Autor Thema: Anleitung Gambeson  (Gelesen 9735 mal)

Elerus de Westerbeke

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Anleitung Gambeson
« am: 09. Mai 2014, 20:08:28 »
Guten Abend,

ich möchte mir einen neuen Gambeson nähen, da mein jetziger a) nicht a ist und b) nach und nach den Geist aufgibt.

Darstellungszeit 1214, Darstellung Sergeant bei den Templern und 1185 bis 1230 Ministerialer bei Bremen; ich möchte ihn korrekt, aber nicht zur Zierde, sondern für den härteren Freikampf verwenden (Friesenregeln).

Hat jemand von Euch eine Anleitung dafür bzw. Tipps (z. bei den und den Körpermaßen gib x cm für die Steppung drauf)?

Vielen Dank im Voraus.
LG der Elerus
Elerus de Westerbeke
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Cornelius

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Re:Anleitung Gambeson
« Antwort #1 am: 10. Mai 2014, 21:55:18 »
Jeanette Wette hat eine Gambesonrekonstruktion nach der Kreuzfahrerbibel (also etwas später) ganz gut dokumentiert: http://blog.mittelalter-manufaktur.de/?p=1958

Wenn ich die Templerregel aber richtig im Kopf habe, sind für unsereiner nur espalieres vorgesehen, die gemeinhin* als Schulterpanzer übersetzt werden. Die Kollegen von Historia Vivens 1300 führen die mit mittelhochdeutscher Entsprechung an: http://www.historiavivens1300.at/realien/gambes1.htm. Ich persönlich würde härteren Schlachten inzwischen nicht mehr mit dickerer Panzerung begegnen, aber das ist ja deine Entscheidung. Die Hammaborger haben noch ein paar Nahaufnahmen des Lübecker Steppwamses aus dem 15. Jhd.; das wäre in Anbetracht der mangelhaften Fundlage von 13.-Jhd.-Textilpanzern vielleicht eine Inspiration für Nähte oder einige Details der Konstruktion.

* David Nicolle (übrigens ein total netter Kerl!), The Crusades
Christopher Marshall, Warfare in the Latin East 1192-1291
Nochmal David Nicolle, deswegen nicht ganz so aussagekräftig, Knights of Outremer

Siehe in diesem Forum auch: http://forum.templernetzwerk.de/index.php?topic=5528.30

Elerus de Westerbeke

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Re:Anleitung Gambeson
« Antwort #2 am: 11. Mai 2014, 10:01:55 »
Danke für die Informationen und die Anleitungen.

Verstehe ich Dich richtig? Nach Deiner Auffassung trugen wir keinen Gambeson, nur das Kettenhemd als Torsoschutz? Gewagte These. Nach meiner Kenntnis war der Gambi grundsätzlich als Mindestpanzerung vorhanden. Soweit Kettenhemden zur Verfügung standen wurden diese über einem Aketon getragen. Mache mich da aber noch mal schlau.

Den Leinenstoff (handgewebtes Bauernleinen) habe ich schon. Jetzt muss ich mir Gedanken über den Füllstoff machen. Bei dem vorgenannten Link wurde Wollvlies verwendet. Auch ich müsste dann zwei Lagen verwenden. Bruder Benedikt hat für seinen Gambi Hanf verwendet. Andere schwören auf mehrere Lagen Wollstoff.

So oder so. Das wird ein längeres Projekt. :D
Elerus de Westerbeke
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Midan von Malterstorp

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Re:Anleitung Gambeson
« Antwort #3 am: 11. Mai 2014, 13:03:22 »
Noch ein Tipp, bau Dir lieber einen, der geöffnet werden kann. Mein jetziger, getragen wie ein Pullover, ist in der Praxis sehr unangenehm, insbesondere beim Ausziehen. Wenn man das schweißgetränkte Ding dann völlig ermattet über den Kopf zieht um endlich rauszukommen, und er auf halbem Weg hängenbleibt, wird die Luft recht knapp.
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Johannes vom Gollenstein

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Re:Anleitung Gambeson
« Antwort #4 am: 12. Mai 2014, 17:12:13 »
"A" hin oder her, das ist wirklich eine Überlegung wert!

Zu dem Post von Cornelius:
M. E. geht beim Vollkontakt-Kämpfen eindeutig Sicherheit vor "A"!
Egal, ob die damals nun einen Aketon oder einen Gambi getragen haben, ich nehme an, Elerus braucht seine Knochen auch nach einem MA-Wochenende möglichst unbeschadet!

Elerus de Westerbeke

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Re:Anleitung Gambeson
« Antwort #5 am: 13. Mai 2014, 09:04:39 »
Bruder Midan, das kenne ich schon von meinem jetzigen Gambi. Das An- und Ausziehen über den Kopf ist zwar nervig, aber das gehört mit dazu. ;) Gambis, die wie eine Jacke getragen werden, sind mir aus der Zeit nicht bekannt.

Sicherheitsaspekte müssen bei jeglichem Kampfzubehör beachtet werden, Bequemlichkeiten sind zu vernachlässigen.  8)
Elerus de Westerbeke
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Re:Anleitung Gambeson
« Antwort #6 am: 14. Mai 2014, 08:09:49 »
Verstehe ich Dich richtig? Nach Deiner Auffassung trugen wir keinen Gambeson, nur das Kettenhemd als Torsoschutz? Gewagte These. Nach meiner Kenntnis war der Gambi grundsätzlich als Mindestpanzerung vorhanden. Soweit Kettenhemden zur Verfügung standen wurden diese über einem Aketon getragen. Mache mich da aber noch mal schlau.
Nicht "wir" trugen keinen Gambeson, sondern die Templer. Feiner Unterschied. :P Aber du kannst dir die Regel wie gesagt selbst anschauen, der Auszug unten ist aus meiner noch nicht fertigen Überarbeitung der Körner-Übersetzung, in die ich die Originalbegriffe aus der letzten Edition eingesetzt habe. Es gibt Belege für lange abgesteppte Kleidung unter dem Gambeson, aber auch genügend Indikatoren für normale Kleidung. Seit ich verstärkt im historischen Fechten zu tun habe, scheint mir das auch recht logisch; man braucht eben nicht soviel Rüstung, sie soll ja keine Schmerzen verhindern, sondern nur das Leben retten. Außerdem hat man mit drei Schichten Stoff drunter meistens eh schon etwas Polster. Der "ständige" Gambeson/Aketon ist meiner Meinung nach eher ein Szeneselbstläufer. David Nicolle hat das letzten Monat in London glaube ich auch kolportiert, aber dahingehend wollte ich ihn eh nochmal fragen.

Ich selbst habe übrigens den Gambi mit den angesetzten Fäustlingen von Matuls. Wenn der Gambi an sich schon nicht belegt ist, ist die Form egal. Die Handschuhe habe ich mir mit Leder- und Rohhautplatten innen gepolstert, was man von außen nicht so sehr sieht, aber trotzdem gut schützt. Davon habe ich bloß gerade keine Fotos.

Hier der Regelauszug:

138. Jeder Bruder Ritter des Konvents soll drei Pferde und einen escuier1 haben. Die Gestattung eines vierten Pferdes und eines zweiten escuiers2 steht im belieben des Meisters. Für ihre Pferde sollen ihnen gleichgroße Rationen Gerste verabfolgt werden. Sie sollen haben: ein haubers et chauces de fer3, einen heaume4 oder einen chapeau de fer5, ein espee6, einen escu7, eine lance8, eine mace turquese9, einen jupeau d’armer10, espaliers11 und soliers d’armer12, außerdem drei cotiaus13, nämlich ein d’armes, ein autre de pain taillier und ein canivet14. Ferner kommen ihnen zu: eine covertures de chevaus15, zwei chemises16, zwei braies17, zwei paires de chauces18 und ein kleiner sainturete19, den sie über [die] chemise20 schnallen sollen. In diesen Kleidern21 sollen alle Brüder des Tempels schlafen, außer wenn sie krank im Hospitale liegen. In diesem Falle müssen sie sich die nötige Erlaubnis einholen. Auch sollen sie einen jupel a girons devant et derriere22 haben, ferner einen pelice coverte23 und zwei manteaus blans24, einen a penne und einen sans penne25. Den a penne26 muss jeder im Sommer zurückgeben, doch kann der Drapierer auch einem denselben belassen, wenn der Betreffende kränklich ist.

1 Körner: Knappe, U-W: squire.
2 Dito.
3 Körner: Panzerhemd, Eisenhosen (FN: Beschreibung von Ringpanzerbeinlingenaus “Höfisches Leben II”); U-W: hauberk (FN: A coat of mail with coif enveloping the head and leaving just the face uncovered), iron hose.
4 Körner: Helm, U-W: helmet (FN: a heavy helmet, probably conical).
5 Körner: Kappe von Eisen, U-W: chapeau de fer (FN: a wide-brimmed helmet).
6 Körner: Schwert, U-W: sword.
7 Körner: Schild, U-W: shield (FN: [dreieckig, aus Holz mit Lederüberzug]). Man beachte die etymologische Nähe zum Knappen, dem Schildträger bzw. allgemein „Schilderer“. CB
8 Körner: Lanze, U-W: lance.
9 Körner: türkische Keule, U-W: Turkish mace.
10 Körner: Waffenrock, U-W: surcoat (FN: an overgarment of some kind).
11 Körner: Achselstücke, U-W: arming jacket (FN: a padded jerkin worn under armour). Körner liegt hier vermutlich näher dran, denn die/das espaliers wird anderweitig tatsächlich als gesteppter Kragen gedeutet, vgl. engl. spauldron. CB
12 Körner: Fußstücke. U-W: mail shoes (FN: armoured protection for the feet). Hier müsste man nachforschen, wieso hier die Trennung von den Eisenhosen besteht. Ist es auch eine Unterpanzerung wie das/die espaliers? CB
13 Körner: Messer, U-W: knives.
14 Körner: Dolchmesser, Brotmesser, kleines Messer. U-W: dagger, bread-knife, pocket-knife.
15 Körner: Pferdedecke, U-W: caparisons. Dem Text in GA zufolge hat U-W mit ihrem Plural recht.
16 Körner: Hemden, U-W: shirts.
17 Körner: Beinkleider, U-W: breeches.
18 Körner: Paar Strümpfe, U-W: pairs of hose hose.
19 Körner: Gürtel, U-W: belt.
20 S.o.
21 Von Kleidern ist hier nicht mehr explizit die Rede, es heißt bei GA und U-W, dass die Brüder „so“ schlafen sollen.
22 Körner: vorn und hinten mit Zacken verzierter Leibrock, U-W: jerkin with tails back and front.
23 Körner: langhaariger Pelz, U-W: covering fur jacket.
24 Körner: weiße Mäntel, U-W: white mantles.
25 Körner: gefüttert, ungefüttert; U-W: with fur, without.
26 Dito.

Benedikt von Söllbach

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Re:Anleitung Gambeson
« Antwort #7 am: 14. Mai 2014, 11:28:00 »
Zitat
11 Körner: Achselstücke, U-W: arming jacket (FN: a padded jerkin worn under armour). Körner liegt hier vermutlich näher dran, denn die/das espaliers wird anderweitig tatsächlich als gesteppter Kragen gedeutet, vgl. engl. spauldron. CB
12 Körner: Fußstücke. U-W: mail shoes (FN: armoured protection for the feet). Hier müsste man nachforschen, wieso hier die Trennung von den Eisenhosen besteht. Ist es auch eine Unterpanzerung wie das/die espaliers? CB
Wow, danke!

Also von der Begriffsreihenfolge her würde ich sich die These geradezu aufdrängen: Erst wird der Oberpanzer beschrieben (Eisen), danach die Unterpanzerung (Stoff; strittig bleibt, ob es nur ein Kragen war, oder "mehr"); also Lesart "Panzerhemd+Unterpanzer; Panzerhose+Unterpanzerhose".
Probate spiritus si ex Deo sunt. ("Prüfet den Geist, ober er von Gott kommt" - Paulus)
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