämischen Bürger das Franzosenheer bei Kortrijk (coutrai) zur Schlacht und vernichteten das Heer beinahe vollständig und ohne jemandem Gnade zu bieten. Alleine 2000 Fußknechte und 800 Ritter unterihnen mehrere Grafen wurden von den rachedurstige Flamen abgeschlachtet.

Eroberung von Jerusalem

unbeschreibliche Gräuel. Kinder die auf Lanzen gespiesst werden, Baby die man mit dem Kopf an die Wand schlug, Erwachsene denen man die bäuche aufschlitzte um die Eingeweide nach gold durchsuchen zu können. Frauen die so oft verprügelt und vergewaltigt wurden das man ihre Leichen nur noch mit mühe als Menschen erkennen konnte.
Ströme von Blut ... Familien die man in einer Kirche einschloss und verbrannte
Feste mitten drin: die edlen ritterlichen Adligen aus ganz europa

22.Juli 1209: Das Massaker von Bezier

20000 Menschen ( übrigens zum großenteil Katholiken!!) werden in mehreren Tagen umgebracht.  Ein großer Teil wurde in der Kathedrale verbrannt.  zitat des Bischofs:  Verbrennt sie alle, gott wird die seinen schon finden.
Mittendrin: Die blüte des Französischen Adels.

Ich könnte so endlos weitermachen.
Die Menschen damals waren nicht besser oder schlechter als heute. Nur die Mittel waren anders.
Alles andere ist schöne theorie und blauäugig. Wer sich auch nur mal für 1,5 Eur mit mittelaltelricher Geschichte beschäftigt hat und auch andere Literatur als der Furunkel oder Wikipedia kennt, wird mir da beipflichten.

Schmeisst die Mähr vom edlen Ritter über Bord. den gab es nicht !!
Der ritter war der erste in der schlacht der seinem Gegner bei Gelegenheit einen Dolch ins kreuz stieß. Das waren Machtmenschen, die größtenteils zu skrupellosen und effizienten Soldaten ausgebildet waren.

meine 50Cent

Der flämische Söldnerhauptmann

Siegfrud von Burgund

  • Engagiert
  • ***
  • Beiträge: 302
  • ...denn Dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Der Schatten einer Darstellung
« Antwort #11 am: 01. März 2008, 00:43:17 »
@ Felx: Das Ideale am Rittertum waren und sind... die Ideale. Nicht der Ritter.
Diese Ideale wurden erst im Mittelalter formuliert aber haben bis heute Bestand. Ich ändere ja nicht erst in Gewandung oder auf dem Feld der Ehre mein Wesen, sondern kam damit schon zur MA-Bewegung. Ich bin weder über Templermystik noch Spielfilme zum MA und zur ritterlichen Darstellung gekommen, sondern will mit meiner Überzeugung dem christlich-ritterlichen Ideal folgen.
An den vielen Morden und Greueltaten der Vorzeit ist meißtens die Macht Schuld, mit der der Mensch nicht umgehen kann.

Sareth

  • Engagiert
  • ***
  • Beiträge: 504
    • http://www.templerlexikon.uni-hamburg.de
Der Schatten einer Darstellung
« Antwort #12 am: 01. März 2008, 09:31:47 »
Guten Morgen allerseits,

also, es stimmt natürlich: Ideale waren immer Ideale und nicht die Wirklichkeit.

Trotzdem darf man den Zeitfaktor nicht ausser acht lassen. So kann es sein, daß Personen, bei deren Taten es uns heute graust, damals durchaus als Verkörperung der Ideale durchgegangen sind:

*Karl d. Große, wurd eimmerhin heiliggesprochen
*Simon de Montfort (der vom Albigenserkreuzzug, wurde ja oben schon erwähnt) - die zeitgenössischen Chronisten der katholischen Seite stellen ihn als sehr rechtschaffen und löblich dar, denn er hat die von den Ketzern gefangenegesetzten Rechtgläubigen gerettet, den Bischöfen zurück auf ihre Bischofssitze verholfen usw., also in jeder Hinsicht sich beispielhaft für die Unterdrückten und die Kirche eingesetzt (zu lasten der anderen, aber das sehen wir erst HEUTE).

Heute ist es immer Mord, egal, ob ich einen Moslem, einen Christen oder einen Verbrecher umlege. Damals war es anders.

Nicolas von Holzhuuse

  • Donat
  • Engagiert
  • ***
  • Beiträge: 419
    • Komturei Ortenau
Der Schatten einer Darstellung
« Antwort #13 am: 01. März 2008, 14:02:53 »
Nun, unser Freund Saladin ließ die gefangenen Templer und Johanniter nach der Schlacht bei Hattin bei lebendigem Leib häuten. Und aus Jerusalem ließ er auch nur die gehen, die sich freikaufen konnten.
Das Mittelalter war eine dunkle Zeit in der Menschenleben nichts zählten. Aber dies war sicher nicht nur bei den Christen so!
Man beschäftige sich auch mal nur mit der Geschichte der Päpste und Kirchenoberhäupter in dieser Zeit: wo sollte da christliche Nächstenliebe im Sinne der Bergpredigt herkommen? Wenn man dem christlichen Konzept einer Hölle glauben schenkt, dürften viele Päpste dieser Zeit heute "ein Stockwerk tiefer" residieren.

Sareth

  • Engagiert
  • ***
  • Beiträge: 504
    • http://www.templerlexikon.uni-hamburg.de
Der Schatten einer Darstellung
« Antwort #14 am: 01. März 2008, 14:25:55 »
Nun :D sie 'residierten' da auch schon im Mittelalter...siehe zum Beispiel Dantes Divina Commedia.
glücklicherweise hat die Kirche die AMTSheiligkeit, nicht die persönliche Heiligkeit des Amtsträgers als Lehre.

Aber generell stimmt es natürlich - unsere Auffassungen von Heiligkeit weichen erheblich von denen des Mittelalters ab. Abgesehen mal von den 'Kriegerheiligen', auch viele Mystiker etc. würde man heute bestenfalls unter psyschich gestört einordnen.