Autor Thema: Schreibzeug der Templer  (Gelesen 12585 mal)

Stefan von Dachau

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Schreibzeug der Templer
« am: 20. Mai 2013, 18:29:43 »
Werte Schwestern und Brüder,

am Wochenende habe ich endlich einen einfachen Kopert gefunden, der meiner Ansicht nach gut zur Darstellung passt. Das Notizbuch ist aus einfachstem Leder mit eingebundenen, geschöpftem Papier. Nun ist mir zwar bewusst, dass wohl eher selten schreibende Brüder auf Märkten oder ausserhalb der Klostermauern anzutreffen waren, da sie ja gar nicht gross außerhalb der Komturei ihren Dienst taten, aber es hat doch sicherlich trotzdem mal die Situation gegeben, dass Wissen oder Anweisungen in schriftlicher Form weitergegeben werden mussten und das eben auch mal "von unterwegs".
Da mir ein solches Buch zum Aufnehmen von Adressen oder ähnlichem Allerlei ein willkommenes Plus in der Gewandungsausstattung ist, habe ich nun überlegt, womit denn dann eigentlich wohl geschrieben worden ist. Kohlestücke? Federkiel und Tintenfass? Was wäre denn am passendsten zur zeitlichen Einordnung um 1150-1250?
Ich wäre sehr erfreut, wenn ihr da Ideen habt, damit ich wenigstens nicht ganz falsch mit meinem Schreibzeug liegen sollte, wenn ich das Notizbüchlein benutze.
Ich habe sehr viele Seiten mittlerweile per Suchfunktion durchgelesen, aber nichts gefunden, was sich mit diesem Thema befasst. Falls schon ein solcher Thread vorhanden sein sollte, bitte ich um Entschuldigung und den Link dorthin.
Habt Dank.

Pax

Stefan von Dachau
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Benedikt von Söllbach

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Re:Schreibzeug der Templer
« Antwort #1 am: 21. Mai 2013, 09:44:32 »
Hallo, super praktisch so ein Kopert!
eine gute Frage, mit was denn geschrieben wurde. Ich denke, das übliche war wohl ein Schreibset bestehend aus etwas Pergament und Tinte+Federkiel.

Ein Kopert wurde nicht als "Notizbüchlein" genutzt, wie wir das heute tun. Er stellte die Zwischenform zwischen gebundenem, finalisiertem Buch und Lose-Blatt-Sammlung dar. Anzutreffen war das z.b. bei Rechtsanwälten, die Prozessakten in Koperform transportierten, damit die Blätter nicht wahllos herausfielen und durcheinander waren.
Diese Dokumente wurden jedoch trotzdem sauber auf "herkömmliche Weise" aufgeschrieben.


Bei meinem Kopert habe ich zur Darstellung das Problem ganz pragmatisch gelöst: Ich habe einen kleinen Bleistift (ohne Lack oder sowas), der einen Radiergummi am Ende hat, mit ins Leder eingeschlagen. Das ist zwar nicht "A" aber macht den Kopert meiner Meinung nach erst sinnvoll auf Lagern nutzbar.
Man möchte ja in der Regel schnell was notieren, häufig genug "neuzeitliche" Dinge wie Adressen, Telefonnummern oder Mailkontakte, oder eben ablauforganisatorische Dinge. Da ist es sehr unpraktisch, erstmal mit Tinte anzufangen, die dann trocknen zu lassen und am Ende gar nicht mehr radieren zu können, sondern abschaben zu müssen (was auf Papier auch nur sehr eingeschränkt geht, vor allem, wenn die stelle nachher wieder mit Tinte beschrieben werden soll).
Ich denke, dass der Kompromiss verschmerzbar ist.

Ein Kohlestift wäre sicherlich auch mal interessant zu testen, aber ich würde in jedem Fall von schaftloser Kalligraphiekohle abstand nehmen (also die, die "roh" daher kommt). Es sollte auf jeden Fall etwas Bleistiftartiges sein, also etwas mit Schaft und Mine. Der Kopert sürfte nämlich sonst sehr schnell versaut sein; selbst mein handelsüblicher Bleistift saut da schon durch die Herumtragerei etwas rum.
Wie gesagt, auch das ist wohl nicht "A", weil Koperten damals einfach anders genutzt und beschrieben wurden; aber erhält halt das Ambiente besser aufrecht.
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Re:Schreibzeug der Templer
« Antwort #2 am: 21. Mai 2013, 09:58:26 »
Ist überhaupt nachgewiesen, dass es sich bei "neuen" Koperten um leere gebundene Seiten handelte, die mit einer Art Behelfsumschlag versehen waren? Normalerweise wurden Bücher ja zuerst auf lose (vorgefaltete?) Lagenblätter geschrieben, die man dann zusammenband.

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Re:Schreibzeug der Templer
« Antwort #3 am: 21. Mai 2013, 10:43:36 »
Sehr interessante Sache!

Reine Kohlestifte halte ich zumindestens für unpraktisch (wobei ich keine Ahnung über die historische Verwendung habe...).
Die Dinger machen eine dermaßige Sauerei, zum Umhertragen sind die nicht wirklich geeignet (ich kenne sie vom Zeichnen her, eine wahnsinnige Schmiererei).

Benedikt von Söllbach

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Re:Schreibzeug der Templer
« Antwort #4 am: 21. Mai 2013, 11:54:31 »
Zitat
Ist überhaupt nachgewiesen, dass es sich bei "neuen" Koperten um leere gebundene Seiten handelte, die mit einer Art Behelfsumschlag versehen waren? Normalerweise wurden Bücher ja zuerst auf lose (vorgefaltete?) Lagenblätter geschrieben, die man dann zusammenband.

Das meinte ich oben mit "auf herkömmliche weise beschrieben".
Leere Blätter in Koperten, mit dem Zweck, später beschrieben zu werden, sind mir nicht bekannt (was nichts heißt, ich habe mir nur ein paar wenige Exemplare angesehen!).
Der Sinn des Koperts ist ja, ein Buch "provisorisch" schonmal zusammen zu haben, ohne es tatsächlich binden und damit endgültig fixieren zu müssen. Durch die Art und Weise der Kopertbindung kann man jederzeit mit geringem Aufwand neue Blätter einfügen oder die Reihenfolge verändern. Bei einem fertig gebundenem Buch ist das nicht mehr möglich oder extrem Aufwändig.
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Re:Schreibzeug der Templer
« Antwort #5 am: 21. Mai 2013, 13:06:05 »
[...] ohne es tatsächlich binden und damit endgültig fixieren zu müssen [...]
Wenn mich meine beste Freundin (ähem...Wikipedia...ähem) nicht belügt, wurden die Seiten aber trotzdem wenigstens provisorisch eingebunden. Das klingt so, als ob man so etwas weitgehend selbst herstellen könnte. Wenn ich die Restauratoren der Uni-Bibliothek mal wieder sehe, kann ich ja fragen, welche Bindfadenmaterialien belegt sind.

Wer mehr Freizeit hat als ich, kann sich ja mal die bei Wikipedia verlinkte Magisterarbeit ansehen.

Benedikt von Söllbach

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Re:Schreibzeug der Templer
« Antwort #6 am: 21. Mai 2013, 13:52:47 »
Ich habe das damals vor Fertigung meines Koperts gelesen und als Inspiration benutzt.
Koperten kann man (wie echt gebundene Bücher übrigens auch) sehr leicht herstellen, wobei ein Kopert eben ungleich einfacher herzustellen ist als ein gebundenes Buch.
Im Wesentlichen heftet man mittels Faden einfach die einzelnen Lagen direkt an das Einbandmaterial.

Exemplarisch die Doku meines Buches und meines Koperts:
Kopert: http://beni.hallinger.org/history/gallery.php?g2_itemId=2966
Buch: http://beni.hallinger.org/history/gallery.php?g2_itemId=2655
Beide Werke sind stark durch mittelalterliche Originale inspiriert, fußen aber nicht auf konkreten Funden.
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volfing

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Re:Schreibzeug der Templer
« Antwort #7 am: 21. Mai 2013, 19:02:02 »
Wenn euch das helfen kann, hier ein kleines Zitat:

Ibn Jubair, ein spanischer Muslim, gibt seine Eindrücke wieder, die er hier bei einer Durchreise im Jahre 1185 gesammelt hatte:
„Am Morgen erreichten wir die Stadt Akkon ..(möge Gott sie zerstören!),und wurden sogleich zum Diwan (Zollhaus) geführt, das eigentlich ein Chan war“. (Chan, Khan od. Funduq. Im ital. Fondaco. Gleichzeitig Warenhaus und Herberge für Kaufleute, ihre Diener, Tiere und Waren). „In diesem Chan kehrten die Karawanen ein. Vor seinem Tor waren hölzerne Bänke und Tische aufgestellt, an denen die christlichen Beamten saßen, mit ihren Papieren und ebenhölzernen Tintenfässern. Diese Beamten verstanden sowohl arabisch zu sprechen, als auch arabisch zu schreiben. Ihr Hauptmann, sowohl Meister des Diwans als auch Hauptsteuerbeamter, ist allgemein unter dem Namen „der Meister“ bekannt.

Ibn Jubair spricht also, wenn kein Übersetzungsfehler vorliegt, von Papier als Beschreibstoff und von Tintenfässern, was auf die Verwendung von Federn schliessen lässt. Auf jeden Fall wurde wahrscheinlich meistens "statisch" geschrieben. Nach beendeter Arbeitszeit wurde alles zusammengepackt. Ich habe jedenfalls keine Quelle gefunden aus der hervorgeht, dass Schreibzeug für evtl. Gebrauch mit sich herumgetragen wurde.

LG
der volfing

Stefan von Dachau

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Re:Schreibzeug der Templer
« Antwort #8 am: 22. Mai 2013, 10:08:27 »
Vielen Dank für die reichlichen Antworten, besonders auch für die Bilder des Koperts und des selbstgebundenen Templerregelbuches von Bruder Benedikt (sieht wirklich fantastisch aus).
Es freut mich immer, wenn ich mal etwas anstoße, das es noch nicht in diesem reichhaltig-informativen Forum gab :)

Vielen Dank auch Bruder Volving. Ein sehr interessanter Text.
Spanischer Muslim, dass regt echt mal die Phantasie an. Es wird sicherlich nicht so normal gewesen sein, dass ein westlicher Mensch den östlichen Glauben angenommen hat.
 
Ich denke das wir festhalten können/müssen, dass es keine Papiervorräte, in welcher Form auch immer, auf kleineren Reisen gegeben haben wird. Auf weiteren Reisen wird wohl höchstwahrscheinlich das Papier zusammen mit Federkiel und Tintenfässchen in einer Holzkiste transportiert worden sein. Dabei gin es aber dann wahrscheinlich aber auch immer um einen konkreten Transport von A nach B und nicht um das "griffbereit" haben.

Trotzdem kann ich mit logischen Verständnis wirklich kaum glauben, dass es keinerlei Möglichkeit einer Notiz-Aufnahme gegeben haben soll, aber das liegt wohl eher am zu modernen Denken.
Letzten Endes gab es nun einmal nicht das alltägliche Gut "Schrift". Es war den Mönchen und Gelehrten vorbehalten und diente einem anderen Zweck als das schnelle "festhalten" von Gedanken oder ähnlichen Informationen. Bekamen dienende Brüder, die Materialien auf einem Markt besorgen sollten, vielleicht eine Liste mit? Oder wurde eher stets das Kloster beliefert? In der alltäglichen Arbeit, in der man ja heutzutage oftmals etwas aufschreibt, ist das im Hinblick auf das Mittelalter, bzw. die Templer ein wirklich interessantes Thema...

Pax

Stefan von Dachau
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Re:Schreibzeug der Templer
« Antwort #9 am: 22. Mai 2013, 11:31:14 »
Schreibkohle und graphitstifte sind erst seit neuerer Zeit in gebrauch: Grund: eine gleichmäsige Härte und die Regulierung der Härte durch die beimengung anderer mineralischer Komponenten wurde erst im 19. Jh. erfunden.

Was seit der antike bekannt war, waren Silber- und andere Metallstifte, also auch "echte" Bleistifte, die eine Miene aus ebendiesem Metall hatten. metallstifte wurden beispielsweise für Vorzeichnungen für Buchmalerei oder für linierungen verwendet. zum normalen schreibbetrieb waren sie aber wohl zu "schwach".

Ansonsten verwendete man Tinte und Feder, wobei nicht nur "echte" Vogelfedern, sondern auch Rohrfedern verwendet wurden.

Als Notizblock unterwegs dürften Wachstafeln das mittel der Wahl gewesen sein, in heissen gegenden auch schiefertafeln. Was ma da notiert hatte, konnte man dann "zuhause" mit Tinte in ein Kopert übertragen.

Zum Thema Leerseiten: in einigen "Zusammenbünden", also Büchern, die durch zusammenbinden von mehreren koperten entstanden sind, finden sich Leerseiten, gelegentlich auch mal mehrere hintereinander. Das deutet darauf hin, dass das "Leerbinden" scheinbar doch nicht gänzlich ungebräuchlich war. Allerdings schreibt es sich in einem fertig gebundenen kopert nicht so gut, wie auf einem losen blatt, weswegen das wohl doch eher als Ausnahme zu betrachten ist.
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Re:Schreibzeug der Templer
« Antwort #10 am: 22. Mai 2013, 12:15:52 »
Zitat
Das deutet darauf hin, dass das "Leerbinden" scheinbar doch nicht gänzlich ungebräuchlich war.
Naja, wenn man ein Blatt "einbindet" erhält man ja zwangsläufig 4 Seiten (links-vorne, links-hinten sowie rechts-vorne und rechts-hinten).
Wenn nun nicht alle dieser Seiten beschriftet sind, entstehen Leerseiten. Diese sind aber der Heftung wegen zwingend erforderlich, man kann nämlich kein "halbes Blatt" binden, weder in einem Kopert, noch in einem Buch.


ansonsten kurz OT:
Zitat
Spanischer Muslim, dass regt echt mal die Phantasie an. Es wird sicherlich nicht so normal gewesen sein, dass ein westlicher Mensch den östlichen Glauben angenommen hat.
Spanien war zu dem Zeitpunkt unter Muslimischer Teilherrschaft, da die Reconquista (Rückeroberung Spaniens durch die Christen, die Templer waren beteiligt) noch nicht abgeschlossen war. Ziemlich sicher handelt es sich also um einen Zeitgenossen aus der muslimischen Südhälfte.
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Re:Schreibzeug der Templer
« Antwort #11 am: 22. Mai 2013, 13:53:44 »
Ibn Jubair spricht also, wenn kein Übersetzungsfehler vorliegt, von Papier als Beschreibstoff und von Tintenfässern, was auf die Verwendung von Federn schliessen lässt.
Ich verwette was, dass im arabischen Original von "auraq" die Rede ist, also einfach von "Blättern", was wohl alles sein könnte. Papier wurde im "Orient" (schwer zu definieren, aber in dem Fall eher östlich von Ägypten) zur Zeit unseres Hochmittelalters schon bevorzugt verwendet. Entweder gab es das auch in Akkon oder es war westliches Papier (grob ab dem Spätmittelalter importieren die das wie wild aus Italien) oder aber er hat, sollte tatsächlich Pergament für so etwas verwendet worden sein, einfach das ihm gebräuchliche Wort benutzt, auch wenn es ggf. nicht das spezielle Wort für "Pergament" war.

Viele pragmatische Texte (Verträge, Einkaufslisten etc.) sind im Orient übrigens noch bis ins Hochmittelalter auf Papyrus erhalten (und äußerst schwer zu entziffern); ich müsste nochmal unseren Spezialisten fragen, ob Papier dafür überhaupt nennenswert verwendet wurde.

Auch OT: Die Handschrift, mit der ich arbeite, hat ein paar schmalere eingeheftete Seiten, ohne dass der Text an den Stellen unvollständig wäre. Dazu gibt es einige schmale Streifen innen in der Bindung, so dass der Eindruck entsteht, man hätte tatsächlich einzelne Blätter (also halbierte Bifolia, wenn z.B. eine Hälfte schon verdorben war) eingebunden und mit etwas "Nahtzugabe" über die Lagenmitte geschoben. In Bezug auf die Variationen in Bindung und Lagengestaltung (eine Lage ist die Menge der ineinandergefalteten Blätter, die zusammen vernäht werden; hilft dabei, nach Unvollständigkeiten zu suchen) gibt es laut Auskunft unseres Restauratoren nichts, das es nicht gibt. Wie überall sonst in der materiellen Kultur des Mittelalters hat man wohl vieles pragmatischer und materialsparender gelöst, als man zunächst annehmen würde (man denke an die aus etlichen Kleinteilen zusammengestückelten Kleiderfunde).

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Re:Schreibzeug der Templer
« Antwort #12 am: 23. Mai 2013, 23:09:40 »
Mir ist mindestens ein Codex bekannt, der 6 Leerseiten in Folge enthält, ich weiss nicht, wie die bindetechnisch stehen, aber es ist ein Hinweis. Und die eben erwähnten "Halbbögen mit Nahtzugabe", wobei dir auch durch das spätere Heraustrennen entstanden sein können...
Die originalbindungen, die ich bisher in der Hand hatte, zeigen aber, dass buchbinder mit dem Material alles andere als zimperlich umgegangen sind, da wurden auch mal Ränder ohne Rücksicht auf vorhandene illuminationen auf grösse geschnitten oder einzelblätter quer eingebunden.
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Re:Schreibzeug der Templer
« Antwort #13 am: 24. Mai 2013, 08:31:56 »
Danke für die Infos!
Ja diese Halbbögen habe ich auch gesehen, aber praktisch ist das nicht und war sicherlich eine Notlösung um Pergament zu sparen.

Um welchen Codex handelt es sich genau?
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Re:Schreibzeug der Templer
« Antwort #14 am: 24. Mai 2013, 09:13:12 »
@Eusebius: Bei Vierer- oder Fünferlagen wären sechs Leerseiten (meinst du Leerblätter?) auch möglich, ohne dass man von der Norm abweichen müsste. In meiner HS gibt es eben interessanterweise diese Einschubseiten ohne Textlücken. Dafür gibt es eine riesige Lacuna genau in der Mitte, aber das ist eine andere Geschichte.

Buchbinder waren tatsächlich nicht zimperlich. Im Einband der Sigmund-Ringeck-HS von kurz nach 1500 sind Seiten aus einer HS des 12. oder 13. Jhds. verklebt (oder rezykliert, wie man will).