Autor Thema: Kettenbeinlinge und Polsterung  (Gelesen 37440 mal)

Lancelot Graf von Rothenfels

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Kettenbeinlinge und Polsterung
« am: 19. Juli 2012, 14:40:51 »
Ich weis - wieder Mal das Thema der Kettenbeinlinge aber ich muss leider das Thema nochmal von vorne beginnen  ;)

Wir wissen, dass die Kettenbeinlinge hinten offen und zum "ans Bein" schnüren gewesen sind.  Das ist ja soweit belegt.

Aber nun nochmal die Frage nach dem "darunter" .

Ein normaler Wollbeinling unter einem Kettenbeinling erscheint mir nicht logisch weil:

1.) Der Ritter gerade am Pferd an den Beinen durch Schläge oder Schwertstreiche vom Boden aus sehr verletzbar ist. Ansonsten ist der Ritter durch Polsterhaube und Gambeson für den Oberkörper geschützt doch die Beine hätte er unter der Kette ungeschützt gelassen ?! Das erscheint mir nicht logisch....

2.) Das Kettengeflecht der Beinlinge ( man bedenke, dass das Material damals nicht so rund und ohne Grate war ) die Wollbeinlinge sicher sehr schnell ins Textil-Nirvana befördert hätte und die Ritterbrüder dadurch einen ziemlichen Verschleiss an Beinlingen gehabt hätten

3.) Ein Kettenbeinling an einem Wollbeinling doch etwas rutschig ist ( ausser man knallt die Kette derart an das Bein fest, dass nix mehr geht ...)


Meine Überlegung geht daher eher in die Richtung einer teilweisen Polsterung über die die Kette gebunden wurde.
"Gambesonbeinlinge" werden es nicht durchgehend gewesen sein, da man mit einer zu dicken Polsterung das Bein nicht mehr abbiegen könnte und durch die extreme Posterung den Schenkelschluss zum Pferd nicht mehr hätte um das Pferd, ohne Gebrauch der Zügel, im Gefecht zu lenken.


Beni hat mal gemeint wir würden die Polsterung überhaupt heute überbewerten ... wie seht ihr das ?
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Jorge von Brunswik

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Re:Kettenbeinlinge und Polsterung
« Antwort #1 am: 19. Juli 2012, 18:27:43 »
Das ist wirklich ein Thema wozu es noch viele Fragen gibt. Was ich mir vorstellen könnte, jedoch ohne diesen Gedanken belegen zu können wäre, daß man die kettenbeinlinge auf Leder genäht haben könnte. Das wäre schonend für die Wollbeinlinge und würde auch nicht so den Schenkelschluß zum Pferd behindern wie die von Dir genannten "Gambesonbeinlinge".
Nur mal ein kleines Gedankenspiel von mir ohne Anspruch auf historische Belegbarkeit. ;)
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Johannes vom Gollenstein

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Re:Kettenbeinlinge und Polsterung
« Antwort #2 am: 19. Juli 2012, 21:49:34 »
Hm... komplizierte Geschichte...

Kette auf Wolle kann ich mir nicht vorstellen, das ribbelt sich ziemlich rasch durch.

Denkbar wäre vielleicht wirklich ein lederner Unterbau, ähnlich wie bei den Chaps der Cowboys. Mit so einem Konstrukt hätte man auch gleich die Problematik der Befestigung "am Mann" gelöst.
Aber Leder war ja nach unserem Wissensstand nicht unbedingt gang und gäbe als Bekleidung...

Ich könnte mir einen Unterbau/Beinlinge aus Leinen vorstellen, vielleicht ähnlich dem Aketon (der ja dünner als ein Gambi ist).
Denkbar wären vielleicht mehrer Schichten Leinen ggf. mit leichtem Postermaterial dazwischen.

Auf jeden Fall muß die Polsterung am Bein m. E. die Schenkelinnenseiten sowie an den Gelenken dünner ausfallen, sonst leidet die Beweglichkeit doch erheblich.

Bleibt die Frage: wie kriege ich dieses Konstrukt am Ritterlein befestigt???

Alesandro von Hainichen

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Re:Kettenbeinlinge und Polsterung
« Antwort #3 am: 19. Juli 2012, 23:05:14 »
Lange war der Papa krank, jetzt diskutiert er wieder Gott sei dank.... (Frei nach Wilhelm Busch)  ;D

Die Bilder und Statuen die uns bekannt sind zeigen die Kettenbeinlinge ja idealisiert als enganliegend und körperbetont - also fehlt hier der Anhalt für die Art und Form der Beinlinge.

Auf Grund der vorhandenen geringen Fakten und logischen Vermutungen meiner Vorgänger mal eine Idee von mir und bestimmt nicht der Weisheit letzter Schluss:

- es hat Polsterbeinlinge gegeben da Kette auf Haut bzw. Wollbeinling eher unpraktisch und zu gering in der Schutzwirkung

- eine dicke Polsterung wie bei römischen Gladiatoren würde die Beweglichkeit zu weit einschränken und die Kontrolle des Pferdes über den Schenkeldruck erschweren

Ergo:

Polsterbeinlinge währen meines erachtens eher in Form von Beinlingen die an den Aussenseiten und an der Vorderseite ähnlich wie ein Aketon gepolstert und mit Kette versehen waren. Also mehrere Lagen Leinen und Wollstoff die die Beweglichkeit nicht zusehr einschränken, durch die Auslassung von Innenseite und Rückseite bleibt die Beweglichkeit erhalten und auch Schenkeldruck so wie normales Gehen währe nicht eingeschränkt....

Befestigung über Nestelbänder/ Lederriemen an einem Gürtel/ Bruchengürtel


Was haltet ihr davon ?
Alesandro von Hainichen


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Cornelius

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Re:Kettenbeinlinge und Polsterung
« Antwort #4 am: 19. Juli 2012, 23:46:33 »
Die Idee des Lederfutters finde ich gar nicht so schlecht, nicht zuletzt da auch gefütterte Kettenhemden wohl verbreiteter waren als man denkt (sicherlich nicht nur wie beim klassischen Kazaghand à la Usama b. Munqidh), ganz abgesehen von Schuppen- und Lamellenpanzern, die auch eine Unterlage gehabt haben können (eine "akademische" Unterscheidung zwischen beiden ist die, dass nur der Schuppenpanzer ein Trägermaterial brauchte, D. Nicolle, wenn ich mich nicht irre). Ich will allerdings bezweifeln, dass mittelalterliche Ringpanzer eher mehr als weniger schartige Raspelhemden waren, denn als solche wären sie kaum praktikabel gewesen. Ein Aketon unterm Hemd (wie er nur mühsam belegt werden kann) fiele dem ja auch zum Opfer. Was das Rutschen angeht, so sollte eine Aufhängung am Gürtel und evtl. ein Knieriemen (muss in der Manesse zu sehen sein, aber da habe ich nur dunkel einen Forenbeitrag von Tempus Vivit im Kopf) zusammen mit der hinteren Schnürung reichen. Zumindest meine ich, dass es bei mir gereicht hat. Hatte die Dinger ewig nicht dran...

Die Schutzwirkung ist wieder so ein Ding, bei der ich nicht die Vermeidung von Schmerz als Kriterium ansetzen würde. Und wenn halt vor allem offene Wunden vermieden werden sollen, dann "schützt" ein Kettenbeinling auch mit nur Wolle oder vielleicht einem biegsamen Leder drunter. Außerdem – wäre Polsterung üblich gewesen, warum dann später die Stoffdiechlinge mit Kniekacheln? Meiner Meinung nach findet hier das gleiche statt wie mit den Gambis bzw. Plattenröcken über der Kette: Der bisherige Schutz war ausreichend, aber ein paar Veränderungen im Krieg machten etwas mehr Panzerung attraktiv. Die vielen (Moment, hier müsste man mal zählen!) Diechlinge für Reiter sprechen meiner Meinung nach auch dafür, dass die Einschränkung bei Schenkelhilfen nicht nennenswert war. Vielleicht spielen da auch die gestreckten Beine mit rein.

Eine letzte Sache ist die, dass ich (vor allem beim historischen Fechten) gelernt habe, Abbildungen oder komische Formulierungen doch nicht so einfach als künstlerische Freiheit oder übermäßige Stilisierung zu deuten. Usama spricht deutlich davon, dass die Franken schlanke große Männer bewunderten. Wenn uns die Illustrationen von dünnen Rittern irgendetwas verraten, dann das, dass sie sich bestimmt gut und schnell bewegen konnten. Und das halte ich für arg authentisch.

Midan von Malterstorp

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Re:Kettenbeinlinge und Polsterung
« Antwort #5 am: 20. Juli 2012, 06:28:09 »
Auf Abbildungen, z.Bsp. Manesse sieht es wirklich so aus, als ob die Ritter keine Polsterung darunter haben. Das würde eher für was dünnes, ggf Leder sprechen. Allerdings sind die auch nicht hinten offen, sonder komplett geschlossen. Außer vielleicht die Fußsohle). Gegen das Scharfkantige helfen Rundringe. Sauber vernietet ist der "Kratzfaktor" recht klein.
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Lancelot Graf von Rothenfels

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Re:Kettenbeinlinge und Polsterung
« Antwort #6 am: 20. Juli 2012, 07:29:14 »
@ Allessandro ( welcome back - schön, dass du wieder da bist  :)  )
Meine Überlegungen gehen in genau die selbe Richtung wie deine !  Erscheint mir auch am praktikabelsten...

@ Cornelius
Bedenke aber, dass die gestreckten Beine die Reitweise auf einem Turnier waren um den Lanzenstoss aubzufangen. In einem Schlachtengetümmel wurden die Pferde durch Schenkeldruck gelenkt um die Hände für Schild und Waffe freizuhaben - da war nix mit gestreckten Beinen. Auch erscheint es mir nicht logisch die Beine nur gegen offene Wunden zu schützen ( speziell am Pferd ) Oberkörper und Kopf jedoch zu polstern .....

@Midan
Wie Allesssandro bereits bemerkt sind die Abbildungen größtenteils idealisiert .... hab auch auf einer Abbildung noch nie ienen Ritter als Michelin Männchen dargestellt gesehen wie es im richtigen Leben aber mit all der Polsterung ist. Ich nehme daher die Manes punkto Polsterung nur teilweise als Beleg an.

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Re:Kettenbeinlinge und Polsterung
« Antwort #7 am: 20. Juli 2012, 11:23:16 »
@ Cornelius
Bedenke aber, dass die gestreckten Beine die Reitweise auf einem Turnier waren um den Lanzenstoss aubzufangen. In einem Schlachtengetümmel wurden die Pferde durch Schenkeldruck gelenkt um die Hände für Schild und Waffe freizuhaben - da war nix mit gestreckten Beinen. Auch erscheint es mir nicht logisch die Beine nur gegen offene Wunden zu schützen ( speziell am Pferd ) Oberkörper und Kopf jedoch zu polstern .....
Die meisten "kriegerischen" Abbildungen zeigen die Beine aber auch gestreckt. Solange sich die Steigbügel nicht verkürzen, kann er die Schenkel ja kaum anwinkeln. Ich hätte eben vermutet (aber da lasse ich mich gern belehren), dass die Schenkelhilfen auch mit gestrecktem (oder sagen wir: langem) Bein funktionieren.

Warum sollte man die Beine weniger schützen? Na weil sie, vor allem für einen Reiter, nicht sofort lebensnotwendig sind. Und außerdem denke ich, dass – vom Kopf mal abgesehen – der Rest des Körpers auch nicht wesentlich besser geschützt war, was die Beine dann wiederum gar nicht so schlecht aussehen lässt. Vergessen wir nicht, dass die Rüstung mit Ringpanzer schon eine noble Sache ist und dass zu früheren Zeiten trotzdem zu Pferde gekämpft wurde.

Gabriel von Kettenhofen

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Re:Kettenbeinlinge und Polsterung
« Antwort #8 am: 20. Juli 2012, 12:18:58 »
Und wenn man die Theorie der ledernen Reithose unterm Gewand wieder aufgreift? Dann wäre durch diese Hose der lederne Schutz schon da und die Beinlinge, ob hinten offen oder nicht, bräuchten nur noch drübergezogen zu werden.
Servo! (Ich diene!)

Charles v. säbelberg

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Re:Kettenbeinlinge und Polsterung
« Antwort #9 am: 20. Juli 2012, 13:55:13 »
Werte Brueder,

Auch ich glaube das die Polsterung ueberbewertet wird.

À.-dadurch die beweglichkeit des Reiters/Ritter zusätzlich eingeschränk wird und der kontakt zum Pferd gemindert wird,gerade om nahkampf zu Pferd mit Schwert und Schild.
B.-gerade in der Darstellung eines Ordensritter im Heiligen Land,man denke an die Temperaturen,wäre eine zu starke Polsterung fatal,sogar tötlich,bei der Schlacht oder auch belagerung,an eine verfolgung des Feindes Zu Pferd,garnich Zu denken,wäre bei starker Polsterung spätestens nach 15 Minuten schluss Und der Bruder am Hitzestau/Hitzschlag verstorben.

Also ALS  weltlicher Ritter beim Turnier,ja da kann ich es mir vorstellen ,aber nicht als Ordensritter in Spanien oder im Heiligen Land.

Gott zum Gruss

Charles

Lancelot Graf von Rothenfels

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Re:Kettenbeinlinge und Polsterung
« Antwort #10 am: 20. Juli 2012, 18:26:21 »
@Cornelius

Eine Schenkelhilfe wird primär mit den Unterschenkeln gegeben und dies ist bei gestrecktem , langem Bein nicht möglich denn dieser befindet sich in einem solchen Fall an der Schulter des Pferdes ( und dort ist eine Hilfe sinnlos ) - weiters würde das lange Bein den Sporn ad Absurdum führen , aus den selben Gründen wie vorher aufgezeigt kann der Sporn nicht an der Schulter des Pferdes eingesetzt werden.

Weiters ist der (Oberschenkel)schluss am Pferd notwenig um bei einer Seitwärtsbewegung des Pferdes auf diesem zu verbleiben ..... das gestreckte Bein jedoch macht nur Sinn bei einem Sturmlauf oder einer geradeaus gerittenen Lanzenattacke um die Wucht des Aufpralles abzufangen. Dazu gab es ja auch die speziell geformte Galerie der Sättel.

In einem Kampfgetümmel ist ein Pferd ohne Zügelhilfen ( denn die Hände wurden, wie gesagt,für Schild und Waffe gebraucht ) und langem Bein ( hier entfielen auch die Schenkelhilfen ) nicht kontrollierbar.

Warum das Bein genauso geschützt werden sollte ?  Na weil ( wenn auch nicht Lebensbedrohlich ) z.B. ein Schlag mit einem Flegel / einer Keule  auf die Kniescheibe diese ohne Polsterung zertrümmern würde und der Reiter - ob diesem Schmerz - sofort Kampfunfähig wäre ... oder ein Axt oder Schwertstreich der die Kette teilweise durchdringen und eine lebenswichtige Arterie verletzen könnte ..... da würden mir noch einige Beispiele einfallen die gerade bei einem Berittenen FÜR eine Polsterung unter den Kettenbeinlingen sprechen würden.

@ Charles ( schön wieder was von dir zu lesen ! )
Der Einsatz der Polsterung im hl. Land ist sicher komplett unterschiedlich als z.B. bei einer DO Prussenfahrt im Winter im östlichen Ordensland ......  Ich denke, dass hier einiges an Denkansätzen neu geordnet werden müsste.

Der Einsatz von Lederbeinlingen (und einer ledernen Reitbruche) käme mir hier dann wieder in den Sinn - so wie Johannes v.G. dies als erfahrene Reiterin ebenfalls bereits bemerkt hat ....
 ;)



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Re:Kettenbeinlinge und Polsterung
« Antwort #11 am: 22. Juli 2012, 12:31:04 »
OK, danke für den Hinweis, ich hätte gedacht, dass man mit dem Unterschenkel auch trotzdem noch an dem Bauch kommt, aber hm... halten wir zumindest fest, dass man sich nicht viel Polsterung leisten kann (zumindest außen, vielleicht ging eventuelle Panzerung ja nicht komplett ums Bein...?!).
Warum das Bein genauso geschützt werden sollte ?  Na weil ( wenn auch nicht Lebensbedrohlich ) z.B. ein Schlag mit einem Flegel / einer Keule  auf die Kniescheibe diese ohne Polsterung zertrümmern würde und der Reiter - ob diesem Schmerz - sofort Kampfunfähig wäre ... oder ein Axt oder Schwertstreich der die Kette teilweise durchdringen und eine lebenswichtige Arterie verletzen könnte ..... da würden mir noch einige Beispiele einfallen die gerade bei einem Berittenen FÜR eine Polsterung unter den Kettenbeinlingen sprechen würden.
Das sind eben wieder die Punkte Rüstung gegen Beweglichkeit, bei der ich auf letzteres Spekulieren würde, denn man schützt sich ja eben nicht gegen heftige Frontalangriffe, sondern "nur" gegen das, was mit Beweglichkeit und Kampfkunst nicht abgewehrt werden kann. WENN man mit seiner Keule nah genug an einen Reiter rankommt und dann in der Hektik das Bein volle Kanne trifft, DANN wäre in der Tat der Schaden groß. Ich kenne es aber aus dem bisschen Reenactmentfechten, das ich gemacht habe, und noch mehr aus dem historischen bzw. Sportfechten, dass selbst in einem geregelten Zweikampf mit abgegrenztem technischen Repertoire (nicht im Sinne von Beschränkung aus Schutzgründen, sondern als das, was quellenmäßig belegt und damit sinnvoll ist), dass selbst dort Techniken nur mit viel Übung funktionieren. Wie viel unsauberer muss das dann im Schlachtgetümmel sein?! Ich denke immer mehr, dass die Rüstung hauptsächlich gegen das gedacht war, was in der Handschrift 3227a (um 1389) als "Zecke" beschrieben wird, also ein kurzer schwacher Hieb – bzw. ein "Streifschuss", wie wir heute sagen würden. Dagegen reichen die Ringpanzerstrümpfe allemal, selbst wenn nur dicke Wolle drunter ist. Die hypothetische Lederbruche braucht man dafür eigentlich auch nicht.

Im historischen Fechten sind wir gerade wieder beim Abrüsten. Mit Fechtmeisterjacke und etlichen Gelenkschützern erleidet man zwar weniger Schaden, aber man kann sich auch schlechter bewegen, so dass die Kampfkunst ansich nicht so recht wirken kann (man bedenke, dass die meisten überlieferten Systeme aus dem "Blossfechten" kommen, also dem Kampf ohne Rüstung). Es funktioniert wunderbar.

Benedikt von Söllbach

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Re:Kettenbeinlinge und Polsterung
« Antwort #12 am: 23. Juli 2012, 11:29:23 »
Cornelius Idee nochmal "moderner" aufgegriffen:
Heute schützt man sich auch nicht gegen die "dicken" Dinger, sondern gegen das "übliche": Mein Kevlarhelm in der Bundwsehr schützt vor herumfliegenden Splittern, nicht aber vor Direktbeschuss.

Die These mit Aketonähnlicher Panzerung integriert im Beinling hatte ich auch schonmal, da da einfach der Tragekomfort höher ist. Allerdings sind textile Panzer eben nur schwer nachzuweisen (auf Abbildungen) und man geht in der forschung ja eher davon aus, dass das Panzerhemd vorwiegend über "normaler" Kleidung getragen wurde. Man sieht das auch gut an den Bogen- und Armbrusschützen im "Liber ad honorem Augusti", die sind bis auf den Helm komplett ungepanzert. In der recht detailreichen Macbibel lassen sich meines Wissens keine Textilpanzer unter Ketenpanzern nachweisen. Einen Museumsbeleg kenne ich nur in Form einer Polsterhaube unter Helm aus dem 16. Jhd. sowie bildlich (und nicht ganz so sicher) in Form einer Polsterhaube unter Kettenhaube auf dem Aachener Karlsschrein.

Vielleicht lesen wir die Ordensregel auch zu sehr als STAN-Liste. Es steht da aber auch immer "kann haben" und nicht "hat"; wir dürfen nicht davon ausgehen, dass jeder Bruder jede Ausrüstung hatte. Viel wahrscheinlicher hatten die Meisten Brüder eben nicht alles, somit auch nicht jeder Bruder denAketon aus der Ordensregel (der ja auch nicht 100% als solcher feststeht! Körner schreibt ja "Schulterstücke", Curzon "Espaliers").
Probate spiritus si ex Deo sunt. ("Prüfet den Geist, ober er von Gott kommt" - Paulus)
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Re:Kettenbeinlinge und Polsterung
« Antwort #13 am: 24. Juli 2012, 11:20:45 »
Der Beleg zur Polsterhaube ist in der Wiener Rüstkammer zu sehen - "Haube zum Einknüpfen in einen Stechhelm / 1420 - 1490"  siehe link zu Medieval Crusader der zwei schöne Bilder davon auf seiner Seite hat ( Danke und liebe Grüße H.P.  ;)  ) http://www.medieval-crusader.de/Mittelalter/Huete.html

Das heisst wir sollten die gesamte Darstellung mit z.B. Gambe unter dem Kettenhemd überdenken ?!

Ausser natürlich als Schutz im (Frei)Kampf ..... da ist es logisch sich auch nicht "A" zu schützen .

Das würde bedeuten, dass ein etwas festeres Untergewand unter der Kette ausreichend war um eben gegen zb. "zufällige" Schwertstreiche zu schützen aber nicht um durch Polsterung Schläge zu entschärfen.

Für einen Einsatz im hl. Land mag mir das Einleuchten da ja der Hitzeaspekt auch noch dazukommt.  

Jedoch für einen Einsatz in Europa ( als Beispiel hier nochmal der DO mir seinen Prussenfahrten im Winter ) würde mir die Logik zu einem "Doppelnutzen" für Schutz vor Kälte + Schutzwirkung als Polsterung unter der Kette raten.

Vielleicht sollten wir von verschiedenenAusführungen je nach den Einsatzgebieten ausgehen......
« Letzte Änderung: 24. Juli 2012, 11:23:40 von Lancelot Graf von Rothenfels »
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Re:Kettenbeinlinge und Polsterung
« Antwort #14 am: 25. Juli 2012, 11:00:44 »
Im Gefecht spielt, selbst wenn wir von längeren Kampagnen und Zeiten des Herumstehens ausgehen, Wärme und Kälte wohl die geringste Rolle, vor allem da man unter Kette (oder jeder anderen Form von Gepäck) immer etwas warm wird und notfalls nen Mantel überwerfen kann. So wie es aussieht, waren Schuppen- und Lamellenpanzer mit (wenigstens teilweise) metallischen Segmenten im Orient verbreiteter, obwohl sie sich auch gut aufheizen müssten und weniger Ventilation bieten als ein Ringpanzer. Gestorben sind sie anscheinend auch nicht reihenweise, aber ein gewisser regionaler Einfluss war zweifelsohne dabei.

Die Gambisache nagt eh an mir. Curzon übersetzt ja nicht espalier(es), sondern das ist der Originaltext und "Schulterpanzer" o.ä. scheint wohl die treffende Übersetzung zu sein. Wenn wir an die MacBibel denken, so ist dort die einzige gesteppte Stoffrüstung unter Ringpanzerhemden ein Kragen (genau wie es die andersfarbigen Krägen auch unter Gambesons gibt). An Ärmeln und Beinen schaut da nichts mit Steppnähten hervor; ich habe deswegen extra die ganzen paarundachtzig Bilder durchgesehen (auch wenn man eine einzelne Quelle jetzt nicht überbewerten sollte etc. etc.). Meiner Meinung nach ergibt es auch Sinn. Erst einmal sind zwei oder drei Lagen (Kleidungs-) Stoff unter dem Panzer auch schon eine Art Polsterung und zweitens würde es zum System der gebogenen Nasalhelme passen (an denen Schwerthiebe von oben ja abrutschen), die neue Aufschlagfläche, nämlich die Schultern, tatsächlich zu verstärken. Außerdem bewegt sich die Schulter beim Fechten ständig und da kann etwas Abstand zur Kette tatsächlich nicht schaden, aber das ist jetzt eher eine Anmerkung tertiärer Argumentationskraft. Deutlicher ist da meiner Meinung nach die Einführung des Plattenrocks, den man bestimmt nicht zusätzlich zu ohnehin schon dicker Panzerung von Gambi und Ringpanzer getragen hätte.

Ich hatte da mal ne unselige Diskussion hier mit einigen wenigen Quellen für "Gestepptes" unter dem Hauberk, falls sich jemand da durchwühlen möchte...