Autor Thema: Dienender Bruder - was hatte man drunter? (Bruche, Hemd, Cotte...)  (Gelesen 22362 mal)

Benedikt von Söllbach

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Hallo!
Ich beschäftige mich gerade mit Ulrich Lehnarts "Kleidung u. Waffen der Früh- und Hochgotik" und dem Thema "Untergewandung".
Dort stellt Ulrich eine Theorie der "enganliegenden, faltenlosen Reiterunterhose" auf. Diese soll einen engen, bequemen und funktionellen Schnitt haben und etwa so lang wie eine Bermuda sein, als Material kommt zb. Hirschleder in Frage. Als Grund nennt er die Faltenbildung einer normalen Bruche, diese begünstigt das wundreiten. Belege für solche Unterosen finden sich laut Lehnart ab mitte des 14.Jhds (Urkundlich).
(Quelle: Seite 44, Schnittmuster: Seite 21)

Ich finde diese Theorie plausibel und habe da konkret soetwas wie eine kurze Lederhose vorm geistigen Auge. Meine Frage ist jetzt an euch, was haltet ihr von dieser Theorie und was habt ihr so "drunter an" (wenn ich so indiskret fragen darf, ansonsten bitte nicht steinigen :))


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Meine zweite Frage, die ich auch gerne in diesem Thread klären würde betrifft die Untergewandung unter der Kutte und unter dem Gambeson.
Leider habe ich hier im Forum und auf der Böhler Seite keine Informationen bezüglich Untergewandung gefunden :(

Laut der französischen Templerregel hat ein Seargeant (und auch die Ritterbrüder) folgende Ausrüstung:
Zitat
Regel 138:
[...] "Ferner kommen ihnen zu: eine Pferdedecke, zwei Hemden, zwei Beinkleider, zwei paar Strümpfe und ein kleiner Gürtel, den sie über das Hemd schnallen sollen."[...]
Die Beinkleider sind sicher Bruchen und die Strümpfe Beinline, oder?
Das Hemd interpretiere ich als eine Cotte - Lehnart schreibt allerdings, dass diese im 12 Jhd. Knöchellang war, was ich mir für den Kampf als unpraktisch vorstelle.
Unter der Kutte wäre sowas allerdings denkbar, oder trägt man unter der Kutte nichts mehr?
Vielleicht wäre jeweils auch ein langes und ein kurzes Hemd für "Zivil" und Kampf besser?

In Ospreys "Hospitaller (1)" ist auf Tafel E die Ausrüstung nach den Statuten von 1206 abgebildet, darunter findet sich ein langes Hemd und eine lange Cotte, beide Längen schätze ich auf etwa mitte des Schienbeines. (Soweit ich mich erinnere ähneln sich die Statuten der Templer und Hospitaliter)
Laut Lehnart wäre das Hemd unter der Cotte zu tragen - was ich mir recht warm vorstelle: Hemd->Cotte->Gambeson oder Kutte *schwitz*
Allerdings behandelt Lehnart die höfische Mode, die ja für Orden nur bedingt gilt.

In Ospreys "Knight of Outremer" sieht man auf Tafel A ein Knöchellanges Kleidungsstück, welches unter dem (Knielangen) Aketon getragen wird und sehr warscheinlich eine Cotte ist (unter dem möglicherweise ein Hemd getragen wird, wenn man Lehnarts Aussagen miteinfließen lässt)

Zusammengefasst würde ich jetzt so vorgehen: 2x Cotte, beide Knielang, damit ich nach dem Kampf wechseln kann. Das wäre ein guter Kompromiß zwischen Lehnarts Aussagen, der Bebilderung der beiden Ospreys und praktischem Nutzen.
Auf das Hemd unter der Cotte verzichte ich aus termischen Gründen. Ausserdem sieht es eh keiner ;)

Was ist eure Meinung zu meinen beiden Fragen und meinen Gedanken?
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Dienender Bruder - was hatte man drunter? (Bruche, Hemd, Cotte...)
« Antwort #1 am: 03. Mai 2006, 14:55:46 »
Ja genau die Beinkleider sind die Bruche und die Strümpfe die Beinlinge.
Mein Hemd habe ich recht kurz gemacht. Geht bis oberhalb der Knie.
So wie ich die Aufzählung in der Ordensregel sehe wurde das Hemd als Unterhemd unter dem Gambeson bzw. der Cotta getragen.
Also wenn man den Gambeson an hat, hat man nicht noch die Cotta darunter. Die Cotta wäre dann in der Ordensregel der Leibrock. Mit dem gezackten Leibrock sind Reitschlitze in der Cotta gemeint.
Die Regel wird hier eindeutiger, wenn man die englische Übersetzung des franz. Textes nimmt.
Wenn das Hemd aus Leinen ist, geht das auch mit der Wärme.
Bzw. wenn man alles nass geschwitzt hat, kommt ja der Kühlungseffekt.

Gruß Heinrich

P.S. Eisenhut 2,5 kg (Insiderinfo)

Benedikt von Söllbach

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Dienender Bruder - was hatte man drunter? (Bruche, Hemd, Cotte...)
« Antwort #2 am: 03. Mai 2006, 18:33:47 »
Also erstmal danke für das Wiegen, die Insiderinfo und deine Antwort  :)

Das mit den Zacken hätte ich tatsächich falsch übersetzt, danke für die Aufklärung. Wobei mir das mit den Zacken schon komisch vorgekommen ist...
Das mit dem Leibrock habe ich zwar gelesen, es aber fälschlicherweise in Gedanken mit dem Hemd gleichgesetzt; auch für diese Berichtigung nochmal danke.

Wann wird die Cotta getragen? wohl unter der Kutte? oder immer dann, wenn keine Kutte getragen wird (das wäre dann nur beim schlafen, oder?)

Und was hältst du von der Sache mit der "engen Reitbruche"?
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Nikolaus von Schleißheim

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Dienender Bruder - was hatte man drunter? (Bruche, Hemd, Cotte...)
« Antwort #3 am: 03. Mai 2006, 21:09:16 »
Hallo,

also ich trage beim Kampf ganz normal Bruche und Beinlinge drunter, genau wie sonst auch (auch unter der Cotte). Das mit der Hirschledernen geht sicher auch, aber ich stell´s mir relativ unbeweglich vor beim Kampf zu Fuß?

In Osprey´s Knight Templar ist glaube ich auch einer ohne Rüstung abgebildet. Der hat neben Bruche und Beinlingen ein Leibhemd an, das etwa zu den Oberschenkeln reicht. Leider kann ich nicht nachschauen, das Buch ist zur Zeit "auf Reise"...

Ich trage Wetterabhängig die Cotte unter meinem Habit, oder auch nicht. Sehen kann man´s eh nicht wirklich.

Grüße
Nikolaus von Schleißheim

Benedikt von Söllbach

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Dienender Bruder - was hatte man drunter? (Bruche, Hemd, Cotte...)
« Antwort #4 am: 03. Mai 2006, 21:30:15 »
Also ich fand meine Lederhosen bis jetzt bequem, allerdings trägt man die auch nicht unter irgendetwas, sondern oben auf :)
Generell denke ich, dass der normale Lederhosen-schnitt stark abgewandelt werden müsste, um so eine mittelalterliche Reiterunterhose zu bekommen, wie sie Lehnart beschreibt.

Als Fußkämpfer stelle ich mir das auch unpraktischer vor, aber als Reiter (und das sind wir Sergenten) hat es den Vorteil, dass man sich nicht wundreitet. Ist aber vielleicht auch für lange Kriegsmärsche zu Fuß ein Vorteil...

Danke für eure Aussagen bezüglich der Cotte/Hemd! Nachdem ich jetzt den praktischen Nutzen kenne, stellt sich mir die Frage, wie es historisch gewesen ist - trug man die cotte immer über dem Hemd? oder war das auch damals Witterungsabhängig?
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Dienender Bruder - was hatte man drunter? (Bruche, Hemd, Cotte...)
« Antwort #5 am: 04. Mai 2006, 08:59:31 »
Eine gut geschneiderte Brouche ist alles andere als unpraktisch. Sie ist bequem und ermöglicht eine hohe Beweglichkeit. In die Beinlinge gesteckt rollt sich auch alles nicht so schnell auf.
Zur Kleidung der dienenden Brüder steht im Münter (Statutenbuch) das sie gleich der der Ritter ist mit Ausnahme des kurzen Kettenhemdes und des andersfarbigen Habits. Damit können auch Quellen zur Kleidung der Ritter herangezogen werden.
pax vobiscum

Benedikt von Söllbach

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Dienender Bruder - was hatte man drunter? (Bruche, Hemd, Cotte...)
« Antwort #6 am: 04. Mai 2006, 10:14:54 »
Das Kurze Kettenhemd ist ein Übersetzungsfehler - gemeint ist "ohne angesetzte Kettenhandschuhe", nicht "halber Arm". Das steht zwar auch mehrfach hier im Archiv, ich wollte es nur nochmal erwähnen ;)
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Heinrich von Hohenfels

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Dienender Bruder - was hatte man drunter? (Bruche, Hemd, Cotte...)
« Antwort #7 am: 04. Mai 2006, 14:44:30 »
Ich würde die Cotta der Kutte gleichsetzen. Also das Hemd darunter und darüber etwa die Kutte oder halt Gambeson.

Das mit der ledernen Reithose halte ich für möglich. Ist halt die Frage ob man nicht darunter schwitzt.
Also ich würde die Bruche bevorzugen und tue es auch.

Gruß Heinrich

Benedikt von Söllbach

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Dienender Bruder - was hatte man drunter? (Bruche, Hemd, Cotte...)
« Antwort #8 am: 04. Mai 2006, 15:48:52 »
Vielen Dank für eure Antworten!

Wenn ich mal zufällig an eine kurze Lederhose kommen sollte, werde ich vielleicht einmal dieses Experiment wagen, bis dahin tuts ebenfalls meine Bruche.
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« Antwort #9 am: 24. Juni 2006, 14:53:53 »
Im Moment wirft sich noch die Frage des Stoffes auf.
Ich habe hier nämlich noch etwas Nessel-Leinen (Hanf) rumliegen, den ich jetzt ungern wegwerfen würde. Ich würde ihn gerne für Hemd, Bruche und Beinlinge verwenden.

Laut Regel soll ja alles aus Wolle sein - allerdings mit der Ausnahme, dass das Hemd aus Leinen sein kann (Ihr kennt die Passage ja).
Meine Frage ist jetzt, ob diese Passage wörtlich zu verstehen ist, oder ob die Verwendung von Leinen auch für Beinlinge und Bruche zulässig ist und demnach "Hemd" als Sammelbegriff für "Unterwäsche" zu verstehen ist.

Im Buch "Kleidung des Mittelalters selbst anfertigen" habe ich auf Seite 44 gelesen, dass Strümpfe fürs hohe und späte Mittelalter nur aus Wolle bekannt sind. Gilt das auch für den Anfang des Hochmittelalters? kennt jemand Funde, belege, etc?

Noch eine spezielle Frage an Heinrich:
Hat dein Hemd Keile oder ist es wie der Wappenrock geschlitzt?
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Xardas

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« Antwort #10 am: 24. Juni 2006, 16:23:34 »
Also das wirklich alles aus Wolle sein soll, stimmt so generell nicht ( zumindest meines Wissens nach). Soweit ich es noch in Erinnerung habe muss das Obergewand ( abgesehen von den warmen Jahreszeiten wie du schon sagtest) immer aus Wolle sein. Zu den anderen Kleidungsstücken steht dort nichts. Die Beinlinge habe ich persöhnlich aus Wolle gemacht da sie ja für kalte Witterung geschaffen sein mussten. Daher hat man warscheinlich keine leinernen verwendet. Wenns wirklich mal zu warm wurde hat man die Teile einfach heruntergekrempelt. Außerdem konnten die Beinlinge mit Leinen unterfüttert gewesen sein. Ein etwas feineres stöffchen als Wolle für die Bruche kann ich mir gut vorstellen, weil einige Wolle auf der Haut nicht als sehr angenehem empfinden also kannst du dafür den Stoff ruhig verwenden. Hemd allgemein mit Unterwäsche zu übersetzen würde ich nicht wirklich in Betracht ziehen.

Benedikt von Söllbach

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« Antwort #11 am: 11. August 2006, 16:38:18 »
Bei einer meiner Recherchen bin ich auf folgendes interessantes Bild gestoßen:


Das Bild stammt aus dem "Hortus Deliciarum" (datiert auf 1180) und zeigt einen Mann in "richtigen" Hosen!
Es sieht aus wie eine Art Bruche mit langen Beinen, allerdings sind die Beine innen nicht geschlitzt. Der Hosenbund wird offenbar wie bei der Bruche gewickelt, es ist aber auch warscheinlich, dass das nur das Hemd ist, welches ausgezogen und um die Hüften geknotet ist (oder ein Hemd das heruntergerissen wurde?).

Auf der Beschreibungsseite (http://bacm.creditmutuel.fr/HORTUS_PLANCHE_1.html) der Deliciarumseite steht: "Extrait des scènes concernant les guérisons faites par Jésus. Ici, il s’agit d’un possédé par le démon." - Benoit de Neuilly (oder jemand anderes, der Frnazösisch spricht), könntest du das bitte übersetzen? :)
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« Antwort #12 am: 11. August 2006, 16:42:12 »
hatten die wikinger und sogar die kelten schon solche art von hosen, ich kann mich ja auch irren.

Benedikt von Söllbach

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« Antwort #13 am: 11. August 2006, 16:58:00 »
Gehört habe ich das auch, allerdings habe ich auch gehört, dass Hosen fürs Mittelalter in Europa nicht belegt seien. Dem ist ja nun nicht so, also kann ich mir (Darstellung 1190) eine Hose nähen und sie sogar belegen :)
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Neithan

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« Antwort #14 am: 11. August 2006, 19:31:07 »
Prinzipiell sind Hosen für das Mittelalter auch in Europa belegt. Allerdings muss man sich die Regionen und Zeiten genau anschauen. So sind Hosen für Wikinger und Rus belegt. Auch in England waren sie auf jeden Fall bis zu Eroberung 1066 zu finden.
gruß Neithan