Autor Thema: Re-enactment? Wie bitte?  (Gelesen 11128 mal)

Tiro

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Re-enactment? Wie bitte?
« am: 25. Juli 2007, 20:48:13 »
Hallo, Freunde vom Tempel, zu denen auch ich, als Bürger mich zähle.

Ich bin ja nun speziell an der Geschichte, auch an den Mysterien des Ordens interessiert, stelle aber fest, dass sich in diesem Forum vor allem Freunde des Re-enactment engagieren.
Ich gebe zu, nie zuvor davon gehört zu haben.

Vor ein paar Tagen war ich auf einem Mittelatermarkt am Doberaner Münster und ließ mir Schaukämpfe zu Ross und auf der Erden und viel Wissenswertes über Tuchherstellung und Steinmetzerei bieten.

Da kam mir die Frage: was macht Ihr eigentlich, in Euren Darstellungen als Templer?  Das Turnier ist Euch ja verboten. Waffenübungen könnten natürlich sein, die dienenden Brüder mögen vielleicht auch handwerkliche Arbeiten vorzuzeigen haben. Aber der stolze Adel? Die Ritter in weissem Gewand? Was macht Ihr da den ganzen Tag?

Bitte nicht krumm nehmen; ist eine ernstgemeinte Frage.

Dank Euch Tiro

Daniel

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Re-enactment? Wie bitte?
« Antwort #1 am: 25. Juli 2007, 20:53:25 »
Hallo!

Das Turnier ist uns nicht verboten siehe Ordensregel :) Nur das Turnier um Wetteinsatz ist verboten :)

Also ich berichte einfach mal vom letzten Wochenende:

Wir haben dreimal täglich Andacht gehalten. Ich habe meinen Kanppen ins stricken von Kettenhemden eingewiesen, Kampftraining, Besucherfragen beantworten, Wache halten (auch Nachtwache), dann haben wir noch nach den Ordensregeln mit allem drum und dran zwei Brüder feierlich aufgenommen und dann natürlich alles was zum Lagerleben dazugehört: Holzhacken, Essen kochen (naja das machen die Mägde :) ), fachsimpeln, Ausrüstung pflegen erweitern, Schuhe nähen, Kutten nähen, Handwerk vorführen (viele haben eine Zweitdarstellung als Bruder Handerker für sowas), puhh ich könnt ewig weiterschreiben.

hIch hoffe das hat dir schon mal nen Einblick gewährt :)

Gruß
Daniel


Hier mal die Erläuterung zum Turnier aus einem anderen Thread:

Zitat
Original von Daniel
Hallo,

ich möchte die Diskussion hier nicht weiter anschüren, sondern nur einmal darstellen warum wir als Orga solche Veranstaltungspunkte aufgenommen haben. Zunächst einmal sehen wir das "Turnier" mehr im historischen Sinn als Kampfübung. Hierzu ein paar Ausführungen:

Als Turnier bezeichnet man unter anderem ein ritterliches Kampfspiel, das in Europa vom 10. bis zum 16. Jahrhundert üblich war. Die ersten Ritterturniere auf deutschem Boden sind nach RIXNERS Turnierbuch aus Magdeburg 935 und Konstanz 947 und weiteren Städten überliefert (das 10. Turnier fand z.B. 1165 in Zürich statt). Auch ein Turnier in Würzburg im Jahre 1127 ist überliefert.

Natürlich muss sich solch eine Übung der Wehrhaftigkeit auch durch die Statuten/Regeln des Ordens legitimieren. Hierzu die betreffenden Auszüge aus den Statuen von D. Friedrich Münter (Viertes Buch, Von den Allgemeinen Pflichten, Kapitel 4 Von den erlaubten und verbotenen Ergötzungen):

Artikel2.: Wenn die Brüder turnieren, sollen sie nciht mit Lanzen werfen, denn dies ist des Schadens wegen, welcher daraus entstehen könnte, verboten.

Anmerk. des Autors:

Bouhordeis ist nach Carpentiers Wörterbuch Joute, Combat simule, Course de lance. Das hier vom Turnier zur Übung, und mit stumpfen Speeren allein die Rede seyn könne, erhellet von selbst. Ohnehin war ja alles Turnieren im Ernst allen, und vorzüglich also den Geistlichen, durch die Kirchengesetze verboten. c 1.2.X. de Tournamentis


Artikel 4.: Keiner soll auf Wettrennen noch irgendeine andere Sache etwas verwetten, als höchstens einen Bolzen ohne Eisen, oder sonst etwas, welches weder ihm Wert noch anderen Geld kostet... Dergleichen Sachen kann er auch ohne Erlaubnis verschenken...



Unserer Meinung nach geht aus dieser Regel eindeutig hervor, dass die Ordensbrüder zur Übung gekämpft haben, denn ansonsten gäbe es keine Regel, die die Gesundheit bei Übungskämpfen sichert, aufgenommen worden! Zudem ist es auch sinnvoll Kämpfe zur Übung innerhalb der Ordensmitglieder abzuhalten um den Kampf in Formation einzustudieren. Keine Eliteeinheit wird geboren oder fällt vom Himmel. Ohne regelmäßiges Training wäre die Ordensbrüder wohl nicht für ihre Erfolge im Kampf und ihre Disziplin gerühmt worden. Zudem wird wohl kein Heerführer ein Heer in den Kampf führen dessen Männer er nie zuvor hat kämpfen sehen. Er köntne die Stärke seiner Truppen weder einschätzen noch ihr Verhalten im Kampf vorhersagen.

Laut den Statuten bleibt es gleich ob man es Turnier oder Übung nennt. Wichtig ist allein, dass auf die Gesundheit und Unversehrtheit der Brüder achtgegeben wird so wie es in den Statuten steht und kein Wetteinsatz oder dergleichen im Spiel ist.

Falls noch Diskusionsbedarf besteht, bitte ich darum dies anhand dieser oder anderer historischer Fakten zu tun. Im Grunde bleibt es jedem selbst überlassen ob er sich an den Veranstaltungspunkten beteiligt oder es aufgrund seiner gebildeteten Meinung unterlässt. Wir werden die Veranstaltungspunkte nicht vom Programm streichen solange kein historischer stich- und hiebfester Gegenbeweis erbracht ist.

Ich bitte ebenfalls darum die Quellen und Ausschnitte auf die ihr euch beruft hier niederzulegen, damit auch diejenigen unter uns der Diskusion folgen können, die die Quellen nicht zur verfügung haben.

lieben Gruß,
Daniel
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André de Dujardin

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Re-enactment? Wie bitte?
« Antwort #2 am: 25. Juli 2007, 21:16:08 »
@ Tiro,

aber Deine Frage ist richtig gut. Schnell ensteht in diesem Forum der Eindruck es würde sich in der Hauptsache bzw. alles nur um die militärische Darstellung drehen. Aber Du bist hier wirklich nicht allein. Es gibt glaube ich mehre Mitglieder, welche sich aus dem Re-enactment weniger und dem allgemeinen und wissenschaftlichen Interesse am Mittelalter und am Templerorden mehr machen.

aber auch wir, die eine militärische Darstellung gewählt haben, beschäftigen uns intensiv mit der gesamten Geschichte des Ordens und seiner Zeit. Und wie Daniel schon sagte liegt auch eine große Aufgabe darin, dieses Wissen an die Besucher von Märkten oder sonstigen Events weiter zu geben.

Während mein Knappe seine Bruche, Beinlinge, Tunica und seinen Gambeson anlegt, sich mühsam ins Kettenhemd zwingt und die gepolsterte Bundhaube schnürt, erkläre ich zB. den Interessierten Zuschauern, die einzelnen Kleidungsstücke. Warum Beinlinge und keine Hose und solche Dinge. Und wenn der Knappe hinter mir blöde Grimassen schneidet, dann erkläre ich dem Publikum auch warum er von mir eine Ohrfeige bekommt. Nämlich weil ich dem Bengel als sein Vormund auch höfisches oder ritterliches Benehmen beibringen muß  *jump1*

Ansonsten sitze ich in den wenigen Stunden zwischen Gebet und Waffengang da und schnitze Pfeifen für ein Hümmelchen (kleiner deutscher Dudelsack).

André de Dujardin

Tiro

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Re-enactment? Wie bitte?
« Antwort #3 am: 25. Juli 2007, 21:30:02 »
Zunächst danke ich euch beiden für die schnelle Antwort.

Und es wird mir jetzt auch bewusst, dass das lebendiger Geschichtsuntericht sein kann. Viele Leute mögen sich vielleicht, nach einer solch kleinen Lektion mal ein Lexikon greifen.

Es kommt aber sicher auch darauf an, von welchem Blickwinkel Euch ein Betrachter wahrnimmt. Ich als Templerinteressierter, würde Dich, Andre, schon fragen ob ein Ritter des Herrn nichts besseres zu tun hätte, als ein Hölzlein zu beschnitzen. Manch Uninteressierter könnte dies ohne weitere Nachfrage als Müsiggang auslegen. Sich Vorurteile bestätigen.
Ich neige leider auch oft dazu.

Auf jeden Fall scheint Euer Hobby doch spannender zu sein, als ich glaubte.

Gruss Tiro

Gabriel von Kettenhofen

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Re-enactment? Wie bitte?
« Antwort #4 am: 25. Juli 2007, 21:50:40 »
Hallo Tiro,

zu dem, was Bruder Daniel schon genannt hat, kommt  aus meinen bescheidenen Erfahrungen noch Folgendes dazu:
Einführung in die Formen des Stundengebets, Kampf- und Formaldienst und ganz besonders die Pflege der "Außenpolitik" = Kontakte zu anderen Gruppen/ Teilnehmern pflegen, ausbauen oder gar neu aufbauen, Waffen- und Geräteschau für die Besucher, Teilnahme an Programmpunkten der Veranstalter (soweit es mit der Ordensregel konform geht), Geländedienst,...

Wie schon die Vorredner erwähnt hatten: es ist so Vieles, was gemacht wird. Da wird es kompliziert, wenn man es auseinander klabustert, um alles einzeln aufzuschreiben.

Gruß
Gabi
Servo! (Ich diene!)

Tiro

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Re-enactment? Wie bitte?
« Antwort #5 am: 25. Juli 2007, 21:58:33 »
Danke Gabriel.

Du schriebst vom "Geländedienst". Ist das in etwa einer Erinnerung an den einstigen Schutz der Pilgerwege zu verstehen?

Tiro

Gabriel von Kettenhofen

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Re-enactment? Wie bitte?
« Antwort #6 am: 25. Juli 2007, 22:04:03 »
Ja, so ungefähr  *smoky*. Wege werden geschützt und gesichert, ausgeforscht, erobert, ...
Ist auf jeden Fall hochinteressant und schweißtreibend  *headbangl*.

Gruß
Gabi
Servo! (Ich diene!)

André de Dujardin

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Re-enactment? Wie bitte?
« Antwort #7 am: 25. Juli 2007, 22:07:52 »
ja @ Tiro,

Du hast Recht, doch ich versprach auch nicht frei von Fehlern zu sein. Meines Müsiggangs wegen hatte ich in der Vergangenheit oft schwere Auseinandersetzungen mit dem Abt meines zuständigen Klosters und wenn es doch nur das Flöte Schnitzen allein wäre..., ach heimlich mal ein Schlückchen Met, ein fettes Stück vom Braten und auch meine Pritsche liebe ich mehr als das Mitternachtsgebet. Doch möge Gott mir verzeihen, in meinen Glauben und in meiner Seel bin ich rein.  *pope* TIRO, ich schnitze die Pfeifen nicht vor Publikum !!! Ich bin doch nicht verweichlicht! Ich mach das Nachts in meinem Zelt um mich von schlimmeren Gedanken abzulenken *sadangel*

Doch Du wolltest wissen, was der Adel so tut. Tagsüber bin ich Adel und muss sicherlich nicht die Pferde versorgen, Wäsche waschen, Waffen ölen. Dafür habe ich Knecht, Magd, und Knappe. Ich kümmere mich um administrative Aufgaben, Politik etc. Knecht, Magd und Knappe sind des Nachts hundemüde und schlafen den Schlaf des Gerechten und ich... ich schnitze.

Tiro

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Re-enactment? Wie bitte?
« Antwort #8 am: 25. Juli 2007, 22:16:11 »
Hallo Gabriel, und hallo Andre,

ich entnehme Euren antworten, das es irgendwie Spass macht.

Gabriel, kann ich mal auf Streifendienst mitkommen?

Andre, hättest Du noch für eine weitere Magd Verwendung? Meine Freundin?

Ich möchte auch endlich mal nachts nichts anderes tun als Pfeifen schnitzen...

André de Dujardin

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Re-enactment? Wie bitte?
« Antwort #9 am: 25. Juli 2007, 22:24:09 »
@ Tiro,

auf diesen Vorschlag gehe ich ein. Schick mir Deine Magd, ich werde sie ausgiebig prüfen....lassen, und bei Gefallen schicke ich Dir einen Pfeifenrohling. So als Bausatz mit Anleitung versteht sich.  

 *jump1*

Gruß André de Dujardin

Gabriel von Kettenhofen

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Re-enactment? Wie bitte?
« Antwort #10 am: 25. Juli 2007, 22:58:21 »
@ Tiro

Als Ordensmitglied geht das bestimmt.

Gruß
Gabi
Servo! (Ich diene!)

Gabriel von Kettenhofen

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Re-enactment? Wie bitte?
« Antwort #11 am: 25. Juli 2007, 23:01:42 »
Hoppla,

habe ja übersehen, dass du Bürger bist.
Na, da muss ich erst den Komtur bzw. den OvD fragen.
Mal sehen. An mir soll´s nicht liegen.
Servo! (Ich diene!)

Tiro

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Re-enactment? Wie bitte?
« Antwort #12 am: 26. Juli 2007, 07:46:57 »
Danke, an alle!

Das Lagerleben scheint also auch seine schönen Seiten zu haben. Aber Exerzitien und Putzen von Ausrüstungen sind nichts für mich. Ich bin Hedonist.

Beste Grüsse  Tiro

Ansgar

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Re-enactment? Wie bitte?
« Antwort #13 am: 26. Juli 2007, 21:50:54 »
Mit Waffen wollt ich anfangs auch nix zu tun haben.
Und da die Stelle des Kaplans noch zu vergeben war nahm ich sie an.
Dann kamen die ersten Märkte. Und während die andern sich auf der Wiese tummelten saß ich da und las die Bibel.
Und nun sitz ich hier und zähle das Geld, und ich kann es kaum erwarten, dass es für einen Bogen reicht (Das Schwert liegt mir noch immer nicht, aber das kann sich auch noch ändern).

Pax
Ansgar
in dubio pro deo

Tiro

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Re-enactment? Wie bitte?
« Antwort #14 am: 26. Juli 2007, 22:04:57 »
Hallo Ansgar,

nach dem Pfeil würde ich es dann erst einmal mit dem Speer versuchen, an Deiner Stelle. Als Bürger darf ja gar nichts; nur Steuern zahlen.

Mit immer noch offenen Händen, grüsst Dich Tiro