Autor Thema: Kettenhemd  (Gelesen 18179 mal)

Sperber

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Kettenhemd
« am: 31. Juli 2010, 23:41:06 »
Pax vobiscum

Da ich im Moment an einem neuen Kettenhemd arbeite, und noch ein paar Fragen offen sind möchte ich mich an dieser Stelle an euch wenden:
1. Ich habe bis jetzt das 4 in 1 Prinzip verwendet. Bei meinem ersten Kettenhemd habe ich zu große Ringe verwendet. Da waren die Ringe nicht dicht genug und ein armbrustbolzen wär locker durchgedrungen ....... *sadangel*  Deshalb wollte ich jetzt fragen, ob es nicht ratsam wäre 6 in 1 anzuwenden ( Ringdurchmesser 0,8 cm), oder ob auch 4 in 1 geht?

2. Wurden in der Zeit, in der ich angesiedelt bin eher langärmlige oder kurzärmlige Kettenhemden getragen?

Ich freue mich über jede Antwort

Gruß Sperber
Pestem fugat Haereticam

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Randolf

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Kettenhemd
« Antwort #1 am: 01. August 2010, 00:08:22 »
Soweit ich weiß und nach allem was ich bislang darüber gelesen und erfahren habe:

zu 1) Generell wurde das 4 in 1 System bei den Kettenringen verwendet um den bestmöglichen Kompromiss aus Gewicht und Schutz zu erzielen.
Ein 6 in 1 Kettenhemd ist bereits bedeutend schwerer. Dieses Flechtsystem wurde nur an Körperstellen verwendet, die besonders schützenswert gewesen sind (Herzgegend, etc)

Zu 2) Zu deiner Zeit meines wissens grundsätzlich Lange arme mit angesetzten Kettenfäustlingen und integrierter Kettenhaube.


Quasi ein Rundum-Sorglos-Paket für den Oberkörper.
Matthäus 7,3: Was siehst du aber den Splitter in deines Bruders Auge, und wirst nicht gewahr des Balkens in deinem Auge?

Niclais van Poele

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Kettenhemd
« Antwort #2 am: 01. August 2010, 05:50:51 »
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Randolf

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Kettenhemd
« Antwort #3 am: 01. August 2010, 08:53:43 »
Sorry, auf die Armbrust Sache bin ich gestern gar nicht eingegangen.
Kette und Armbrust, da zieht auch bei noch so schönen Flechtsystemen die Kette meist den Kürzeren.
Das sieht beim Platten-Brustharnisch nicht anders aus, teilweise noch schlimmer, da die Platte starr ist und diese punktuelle Traktion nicht absorbieren kann.

Man braucht nichtmal eine Armbrust, mit meinem Langbogen dürfte ich mit entsprechender Spitze für die Feile auch ein enormes Problem für Rüstungen darstellen, egal ob Platte oder Kette.

Dieser Umstand war auch der Grund, das König Ruchard ( Löwenherz) die Armbrust als unritterliche Waffe hat ächten lassen ........ einige Jahre später ist er gestorben, ........ durch einen Armbrustbolzen
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Gebuin

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Kettenhemd
« Antwort #4 am: 01. August 2010, 10:56:59 »
Bis wann wurden denn die Kettenhemden so lang getrafeb mit angesetzter haube und fäustlingen ???

Randolf

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Kettenhemd
« Antwort #5 am: 01. August 2010, 11:31:51 »
Ich beziehe meine Aussagen über Statuen und Bildnisse jener zeit die ich von Fotos oder Burgen / Museumsbesuchen kenne.

Bis in die mitte des 13. Jhdts war es üblich, dass das Kettenhemd mit Haube und den Fäustlingen eine komplette Einheit bildete. je weiter es in die Mitte des 13. Jhdts gehts (1230 - 1280 ) häufen sich auch die abbildungen das man von diesem Konzept langsam abgeht.
Anfangs (1230 - 1250, je nach Region auch schon etwas früher) waren die Kettenfäustlinge unten geschlitzt, so das man die Hände bei Bedarf die hände befreien konnte, aber hingen trotzdem noch am Kettenhemd.
http://www.brandenburg1260.de/kettenfaeustling6.jpg

 Auch das Abstreifen der Kettenhaube war bis ca 1230 - 1240 nicht möglich / üblich. Danach häufen sich die Abbildungen abgestreifter Kettenhauben und tauchen die ersten Statuen und Bilder auf, die darauf hindeuten das die Kettenhaube separat getragen wurde.
http://www.brandenburg1260.de/mainzer-02.jpg

Ab ca 1240 / 1250 gibt es auch abbildungen von halbärmligen Kettenhemden und ledernen bzw. später auch Panzerarmstulpen.


Erwähnenswert währe noch, dass es oft üblich war, noch eine Lederrüstung, ähnlich einer Weste über dem Kettenhemd und unter dem Waffenrock zu tragen.
Wie man hier sieht : http://www.brandenburg1260.de/kuerass%20oder%20plate.jpg
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William

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Kettenhemd
« Antwort #6 am: 01. August 2010, 12:33:58 »
Wenn mich nicht Alles täuscht, möchte Bruder Sperber das Kettenhemd selber tragen und unter seinem Avatar steht: Dienender Bruder!

Also käme Art. 141 in Frage:

Die Waffenröcke der dienenden Brüder sollen alle schwarz sein mit dem roten Kreuz auf Brust und Rücken. Ihr Mantel kann schwarz und braun sein. Im übrigen steht ihnen alles zu, was die Brüder Ritter haben, mit Ausnahme eines Rosspanzers, den sie nicht haben, ferner des kleinen Zeltes und des Kessels. Sie können jedoch eine Panzerjacke haben ohne Panzerärmel, außerdem Eisenhosen ohne Schuhe, sowie eine eiserne Sturmhaube. Alle aufgezählten Gegenstände werden ihnen zugestanden, soweit es die Mittel des betreffenden Ordenshauses gestatten.

Evtl wäre es nun gut zu wissen, ob es doch schon immer auch die "leichtere" Kettenvariante gab, bzw. wann Art 141 eingefügt wurde.

Da sich aber der Dienende Bruder grundsätzlich durch eine leichtere Panzerung vom Ritter unterscheidet, würde ich davon ausgehen, das dies von Anfang an (seit der Orden anfing nichtadelige Kämpfer aufzunehmen) so gehandhabt wurde.

Die Frage wäre nun wie sah so ein Kettenhemd dann aus - wirklich GANZ ohne Ärmel? Oder nur 3/4 Arm? Oder evtl doch den ganzen Arm geschützt und nur keine Fäustlinge (also wie bei den Kettenbeinlingen - ohne Fußteil!) ?

Ich habe mittlerweile eine recht große Sammlung an Bildern, aber bis auf das hier angehängte Minibildchen* findet man immer nur Darstellungen mit langem Arm - dafür dann aber mit und ohne Fäustlinge.

*Grrrrr ich hasse diese blöde Größenbegrenzung auf 20kb beim upload - sry keine Zeit das nun zu bearbeiten - muß ich ein andermal anhängen.

Gruß
William
Ist es nicht klüger zu akzeptieren, dass man nichts Genaues weiß, als sich auf tönernen Füßen Wahrheiten aufzubauen?

Sperber

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Kettenhemd
« Antwort #7 am: 01. August 2010, 14:24:29 »
Liebe Brüder,

danke für die vielen und raschen Antworten (ich hab das Thema glaub ich gestern um 23:41 eröffnet und habe am nächsten Tag schon 6 Antworten).
@ William:
Das mit den verschieden langen Ärmeln kann verschieden ausgelegt werden. Wenn einem lange Ärmel gefallen nimmt  man lieber diese
wenn einem aber lange gefallen dann halt lange etc.......
Danke für die antwort ich weiß jetzt wie ich es angehen muss  *smoky*
Vielleicht kann ich es euch (wenn ich schnell genug arbeite) bei dem diesjährige Templertreffen zeigen =)
@ Niclais von Poele:
Na ja ich glaube mit dem 8 in 1 und der richtigen Entfernung kann dann schon ein bolzen abgefangen werden aber natürlich hast du recht =)
(warum sollte ich wegen deiner Antwort sauer sein?)

Pax vobiscum

Sperber
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Niclais van Poele

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Kettenhemd
« Antwort #8 am: 01. August 2010, 16:10:58 »
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Benedikt von Söllbach

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Kettenhemd
« Antwort #9 am: 02. August 2010, 19:22:32 »
Zitat
Auch das Abstreifen der Kettenhaube war bis ca 1230 - 1240 nicht möglich / üblich.
Nicht vergessen, dass die integrierten Hauben oft so beschaffen waren, dass man sie abstreifen konnte - und zwar schon vorher.

Auf den Übersetzungsfehler hat Pepe ja schon hingewiesen. Es gibt da eigentlich keinen Interpretationsspielraum.
Der Artikel wurde wahrscheinlich noch vor 1160 eingefügt.

@sperber: schau dir mal mein kostenloses Buch über die Dienenden Brüder an: http://beni.skyforcesystems.de/mittelaltertagebuch/Milites%20Templi%20-%20Der%20Dienende%20Bruder%201190.pdf
Das ist genau das, was du brauchst. Allerdings sind da ein paar Fehler drin, die in der Neufassung korrigiert werden.
Ich hoffe, dass ich das noch bis zur Tannenburg fertig bekomme, dann kann mans dort mit meinem autorenrabatt erwerben, ansonsten halt normal im Buchhandel.
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Sperber

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Kettenhemd
« Antwort #10 am: 02. August 2010, 22:34:04 »
Salve

@ Niclais von Poele:

Ich werds mir merken falls ich mal im Kampf auf dich treffen sollte^^ =)

@ Benedikt von Söllbach:

Danke für den Tipp, ich werd auf jeden Fall mal in der nächsten Buchhandlung danach suchen

Pax vobiscum

Nici
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Benedikt von Söllbach

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Kettenhemd
« Antwort #11 am: 03. August 2010, 00:08:29 »
Nun, die Erstveröffentlichng gibts nur Online, gedruckt war das nur eine limitierte Eigenverlagsaktion.
Die Zweitauflage kommt dann hoffentlich bald in die Regale.

Da du aber ja so nah an mir wohnst, wäre es evtl günstiger für dich, wenn wir uns mal treffen und ich die ein Exemplar reserviere (vormerken lassen kannst du dich für die günstigeren Exemplare, wenn du mir deine Anschrift gibst, per PN bitte). Auf unserem Feldlager, zu dem du ja kommst (oder? würde mich freuen) könnte ich dir auch einen Vorabdruck zeigen, da sollte ich nämlich schon die Endkorrektur vornehmen.
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Cornelius

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Re: Kettenhemd
« Antwort #12 am: 16. November 2017, 00:36:53 »
Ich parke hier mal als Memo die BA-Arbeit von Isak Krogh (https://www.academia.edu/34809530/Mail_tailoring_in_late_medieval_and_renaissance_Germany._A_study_of_the_mail_garments_in_Veste_Coburg), der zwar vor allem spätmittelalterliche und frühneuzeitliche Ringpanzerstücke (aus der Veste Coburg) untersucht hat, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass die elaborierteren Schnitte dort (abgewinkelte Ärmel, Bündchen etc.) auch schon früher zu finden waren. Habe nur kurz reingeschaut, sah aber sehr lesenswert aus.

Thomas W.

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Re: Kettenhemd
« Antwort #13 am: 18. November 2017, 06:30:08 »
Ich parke hier mal als Memo die BA-Arbeit von Isak Krogh (https://www.academia.edu/34809530/Mail_tailoring_in_late_medieval_and_renaissance_Germany._A_study_of_the_mail_garments_in_Veste_Coburg), der zwar vor allem spätmittelalterliche und frühneuzeitliche Ringpanzerstücke (aus der Veste Coburg) untersucht hat, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass die elaborierteren Schnitte dort (abgewinkelte Ärmel, Bündchen etc.) auch schon früher zu finden waren. Habe nur kurz reingeschaut, sah aber sehr lesenswert aus.

Ich bekomme es leider nicht "geöffnet", ohne dafür meine Seele an irgendeinen "Internetkonzern" zu verkaufen... aber ja, ich gebe dir auch ohne es gesehen zu haben Recht, Cornelius. Etliche Reenacter aus der HoMi-Szene lassen gerade ihre Ringpanzer "figurbetont" anpassen, oder machen das sogar selbst. Die mittelalterlichen Abbildungen etc. zeigen es ja so gut wie ausschliesslich. Auch in den Textquellen lassen sich Hinweise finden Alle Ringpanzer sind figurbetont geschnitten. Wunderbarer Beispiele sind da z.B. die Ringpanzer von Arne Koets und André Görlach.

Bis vor ein paar Jahren reichte es noch aus, eine Kapuze, Handschuhe und konische Ärmel am Ringpanzer zu haben. Aber da ging es jetzt nochmal einen Schritt weiter.
 
Es haben sich auch etliche Fachleute mit dem Thema auseinandergesetzt und der "dicke Gambeson" unter dem Kettenpanzer (als alleinigen Textilpanzer gab es sie aber sehr wohl "in dick") kann für den Zeitraum des Hochmittelalters mittlerweile nahezu ausgeschlossen werden. Man geht wohl bisher von einer max. Dicke von +-5mm bei den Textilpanzern aus.
Grüsse, Thomas

Cornelius

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Re: Kettenhemd
« Antwort #14 am: 19. November 2017, 18:59:29 »
.... bzw. für die Templer ja eh nur von einer Art Kragen (espalieres). Arnes Hauberk ist echt schick, das stimmt. Bei Academia kannst du aber lesen, ohne dich angemeldet zu haben. Ansonsten PN mich mal und ich zieh dir das pdf raus.