Autor Thema: Schnittmuster Schwestern Darstellung  (Gelesen 14885 mal)

Johannes vom Gollenstein

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Re:Schnittmuster Schwestern Darstellung
« Antwort #15 am: 28. Februar 2014, 21:55:23 »
Jetzt muss ich aber mal nachhaken:

Vor 1298 durften die Nonnen umherreisen? Ich dachte immer, die Nonnen hätten zu allen Zeiten steng im Kloster leben müssen.

Erzähl mal mehr (gerne auch woanders oder per PN, wenn es hierher nicht passt).

Cornelius

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Re:Schnittmuster Schwestern Darstellung
« Antwort #16 am: 28. Februar 2014, 22:29:21 »
Meiner bisherigen Erfahrung nach wäre selbst ein "Klosterzwang" eher Richtlinie als sofort überall wirkmächtiges Gesetz gewesen. Solche pragmatischen Dinge wie Reisen konnte man ja schlecht konsequent verbieten. Wenn man nur daran denkt, wie wenig sich die Mönche um die Zweikampfverbote geschert haben...

Mara

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Re:Schnittmuster Schwestern Darstellung
« Antwort #17 am: 03. März 2014, 17:04:35 »
Ich habe mir mal die Mühe gemacht und versucht, etwas über reisende Nonnen im Hochmittelalter herauszufinden. Und sei es nur aus dem Grund, die Anwesenheit einer Nonne im Lager zu erklären. Mittlerweile habe ich ca. 9 Seiten (A4) zu dem Thema zusammen. Das wäre hier zu umfangreich. Daher in Kürze:
Nicht nur, dass man bei Klosterneugründungen reisen musste (allein die Strecke die Hildegard von Bingen vom Disibodenberg zum Rupertsberg zurücklegen musste, beträgt ca. 43 km, was durchaus zwei Tagesmärschen entsprechen konnte).
Auch für andere Reisen gibt es zahlreiche Belege. Teilweise auch mit Namen belegt. Googeln kann man z. Bsp. Beatrijs von Nazareth (hier sind mehrere Aktivitäten aus unterschiedlichen Klöstern bekannt, so dass ich zumindest drei Strecken berechnen konnte: 266 km + 85 km + 194 km), Ludgard von Tongeren (75 km), Ida von Nivelles (45 km).
Aus dem ersten Kreuzzug wird von einer Nonne aus Trier berichtet, die bei Nicäa gefangen genommen wird und mit einem Muslim zwangsverheiratet wird. (Sabine Geldsetzer, Frauen auf Kreuzzügen). Die Strecke Trier - Nicäa ist lt. Google-Maps mit 2713 km berechnet.
Einer der ältesten Pilgerberichte stammt von der Nonne Egeria und ist auf das 4. Jh. datiert.

Zitat
Der strenge Klosterzwang, den wir heute mit Klösternverbinden, wurde erst 1298 von Papst Bonifaz VIII. für alle Nonnen vorgeschrieben. Selbst in den strengsten Orden hatte man die strikte Klausur bis dahin nicht gekannt.
Quelle: http://www.bremer-frauenmuseum.de/vortraege/beginenhoefe.pdf

Und nicht zu vergessen die Nonne, die aus dem heiligen Land Reliquien mitbrachte. Da müsste ich bei Geldsetzer aber noch mal nach dem Namen schauen.
Alles in allem würde ich mal davon ausgehen, dass Nonnen nicht immer eingeschlossen der Dinge harrten, die da kommen mögen.
« Letzte Änderung: 04. März 2014, 15:01:25 von Mara »
Maxime peccantes, quia nihil peccare connantur.

Johannes vom Gollenstein

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Re:Schnittmuster Schwestern Darstellung
« Antwort #18 am: 04. März 2014, 12:59:29 »
Sehr interessant!
Herzlichen Dank für die Infos, da werde ich mich mal noch ein wenig mit beschäftigen!

Johannes vom Gollenstein

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Re:Schnittmuster Schwestern Darstellung
« Antwort #19 am: 14. Juni 2016, 17:15:51 »
-Auskram-

Mir ist da im Zusammenhang mit der Schwesterntracht eine Frage aufgetaucht:

Häufig sieht man auf zeitgenössischen Abbildungen weiße "Ränder" oder "Nähte" an Gewandungen. Zwei Beispiele:
https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/b/ba/Hildegard_von_Bingen.jpg
http://3.bp.blogspot.com/--Y2yjPEVYns/UerfLqwxNaI/AAAAAAAAAes/iDEfpOpDFUA/s1600/Lucca_Liber_Divinorum_Operum_Part_I_Vision_1_detail_Hildegard_of_Bingen_writing.jpg
(Bei einem Bild von seinem sitzenden Templersergeanten sieht man das auch sehr schön, hab ich nur gerade nicht parat).

Kann jemand etwas dazu sagen? Was hat es mit diesen weißen Kanten auf sich?

Weiterhin ist mir aufgefallen, dass manche Nonnen auf zeitgenössischen Bildern weiße Schleier unter dem Schwarzen tragen, andere wieder nicht (heute trägt man wohl grundsätzlich einen Weißen unter dem schwarzen Schleier).
Gibt es dazu greifbare Erkenntnisse?

Benedikt von Söllbach

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Re:Schnittmuster Schwestern Darstellung
« Antwort #20 am: 16. Juni 2016, 21:18:44 »
Das mit den weißen Rändern ist mir auch schon aufgefallen; das Templerbild das du meinst, ist sicher das aus dem Historia rerum in partibus transmarinis gestarum?

Eine Erklärung habe ich dafür nicht, ich schätze aber, dass das mehr eine Bildgestaltungsmode war, als eine reale "Sache" an der Gewandung.
Vermutlich soll das einfach für eine besseren Kontrast sorgen.
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Johannes vom Gollenstein

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Re:Schnittmuster Schwestern Darstellung
« Antwort #21 am: 17. Juni 2016, 07:54:03 »
Dieser Bruder war gemeint: http://beni.hallinger.org/history/gallery.php?g2_itemId=1812

Du findest diese weißen Ränder auf sehr vielen Abbildungen:

http://de.academic.ru/pictures/dewiki/66/BaldwinII_ceeding_the_Temple_of_Salomon_to_Hugues_de_Payns_and_Gaudefroy_de_Saint-Homer.JPG
http://images.bistummainz.de/24/2368/1/77223427062464289679.jpg
https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/b/ba/Hildegard_von_Bingen.jpg

Was mich etwas irritiert: der weiße Streifen ist selten ganz am Rand. Oft kommt nach dem hellen Streifen noch ein dunkler.
Wäre ich ein Maler, würde ich zur Abgrenzung den weißen Streifen an den Rand setzen, um einen Kontrast zu erzeugen.

Tendenziell neige ich auch dazu, es als gestalterisches Element zu sehen. Aber seltsam ist es schon, und ganz überzeugt bin ich nicht...

Cornelius

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Re:Schnittmuster Schwestern Darstellung
« Antwort #22 am: 19. Juni 2016, 00:02:33 »
Ich habe heute mal einen auch mit Handschriften arbeitenden Kunsthistoriker gefragt und der meinte ganz klar, dass es sich dabei um eine Weißhöhung handle, quasi das Gegenstück zu einer Schattierung. Bei dem ganzen Aufwand, den die Miniaturmaler in Darstellung der Kleidungsfalten gesteckt haben, ist das meines Erachtens auch kein Wunder. Knöpfe und Borten werden wenn dann ja auch mit sehr feinem Strich ausgeführt, sodass man sie fast übersehen kann. Der Templersergeant sähe ohne die Kontur auch weniger schick aus. Aber selbst wenn es sich ab und zu um eine naturalistische Abbildung von Realien handeln würde – mehr als eine Naht mit weißem Garn/Zwirn kann es dann ja kaum sein.

Johannes vom Gollenstein

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Re:Schnittmuster Schwestern Darstellung
« Antwort #23 am: 19. Juni 2016, 08:54:49 »
Danke für's Fragen, interessante Info!

Aber ich frage mich halt:
Wenn es eine Weißerhöhung ist, warum dann nur an den Rändern und nicht auch bei anderen Falten?

Spontan hätte ich auf eine helle Naht getippt (bzw. eine Ziernat). Aber warum sollte man mit hellem Faden nähen und was soll ein Mönchsgewand mit Ziernaht?

Ich weiß, darüber wird man stundenlang philosophieren können, ohne ein schlüssiges Ergebnis zu erhalten. Ich fand es einfach spannend.

Benedikt von Söllbach

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Re:Schnittmuster Schwestern Darstellung
« Antwort #24 am: 19. Juni 2016, 09:32:19 »
Aber warum sollte man mit hellem Faden nähen und was soll ein Mönchsgewand mit Ziernaht?
Leinengarn wäre eine Erklärung. Bei meiner Kutte oder dem Waffenrock gäbe das einen grob ähnlichen Effekt.
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Re:Schnittmuster Schwestern Darstellung
« Antwort #25 am: 19. Juni 2016, 21:36:39 »
Hab auch überlegt, ob sowas in Realien oder sonst irgendwo belegt ist, aber bei den Bodenfunden haben sich Stoff und Garn farblich ja meist angeglichen, oder?

Johannes vom Gollenstein

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Re:Schnittmuster Schwestern Darstellung
« Antwort #26 am: 20. Juni 2016, 08:39:30 »
Bodenfunde sind ja leider mehr als rar, und ob man da noch realistisch Rückschlüsse ziehen kann, halte ich auch für fraglich...
Benedikt's Kutte kommt der Abbildung allerdings schon sehr nahe!

Ich hab gestern noch ein wenig gesucht. Hab ein Buch mit sehr vielen Malereien aus der Zeit. Es finden sich alle erdenklichen Variationen mit diesem hellen Strich am Rand der Gewänder: einige sind ziemlich deutlich diese Aufhellungen. Andere wiederum zeigen Aufhellungen, die aber anders aussehen als dieser klare Randstreifen. Manche haben weder Aufhellungen noch Streifen... Völlig unschlüssig, das Ganze...

Benedikts Theorie mit dem Leinenfaden kommt mir da noch am wahrscheinlichsten vor.