Autor Thema: Leibrock  (Gelesen 6458 mal)

Heinrich von Hohenfels

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Leibrock
« am: 26. November 2009, 18:40:49 »
Der Leibrock, den Körner als "mit Zacken verziert beschreibt", hat vorne und hinten Gere.

Liest man sich nur den Text bei Curzon durch steht dort:

und sie können haben eine "jupel a girons", vorne und hinten.

Jupel meint den Leibrock und bei girons handelt es sich dann um geren.
Ich denke mal zusätzliche geren.

Die Zacken entstammen nur dieser Fußnote, aus dem Curzon, auf die man wohl nicht immer was geben kann.

Gruß Heinrich

Benedikt von Söllbach

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Leibrock
« Antwort #1 am: 26. November 2009, 21:22:05 »
Bisher wurden die Zacken als Reitschlitze interpretiert, was auch Sinnvoll ist.
Das mit dem Curzon ist mir auch schon aufgefallen; eventuell handelt es sich hier um die explizite Vorschrift, dass dieses Gewand vorne und hinten Geren, also eingenähte Keile haben soll.
Das ist grundsätzlich auch durch Bildbelege annehmbar, Funde gibt es laut Marc-Carlson ebenfalls:
http://www.personal.utulsa.edu/~marc-carlson/cloth/type1.html

Es ist nach dieser Interpretation naheliegend, dass das Kleidungsstück keinen Reitschlitz hat.
Ein Knielanger Rock, wie er ja im Hochmittelalter üblich war (zumindest in der Gegend 1180-1230, für andere Zeiten möchte ich nur ungern sprechen) sollte beim Reiten auch nicht weiter stören.

Was denkt ihr?
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Daniel

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Leibrock
« Antwort #2 am: 26. November 2009, 21:35:49 »
Hallo

viele Möglichkeiten die "Zacken" zu interpretieren gibt es eigentlich nicht.
Entweder sind sie zusätzliche Geren wie ihr es beschreibt oder richtige Zacken, die unten am Saum des Gewands abstehen.
Letzteres gab es ebenfalls, aber würde wohl als Verzierung gelten oder?

Weitere Möglichkeiten von "Zacken" fällt mir nicht ein. Ausser vielleicht eine besondere Art von Borte? Aber das wäre ebenfalls wieder Verzierung.

Ich finde der Begriff an sich passt so gar nicht ins Bild. Interessant wäre der original Wortlaut. Ich vermute mal, dass das sehr holperig übersetzt ist an der Stelle.

Bei dem momentanten Stand würde ich auch auf Geren Tippen.

Gruß
Daniel
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Benedikt von Söllbach

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Leibrock
« Antwort #3 am: 26. November 2009, 21:41:59 »
Zitat
Letzteres gab es ebenfalls
Aber erst sehr viel später.

Es handelt sich in meinen Augen recht eindeutig um Keile. Das ist recht interessant, denn das ist der einzige Hinweis auf einen konkreten Zuschnitt in der gesamten Ordensregel.
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Leibrock
« Antwort #4 am: 27. November 2009, 00:38:20 »
Das ist insofern interessant, als dass Geren vorn und hinten eher selten zu finden sind, zumindest bei den "einfachen" Kleidungsstücken. Selbst die erhaltenen Krönungsgewänder haben sowas nicht.

Die Zaddeln hatten neben der Verzierung auch den Sinn, ein Aufdrüseln des Stoffs zu verhindern, was eine Saumnaht überflüssig macht. bei kurzenbLeibhemden, zumal solchen aus Wolle,stört eine solche beim sitzen und reiten etwas, so dass durchaus auch tatsächlich Zaddeln gemeint sein können. Da der Leibrock ein Untergewand ist, sieht man die meist auch nicht.

aber das ist reine spekulation meinerseits.
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Benedikt von Söllbach

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Leibrock
« Antwort #5 am: 27. November 2009, 07:40:20 »
Solche Zaddeln finden sich halt nirgends auf Abbildungen von irgendwelchen relevanten Zeiträumen - soweit ich weiß.

Zitat
Das ist insofern interessant, als dass Geren vorn und hinten eher selten zu finden sind, zumindest bei den "einfachen" Kleidungsstücken. Selbst die erhaltenen Krönungsgewänder haben sowas nicht.
Da bin ich anderer Meinung. Hast du dir die Funde von Marc-Carlson angesehen? Gerade bei einfacheren Gewändern wäre solch ein Zuschnitt zu erwarten, denn die reichen hatten den finanziellen Background, Stoffverschnitt in Kauf zu nehmen.
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Leibrock
« Antwort #6 am: 27. November 2009, 11:06:13 »
Ich gehe da mit Heiko konform, was die Interpretation der "Zacken" betrifft. Geren machen da durchaus Sinn.

In der Mac-Bibel gibt es schon den ein um anderen bildlichen Hinweis auf die Zaddeln um 1250 - z.B. hier (Rechts der Typ mit Eisenhut - Kein Textilpanzer!):

http://www.medievaltymes.com/courtyard/images/maciejowski/leaf3/otm3rd.gif


und hier mehrfach in einem Bild:

http://www.medievaltymes.com/courtyard/images/maciejowski/leaf3/otm3va.gif


Vor dieser Zeit kenne ich bis dato auch keine Belege.

Grüße

Pascal

Benedikt von Söllbach

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Leibrock
« Antwort #7 am: 27. November 2009, 11:22:00 »
Gut, die Bilder kenne ich sogar. Insofern muss ich meine obige Aussage revidieren - sie waren zur "Templerzeit" unüblich, vor der Macieowski-Bibel kenne ich ebenfalls keine.

Ansonsten finde ich es schön, dass wir hier so konform gehen. Vielleicht tauchen ja noch andere Thesen auf.
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Pascal de Rennard

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Leibrock
« Antwort #8 am: 27. November 2009, 11:49:44 »
Siehe da :-)

tombe de S. Petronio Sto Stephano 1150 -  bologne

http://img216.imageshack.us/img216/4141/fromthetombofspetroniostosteph.jpg


Eben beim Googlen gefunden - werde mir das genauer ansehen.....

Pascal de Rennard

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Leibrock
« Antwort #9 am: 27. November 2009, 12:06:26 »
Tja, wie ratsam ist es doch Eigenrecherche zu betreiben.

Das Grabmal bzw. der aufgesetzte Teil,  des S. Petronio in Sto Stephano wird
auf das 14. Jhdt. datiert!

http://commons.wikimedia.org/wiki/Santo_Sepolcro_(Bologna)


Also nix mit pre 13. Jhdt, schade eigentlich *g* ich hatte das Bild aus einem franz. Forum und war doch etwas verwundert.......

Grüße

Pascal

William

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Leibrock
« Antwort #10 am: 27. November 2009, 12:36:53 »
Also als Reiter kann ich nur sagen, das es egal ist wie viele und wie große Geren man an so ein Gewand näht - beim Reiten schiebt es sich immer nach oben und bildet unter dem Po eine auf Dauer sehr unbequeme Wulst, wenn keine Schlitze vorhanden sind.

Was ein Nichtreiter evtl falsch sehen könnte: man sitzt beim Reiten selten bequem im Sattel (wie in einem Sessel) und nur das Pferd rackert - vielmehr macht man ständige Ausgleichsbewegungen um sich den Bewegungen des Pferdes anzupassen und den Pferderücken zu entlasten.

Von daher hat mir die These mit den Reitschlitzen besser gefallen - aber evtl gabs ja auch beide und es wurde deshalb falsch übersetzt?
Also quasi die Hausvariante mit Geren um eben bequem über die Bänke steigen zu können und die Schlitzversion zum Reiten. *smoky*

Denn warum hätte ein Bruder, in einer Schreibstube, in einer Komturei in Frankreich, Reitschlitze haben sollen, während hingegen ein Bruder der ständig in Outremer auf Patroullie reiten muß, sich ohne Schlitze den Po wund reiten würde. *jokely*

Gruß

William
Ist es nicht klüger zu akzeptieren, dass man nichts Genaues weiß, als sich auf tönernen Füßen Wahrheiten aufzubauen?

Heinrich von Hohenfels

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Leibrock
« Antwort #11 am: 27. November 2009, 20:20:43 »
Übrigens ist die Übersetzung Geren für "garons" nicht meine Interpretation, sondern das Ergebnis meines eMail-Austausches mit Ulrich Lehnart.

Achja, für unsere Deutschordensbrüder, das ist das gleiche Kleidungsstück, das mhd. als Iupel bezeichnet wird.