Autor Thema: Lederbekleidung im Mittelalter?  (Gelesen 8650 mal)

Stephan de Schieritz

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Lederbekleidung im Mittelalter?
« am: 01. August 2010, 09:55:24 »
Pax vobiscum,

ich wollte mal fragen ob jemand Quellen oder Bildbelege kennt die auf Lederbekleidung im Mittelalter deuten?

Ich meine jetzt nicht das klassische LARP-Thema sondern im Rahmen der bürgerlichen oder beruflichen Bekleidung. Denn soweit ich weiß hat z.B. das Lederwams im 16Jhd Einzug in die bürgerliche Mode erhalten. Der Schmied dürfte sich damals wie heute mit einer Lederschürze vor den Flammen und Funken geschützt haben.

Pax et Bonum
Stephan de Schieritz

Benedikt von Söllbach

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Lederbekleidung im Mittelalter?
« Antwort #1 am: 02. August 2010, 19:25:16 »
Hallo,
solche Schutzausrüstung ist ja aber nicht "Bekleidung" im eigentlichen Sinne, oder?
Was genau suchst du?
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Stephan de Schieritz

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Lederbekleidung im Mittelalter?
« Antwort #2 am: 02. August 2010, 20:59:32 »
Hallo Benedikt,

im eigentlichen suche ich Belege ob es Lederbekleidung zu meiner Zeit (also um 1345) schon beim Bürgertum gab oder in den verschiendenen Berufen. Bisher hab ich nur Belege für 15 und 16Jhd gefunden, da gab es den Lederwams im Bürgertum als auch beim Militär.

Ich hatte daher die Vermutung das ein Feldscherer vermutlich auch Lederkleidung (in Form eines Wams) hätte tragen können, aber die Anfertigung war ja auch nicht leicht, der Rohstoff aber überall verfügbar nahezu, bezahlbar war er bestimmt.

Wie gesagt alles nur Mutmaßungen, ich hab noch keine Belege. Bisher hab ich nur einen Beleg für einen Schmied der eine Lederschürze trägt auf einem Bild.

Pax et Bonum
Stephan de Schieritz

William

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Lederbekleidung im Mittelalter?
« Antwort #3 am: 02. August 2010, 23:02:06 »
Wir hatten das Thema irgendwo schonmal angesprochen und es war wirklich schwer zeitlich passende Bildbelege zu finden.

Zäumen wir das Pferd doch mal von der anderen Seite auf:

1.Wie du schon sagst - Leder war billig und leicht zu bekommen!

2. Stoffe waren im vergleich zu Leder teuer - allein schon wegen der Verarbeitung zu Kleidung.

3. Es gab noch keine "Arztuniform" oder Berufskleidung - generell trug jeder seine Alltags-Kleider bei seiner Arbeit und wenn er sich was zum Wechseln leisten konnte, dann meist den guten "Sonntagsanzug" für den Kirchgang o.Ä.

4. Der Feldscherer hatte immer mit Blut, Eiter, Schmutz etc zu tun - im Gegensatz zum akademischen Medikus, der bestenfalls mal einen Aderlaß durchgeführt hat.

5. Es gab auch noch keine guten Reinigungsmittel, chemische Schnellreinigung etc - also konnte er nicht Abends mal fix die Klamotten in die Maschine haun! *smoky*

Aufgrund der genannten Fakten, wäre es als Indizienkette nur machbar und sinnvoll, wenn er bei der Arbeit etwas übergestreift hat, was sich leicht reinigen und bei Bedarf einfach und billig ersetzen ließ - Gummi gabs ja auch nicht! - daher bleibt eigentlich nur die gleiche "Schutzkleidung" wie wir sie für andere Berufe belegen können - also die Lederschürze!

Ich weiß so eine Indizienkette ist da sehr unbefriedigend, aber wenn Belege fehlen, kann man nur so weiterkommen.

Was trug ein römischer Feldarzt? Evtl kommt man über den Namen der römischen "Arbeitskleidung" eher an mittelalterliche Belege!?
Was trug ein Mönch bei der Versorgung schmutziger Wunden/Amputationen - nur den Habit oder gab/gibt es da ein entsprechendes Kleidungsstück bei den Mönchen?

Manchmal fehlt einfach nur der richtige Suchbegriff um doch noch Belege zu finden! *smoky*

Gruß
William
Ist es nicht klüger zu akzeptieren, dass man nichts Genaues weiß, als sich auf tönernen Füßen Wahrheiten aufzubauen?

Lazarus v. Akkon

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Lederbekleidung im Mittelalter?
« Antwort #4 am: 03. August 2010, 07:14:35 »
Zitat
Original von William

1.Wie du schon sagst - Leder war billig und leicht zu bekommen!

2. Stoffe waren im vergleich zu Leder teuer - allein schon wegen der Verarbeitung zu Kleidung.


zu Punkt 1&2 möchte ich Einspruch erheben
Warum ?
für Leder musste kostbares Vieh dran glauben, dann schneideste leder auch nicht einfach vom Tier runter und  und tata haste ne  Schürze.
Leder gerben ist ne Sauarbeit wie ich selber feststellen musste.
Es stinkt bestialisch,du brauchst Verarbeitungsmaterialien die unsereins heute nicht mal mehr in die hand nehmen würde und das abschaben und spätere weich walken ist ein e Knochenarbeit.
Ich will keinem Feldscher,Winzer oder Schmied seine Schürze absprechen, aber billig und einfach zu bekommen war leder gewiss nicht.
mfg
Lazarus
Du weist du bist ein richtiger Reenactor wenn.....
.... dir klar ist das Mittelaltermärkte nix mit deinem Hobby zu tun haben.

William

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Lederbekleidung im Mittelalter?
« Antwort #5 am: 03. August 2010, 10:17:30 »
Zitat
Original von Lazarus v. AkkonWarum ?
Ich will keinem Feldscher,Winzer oder Schmied seine Schürze absprechen, aber billig und einfach zu bekommen war leder gewiss nicht.
mfg
Lazarus

Billig ist natürlich immer relativ - wie auch bei Wollstoff und jedem anderen Artikel kannte man sicherlich auch bei Leder gute - sprich teure Qualität - und sehr einfaches!
Sicherlich spielte und spielt auch die Art des Leders eine Rolle - so wird Hirschleder wesentlich teurer gewesen sein als Rindleder - denn die Hirschjagd war nur dem Adel vorbehalten (in England zeitweise sogar nur dem König!), während hingegen jedes Dorf  Rinder hatte.

Schau dir nur einmal eine Lederschürze, für Schweißer, bei VW an - billigstes Leder und billigste Verarbeitung - aber ausreichend!

Das Leder im MA billig war haben archeologische Schuhfunde belegt - so wurden auch von der einfachen Bevölkerung Lederschuhe mit kleinen Mängeln nicht repariert, sondern sie wurden einfach weggeworfen!
Dem gegenüber wurde Kleidung, nicht nur im Orden, nach "unten" weitergereicht und immer wieder geflickt.

Geschlachtet wurde in nahezu jedem Haushalt und Gerber standen sehr weit außerhalb, am Rand der Gesellschaft - sie hatten keine "Lobby" denn sie waren sehr arm! Aber es gab sie in jedem größeren Dorf.

Das betraf aber viele "einfache" Handwerke - die wohl auch vom Adel künstlich unten gehalten wurden - erst die weiterverarbeitenden Gewerbe waren angesehener und brachten mehr Gewinn - das ist auch heute noch so.
.
Zu "unserer" Zeit hatten nur einige wenige Handwerke bereits "einen goldenen Boden" aber eben nicht die Masse und schon gar nicht die unangesehenen Gewerbe.

Eine ähnliche Struktur findest du auch heute noch - z.B. in Marokko - dort ist Leder und die Verarbeitung auch noch sehr billig und nicht so angesehen, wie z.B. die Metallverarbeitung.

Gruß
William
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Stephan de Schieritz

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Lederbekleidung im Mittelalter?
« Antwort #6 am: 03. August 2010, 18:50:09 »
Hallo Lazarus,

klar war Leder in der Herstellung nicht leicht, aber es gab auch Berufe die sich der Herstellung verschrieben hatten und auch klingende Münze dafür nahmen.

Meine Vermutung ging daher eher in die Richtung das es kein "edles" Leder war, sondern wie William meinte das "billige" Leder das eh z.b. nach der Schlachtung von Nutztieren etc. übrig blieb. Von daher war es dann vielleicht auch für den "Feldscherer" oder andere Berufsgruppen die sowas benötigten erschwinglich. Eben weil es das "billige" Material sprich Leder war.

Hallo William,

deine "Indizienkette" finde ich toll. Sie würde das Leder als "Schutzbekleidung" erklären. Leider habe ich immer noch keine Ansätze wie die "Schutzbekleidung" ausgesehen haben könnte. ich habe an einen Lederwams gedacht, aber der kam ja erst später in "Mode". Und als Modell für eine Schürze habe ich wie gesagt bisher nur eine Abbildung von einem Schmied gefunden der es ähnlich wie einen "Lendenschurz" trägt.

Von Mönchen weiß ich das diese bei der Arbeit einen Skapulier über der eigentlich Kutte trugen als Schutz. Die Arbeitsbekleidung einen römischen Feldarztes kenne ich allerdings sehr wenig....ist nicht ganz mein Fachgebiet, da muss ich mich mal schlau machen.

Pax et Bonum
Stephan de Schieritz

William

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Lederbekleidung im Mittelalter?
« Antwort #7 am: 03. August 2010, 20:16:59 »
*smoky*
Zitat
Original von Stephan de Schieritz
 Leider habe ich immer noch keine Ansätze wie die "Schutzbekleidung" ausgesehen haben könnte. ich habe an einen Lederwams gedacht, aber der kam ja erst später in "Mode". Und als Modell für eine Schürze habe ich wie gesagt bisher nur eine Abbildung von einem Schmied gefunden der es ähnlich wie einen "Lendenschurz" trägt.

Da es Belegbilder für die schlichte Lederschürze des Schmiedes gibt, würde ich erstmal diese sehr einfache Variante wählen - keinesfalls einen Lederwams!

So eine Schürze als "Schmutzfänger" erfüllt schließlich nicht nur bei einem Schmied seinen Zweck und man kann zumindest sagen, das es dafür Belege gibt - also das man in der Lage war sie herzustellen.
Das sie in anderen Berufen eben auch genutzt wurde und das sie nicht allzu teuer war, denn dann hätte auch der normale Dorfschmied sie sich nicht leisten können, sollte erstmal als Begründung reichen!

Es ist damit zwar immer noch nicht sicher für einen Feldscherer im Mittelalter belegt , aber immerhin als Schutzkleidung allgemein und aus späteren Zeiten gibt es da Bilder die genau so eine Schürze belegen - z.B. gibt es ein Bild aus dem amerikanischen Bürgerkrieg.

Ich würde die Variante nehmen die im Bild zu sehen ist, allerdings aus Glattleder und nicht aus Spaltleder.

Gruß
William
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Migo

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Lederbekleidung im Mittelalter?
« Antwort #8 am: 03. August 2010, 22:01:35 »
Wie William bereits dargestellt hat, gab es diese Art von Schürzen bereits - sie wurden (und werden auch heute noch) in verschiedenen Handwerken eingesetzt.

Ich stelle mir die Frage: Welche Alternativen hätte es gegeben?

Das Kleidungsstück musste einen großflächigen Schutz gegen Blut und Dreck bieten. Dabei durfte es nicht beim ersten "Patienten" bereits durchgeweicht sein. Hier würde es bei der Wahl der Materialien bereits eng werden. Die Kleidung musste weich und flexibel sein, um die entsprechende Bewegungsfreiheit zu gewährleisten. All dies spricht für Leder.

Die verwendeten medizinischen Instrumente lassen vermuten, dass damit relativ genau gearbeitet wurde. Ich gehe davon aus, dass es eine Schürze war, da diese die Bewegungsfreiheit der Arme nicht einschränkt.
Bruder Migo
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Gott gebe mir die Gelassenheit Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut  Dinge zu ändern, die ich ändern kann und die Weisheit, das Eine von dem Anderen zu unterscheiden.

Johannes vom Gollenstein

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Lederbekleidung im Mittelalter?
« Antwort #9 am: 10. August 2010, 08:55:03 »
@William
Zu den Schuhfunden habe ich anderes gelesen als du. Soweit mir bekannt ist, gibt es zahlreiche Schuhfunde, die bis zum Getnichtmehr geflickt waren! Außerdem wurde anscheinend auch das kleinste Stückchen Leder verwertet, da es Funde von einem Paar Schuhe mit unterschiedlichen Schnittmustern gibt.
Leder dürfte m. E. alles andere als günstig gewesen sein.

Zu der Bekleidung:
Auf jeden Fall gab es Lederschürzen. Anscheinend wurde häufig einfach eine komplette Haut (je nach Größe natürlich) mit Bändern versehen und umgebunden. Davon gibt es zahlreiche Abbildungen, man sieht sehr schön die Beinansätze.
So eine Schürze könnte auch für einen Feldscher praktisch sein.

Aber komplette Kleidung aus Leder? Ich tendiere eher zu einem Nein, wobei mir leider auch konkrete Quellen fehlen...

Migos Argument mit der Armfreiheit erscheint mir schlüssig. Obwohl es ja durchaus auch feines Leder gegeben hat, finde ich es in diesem Falle unpraktisch. Die haben sich vielleicht eher die Ärmel hochgekrempelt, als durch Kleidung geschützt.

William

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Lederbekleidung im Mittelalter?
« Antwort #10 am: 10. August 2010, 09:19:24 »
Zitat
Original von Johannes vom Gollenstein
@William
Zu den Schuhfunden habe ich anderes gelesen als du. Soweit mir bekannt ist, gibt es zahlreiche Schuhfunde, die bis zum Getnichtmehr geflickt waren! Außerdem wurde anscheinend auch das kleinste Stückchen Leder verwertet, da es Funde von einem Paar Schuhe mit unterschiedlichen Schnittmustern gibt.
Leder dürfte m. E. alles andere als günstig gewesen sein.

Meine Aussage bezieht sich auf Brunnen-, Müllgrubenfunde in Niedersachsen!

Das stand so in dem archeologischen Jahresbericht Niedersachsen von.....(??) - hole mir den jedes Jahr!

Aber wie ich schon geschrieben hatte, gab es sicherlich sehr unterschiedliche Lederqualitäten - wie eben heute auch!
Dabei dann noch zu bedenken ob das Leder gefärbt wurde - welche Farbe und wie aufwändig der Schuh verarbeitet wurde!

Also letztlich die gleichen Kriterien wie bei modernen Schuhen heute auch - einen 12,- € Billigschuh von Dei.ch.mann würde wohl auch heute niemand für 20,-€ neu besohlen lassen - den sauteuren Designerschuh aber bestimmt! *smoky*

Das einfaches Leder eben doch billig war belegen ja eben auch die Schürzen - so ein einfacher Dorfschmied war eben nicht so reich und konnte sich trotzdem eine Schürze leisten!
Vermutlich ist heute ein Lederstück in der Größe sogar teurer als damals (Spekulation!)

Billig ist natürlich immer subjektiv - ein Tagelöhner/Leibeigener/Bettler oder gar Sklave wird natürlich die Schuhe teuer gefunden haben, die für einen Handwerker, freien Bürger, bzw Feldscherer eher günstig waren!
Und ein reicher Händler oder Adeliger wird Schuhe gehabt haben, die dem Verdienst eines ganzen Lebens, eines Tagelöhners, entsprachen.



Abschließend würde ich mich anschließen und sagen: Lederkleidung im Sinne von richtig genähter Gewandung aus Leder auf keinen Fall!!!

Gruß
William
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