Autor Thema: Chirurgisches Besteck gesucht  (Gelesen 18740 mal)

Johannes vom Gollenstein

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Chirurgisches Besteck gesucht
« Antwort #15 am: 29. Juli 2011, 08:22:19 »
@William
Danke für das Angebot!
Aber echte Blutegel? Nee, lass man gut sein.  *smoky*
Wäre ganz sicher ein Hingucker, aber ich fürchte, die Biester mag ich selber nicht so gerne...
Was macht man eigentlich damit, wenn sie vollgesaugt sind? Freilassen?

Du kennst dich damit aus? Wie kommt's?

Ich habe mir "küstliche" Blutegel gebastelt, die sehen schon recht realistisch aus. Unser Sohnemann macht jedes Mal "IIIIIH" wenn er sie sieht.  *jokely*

@Thomas
Ich melde mich später nochmal, ich habe dir die Stelle mit den Op's gesucht, hab sie aber jetzt nicht zur Hand.

Johannes vom Gollenstein

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Chirurgisches Besteck gesucht
« Antwort #16 am: 29. Juli 2011, 09:31:43 »
Also:
Gefunden in dem Buch "Alte Chirurgie, Legende und Wirklichkeit" von Detlef Rüster (scheint gut rescherchiert zu sein, versehen mit zahlreichen Verweisen und Quellennachweisen).

Grichenland, um 240 v. Chr.
Der Arzt Praxagoras gilt als erster Arzt, der den Bauchraum öffnete.
Zitat: "Er tat dies in Fällen von Darmverschluß bei eingeklemmten Leistenbrüchen. Er durchtrennte die Bauchdecke, befreite den Darm aus seiner Einklemmung und schnitt ihn auf, um dem angestauten Darminhalt einen Ausgang zu verschaffen. Der Endzustand war ein künstlicher Anus im Bereich des Bruches."
Leider berichtet das Buch nicht über Erfolg oder Misserfolg dieser Behandlung.

Im MA kam dann die Chirurgie wohl weitgehend zum Erliegen (nach Zusammenbruch des röm. Reiches und der Völkerwanderung), und erst mit dem Einzug der Araber kam wieder etwas "Leben in die Medizin".

Von Roger von Salerno (12 Jd.) wird berichtet, er hätte den Darm genäht, in dem er ein Holunderrohr einführte und die Nahtstelle mittels Ameisennaht verchloß.
Damit dürfte er allerdings wenig Erfolg gehabt haben, aber immerhin hat er es versucht...

Ähnliche Berichte finden sich auch in einem kleinen Band, "5000 Jahre Chirurgie".

Beide Bücher sind sehr interessant und berichten über zahlreiche, teils sehr skurile, chirurgische Eingriffe durch alle Zeiten. Über die Aussagekräftikeit der Bücher kann ich leider wenig sagen, dazu fehlt mir das nötige Hintergrundwissen. Aber zumindest Rüster gibt zahlreiche Quellenverweise an.

Wenn jemand andere Literaturvorschläge hat (wobei mich besonders die Wundversorgung/Feldchirurgie interessiert, weniger die "Innere Chirurgie"): her damit!

Thomas

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Chirurgisches Besteck gesucht
« Antwort #17 am: 29. Juli 2011, 11:00:38 »
Der Zusammenbruch der Medizin hörte aber mit der Karolingischen Renaissance auf. Die Araber waren im 8ten Jahrhundert nach Sizilien und Spanien gekommen und dort fing schon sehr früh die Rezeption der "Nahöstlichen" wie der erhaltenen antiken Schriften an, die isch dann durchzog. Wodurch dann mitunter besonders die Thesen des Galen im europäischen Mittelalter zum Zuge kam.

Dazu gibt es leider nicht soviel Literatur. Meistens werden beide Arten der Medizin in den Büchern vermittelt. Wie gesagt, schau mal, ob Kay-Peter Jankrift was dazu veröffentlicht hat, ansonsnte geh mal auf die Suche nach Dissertationen, da könte es auch was geben. Ansonsten die Major Surgery oder zunächst Überblickswerke.
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William

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Chirurgisches Besteck gesucht
« Antwort #18 am: 29. Juli 2011, 11:27:59 »
Das Problem der Mediziner war nicht das "verlorene" Wissen, sondern das kirchliche Verbot Leichen zu sezieren!

Daher wußte kaum ein Arzt wie ein Körper von innen beschaffen ist - das Verbot wurde erst im 17. Jahrhundert für Mediziner gelockert.

Das zweite Problem war, das man keine Ahnung von Infektionen, Bakteriologie etc. hatte. Dementsprechend wurde auch die Hygiene kaum beachtet, bzw. für so etwas wie Desinfektion oder gar Sterilisation hatte man deshalb gar kein Verständnis.

Das Ausbrennen von Wunden hatte eher gegenteilige Auswirkungen, da das verbrannte Fleisch Keime anlockte und durch die Blutstillung auch die Zufuhr von Abwehrzellen verhindert wurde.

Heute sagt man: wo es rausblutet kann so schnell nichts reinkommen - also die Gefahr der Infektion ist dann am größten, wenn ein Wunde - ohne Desinfektion - geschlossen ist. (s.g. Taschenbildung etc.) Daher auch Drainagen nach OPs.

Alles in allem kann man sagen, das es solche Versuche zu operieren zwar gab, aber diese so gut wie immer schiefgehen mußten und die Patienten dann an Sepsis verstarben.

Mag sein, das daher der Spruch rührt: "Operation gelungen, Patient tot!" *smoky*

Gruß
William
Ist es nicht klüger zu akzeptieren, dass man nichts Genaues weiß, als sich auf tönernen Füßen Wahrheiten aufzubauen?

Thomas

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Chirurgisches Besteck gesucht
« Antwort #19 am: 29. Juli 2011, 18:04:03 »
@ William: Dem kaann ich so zustimmen. Aber nicht nur das Sezierverbot, sondern auch das oben bereits erwähnte: "Die Kirche Verabscheut das Blut" war ein weiteres Hindernis, um chirurgisch etwas zu erreichen.

In einer Sache muss ich aber wiedersprechen: Die wussten schon, wie ein Körper von innen beschaffen war, davon konnte man genug auf den Schlachtfeldern sehen, aber das das problem war, das man das nicht weiter untersuchen konnte.

Wo und wie sich das Verbot der Leichensezierung änderte ist auch wieder sehr unterschiedlich. In England z.B. erlaubte 1540 Heinrich VIII 4 sektionen pro Jahr, 1565 wurden dann von Elizabeth I Generell Sektionen an verurteilten Verbrechern erlaubt. In Frankreich dagegen musste Andreas Vesalius, der in der gleichen Zeit tätig war die Leichen von Galgen stehlen lassen, weswegen er selbst nach Padua übersiedelte, da dort wiederum das Sezieren der Leichen erlaubt war.
In Spanien erhält die Universität Lerida bereits um 1391 die Erlaubnis alle drei Jahre eine Leiche sezieren und in Österreich findet 1401 die erste öffentliche Sektionen statt.

Aber auch bei den Sektionen mus man unterscheiden welchem Zweck diese dienlich waren. In Holland zB war es bis in das 17. Jahrhundert hinein so, dass die Leichen der gehenkten Verbrecher öffentlich Seziert wurden, um die Leiche, sowie die Familie des Täters öffentlich bloszustellen.
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Daniel

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Chirurgisches Besteck gesucht
« Antwort #20 am: 31. Juli 2011, 13:02:06 »
Auf Wunschd es Threadstarters hierher verschoben.

Gruß
Daniel
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Johannes vom Gollenstein

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Chirurgisches Besteck gesucht
« Antwort #21 am: 31. Juli 2011, 14:08:03 »
DANKE!

William

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Chirurgisches Besteck gesucht
« Antwort #22 am: 31. Juli 2011, 15:15:19 »
@Thomas

Jup - klar gab es solche Ausnahmen schon vorher - ich habe mich da etwas ungenau ausgedrückt. Da hast du vollkommen Recht!

Sagen wir es mal so:

Das Sezieren war noch nicht regelmäßiger Bestandteil einer medizinischen Ausbildung und daher waren Anatomie, Pathologie, Physiologie und eben Pathophysiologie so gut wie unbekannt. Die "Säftelehre" war die überwiegende Grundlage der Medizin.

Praktische Fähigkeiten wurden zwar in den Kriegen reichlich erworben, aber weder analysiert, noch erforscht und so gab es einige wenige gute Mediziner, die rein empirisch (=durch Erfahrung erworbenes Wissen) auf dem richtigen Weg waren,  denen aber immer noch die wesentlichsten Grundlagen der modernen Medizin fehlten.

Gruß
William
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Johannes vom Gollenstein

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Chirurgisches Besteck gesucht
« Antwort #23 am: 02. August 2011, 15:40:48 »
Irgenwie spinnt mein Rechner, er hat den Beitrag mehrfach gepostet...
Kann man die beiden sinnlosen Einträge löschen?
Danke!
SORRY!!!

Johannes vom Gollenstein

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Chirurgisches Besteck gesucht
« Antwort #24 am: 02. August 2011, 15:42:25 »
Soooo, der Anfang ist gemacht!

Dank der tatkräftigen Unterstützung des verehrten Lazarus von Akkon bin ich nun stolzer Besitzer eines kleinen chirurgischen Bestecks!
An dieser Stelle noch einmal herzlichen Dank an den Guten!!!

Anbei ein Foto der Instrumente nebst der zugehörigen Kiste.

Daneben ein Bild meiner selbstgezüchteten (sprich: gebastelten) Blutegel.
Ich finde, sie sind ganz nett geworden, jedenfalls sehen sie recht eckelig aus.  *smoky*

Zwischenzeitlich konnte ich auch einen Schmied ausfindig machen, der mir noch ein paar andere schöne Sachen herstellt, beispielsweise ein Sichelmesser und ein paar Wundhaken.
Was ich gerne noch hätte wäre eine schöne Säge (keine Bügelsäge, mehr so Markte Fuchsschwanz). Aber meine Schmiede wollen nicht recht da ran...

Thomas W.

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Re:Chirurgisches Besteck gesucht
« Antwort #25 am: 11. Februar 2015, 07:16:59 »
Guten Morgen Johannes,

ich bin ebenfalls gerade daran, mir ein Wundbesteck fertigen zu lassen und wollte dich mal Fragen, ob dir mir auch solche Blutegel fertigen kannst? ;) Die sehen Spitze aus! ;D
Grüsse, Thomas

Johannes vom Gollenstein

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Re:Chirurgisches Besteck gesucht
« Antwort #26 am: 11. Februar 2015, 10:30:31 »
Du hast 'ne PN!

Thomas W.

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Re:Chirurgisches Besteck gesucht
« Antwort #27 am: 11. Februar 2015, 14:11:31 »
Grüsse, Thomas

Thomas W.

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Re:Chirurgisches Besteck gesucht
« Antwort #28 am: 07. März 2015, 15:17:13 »
Daneben ein Bild meiner selbstgezüchteten (sprich: gebastelten) Blutegel.
Ich finde, sie sind ganz nett geworden, jedenfalls sehen sie recht eckelig aus.  *smoky*

Bis auf die "kleinen Kerle" die noch mit der Post unterwegs sind (echt eine Geile Idee, Johannes! ;D) ist meine Interpretation eines Operationsbesteckes ebenfalls fertig.



Es entstand mit der freundlichen Unterstützung von Doralf. Ihr seht es hier in der Präsentationstasche (für Ausstellungen). Oben links ist es in einer praktischen Rolltasche mit einzelnen Fächern (für die Darstellung) verstaut zu sehen.

Die Instrumente (v.L.n.R):

- Kautereisen/Brenneisen (zum Veröden von blutenden Gefässen & Ausbrennen von Wunden)
- Zwei gebogene Haken als OP-Besteck
- feine Starstichnadel
- Knochen. bzw. Schädelbohrer
- Wundsonde mit flachem Wundhaken (zum Offenhalten der Wunde)
- Grosse Wundhaken (zwei Stück)
- Kleine Wundhaken (zwei Stück)
- Scharfer Löffel (zum Ausschälen von Eiterblasen o.Ä.) mit integrierter Wundsonde
- Zange zum Fassen von Pfeilspitzen oder Splittern
- Schere
- Kleines Skalpell (zum Öffnen des Körpers)
- Grosses Skalpell (für z.B. Amputationen)
- Messer
- Knochenheber (Hebel für z.B. in Knochen festsitzenden Spitzen/Äxte, etc.)
- Pfeilspitzenzieher (zum Fassen von Bodkin & kleinen Flachspitzen)
- Zwei Knochensägen

Zur Recherche für diese Interpretationen wurde das Buch „Traumatologie & Feldchirurgie an der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit“ von Ralf Vollmuth verwendet.
Grüsse, Thomas

Benedikt von Söllbach

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  • Um 1193; Freier Ritterorden der Templer/Landsberg
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Re:Chirurgisches Besteck gesucht
« Antwort #29 am: 10. März 2015, 22:59:41 »
Respekt!

Was ich mich bisher immer gefragt habe, ob die Originale tatsächlich auch schwarz belassen wurden? Oder wurden diese geschliffen und poliert?
(ich frage aus ehrlichem Interesse)
Probate spiritus si ex Deo sunt. ("Prüfet den Geist, ober er von Gott kommt" - Paulus)
Rule of the day: