Autor Thema: Kettenbeinlinge und Polsterung  (Gelesen 38143 mal)

Benedikt von Söllbach

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Re:Kettenbeinlinge und Polsterung
« Antwort #15 am: 26. Juli 2012, 14:52:50 »
Hm.

Mir fällt jetzt gerade spontan ein, dass Upton-Ward irgendwas von Arming Jacket schreibt, ich weiß ad-Hoc aber nicht mehr, ob das ihre Übersetzung für "espalier" oder ein weiteres Kleidungsstück meint. Vielleicht haben wir in dem Artikel ja die Erwähnung von beidem vorliegen: Kragen UND Polsterwams? Ich denke, diese Frage sollten wir auch nochmal beleuchten, denn vielleicht hat das auch Auswirkungen auf die offene "Kampfkutte-Waffenrock"-These (wenn nämlich der "Jupel d' Armer" tatsächlich kein Waffenrock sondern ein Steppwams ist).

Gibts denn überhaupt Belege für Steppwämser um das 12 Jhd?
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Re:Kettenbeinlinge und Polsterung
« Antwort #16 am: 26. Juli 2012, 17:30:39 »
Bin mir da zwar nicht ganz sicher, aber das soll aus dem 12 Jahrhundert sein: "La relique de de Bussy Saint Martin".
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Re:Kettenbeinlinge und Polsterung
« Antwort #17 am: 26. Juli 2012, 18:12:33 »
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Re:Kettenbeinlinge und Polsterung
« Antwort #18 am: 27. Juli 2012, 12:11:35 »
Hm, das Problem mit den stets ausgebesserten Reliquien ist halt ihre beschränkte Aussagekraft. Gern bleiben ja auch nur Sonderfälle erhalten. Ich habe den Text allerdings auch nur mal kurz durch Google gejagt und die furchtbar übersetzten Passagen im Original nachgelesen.
Ich denke, diese Frage sollten wir auch nochmal beleuchten, denn vielleicht hat das auch Auswirkungen auf die offene "Kampfkutte-Waffenrock"-These (wenn nämlich der "Jupel d' Armer" tatsächlich kein Waffenrock sondern ein Steppwams ist).
U-W übersetzt in der Barcelonaer Regel (die eigentliche ist erst vorgestern angekommen, dann kann ich mich mal an eine für uns brauchbare deutsche Regelübersetzung setzen) jupel d'armer (bzw. in einer der orthografischen Varianten) einmal mit Gambeson und einmal mit Waffenrock. Im Originaltext wird der jupel d'armer einmal zusammen mit der Capa und dem Mantel in einem Kontext erwähnt (ich glaube, es geht um Kleidungsstücke, die man in Gefangenschaft nicht tragen darf oder so, muss mal nach meinen Aufzeichnungen sehen, aber die wollte ich ja gebündelt präsentieren), der nahe legt, dass es alles "offizielle" Kleidungsstücke waren und das wäre der Gambeson wahrscheinlich nicht.

Dass der jupel d'armer eine Polsterjacke bezeichnet, erwähnt D. Nicolle, aber mich würden dafür mal die Quellen und dazugehörigen Zeiträume interessieren. In der Templerregel scheint es sich um den Waffenrock zu handeln, aber da bin ich hoffentlich schlauer, wenn ich die bisherigen Übersetzungen und die letzte (italienische) Templerregeledition nebeneinandergelegt habe.

Pardon für's Abschweifen vom Thema.

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Re:Kettenbeinlinge und Polsterung
« Antwort #19 am: 28. Juli 2012, 18:45:54 »
Habs irgendwo schon mal angemerkt:

In England heißen heute die "modernen" enganliegenden Reithosen, mit Lederbesatz am Po und innerem Oberschenkel "Breeches". Das ist von der Wortherkunft - ohne große Veränderung - das mittelalterliche englische Wort für Bruche!
Breeches wurden auch die Reithosen späterer Armeen genannt - bis zu den "Knickerbockern" der Wehrmacht.

Zufall??

Damit wären wir bei der vermutete "Reitbruche", die in ähnlicher Machart wie die "Breeches" eben alle Anforderungen erfüllen würde: Polsterung unter der Kette, sicheren Sitz im Sattel, keine Falten am Po und somit kein Wundsitzen etc.!  

Gibt zwar keinen echten Beleg, aber ist für mich die sinnvollste aller Thesen.

Aus online Ethymyology Dictionary:

breeches c.1200, a double plural, from O.E. brec "breeches," which already was plural of broc "garment for the legs and trunk," from P.Gmc. *brokiz (cf. O.N. brok, Du. broek, Dan. brog, O.H.G. bruoh, Ger. Bruch, obsolete since 18c. except in Swiss dialect), perhaps from PIE root *bhreg- (see break). The Proto-Germanic word is a parallel form to Celt. *bracca, source (via Gaulish) of L. braca (cf. Fr. braies), and some propose that the Germanic word group is borrowed from Gallo-Latin, others that the Celtic was from Germanic. Expanded sense of "part of the body covered by breeches, posterior" led to senses in childbirthing (1670s) and gunnery ("the part of a firearm behind the bore," 1570s). As the popular word for "trousers" in English, displaced in U.S. c.1840 by pants. The Breeches Bible (Geneva Bible of 1560) so called on account of rendition of Gen. iii:7 (already in Wyclif) "They sewed figge leaues together, and made themselues breeches."

Wir sehen in der Bruche immer nur die mittelalterliche "Unterhose" - aber war es wirklich nur eine Unterhose? Trugen Frauen Unterhosen?
Was wenn damit immer auch eine Art "Reithose" oder "Arbeitshose" - beim Bauern auf dem Feld etc. - gemeint ist?  ;)

Würde zumindest erklären warum daraus über Generationen von Reithosen erst eine Militärhose und schließlich wieder die Reithose wurde.....ohne den Namen zu ändern!
« Letzte Änderung: 28. Juli 2012, 19:01:39 von William »
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Re:Kettenbeinlinge und Polsterung
« Antwort #20 am: 03. August 2012, 15:21:23 »
Moment mal, steckt nicht auch im Wort "Unterhose" eine "Hose"? Sind Unterhosen etwa auch Hosen?  :P Entschuldige, das bot sich gerade an, aber ich würde die Theorie nur mit Vorsicht genießen, weil das zu weite Felder zusammenzieht. Breeches bezeichnet ja auch Kniebundhosen und die müssen gar nichts mit Pferden zu tun haben.

Egal, ich habe gerade ein paar Quellen und Vermutungen von Jens Börner zum Thema Aufhängung der Ringpanzerbeinlinge gefunden:
http://www.tempus-vivit.net/taverne/thema/Kettenbeinlinge#125
http://www.albrechts.se/forum/viewtopic.php?f=27&t=75&start=20#p608

Seine These, dass sich aus dem Lendenier als kleinem Gürtel ab dem 14. Jahrhundert ein gepolsterter Gürtel entwickelte, würde ich um den Einwurf ergänzen, dass die "Trennlinie" von Oberkörper und Beinen in Bezug auf die Kleidung im 14. Jahrhundert ja langsam nach oben rutschte. Wenn ich den Beinlinggürtel (mal hypothetisch angenommen) über längere Unterhemden ziehe, brauche ich vielleicht noch nicht soviel bzw. gar keine weitere Polsterung. Wenn im 12./13. Jahrhundert eh noch keine weiteren Beinpanzerungen außer dem Ringpanzer dazukommen, mag das sogar funktionieren. Die Beleglage ist allerdings wie immer dünn, man müsste mal die Probe auf's Exempel machen und schauen, in wie weit Lendeniere sonst als Gürtel erwähnt werden.

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Re:Kettenbeinlinge und Polsterung
« Antwort #21 am: 04. August 2012, 17:08:59 »
Moment mal, steckt nicht auch im Wort "Unterhose" eine "Hose"? Sind Unterhosen etwa auch Hosen?  :P Entschuldige, das bot sich gerade an, aber ich würde die Theorie nur mit Vorsicht genießen, weil das zu weite Felder zusammenzieht. Breeches bezeichnet ja auch Kniebundhosen und die müssen gar nichts mit Pferden zu tun haben.


Genau das meine ich ja - was wir heute unter einer "Unterhose" verstehen, muss nicht zwangsläufig auch im Mittelalter diese Bedeutung gehabt haben.

Wenn es, wie heute, mehr aus hygienischen Gründen üblich gewesen wäre einen "Schlüpfer" zu tragen, dann wäre dies doch auch für Frauen sinnvoll gewesen (bin da nicht so bewandert in Frauenkleidung, aber ich glaub die trugen die wohl eher nicht - oder?)
Also wenn wir mal gedanklich von der Unterhose als Hygienewäsche weggehen, dann können wir tatsächlich trennen in Unter- und Hose.
Dabei ist die Bruche ja im eigentlichen Sinne auch gar keine "unter"- Hose, denn sie wird ja als sichtbares und einziges Mittelteil getragen!

Auch stellt sich ja immer wieder die Frage warum man von der "richtigen" römischen oder keltisch/germanischen Hose zugunsten der Bruche und Beinlinge abging.

Die Kombination aus Bruche und Beinlingen ist ja eigentlich nur eine Dreiteilung der "kompletten" Hose - warum?
Der Herstellungsaufwand ist doch größer!
Wenn wir uns den Grund dieser Dreiteilung erschließen könnten, kämen wir der Sache evtl. etwas näher.

Ich spekulier mal etwas, was diese Gründe angeht:

1. der am meisten durch Sitzen und Verschmutzen beanspruchte Teil der Hose wird aus einem billigeren Stoff hergestellt und ist somit kostengünstiger auszutauschen - würde zu den Darstellungen von Bauern auf dem Feld in Bruche passen - die guten Beinlinge werden bei schmutziger Arbeit geschont - der Mittelteil ist somit ein "Wegwerfartikel".

2. Der "Hosenmittelteil" - also die Bruche kann dem Bedarf angepasst werden - also z.B. die von einigen Autoren vermutete Reitbruche - die sicherlich strapazierfähiger und weniger faltig war als die "weiche" und bequem weite Hausbruche - somit kann ich meine "guten" Beinlinge immer tragen, aber die Bruche wird halt dem Bedarf angepasst.

Der Adelige, der ausreiten will, tauscht einfach seine bequeme Hausbruche gegen eine strapazierfähige Reitbruche und im Kampf dann gegen eine Polsterbruche.

Damit wären gleich mehrere Ungereimtheiten erklärbar - also wäre eben auch eine "Polsterbruche" und/oder "Polsterbeinlinge" erklärbar, wie sie z.B. als Senftenier im "Willehalm" beschrieben wird! (Später wurden daraus dann die Diechlinge über der Kette)

Auch wäre die Kombination einer "Reitbruche" mit Polsterbeinlingen eine mögliche Alternative - somit könnte man in der Dreiteilung quasi in neudeutsch ausgedrückt eine "Multi-Funktions-Hose" sehen, was eben nur durch die Teilung machbar ist.
Das wäre ein plausibler Grund warum man von der einteiligen Hose abging und später bei den Plattenrüstungen bzw. ohne Rüstung wieder zu den "normalen" einteiligen Hosen zurückkam. Denn da war diese angepasste Austauschbarkeit nicht mehr nötig.

Es ist in der Literatur dann eben trotzdem immer NUR eine Bruche und weil es unschicklich war diese zu zeigen wird eben auch in den Texten nicht weiter darauf eingegangen.......

Wie gesagt ich spekuliere nur, beziehungsweise mache eine Art "Brainstorming" um mal anders an das Thema heranzugehen - wir haben ja schon öfter erlebt, das es manchmal nur einer etwas anderen Sichtweise bedarf um sich einem Thema weiter zu nähern. Es ist also nur eine Idee - noch nichteinmal eine These! Aber evtl. fällt ja noch jemandem etwas dazu ein, wenn man es mal so rum angeht!

Gruß
William
« Letzte Änderung: 05. August 2012, 16:06:23 von William »
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Re:Kettenbeinlinge und Polsterung
« Antwort #22 am: 06. August 2012, 11:20:19 »
Im Namen der Moderation des Forums möchte ich daran erinnern, dass Provokationen in welcher Weise auch immer ( Smilies, zweideutige Andeutungen usw. ) zu unterlassen sind. Wir wollen konstruktiv über Dinge diskutieren und nicht die Ansichten und Spekulationen anderer Forenmitlieder ins Lächerliche ziehen lassen.
Dies bitte als kurze Erinnerung zu sehen !!!

Danke und Grüße
lance
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Re:Kettenbeinlinge und Polsterung
« Antwort #23 am: 06. August 2012, 13:19:19 »
Ich spekulier mal etwas, was diese Gründe angeht:

1. der am meisten durch Sitzen und Verschmutzen beanspruchte Teil der Hose wird aus einem billigeren Stoff hergestellt und ist somit kostengünstiger auszutauschen - würde zu den Darstellungen von Bauern auf dem Feld in Bruche passen - die guten Beinlinge werden bei schmutziger Arbeit geschont - der Mittelteil ist somit ein "Wegwerfartikel".
...bzw. der leichter zu reinigende Artikel. Soweit gehe ich auch mit, lediglich die ominöse Reitbruche würde ich mit Vorsicht gebrauchen, solange da nicht mehr vorliegt als Lehnharts Vermutung (ich habe vor ein paar Wochen erstmals in eins seiner Bücher reinblättern dürfen und da war mir sogleich irgendetwas Halbgares aufgefallen, aber ich habe leider noch nicht geschafft, mich damit näher zu beschäftigen). Die Frage ist ja auch, wie notwendig so eine Reitbruche überhaupt ist und ob die vielen Falten auf den Illustrationen nicht eher hochmittelalterlichem Manierismus geschuldet sind. Außerdem – den Aspekt bloßer Mode sollte man wohl nie unterschätzen. Mit einzelnen Beinlingen kann man spontan mehr experimentieren als mit einteiligen Hosen; ich würde da nicht verlangen, überall einen praktischen Sinn zu suchen.

Während das Lendenier wohl ziemlich eindeutig die gürtelartige Befestigung für Eisenhosen war (selbige rutschen im Willehalm auf die Sporen, wenn man sie vom Lendenier löst), scheint Senftenier in etwa das gleiche zu sein, weniger Polsterbeinling oder "Diechling". Vgl. hier, Artikel ab S. 111. Darin gleichzeitig eine Polsterbruche zu sehen hielte ich für wackelig, denn in Willehalm 231,25 sieht das ein wenig nach Rüstungsverteilung aus und ich denke nicht, dass man ohne weiteres jemandes Kampfunterhosen ansich genommen hätte.... Aber ich habe gerade keine Online-Ausgabe einer neuhochdeutschen Übersetzung gefunden.

PS: Das Forum speichert bei automatischer Abmeldung (trotz mehrer Klicks auf "Vorschau"!) den aufgesetzten Artikel nicht wie die vBulletin-Foren; kann man das anschalten? Ich hatte gerade Glück, dass es mit der Zurück-Taste des IEs klappte, aber darauf will ich mich nicht verlassen.

William

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Re:Kettenbeinlinge und Polsterung
« Antwort #24 am: 06. August 2012, 15:19:48 »
Die Frage ist ja auch, wie notwendig so eine Reitbruche überhaupt ist und ob die vielen Falten auf den Illustrationen nicht eher hochmittelalterlichem Manierismus geschuldet sind.

Das ist eben der Punkt an dem frühere Diskussionen im Sande verliefen - bzw. wegen der fehlenden Belege.

Wir hatten das Thema ja schon des Öffteren und das Problem waren eben immer mangelnde eindeutige Belege für/gegen eine Reitbruche oder Polsterbeinlinge - im Gegenzug dazu die eindeutige Notwendigkeit aus Sicht der heutigen Reiter hier im Forum!

Praktische Test heute sind zwar auch immer nur bedingt aussagekräftig, aber sprechen eben klar für eine Reitbruche und für eine Polsterung unter den Kettenbeinlingen (Es gab mal ein englisches Video im Netz, wo mit dem Schwert auf einen Schweineschinken gedroschen wird - mal nur mit Kette, mal mit Polsterung - und die Verletzungen waren mit der Variante "NUR_Kette" sogar noch deutlich heftiger als komplett ohne Kette.)

Dazu eben die Tatsache, das ansonsten ja unter jeder Kette eine Polsterung getragen wurde - Gambi, Polsterhaube und Polsterung unter den Fäustlingen, Parsche = Kettenrüstung für Pferde mit darunterliegender Polsterung aus Leinen und Leder - was ja darauf hindeutet, das die Problematik an sich schon bekannt war!

Meine Idee soll ja nur mal der Versuch sein über einen anderen Weg weiter zu kommen - kann sein das es eine Sackgasse wird - aber über den direkten Weg mit Beleg und Gegenbeleg sind wir in den letzten Jahren ja nie zu einem Ergebnis gekommen.

Das der Begriff breeches/Bruche über Jahrhunderte, bis heute eben, sehr häufig (nicht immer!) eine militärische oder zivile Reithose beschreibt, ist finde ich schon ein Hinweis, den man beachten sollte und der etwas weitergehende Recherche rechtfertigt.
In anderen historischen Forschungsfeldern - z.B. Germanistik/Kelten/Wikis etc. - wird sehr viel über die Etymologie eingegrenzt.

Wie gesagt, es kann sein das uns auch das überhaupt nicht weiter hilft - aber ich denke das es nicht schaden kann einfach mal über andere Wege vorzustoßen, auch wenns am Ende dann möglicherweise doch nicht weiter führt.

Ansonsten kauen wir womöglich nur die alten Argumente wieder und wieder durch..........  

Mal eine andere Frage: Wie sah es denn bei der "Konkurenz" aus? Auf arabischer Seite gab es doch sehr viel Literatur, die in Detailfragen oft zuverlässiger sind als die christlichen Texte.
Natürlich können wir keine Rückschlüsse auf vergleichbare Kleidung bei den Christen ziehen, aber wie sieht es mit "Kriegsbeute" aus? Da wären auch weltliche Texte von Interesse - auch Inventarlisten aus weltlichen Magazinen, Einkaufslisten für weltliche Kriegszüge in Europa etc.

Wie auch immer - ohne neue Quellen werden wir da nicht weiter kommen!

Auch die moderne Literatur führt zu dem Problem kaum weiter, da dieses Thema, wohl aus den selben Gründen wie bei uns, bei den meisten Autoren immer ausgeklammert wird oder einfach nur frühere Vermutungen übernommen werden.

Beispiel "Senftenier": einige Definitionen lauten "Diechlinge" andere spekulieren wild und setzen es teils gar mit dem Gambeson gleich, aber genau eingrenzen kann es keiner - hab zumindest noch keine klar belegte Aussage dazu gefunden!
Aus dem "Willehalm" kann man nur rauslesen, das ein/dieses Senftenier wohl sehr wertvoll war, denn es heißt, das "...er einen Falken dafür hergeben würde..." (frei aus dem Gedächtnis zitiert).
Also ist es wohl eher unwahrscheinlich, das es sich dabei nur um einen gepolsterten Gürtel handelt! (Wie teuer war ein guter Gambi? Daraus könnte man evtl. Rückschlüsse ziehen wie teuer dann Polsterbeinlinge wären!)
Hinzu kommt, das die Begriffe auch zeitgleich in Verwendung waren.
(Hatte mal einen Text/Buch in dem beide drin waren - aber den jetzt zu finden.......puhhhhh! Oder war es gar auch im Willehalm?)

Etymologisch stammt Senftenier von "sanft" - was im Zusammenhang mit Rüstung schon als Polsterung interpretiert werden kann (kann!) - in "Lendenier" steckt das Wort "Lende" - was eben mehr auf einen "Lendenschutz" - also Hüftgurt o.Ä. hindeutet.
Daher werden diese beiden Begriffe, in der modernen Fachliteratur, meist nicht gleichgesetzt.

aus Willehalm:

"dâ der lendenierstric erwant, etlîchiu het ein semftenier, der noch ein sölheʒ gæbe mier, daʒ næm ich für ein vederspi"
"etslîcher nicht vollen die semftinîr zu den beinen gebunden het"
"was ein sælige hant, diu di riemen alle bant oben an daʒ senphtenier"
"oben an daz senftenier so wol gesteppet huffenier"

Anmerk.: "huffenier" wird meist mit "lendenier" gleichgesetzt - somit wird das Huffenier/Lendenier , über benannte Riemen (lendenierstric)  in die Ösen des Senftenier gebunden (alle bant oben an daʒ senphtenier), was schon sehr auf eine Beinpolsterung hindeutet.

http://www.hs-augsburg.de/~harsch/germanica/Chronologie/13Jh/Wolfram/wol_wi07.html
« Letzte Änderung: 06. August 2012, 17:39:17 von William »
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Re:Kettenbeinlinge und Polsterung
« Antwort #25 am: 06. August 2012, 22:05:14 »
So mal weiter brainstorming:

Übersetzen wir mal ein wenig...

pair of breeches (engl.) npl. haut-de-chausses (franz.)  Chausses kommt etymologisch von Chauser - siehe dann Art. 315 : Körner übersetzt die franz. Regel (chauser) mit Reitstiefel - dabei müßte es wohl eher (Reit)hosen heißen - eben jene breeches = Bruche!
Der Übersetzungsfehler kommt wohl von der lateinischen Ursprungsform des franz. Chausser = calceo, was Schuh bedeutet.

Wenn nun die mittelalterlichen breeches ja Bruchen sind und in Art. 315 chausses gemeint sind, dann erklärt das warum in den Bekleidungsartikeln nirgends Reitstiefel erwähnt werden - dafür aber eben zwei Bruchen pro Bruder.

Nach Art 315 sollen die Brüder beim scharfen Ritt also chausses = Bruche tragen, aber kein Eisen an den Beinen!

Benedikt wollte das die Ordensbrüder (z.B. Cisterzienser) keine Bruchen im Ordensalltag trugen - nur auf Reisen!

Wenn man jetzt mal den Faden weiter spinnt - wer sagt denn das ein "Lendenier" wirklich nur ein Gürtel ist? In dem Begriff steckt ja das Wort Lende - die Lenden bezeichnen aber nicht nur physiologisch deutlich mehr als nur die Taille.
Wieso finden wir in den Ausrüstungsartikeln kein Equivalent zum Lendenier? Das die Brüder Kettenbeinlinge mit (Ritter) und ohne Fußteil (Sergeanten) trugen, ist eindeutig geregelt - aber woran haben sie es festgemacht?

Wie wäre es mal mit dem Gedankenspiel, das ein Lendenier viel mehr schützt als nur die Taille? Also z.B. auch das Gemächt und dementsprechend eher wie eine "kurze Hose" getragen wurde - mit den Lendenierstricken, an denen dann eben das Senftenier befestigt wurde (und eben bei Bedarf auch die Kettenbeinlinge). Das würde auch einen deutlich bequemeren Sitz und Gewichtsverteilung mit sich bringen, als nur ein Gürtel der auf den Hüften hängt.

Dann wäre das Lendenier ein Mittelstück wie wir es auch bei der zivilen Bruche finden und die Polsterbeinröhren (Senftenier) entsprächen den Beinlingen - in der Regel haben wir weder Lendenier noch Senftenier, aber wir haben Bruche und Beinlinge - je 2x!


Während das Lendenier wohl ziemlich eindeutig die gürtelartige Befestigung für Eisenhosen war (selbige rutschen im Willehalm auf die Sporen, wenn man sie vom Lendenier löst), scheint Senftenier in etwa das gleiche zu sein, weniger Polsterbeinling oder "Diechling".  Darin gleichzeitig eine Polsterbruche zu sehen hielte ich für wackelig

Genau! Keine Polsterbruche - aber Polsterbeinlinge!
Wenn nun ein Lendenier mehr dem Mittelteil einer Hose - also der Bruche - entsprechen würde, wäre das Senftenier eben mit den Beinlingen gleichzusetzen - nur eine andere/militärische  Variante der zivilen Dreiteilung aus Bruche und Beinlingen.
Somit könnte am Lendenier sowohl die Polsterung, wie auch die Kettenbeinlinge befestigt werden. (ich hoffe ich konnte es so erklären, das es bildich vorstellbar ist.)


Bedenkt, das dies eine Art online-brainstorming von mir ist - also wenn es etwas durcheinander geht, dann nur weil ich erstmal ein paar Sachen mal anders in "den Topf" werfe - nur um evtl. mal neue Gedankengänge hervorzubringen!!!!!! (Ist schwer schriftlich - in einer netten Runde käme man da sicher schneller und mit weniger Missverständnissen voran!)

Also das oben genannte ist nur eine Sammlung von Gedankenfetzen - KEINE These von mir, daher brauchen wir nicht darüber streiten ( ;D ), sondern sollten uns eben in brainstorming-art gegenseitig "Bälle" zuwerfen! ;)
« Letzte Änderung: 06. August 2012, 22:10:07 von William »
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Re:Kettenbeinlinge und Polsterung
« Antwort #26 am: 07. August 2012, 10:11:15 »
Ich dachte eben, dass es irgendwo auch einen Hinweis gab, dass am Senftenier etwas festgebunden war – und ich könnte ja schwerlich die sogenannten Diechlinge oder Polsterbeinlinge an sich selbst festnesteln.

Ich habe mal meinen Germanisten angeworfen, vielleicht hat der noch eine Willehalm-Übersetzung bei sich. Außerdem scheint es mit der Bearbeitung der Regelübersetzung dringend zu werden. Hm...dann versuche ich mal, mich noch diese Woche ranzusetzen. Wenn wir einen deutschen (bzw. zwecks Inhaltsproblemen mit U-W und anderen Quellen verglichenen) Regeltext haben, in dem nur Originalbegriffe verwendet werden, müssen wir uns nicht mehr mit verschiedenen Interpretationen herumschlagen.

William

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Re:Kettenbeinlinge und Polsterung
« Antwort #27 am: 07. August 2012, 10:56:09 »
Das wäre wirklich sehr hilfreich.

Die meisten Fehlinterpretationen kommen durch immer wieder neu übernommene falsche, bzw. einseitige Übersetzungen, wo es mehrere möglichkeiten gegeben hätte.

Es wäre daher gut, wenn du dir die Mühe machst bei unklaren Artikeln alle möglichen Übersetzungen in Klammern dahinter zu setzen.


EDIT:
Ich dachte eben, dass es irgendwo auch einen Hinweis gab, dass am Senftenier etwas festgebunden war – und ich könnte ja schwerlich die sogenannten Diechlinge oder Polsterbeinlinge an sich selbst festnesteln.

Aus dem Willehalm kann man nicht nur herauslesen, das Lendenier und Senftenier mit den Lendenierstricken zusammengebunden werden - wenn man die "vorsichtige" mittelalterliche Dichterotik mit einbezieht, kann man sogar herauslesen wo die beiden in etwa zusammengebunden werden:
"was ein sælige hant, diu di riemen alle bant oben an daʒ senphtenier"

Er beneidet also die "Hand", die die Riemen zusammenbinden darf - und betont eben noch das es oben am Senftenier ist , was eben der Oberkante der Beinlinge entspricht! ;D
(Für diejenigen die den Willehalm nicht kennen - es geht hier um die Rüstung von Kriegerinnen :D)

Somit wäre es auch schwerlich möglich, das mit "Senftenier" der "Gambi" gemeint sein kann, wie einige Autoren vermuten - denn oben am Gambi wird sicherlich nicht der "Gürtel" befestigt der die Kettenbeinlinge hält..........sonst würde man wie Quasimodo gehen...lol

Gruß
William
« Letzte Änderung: 07. August 2012, 16:46:13 von William »
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Re:Kettenbeinlinge und Polsterung
« Antwort #28 am: 08. August 2012, 12:22:53 »
Unabhängig davon wie diese Diskussion nun weiter läuft, sollten wir in jedem Fall im Hinterkopf behalten oder uns bewußt machen, das eine mittelalterliche Bruche KEINE Unterhose im Sinne von Hygieneunterwäsche war!

Vielmehr stellt sie das austauschbare Mittelteil einer dreigeteilten (Ober-) Hose dar!

Die zeitgenössischen Darstellungen einer zivilen Bruche, in ihrem weiten Schnitt und aus dem weicheren Material - was man am Faltenwurf sieht - verleiten dazu in ihr eine Art "Boxershort" zu sehen. ;D

Sicherlich ist daraus später dann wirklich die heutige Unterhose entstanden, aber eine Unterhose im heutigen Sinn war zu der Zeit noch unüblich.

Somit sollten wir also im Vergleich zu heutiger Kleidung von einer "Hose" ausgehen und - um dann den Faden wieder aufzunehmen - deshalb spricht nichts dagegen, das eine solche Hose eben auch dem jeweiligen Bedarf und Zweck entsprechend angepasst werden konnte.
Was dann eben auch den Sinn der Dreiteilung - als Multifunktionshose - verständlich machen würde.
Also vergleichbar mit den modernen Hosen, die einen Reißverschluß am Oberschenkel haben, um daraus je nach Bedarf eine lange oder kurze Hose zu machen! ;)
Eine solche "Multifunktionshose" wäre quasi revolutionär im MA und würde die rasante Verbreitung und den Verzicht auf die, aus dem FrühMi ja bekannten, einteiligen Hosen erklären.

Daher kann eine Bruche, die ein Zisterzienser nur zum Reisen tragen durfte, also durchaus auch aus einem stabileren Material gewesen sein - bzw. die (Kampf-, Reit-, Reise-) Bruche eines Ritters auch ebenfalls dem Bedarf angepasst gewesen sein kann - vom Namen her bliebe sie in jedem Fall eine Bruche - da das ja eben nur den Mittelteil der dreiteiligen Hose bezeichnet und keine Unterhose!

Das würde dann erklären, warum es keine namentliche Erwähnung/Aufzählung einer Reithose oder Reisehose gibt und warum in Art. 315 die Templer beim scharfen Ritt eben eine (siehe Übersetzungen oben) Bruche - aber ohne Eisenhosen - tragen sollen. (Was ja von der Formulierung her in dem Artikel darauf hindeuten könnte -könnte! spekulativ! - das es eben sonst eher üblich war zu der (Reit-)Bruche, beim Reiten außerhalb des Trainings, auch die Kettenbeinlinge zu tragen. Ebenfalls hätten wir damit die Entsprechung zu den Regeln der Benediktiner und Zisterzienser, die eben eine Bruche nur zum Reisen - nicht im Ordensalltag genehmigen!

Wenn wir jetzt weitergehnd davon ausgehen, das ein Senftenier eben tatsächlich einer Beinpolsterung, in der Art von Beinlingen, entspricht und wir kein Schnittmuster/Bildbeleg für ein Lendenier haben (zumindest ist mir kein Beleg bekannt!), dann könnte in der Dreiteilung aus Lendenier (im Schnitt einer Bruche - als Hosenmittelteil!) die gleiche Dreiteilung wie bei Bruche und Beinlingen, im zivilen Bereich, gesehen werden.

Wenn dann Bruche+ Beinlinge aber eben nur ein Begriff für eine "Hose" ist, dann würde das auf die Kombination von Lendenier + Senftenier ebenfalls zutreffen und das würde erklären, warum wir diese - für die Kettenbeinlinge ja dringend benötigten Ausrüstungsteile - nicht in der Regel aufgeführt finden.

Wenn man diese Gedankenkette nun einmal logisch zu Ende denkt, wäre also die Bezeichnung "Bruche" eine allgemeine Bezeichnung für das "Hosenmittelteil" und die Bezeichnung "Lendenier" wäre eine genauere Spezifizierung für den Zweck dieses speziellen Hosenmittelteiles, eben als gepolsterte Schutzausrüstung und Befestigung für die Kettenbeinlinge, eines Gerüsteten!

Viele "wenn" dabei und immer noch rein spekulativ, aber ich finde gar nicht soooo weit hergeholt - zumindest wäre es ein guter Ausgangspunkt für eine weitere Recherche.

Es macht nun evtl. Sinn, von dieser Gedankenkette ausgehend, einmal die Regeln anderer (Ritter-)Orden zu überprüfen, um zu sehen ob wir dort eine Entsprechung finden.

(Als Gegenbeleg könnte man dann ganz klar eine Aufzählung sehen, in der in einem Satz/Artikel Bruche und Lendenier zusammen erwähnt werden!)

Gruß
William
« Letzte Änderung: 08. August 2012, 13:21:36 von William »
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Re:Kettenbeinlinge und Polsterung
« Antwort #29 am: 08. August 2012, 22:03:53 »
Unabhängig davon wie diese Diskussion nun weiter läuft, sollten wir in jedem Fall im Hinterkopf behalten oder uns bewußt machen, das eine mittelalterliche Bruche KEINE Unterhose im Sinne von Hygieneunterwäsche war!

Vielmehr stellt sie das austauschbare Mittelteil einer dreigeteilten (Ober-) Hose dar!

Das würde ich jetzt nicht so komplett unterschreiben - spätestens ab dem späten 14 Jhd. war sie sehr wohl eine Unterhose in der modernen Form da die Hose bereits hinten und vorne geschlossen bzw. teilgeschlossen (Schahmkapsel) war und eine Bruche nichts mehr halten musste und wirklich nur noch zusätzliche Unterwäsche war..

Für die Zeit vorher gebe ich dir jedoch recht in diesem speziellen Punkt...
Alesandro von Hainichen


Fummeln tötet.....