Autor Thema: Vollkontakt-Codex Belli-Schaukampf...was ist eimem "Ritterkampf" am ähnlichsten?  (Gelesen 14181 mal)

Cornelius

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Re:Vollkontakt-Codex Belli-Schaukampf...
« Antwort #15 am: 30. Mai 2013, 09:00:43 »
Wenn sich der VK tatsächlich dorthin entwickeln sollte (einen Quo-Vadis-Artikel dazu gab es schon mal), wäre das etwas anderes. Dazu wirst du aber entweder Abstriche bei der Ausrüstung hinnehmen müssen (Stiche zum Gesicht z.B. sind nun mal DIE Trefferzone in den Quellen schlechthin, das bricht den Gegner physisch und psychisch am ehesten; alles andere wäre sowas wie silberne Strickpullover zu tolerieren, weil man an Ringpanzerhemden nicht rankommt) oder aber eine scharfe Trennung von Training (wo das z.B. vorsichtig erlaubt ist, aber auch das kann ins Auge gehen) und den entschärften Wettkämpfen. Aber auch da würdest du dich latent wieder von der (historischen) Kampfkunst entfernen bzw. gefährliche Parallelentwicklungen entstehen lassen, denn wer kann im Eifer des Gefechts garantieren, zuvor gelernte Techniken nicht doch instinktiv einzusetzen?

Reenactment auf der materiellen Ebene bringt den VK übrigens nicht näher an die Einstellung "Kampfkunst" heran, das spielt höchstens dann eine Rolle, wenn du tatsächlich Harnischfechttechniken im rekonstruierten Harnisch nachstellst, denn dafür wurden sie ja entwickelt. Was die potentiell tödlichen Attacken angeht...hm... natürlich kann jeder Hieb tödlich sein, aber gleichzeitig ist jeder "mittelmäßiger Angriff" eine Gefahr für den Angreifer, da er ein Tempo (also eine Fechtzeit) verliert, in dem sein Gegner etwas Besseres tun kann. Wenn dann zudem kein Treffersystem vorhanden ist, das z.B. regelt, nach wievielen solchen "Patschertreffern" man als besiegt gilt (und wenn fünf Leute um mich herum mit ihren Waffen arbeiten, hätte ich wahrscheinlich auch Probleme, genau zu zählen, wie oft ich getroffen wurde), dann wird es in der Tat eine Art Aufgabenprügeln und das kann mir keiner als effizient verkaufen, vor allem nicht im Kontext einer Schlacht.

Habt ihr mal mit Fechtmasken trainiert und geschaut, in wie weit es euer Fechten verändert, wenn ihr Gesichtsangriffe integriert? Haben eure Langschwertkämpfer mal mit Halbschwerttechniken experimentiert?

Heinrich von Grubenhagen

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Bin seit über 30 Jahren Karatemeister (Shotokan), davon 10 Jahre als Leistungssport, Wettkampfsport bis Bundesebene,
Karate-Wettkampf, d. h. ein festgelegter Ablauf der Stöße, Schläge Tritte in korrekter Form auf klar definierte Körperpartien.
Ganz früher gab es mal die Unterscheidung halber Punkt Wazaari: wäre verletzende, keine tödliche Technik, Ippon: wäre tödliche Technik,
das ist schon lange nicht mehr so, jetzt wird die Art der Technik (Fußtechnik zählt mehr als Hanstechnik) bewertet.
ch habe auch die Karate-Vollkontakt-Anfagszeit miterlebt.
In den Sportverbänden gab es maximal Semi-Kontakt Turniere, das habe ich auch einige Jahre gemacht, da ging es nie ohne Blessuren ab, allerdings auch in der traditionellen Variante (von der normalen Prellung über Arm/Beinbruch bis Fußtechnik auf die Schneidezähne-Schneidezähne weg und Fußschlagader offen).
Das ist der Kampfsport.

Die Kampfkunst, zumindest bei den asiatischen Sportarten,
bezieht sich auf die
Sinnhaftigkeit und Harmonie der Bewegungen,
das DO (den Weg)
und das Dojokun ( das Sinnhafte, die Dojoregeln, sei freundlich, sei bescheiden, höre zu, respektiere usw. usw.).
Es gibt noch die unterform der Kata, das ist sozusagen ein festgelegter Ablauf von Techniken gegen einen unsichtbaren Gegner,
Karate ist, wen ich das mal salopp sage, in Kihon (Technikübungen), Kata (s.o.) und Kumite (Kampf) unterteilt.

Cornelius

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Ich würde die eigentliche Kampfkunst enger und pragmatischer definieren, nämlich als die konkreten physischen und unmittelbar (!) psychischen (d.h. verkürzt gesagt so etwas wie "Angriffswille" oder "Entschlossenheit", nicht die später anknüpfenden Elemente wie Höflichkeit, Bescheidenheit etc.) Fertigkeiten, um einen Gegner davon abzuhalten, ernsthafte Angriffe auf das eigene Leben abzuwehren und ihn ggf. von weiteren Angriffen abzuhalten. Jetzt waren Kampfkünste in jeder Kultur noch anderen Einflüssen ausgesetzt (religiöse, ästhetische, soziale etc.), so dass es wohl kaum DIE rein pragmatische Kampfkunst gibt; aber für die "technische" Unterscheidung von z.B. Kampfsport würde ich diese Elemente schon deshalb ausblenden, weil sie im Kampfsport ja genauso vorkommen. Die japanische Budo-Tradition ist ja hauptsächlich zur Erziehung von Körper und Geist (ergo diese "sekundären" Elemente) entstanden und nicht etwa, weil man junge Menschen zu Killermaschinen ausbilden wollte und dann gemerkt hat, dass es noch ein paar andere Vorteile gibt.