Autor Thema: Von der Norm zur UNI-Form  (Gelesen 6792 mal)

William

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Von der Norm zur UNI-Form
« am: 27. November 2008, 10:34:31 »
Liebe Brüder,

ich finde es sehr gut das hier im Forum Wissen zusammengetragen wird und dadurch den Neueinsteigern wertvolle Tipps zur Ausstattung und Darstellung gegeben werden!

Auch macht es sicher Sinn, neben einer möglichst authentischen Darstellung, diese ebenso einheitlich zu machen.

Nur möchte ich davor warnen über das Ziel hinaus zu schießen - denn so sehr wir Menschen des 21. Jahrunderts daran gewöhnt sind in Normen, Din und global zu denken, so unbekannt war das dem Menschen des Mittelalters!

Wir können uns gar nicht dagegen wehren zu verallgemeinern und natürlich sieht eine Formation Ordensritter - aus unserer Sicht - einheitlich viel schöner aus, aber die Uniform wie wir sie kennen ist nunmal eine Erfindung der Neuzeit.

Noch bis ins späte 19. Jahrhundert gab es in den napoleonischen Armeen, die uns soo einheitlich erscheinen, bei näherer Betrachtung erhebliche Unterschiede - da wurden umgenähte Beuteuniformen neben sog. Eigentumsstücken und den dienstlich gelieferten Uniformen getragen - diese waren sich zwar ähnlich, aber nicht identisch!
Unterschiedliche Farben,Stoffe und Schnitte waren völlig normal und unvermeidbar.

Die Uniform wie wir sie seit Beginn des 20. Jahrhunderts haben, kam erst durch die industrielle Revolution - d.h. durch die Gründung von Manufakturen, durch den schnelleren Gütertransport etc auf.

Die Ordensregeln, päpstliche Bullen und Berichte von Zeitzeugen geben Hinweise wie die "UNI-Form" idealerweise auszusehen hat,  aber hergestellt wurde in "Heimarbeit" - ob durch lokale Handwerker oder Ordensangehörige nimmt sich dabei nichts.

Es gab keine Kleider-DIN - jeder arbeitetet so wie er es gelernt hat und wie es regional und zeitlich grade machbar oder in Mode war - dazu kamen in Art, Farbe und Form unterschiedliche Materialien zum Einsatz und es wurde auch nichts weggeworfen.

Warum gibt es heute in den Museen so wenig orginal Früh-/Hochmittelalterliches an Waffen und Rüstung? Weil Eisen sehr wertvoll war - alles was irgendwie noch zu gebrauchen war wurde evtl der "neuen "Mode angepaßt oder einfach "aufgetragen" und später eingeschmolzen.

Stichwort "Mode" - es gab keine Modezeitschriften oder Messen - so setzten sich z.B. in Deutschland die Plattenhandschuhe erst 50-100 Jahre nach Frankreich durch und auch die Engländer galten damals schon als Modemuffel und zogen erst Jahrzehnte später in vielen Bereichen nach.

Bis ein neuer Stil allgemeine Anerkennung , Verbreitung fand vergingen viele Jahre, da ja auch die Handwerker den neuen Stil erst lernen mußten - häufig erst in der nächsten Generation, nachdem der Geselle von seiner Wanderschaft zurückkam und die "neuen" Techniken und Ideen in seine Heimat mitbrachte.

Dazu dann noch regionale/klimatische Unterschiede etc. machten es nahezu unmöglich so etwas wie eine Uniform einzuführen.

Erst im Spätmittelalter gab es im kleinen Rahmen den Versuch der einheitlichen Kleidung - z.B. bei den Stadtmilizen oder den Söldnern einzelner Herrschaften - aber mehr war gar nicht möglich.

Natürlich kommt es heutzutage schon dadurch zu einer Vereinheitlichung, da es nicht mehr viele Orginale oder Bildquellen gibt, die uns zeigen wie ein Templer seinerzeit aussah - aber selbst da finden wir schon starke Abweichungen, die wir dann - aus unserer modernen Sichtweise heraus zu interpretieren versuchen - z.B. war der Schild nun oben oder unten Schwarz - oder etwa ganz weiß?Wo wurde das Kreuz aufgemalt und in welcher Farbe und Form?

Wir versuchen uns im anerzogenen "Schubladendenken" und suchen automatisch nach Erklärungen, vergessen aber dabei die einfachste Erklärung - nämlich das es alle Varianten gegeben hat!

Nehmen wir nur einmal die Kreuzform - es sind uns mindestens 6 Varianten bekannt - man kann versuchen sie regional oder zeitlich zuzuordnen, wird aber immer wieder auf Wiedersprüche und Abweichungen stoßen - warum? weil es eben keine Norm gab die genau vorschrieb welche Form, Farbe, Größe, und in welchem Winkel die Kreuze zu fertigen sind!

Es gab auch keine Norm in der stand wie groß und in welchem Winkel die Schilde zu bauen sind und wie sie bemalt werden müssen - jede Komturei hatte da ihre Vorstellungen, die es dem jeweiligen Handwerker zu vermitteln galt - evtl wurde auch mal was mitgebracht und als Vorlage verwendet - aber es war immer nur ein Versuch!

Das wir heute Schildformen, Schwertformen und Helmarten ziemlich exakt einer bestimmten Zeit zuorden sagt nichts über die tatsächlichen Verhältnisse aus, sondern gibt nur grob, anhand der wenigen vorhandenen Fundstücke einen Überblick wie sie in etwa zeitlich einzuordnen sind - aber es gilt nicht als hundertprozentige Regel!

Eine Zuordnung nach Jahrhundert ist praktikabel , nach Jahrzehnt nur regional und nach Jahren völlig unmöglich!

Ab dem Spätmittelalter wird es dann wieder leichter, da mit dem Untergang des Rittertums als militärische Einheit die Rüstungen und Waffen nicht mehr umgearbeitet wurden und daher sehr viel mehr erhalten geblieben ist.
Wenn ich 100 Helme habe die in einem Zeitraum von 100 Jahren gefertigt wurden und dabei in unterschiedlichen Gegenden Europas 70 annähernd gleiche Helme habe, dann kann ich von einer "Mode" sprechen - ansonsten sind es immer Einzelbeispiele, die uns nur zeigen was möglich war - aber nie was gängig war!

Wenn es z.B. 3 erhaltene Bildquellen von Templern mit Kopfbedeckung gibt und davon 2 sehr ähnlich sind, weil aus der gleichen Region (Spanien) und der gleichen Zeit, dann heißt das noch lange nicht, das in einem anderen Land, in einem anderen Klima oder gar zu einer anderen Zeit nicht gänzlich andere Kopfbedeckungen getragen wurden!!

Es belegt lediglich das in der Region und zu der betimmbaren Zeit diese Kopfbedeckung wohl überwog oder dem Künstler am geläufigsten war!

Nicht mehr und nicht weniger!

Alles andere ist nur neuzeitliche Interpretation.


So leid es mir selber auch tut - ich bin ja auch ein Mensch unserer Zeit - müssen wir uns von dem Gedanken der Uni-Form zur Zeit der Orden verabschieden und uns stattdessen auf eine mögliche örtlich und zeitlich eng begrenzte Einheitlichkeit einstellen. Diese mag durch die Reisetätigkeit des Ordens - besonders der Templer - zwar ausgeprägter gewesen sein als bei den weltlichen Rittern, aber immer noch den regionalen Möglichkeiten unterworfen!

Einzelne Komtureien können da sehr ähnlich ausgestattet gewesen sein - auch in Regionen darf noch eine detailiertere Uniformierung zu erkennnen sein, aber verbindliche Aussagen die einen Orden als Ganzes betreffen, der international verbreitet war, kann und darf man nicht machen!

Wir müssen natürlich die Möglichkeiten und Materialien jener Zeit berücksichtigen und sollten dabei dicht an den wenigen Vorlagen bleiben, aber niemand kann heute wirklich verbindlich sagen: "So war es und nicht anders!"

In diesem Sinne fröhliches Werkeln und seht nicht alles so verbissen - es gab halt einen großen Spielraum an Varianten und Umsetzungen einer grob geregelten "Kleiderordnung"!

Gruß

William
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Lancelot Graf von Rothenfels

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Von der Norm zur UNI-Form
« Antwort #1 am: 27. November 2008, 10:41:11 »
Danke !  *headbangl*
Du sprichst mir aus der Seele!

Dennoch ist es für einen ernsthaften Reenactor schwierig. Denn nachweislich verwendete Gegenstände/Ausrüstungen und Gewandungen können wir heute nur nach Belegen zuordnen.

Daher wird sich das Lager wohl immer in zwei Teile spalten: die, die nur nach Belegen gehen und die, die auch andere Gedankengänge ( die eben nicht belegt sind ) zulassen.

Recht haben im Endeffekt wohl beide und daher sollten beide Teile auch vom jeweils anderen akzeptiert werden  *pope*
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William

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Von der Norm zur UNI-Form
« Antwort #2 am: 27. November 2008, 11:01:24 »
Guten Morgen Bruder Lancelot,

Belege sind natürlich für einen ernsthafte Reenactor wichtig und zeigen uns ja auch was und vor allem wie es machbar war - aber eben immer nur lokal und zeitlich eng begrenzt!

Wenn man dann die überregionalen weltlichen Belege dazu nimmt, dann erhält man schon eine größere Auswahl der Möglichkeiten - aber leider immer noch nicht eine generelle Aussage!

Warum wurde z.B. die Regel geändert und es wurden explizit die Schnabelschuhe verboten? Wohl weil sie von einigen Templer gerne getragen wurden - oder etwa nur weil es eine Sünde war, da modisch und somit eitel?

Könnte man dann bei anderen Moden der weltlichen Ritterschaft, die nicht als verboten in der Regel aufgeführt werden, mutmaßen, das es erlaubt war - oder besagt das nur das es den Tempelrittern nicht erwähnenswert erschien?

Tja das ist das crux mit der Interpretation - ich denke der goldene Mittelweg aus Nachweis und Logik führt da am ehesten zum Ziel, denn dumm waren die Menschen ja nicht und alles was sinnvoll und militärisch wichtig war wird auch zum Erreichen der Ziele eingesetzt worden sein.

Gruß

Willam
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Siegfrud von Burgund

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Von der Norm zur UNI-Form
« Antwort #3 am: 27. November 2008, 11:16:22 »
Ich möchte mich einerseits an Belege halten. Möchte aber auch Belege interpretieren können und einfachen Menschenverstand benutzen.
Ich glaube aber die Super "A"-Darsteller sind einfach genervt von einer besonderen Sorte von Freidenkern, die eben jeden Ausnahmebeleg zum Anlaß nehmen und sich die Dinge etwas arg zurechtrücken, so wie sie es brauchen.
Bsp.: Es gibt irgendwo einen Beleg, das in Sizilien im MA Reis angebaut wurde. Schon köchelt in vielen Lagertöpfen Reis, mit dem Verweis auf diese Sache.
-oder -
Abbildungen und Originale von "venedischem" Glas. Schon glitzern irgendwelche Kristallbecher aus dem Erzgebirge auf der Tafel.
-oder-
Samt gelangte wohl schon vor 13hundert über Konstantinopel nach Europa - ergo macht sich eine ganze Gruppe Umhänge, Tunika + lange wallende Kleider aus Samt.

Auf der anderen Seite finde ich es aber z.B. als schwierig, das man Kleidung nicht mit Zwiebelschalen färbt. Warum? Weil es für`s MA keine Belege dafür gab. Jedoch ist nichts einfacher als das. Außerdem: Zwiebeln gab es in ganz Europa. Sie waren/sind preiswert, anbautechnisch äußerst robust und besitzen sehr gute Färbeeigenschaften. A b e r...... man darf damit nicht färben, weil es ja keine Belege gab.

Wie gesagt, ich finde es selbst auch schwierig. Aber irgendwo sind Grenzen gesetzt.

Im Übrigen kann man sich für seine Region auch prima Informationen von den Archäologischen Instituten einholen. Ich habe z.B. bei uns mal nachgefragt, ob es wirklich (wie in "Kleidung des Mittelalters selbst anfertigen" behauptet) im gesamten (!) MA kein schwarzes-schwarzbraunes Leder gab. Die Sache wird jetzt überprüft und ich bekomme Bescheid. Erste Feldversuche in meiner heimischen Küche haben nämlich ein anderes Ergebnis zur Folge.

Aber ich glaube da können wir hier schreiben bis die Finger bluten. Man wird sich nie auf irgendwas einigen können. Menschen sind einfach zu unterschiedlich.

William

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« Antwort #4 am: 27. November 2008, 11:44:28 »
Guten Morgen Bruder Sigfrud,

das mit den Zwiebeln ist auch ein schönes Beispiel!
(kannte ich noch gar nicht)


Man kann sagen das diese Möglichkeit des Färbens jedem zugänglich und zudem billig war - wird es also nicht erwähnt weil es so banal und bekannt war und deshalb nicht extra erwähnt werden muß, oder gab es Gründe die dagegen sprechen und es wurde deshalb tatsächlich nicht gemacht ?

Nun macht der Reenactor gewiß keinen "Fehler" wenn er diese Färbevariante nicht nachahmt, da es keine Quelle gibt - dennoch macht es ein anderer gewiß nicht schlechter wenn er das Verfahren nutzt, da es machbar, einfach, billig und zeitlich möglich war!

Das sind dann eben jene Grauzonen, denen wir uns nur durch Logik oder unsere eigenen Vorstellungen annähern können.

Deshalb zu streiten wäre ebenso sinnlos wie darüber, ob es nun außerirdisches Leben gibt oder nicht - Argumente ohne wirkliches Wissen bleiben eben nur Argumente und keine Gewissheiten.

Tja und was die von dir angesprochenen Ausnahmebelege angeht - auch da gilt letztendlich das Gleiche - man kann nicht aus einer nachgewiesenen Ausnahem gleich eine allgemeingültige Regel ableiten!

Alle Funde und Quellen die nicht hundertfach vorhanden sind sondern eher Einzelstücke (gewissermaßen einen Ausschnitt ) zeigen, sind eben gut zur Erforschung des Machbaren , aber mehr eben nicht!


Gruß

William
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Benedikt von Söllbach

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« Antwort #5 am: 27. November 2008, 13:32:40 »
Ein schönes Posting, danke dafür! Dem kann ich mich ebenfalls anschließen.

Es ist schwer, aus unserem heutigen Schubladendenken herauszukommen - unsere Kultur ist eben eine völlig andere als die vor 1000 Jahren.
Genauso schwer ist es, zu akzeptieren, dass gewisse Dinge niemals belegbar sein werden.
Wie Siegfrud schon angedeutet hat, ist es genauso leicht etwas als nicht existent abzutun, wie einfach irgendwelche Belege zu übernehmen. Man macht es sich halt oft zu leicht.

Zitat
Das sind dann eben jene Grauzonen, denen wir uns nur durch Logik oder unsere eigenen Vorstellungen annähern können.
Genau das ist leider bei den Templern viel zu oft nötig, da wir bei weitem nicht so viele Fakten kennen, wie im sekularen Bereich. Genau hier liegt aber auch die eigentliche Gefahr bei den Templerdarstellern, oft macht man es sich zu leicht.
Das ist aber ein immer wieder startender Prozess; man muss immer wieder alte Fakten hinterfragen und neu aufrollen, nur so wird es Wissenszuwachs geben.
Insofern finde ich es super, dass du hier mal frischen Wind und neue Ideen reinbringst :)
Probate spiritus si ex Deo sunt. ("Prüfet den Geist, ober er von Gott kommt" - Paulus)
Rule of the day:

Wedumir

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« Antwort #6 am: 27. November 2008, 20:42:14 »
Zitat
Original von Siegfrud von Burgund
 Ich habe z.B. bei uns mal nachgefragt, ob es wirklich (wie in "Kleidung des Mittelalters selbst anfertigen" behauptet) im gesamten (!) MA kein schwarzes-schwarzbraunes Leder gab. Die Sache wird jetzt überprüft und ich bekomme Bescheid. Erste Feldversuche in meiner heimischen Küche haben nämlich ein anderes Ergebnis zur Folge.
Das Ergebnis der Nachfrage würde mich sehr interessieren. Ich glaube nämlich auch, dass dies ein Beispiel für "gesichertes Wissen" ist, das nur deswegen so gesichert ist, weil es jeder vom anderen immer wieder abschreibt.
Nebenbei würde mich interessieren, was Du da in deiner Küche so zusammengebraut hast ...
Suilad o Wedumir - Grüße vom Waldschrat

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Siegfrud von Burgund

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« Antwort #7 am: 27. November 2008, 21:10:32 »
@wedumir:
...braue braue manche Strecke. das zum Zwecke Wasser fließe
und ich mit geheimem Worte Leder färbe
von der Sorte, das es schwarz sei wie die Seele
und die Wirkung nicht verfehle....
;-)))

Lancelot Graf von Rothenfels

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« Antwort #8 am: 28. November 2008, 07:33:57 »
@Sigfrud

Na - bist du denn in den Hexenkessel mit dem Zaubertrank gefallen ?
Wenn ja sage ich in Zukunft nur noch "Sigolix" zu dir  *jokely*
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William

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« Antwort #9 am: 15. Januar 2009, 10:04:03 »
Zitat
Original von Benedikt von Söllbach
Genau das ist leider bei den Templern viel zu oft nötig, da wir bei weitem nicht so viele Fakten kennen, wie im sekularen Bereich. Genau hier liegt aber auch die eigentliche Gefahr bei den Templerdarstellern, oft macht man es sich zu leicht.

Da gebe ich dir vollkommen Recht!

Ich möchte an dieser Stelle gerne nochmal etwas verdeutlichen um Mißverständnissen vorzubeugen!

Wie Bruder Sigfrud und Bruder Benedikt sagten, besteht immer die Gefahr, das man es sich zu einfach macht, indem man Einzelbelege als allgemeinen Fakt hinstellt.

Wenn ich sage, das man von einem Einzelbeleg (z.B. Helm) - der zeitlich und regional genau zugeordnet werden kann, nicht automatisch folgern kann, das nun alle Helme zu der Zeit und in der Region so und nicht anders aussahen, dann gilt das im Umkehrschluß natürlich auch für Dinge die nur einmalig erwähnt werde, oder die logisch betrachtet "möglich" wären.

Um das Beispiel von Bruder Sigfrud aufzugreifen - selbst wenn Reis in geringen Mengen schon über die Seidenstraße nach Europa kam und damit einigen Menschen bekannt war, heißt das eben noch lange nicht, das man beim Händler an der Ecke schnell mal einen Sack Reis kaufen konnte!

JEDER Einzelbeleg zeigt eben nur Möglichkeiten - keine Selbstverständlichkeiten oder gar eine "Mode"!

Wenn man dann noch von Möglickeiten ausgeht - also Dinge die machbar gewesen wären, aber ohne Beleg sind, dann befindet man sich immer im Bereich der Spekulation.

Aber um in der Forschung überhaupt Fortschritte zu machen ist es manchmal unerläßlich zu spekulieren, denn nur dadurch kommt man auf neue Thesen und über die dann zu neuen Forschungsergebnissen!

Was ist eine These im wissenschaftlichen Bereich?
These allgemein kann auch eine Behauptung sein, aber im wissenschaftlich, historischen Bereich definiert man sie als etwas, was machbar, möglich und bekannt gewesen sein könnte, aber wo jegliche Belege zu fehlen - also weder etwas dafür noch dagegen spricht!

Diese wissenschaftliche These nimmt man dann als Denkmodel/Forschungsgrundlage und versucht sie zu wiederlegen! (Ganz wichtig - wiederlegen, nicht belegen!)
Etwas was ich unbedingt wahrhaben möchte, kann ich irgendwie immer begründen, aber es wird so nicht anerkannt.
(Hier nehme ich mich nicht aus - auch mir passiert es dauernd, das ich eher versuche meine These zu belegen als zu wiederlegen - aber andererseits muß ja erstmal jemand die These aufstellen, damit dann überhaupt darüber diskutiert werden kann!)

Beispiel: Erich von Däneken sucht seit Jahrzehnten Belege  für seine These und hat da auch viel zusammengetragen - er wird aber von allen Wissenschaftlern nur belächelt, denn dies ist der falsche Weg!

Wenn ich nun eine These, als Forschungsgrundlage habe und keine Belege dafür oder dagegen finde, dann kann ich im Rahmen der Forschung - in unserem Fall "experimentelle Archeologie" versuchen mich über den Weg des Machbaren dieser These zu nähern.

Das bedeutet ich kann zunächst versuchen herauszufinden ob es mit den damaligen Möglichkeiten überhaupt machbar war!

Wenn das zutrifft, kann ich schauen wer es wohl so gemacht haben könnte und daraus Rückschlüsse ziehen wie verbreitet es wohl war.

Ich kann dann zu dem Schluß kommen, das es möglich,einfach, billig und daher wohl sehr verbreitet war (Beispiel färben mit Zwiebel) - ABER damit ist es immer noch nicht bewiesen!
In dem Fall habe ich diese These lediglich untermauert und ihr eine Daseinsberechtigung gegeben(als Forschungsgrundlage- nicht als Factum!).

Eine These bleibt daher so lange eine These bis es neue Belege gibt!
Durch die experimentelle Archeologie kann man nur beweisen, das es möglich war - genau wie ein Einzelfund auch nur belegt, das es möglich war - aber man kann daraus trotzdem keine Regel ableiten!

Das heißt im Klartext, das derjenige der eine begründete These umsetzt, es genau so falsch/richtig macht wie jemand, der aus einem Einzelbeleg eine allgemeingültige Regel ableitet - nur hat derjenige mit dem Einzelbeleg immerhin in sofern Recht, das es das ja mindestens einmal gab!
Aber auch hier gilt eben, das Dinge die einmal erwähnt oder bildlich dargestellt werden auch keine allgemein gültige Regel bedeuten!

Zur Verdeutlichung: Jemand der von dem bekannten Fresko ableitet das auf allen Templerhelmen ein schwarzes Kreuz aufgemalt war, macht es genauso falsch oder richtig wie jemand der sagt es gab schon Reis - also gibts nun zu jeder Mahlzeit Reis! Um hier nun weiter zu kommen muß man zwangsläufig logisch spekulieren - aber man kommt nie zu einer fundierten Aussage! Es gibt immer nur ein "wahrscheinlich" oder "nicht so wahrscheinlich" - also eine These oder lediglich eine Behauptung!

Zitat
Das ist aber ein immer wieder startender Prozess; man muss immer wieder alte Fakten hinterfragen und neu aufrollen, nur so wird es Wissenszuwachs geben.

Genau so sehe ich das auch Bruder Benedikt - so sind dann auch meine "ketzerischen" Fragen zu verstehen!

Ich will niemandem wiedersprechen, auch nichts absprechen, sondern nur über andere Fragestellungen, logische Argumente oder Vergleiche mit weltlichen Belegen versuchen Dinge, die nicht eindeutig mehrfach belegt sind auch mal aus einer anderen Sicht zu beleuchten um darüber dann evtl neue Erkenntnisse zu gewinnen!

Denn Wissenschaft heißt fragen - alles andere führt zu Stagnation und festigt Vorstellungen in unserem Denken, wodurch es neue Erkenntnisse dann schwerer haben!

Mal wieder viel zu lang geworden - aber nötig, damit keine Mißverständnisse aufkommen.

Auch möchte ich hier einen Anreiz geben zu hinterfragen und dabei gleichzeitig einen "Brückenschlag" zwischen der "A"- Fraktion und den "Freidenkern" ermöglichen, denn beide Seiten sind wichtig um nicht auf der Stelle zu treten und letztlich ein für alle befriedigendes Ergebnis zu bekommen!

In diesem Sinne - PAX liebe Brüder und Schwestern! *pope*


Grüße

William
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Lancelot Graf von Rothenfels

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« Antwort #10 am: 15. Januar 2009, 19:51:49 »
*pope*  Keine Aussage über das Leben im MA kann verabsolutiert werden. Zu jeder Aussage wird sich eine andere finden, die genau das Gegenteil behauptet.
Dazu ist der Zeitraum "Mittelalter" zu lang und die Regionen zu unterschiedlich und zu vielfältig.
Eine Aussage stellt meist nur eine Momentaufnahme aus einem bestimmten Bereich dar und kann nicht für alle Zeiten und Regionen gelten.
Diese Einschränkungen sollte man immer beachten bevor man urteilt. *pope*

Zitat aus einer Ausgabe der Karfunkel.

Ich finde, daß darin viel Wahrheit liegt und in vielerlei Hinsicht auch auf unsere "Problemchen" hier zutreffen ist.
Komthur des DO - Kommende Burg Schleynitz

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Für Gott, das heilige Reich und das Vaterland !