Hallo, auch wenn der Thread schon länger zu ist, bin ich leider als neues Mitglied erst jetzt darauf gestoßen und möchte gerne meine Sichtweise zu diesem Thema mitteilen.
Ich denke der Ausrutscher, der immer wieder bei Antworten zu Historischen Fragen gemacht wird ist der, das man, sofern die Antwort nicht eindeutig durch Fakten belegbar ist, man sich nicht in das damalige Gedanken. -und Glaubenswelt der Menschen hineinversetzt.
Vorab möchte ich aber etwas zur Lateinischen Sprache und Schrift hinzufügen.
Als lateinische Sprache bezeichnet man nämlich die Sprache, die ursprünglich vom Volksstamm der Latiner, den Bewohnern von Latium mit Rom als Zentrum, gesprochen wurde. Es war Amtssprache des Römischen Reichs und zu dieser Zeit die dominierende Verkehrssprache in weiten Teilen Europas.
Nachdem Latein ursprünglich in Rom und der umliegenden Region (Latium) gesprochen wurde, verbreitete es sich nach und nach in den von Rom eroberten Gebieten. Denn neben Griechisch war Latein die Amtssprache des römischen Reiches.
Wegen der kulturellen Überlegenheit des Ostens verlor das Lateinische zeitweise in Nordafrika und selbst in Rom in bestimmten Zusammenhängen seine Vorrangstellung. Dadurch war die Liturgiesprache der römischen Christen bis um 200 n. Chr. das Griechische. In dieser Zeit flossen zahlreiche griechische Lehnwörter ins Lateinische ein.
Insgesamt betrachtet, war Latein aber seit dem 1. Jahrhundert die „lingua franca“ der westlichen Reichshälfte und verdrängte vielfach die vorrömischen Sprachen.
Während der Spätantike (seit ca. 300) begannen sich verschiedene Volkssprachen und Mundarten phonetisch und grammatikalisch immer stärker von der lateinischen Hochsprache wegzuentwickeln. Die regionalen Dialekte leben bis heute in den verschiedenen romanischen Sprachen fort. Obwohl das Hochlatein in der ausgehenden Spätantike bzw. im frühen Mittelalter nicht mehr gesprochen wurde, entstanden noch im 6. Jahrhundert Werke in klassischem Latein.
Noch Papst Gregor der Große ging um 600 davon aus, dass seine auf Latein verfassten Predigten vom einfachen Volk verstanden würden, alles spricht dafür, dass erst im späten 8. Jahrhundert Latein und die romanischen Volkssprachen als unterschiedliche Sprachen wahrgenommen wurden.
Als epochales Datum gilt oft das Konzil von Tours im Jahr 813, auf dem beschlossen wurde, fortan Predigten in den „Volkssprachen“ zuzulassen, da die Gläubigen kein Latein mehr verstünden.
Im Oströmischen Reich war Latein bis ins frühe 7. Jahrhundert neben Griechisch eine der beiden offiziellen Amtssprachen. Danach wurde es in Byzanz nur noch von sehr wenigen Gelehrten verstanden.
Im Westen übernahmen die Germanen mit den Grundelementen der spätrömischen Verwaltung auch die lateinische Sprache, die in der Verwaltung bis in die frühe Neuzeit vorherrschend blieb. Seit der Völkerwanderung und Christianisierung der (zunächst zumeist arianischen) Germanenvölker wurde Latein im Westen des früheren Römischen Reiches und in den römisch-katholischen Folgestaaten Sprache des Klerus (Kirchenlatein), der Rechtswissenschaft und der sich bildenden Hochschulen verwendet. Latein bildete somit die Schriftsprache, vor allem für das kirchliche und weltliche Urkundenwesen im frühen Europa.
Es ist unklar, wann genau Griechisch als Liturgiesprache abgeschafft und Latein anstelle der griechischen Sprache eingeführt wurde. Papst Viktor I. (190 - 202) könnte der erste Papst gewesen sein, der in Rom die Heilige Messe in lateinischer Sprache feierte. Vermutlich fand der Wechsel der Liturgiesprache nach und nach statt und beide Sprachen wurden eine Weile nebeneinander verwendet.
Man sollte nicht zu sehr die Teritorialen Sprachen in die Betrachtung mit einbeziehen und zu viel Gewicht beimessen, denn eines ist klar eine einheitliche reine Landessprache gab es im Mittelalter selten. Die keltischen Sprachen z.B. verschwanden nicht spurlos, sondern fanden mit schätzungsweise deutlich über 240 Wortstämmen Eingang in das gesprochene Vulgärlatein.
Wie auch das keltische übte später der westgermanische Stamm der Franken einen stärkeren Einfluss aus. Die Franken eroberten im 5. Jahrhundert das Gebiet Galliens und prägten den französischen Wortschatz entscheidend mit. Um die 700 Wortstämme wurden von den Franken übernommen. Hierbei vollzog sich der geschichtlich bemerkenswerte Vorgang, dass sich die Franken sprachlich dem Vulgärlatein der besiegten galloromanischen Bevölkerung bis auf wenige verbleibende fränkische Einflüsse anpassten.
Um das Jahr 800 wich die Aussprache des Vulgärlateins erheblich von der Schreibweise ab. Auf Grund dessen veranlasste Karl des Große, angeregt durch Alkuin, die karolingische Bildungsreform, wodurch Latein mit dem Ziel einer klassischen Aussprache erlernt wurde. Er wollte damit die Missionierung der germanischen Bevölkerung erleichtern, die vor allem von irischen Mönchen ausging, für die Latein eine Fremdsprache war. Diese sich herausbildende Zweisprachigkeit führte zu erheblichen Schwierigkeiten bei der Verständigung des lateinisch sprechenden Klerus mit dem Volk. Wie oben bereits erwähnt wurde auf dem Konzil von Tours 813 n. Chr eine einheitliche, dem Volke verständliche Sprache für Predigten in Kirchen festgelegt. Latein blieb als Schriftsprache erhalten. Das Konzil von Tours war die Geburtsstunde eines Bewusstseins, dass die gesprochene Sprache eine andere war als die geschriebene.
Ich hoffe (mit dieser etwas ausführlicheren Info) geholfen haben zu können und freue mich auf Euer Feedback.
Gruß Frey Michael zu Murrhardt