sorry, daß ich den thread wieder ausgrabe.... ich muss einfach meine 5cent dazu werfen:
Warum wird jegliche "Zahlenmystik" und "Geometrische Mystik" immer nur mit der Kabbala, der buddhistischen Lehre und weiß nicht was für einer Häresie in Verbindung gebracht?
Zahlenmystik und Geometrie waren seit der Antike über das Frühmittelalter bis ins Barock absolut katholisch und mit keinerlei seltsamen Aspekt behaftet. Kirchenväter wie Isidor von Sevilla oder Augustinus haben lange Traktate darüber geschrieben wie Gott die Welt nach 'Maß und Zahl' geordnet hat (wobei dieses bereits in der Bibel so steht). Für die Gelehrten des Mittelalters wie etwa Rabanus Maurus und die vielen Kommentatoren antiker mathematisch-naturwissenschaftlicher Werke war es klar, daß Gott die Welt geometrisch-mathematisch aufgebaut habe, damit der Mensch sie so erkenne, UND daß dieses nicht im Widerspruch mit der christlichen Lehre steht!
Grundlagen dieser Meinungen bildeten wie gesagt die antiken Gelehrten, z.B. Plato mit seinem "Timaios".
* Die antiken Naturwissenschaftler und Philosophen wurden zur Erklärung der Bibel, besonders des Schöpfungsberichtes, herangezogen. Gott der Schöpfer hat die Welt nach mathematischen und geometrischen Prinzipien 'erbaut', deshalb wird er oft mit einem Zirkel in der Hand dargestellt. Und deshalb ist es dem Menschen möglich über die Mathematik und die Geometrie der Weisheit Gottes in der Schöpfung auf die Spur zu kommen.
* Besonders beliebt waren kreisförmige Diagramme zur Verdeutlichung der Welt, denn der Kreis war Zeichen für göttliche Vollkommenheit und gleichzeitig für den Kreislauf der Natur.
* Der mittelalterliche Bestseller, der sich fast 1000 Jahre lang hielt zum Thema Kosmologie, Astronomie und Zeitrechnung stammte von Isidor von Sevilla aus dem 6. Jahrhundert.
* Das Universum, die Welt, war für den mittelalterlichen Menschen KREISFÖRMIG, bzw. KUGELFÖRMIG und IN BEWEGUNG. Diese Ideen stammen aus der griechischen Antike.
Natürlich wusste man, daß sich die Planeten nicht kreisförmig bewegten und man entwickelte diverse Erklärungsmodelle, um die Beobachtung mit der Überlieferung in Einklang zu bringen.
* Aufgebaut war die Welt aus den VIER ELEMENTEN. Die Theorie stammt ebenfalls aus der Antike. Dabei waren Erde, Luft, Wasser und Feuer bestimmte Eigenschaften zugeordnet:
Erde = kalt, trocken
Feuer=trocken, heiß
Luft=heiß, feucht
Wasser=feucht, kalt
oder, nach einem anderen Modell auch die Eigenschaften: beweglich, scharf, dick, dünn, unbeweglich...immer diese Gegensatzpaare. Den Elementen waren nach Plato bestimmte Zahlen zugeordnet (das ist alles sehr kompliziert), und in manchen Darstellungen und Kirchenfresken sind anstatt der Elemente nur die ihnen zugehörigen Zahlen abgebildet.
* Die Bibel war zwar die höchste Autorität im Mittelalter, das heißt aber nicht, daß sie kritiklos mit allen Widersprüchen einfach so hingenommen wurde. Im Gegenteil, man bemühte sich, die Widersprüche im Text mit Logik und den naturwissenschaftlichen Kenntnissen zu erklären, zum Beispiel beim Schöpfungsbericht.
* Die Natur galt als "zweite Offenbarung" neben der Bibel, und ihre Erforschung sollte auch der Auslegung der Bibel und dem Leben nach Gottes Wunsch dienen.
Ganz oft sieht man in mittelalterlichen Fresken etc. Vierecke oder Rauten als Zeichen für 'die Welt'.
Nun glaubten die Leute nicht etwa, die Welt sei ein Viereck, ebensowenig, wie sie glaubten, die Welt sei eine Scheibe.
In der Bibel ist des Öfteren vom "Weltkreis" die Rede (gemeint ist der Horizont, wie auch in der griechischen Fassung steht), aber auch von den "Ecken der Erde". Ausserdem tauchte die "4" immer wieder auf: vier Elemente, vier Himmelsrichtungen, vier Evangelien...
Nun haben die Leute es nicht einfach dabei belassen, nach dem Motto "Gott ist eben unergründlich". Nein, da würde intensivst darüber nachgedacht...
Im 9. Jh. (unter anderem) hat sich ein Gelehrter Gedanken darüber gemacht, wie man diese beiden Auffassungen von Viereck und Kreis zusammenbringt. Dafür benuttze er den antiken Geometriker Euklid und ging folgendermaßen vor:
Zunächst hat man den Erdkreis (den Horizont-Kreis). In diesen eingeschrieben lassen sich vier Punkte finden: Sonnenaufgang, Sonnenuntergang, Nord- und Süd. Verbindet man diese an den Rändern, erhält man eine Raute = ein Viereck innerhalb des Kreises. Verbindet man diese Punkte durch das Zentrum hindurch, erhält man ein Kreuz.
Nun ist es auch völlig klar, warum Christus AM KREUZ sterben musste, um die Welt zu erlösen: Im 12. Jh. sagt ein anderer Gelehrter kurz und bündig: er starb am Kreuz, um die vier Weltecken zu verbinden und die gesamte Welt zu erlösen. Smile
Ist doch alles völlig logisch, nicht wahr?
In anderen Fällen findet man ausser dem Viereck und dem Kreuz auch noch ein Diagonalkreuz unter dem Viereck für die Welt.
Etwa in dem berühmten Book of Kells.
Das ist natürlich auch nicht zufällig und zur Deko da. NICHTS ist zufällig da, wo es ist Das Diagonalkreuiz ist die flächige Projektion der Himmelsachsen, bestehend aus Ekliptik (der scheinbaren Bahn der Sonne durch den Tierkreis) und Erdachse.
Darüber hinaus ist auch der Buchstabe "x" ja ein Diagonalkreuz. Und "x" bedeutet auf Griechisch "chi", das ist der Anfangsbuchtsabe für Christus. Das soll also nichts anderes bedeuten als die Erlösung der Welt durch Christus, die bereits in der gesamten Schöpfung der Welt vorausgedacht ist. (Das das so zu verstehen ist, sagen die damaligen Autoren oft in den Texten und man kann es aus den Beschriftungen der Miniaturen ersehen. Es ist also keine spätere Interpretation.)
Und natürlich waren auch die komplizierten aus Diagonal- und Normalkreuzen geformten Kreuzrippengewölbe über der Vierung einer gotischen Kirche, und damit über dem Altar, wo sich ja durch den Priester das Erlösungswerk nochmal vollzog, nicht zufällig dort. Guckt mal demnächst nach oben bei dem Besuch einer alten Kirche!
Wen das Thema interessiert, für den hätte ich ein paar Literaturangaben.
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