Autor Thema: Reliquie des Kreuzes Christi: Theorien über den Verbleib?  (Gelesen 5918 mal)

fahrender Scholar Gerlach

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Seid gegrüßt, ihr Herren,

gibt es eigentlich fundierte Theorien über den Verbleib der Reliquie des Kreuzes Christi (Heiliges Kreuz, Wahres Kreuz)?
Soweit ich es weiss, fiel es bei Hittin in die Hände der Muslimen und wurde vier Jahre später nach dem Massaker von Richard Löwenherz an den gefangenen von Akkon auf Order Saladins nach Damaskus verbracht. Seither ist es verschollen.

Nun gibt es doch zu jedem - selbst hypothetischen - Reliquar die verschiedensten Theorien, von der Bundeslade bis zum Gral ist alles in diversen Büchern und Filmen thematisiert worden.

Nur ist mir noch nie etwas von der Suche nach dem Wahren Kreuz zu Kenntnis gebracht worden.

Gibt es da wirklich nichts - oder wisst Ihr mehr?
der lîp will gerne fehten an die heiden:
sô hât jedoch daz herze erwelt ein wîp...
(Friedrich von Hausen, Dichter im Gefolge Barbarossas)

Eusebius von Cammin

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Reliquie des Kreuzes Christi: Theorien über den Verbleib?
« Antwort #1 am: 14. Juli 2008, 00:46:48 »
Bei der Kreuzesreliquie des Königreichs Jerusalem handelte es sich wohl vielmehr um ein Reliquiar, das Kreuz enthielt lediglich Partikel des "Passionskreuzes". andere Kreuzesteile wurden in Rom und Konstrantinopel verwahrt.
Den Beschreibungen Zufolge hatte Kaiserin Helena lediglich einen Teil des Querbalken gefunden, keineswegs ein ganzes Kreuz, denn die beschriebenen Reliquien nach der Teilung des "Kreuzes" durch Helena scheinen nicht all zu gross gewesen sein.
Die Echtheit des Kreuzes wurde schon damals bezweifelt, der Kult um das Kreuz, nicht zuletzt auch wegen des Konflikts zwischen der östlichen und westlichen Kirche, zumindest alös bedenklich gesehen. Vermutlich dürften ab den Kreuzzügen spätestens auch falsche Kreuzesreliquien aufgetaucht sein.
Eine grosse Zahl Kreuzesreliquien gelangte nach den Niederlagen der Kreuzfahrerstaaten nach Europa, eine nicht selten gehörte Geschichte besagt, dass die Kreuzpartikel aus dem in Hattin von Saladin erbeuteten Kreuzreliquiar geborgen werden konnten, zerteilt wurden und nach europa "gerettet" wurden. Gerade in diesem Zusammenhang kam auch die masse der falschen Reliquien in Umlauf.
Das in Hattin erbeutete Kreuz war also nur Behälter der eigentlichen Reliquie und somit zumindest theologisch uninteressant, sofern es die wahren Kreuzpartikel nicht mehr enthielt.
Die eigentliche Reliquie gilt als zerteilt und auf Kirchen in Europa aufgeteilt, zumindest die heute als echt angesehen Kreuzesreliquien ergeben zusammen lediglich ein etwa Backsteingrosses Stück Holz.
Damit wäre der Verbleib scheinbar geklärt.

Allerdings muss dabei beachtet werden, dass es nahezu unmöglich ist, festzustellen, ob das von Helena aufgefundene heilige Holz überhaupt eine Passionsreliquie war. Auch können heutige Kreuzreliquien aufgrund ihrer geringen Grösse nicht dendrologisch datiert werden, lediglich eine Zuordnung der Holzart und ein Vergleich mit der Reliquie in Rom ist möglich und fand auch statt. Ob diese Partikel tatsächlich vom Hl. Holze stammen und von welchem Teil desselben sie kommen, kann nur noch vermutet werden.
Te Deum laudamus. Te Dominum confitemur.
Te aeternum patrem omnis terra veneratur.
Tibi omnes Angeli, tibi caeli et universae potestates:
Tibi cherubim et seraphim incessabili voce proclamant:
Sanctus Dominus Deus Sabaoth.

Sareth

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Reliquie des Kreuzes Christi: Theorien über den Verbleib?
« Antwort #2 am: 14. Juli 2008, 11:01:02 »
Warum es keine Romane, Filme, etc. über die Kreuzreliquie gibt, das habe ich mich auch schon oft gefragt. Vielleicht sollte ich mal eins verfassen^^

Wie dem auch sei. Über den Verbleib wüsste ich auch gerne mehr. Daß Helena nur einen Querbalken gefunden hat, ist in so weit klar, als diie VErurteilten nur die Querbalken schleppten, die Längsbalken waren vor Ort fest 'installiert'. Inso fern ist die bildliche Darstellung des Kreuzwegs zu 99 Prozent falsch.

Was die im Umlauf befindlichen Reliquien anbelangt, so muss hinzugefügt werden, daß 'neue' Reliquien nicht nur durch Teilung der bestehenden Stücke produziert wurden. Es gab auch sogenannte Berührungsreliquien. Nach mittelalterlicher Theologie konnte die Heilswirkung vom ursprünglichen Stück auf das neue übergehen. Viele Stücke irgendwelcher Reliquien, die man heute etwas vorschnell als 'falsch' klassifiziert, sind solche Berührungsreliquien.

Das Kreuz befand sich bei der Schlacht im Reliquiar, und dieses Reliquiar wurde erbeutet - wie hätte man danach noch an den Inhalt kommen sollen um ihn zu zerteilen? Kann das nicht ganz nachvollziehen und bitte um nähere Erläuterung.

Jedenfalls endet die Spur, soweit ich weiß, mit der Erbeutung des Stückes. Leider kann ich kein Arabisch oder Türkisch, so daß ich nicht die Quellen durchwühlen kann. Sehr, sehr schade. Ich GLAUBE, daß das Stück noch in irgendeinem Museum schmort.... Wenn man bedenkt, daß z.B. im ägyptischen Museum Kairo TAUSENDE Kunstwerke einfach so in Kisten und Säcken im Keller vor sich hingammeln, ohne das jemand Ahnung hat, was das alles ist, dann ist das sehr wahrscheinlich....

fahrender Scholar Gerlach

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Reliquie des Kreuzes Christi: Theorien über den Verbleib?
« Antwort #3 am: 14. Juli 2008, 15:03:57 »
Deine Ausführungen, bester Eusebius von Cammin, sind hochinteressant und zeugen von tiefem Wissen. Ebenso Eure Antwort, bester Sareth. Ich danke Euch!

Dieses aber erscheint aber auch mir höchst klärungswürdig.
Zitat
Original von Sareth
Das Kreuz befand sich bei der Schlacht im Reliquiar, und dieses Reliquiar wurde erbeutet - wie hätte man danach noch an den Inhalt kommen sollen um ihn zu zerteilen? Kann das nicht ganz nachvollziehen und bitte um nähere Erläuterung.

Nach meinem Wissen liess Saladin das Reliquiar wie im Eröffnungsbeitrag geschildert, nach Damaskus verbringen, wo sich seine Spur verliert.

Mir persönlich läge in der Tat deutlich mehr an dem Behälter als am Inhalt. Was für Reliquienverehrer sicher nicht mehr sehr bedeutsam wäre, wäre für mich und sicher auch viele Templer hier eine Art "Neo-Reliquie" (ohne Anbetung, Ihr versteht).
Denn das Gehäuse wäre nachweislich und zweifellos bei der Schlacht von Hittin und bei anderen Ereignissen mit dabei gewesen, es wäre ein ebenso faszinierendes Anschauungsstück wie eine historische Krone oder ein spannender Grabfund.

Im Gegensatz zu seinem Inhalt wäre es auch unzweifelhaft das, was man von ihm glaubt. Ein historisches Stück europäischer Geschichte, das nach Jahhunderten des Verlustes endlich wieder für die Öffentlichkeit zu sehen wäre.
der lîp will gerne fehten an die heiden:
sô hât jedoch daz herze erwelt ein wîp...
(Friedrich von Hausen, Dichter im Gefolge Barbarossas)