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Darstellung => MA Szenen Templer / Templerreenactment => Thema gestartet von: Lancelot Graf von Rothenfels am 19. Juli 2012, 14:40:51

Titel: Kettenbeinlinge und Polsterung
Beitrag von: Lancelot Graf von Rothenfels am 19. Juli 2012, 14:40:51
Ich weis - wieder Mal das Thema der Kettenbeinlinge aber ich muss leider das Thema nochmal von vorne beginnen  ;)

Wir wissen, dass die Kettenbeinlinge hinten offen und zum "ans Bein" schnüren gewesen sind.  Das ist ja soweit belegt.

Aber nun nochmal die Frage nach dem "darunter" .

Ein normaler Wollbeinling unter einem Kettenbeinling erscheint mir nicht logisch weil:

1.) Der Ritter gerade am Pferd an den Beinen durch Schläge oder Schwertstreiche vom Boden aus sehr verletzbar ist. Ansonsten ist der Ritter durch Polsterhaube und Gambeson für den Oberkörper geschützt doch die Beine hätte er unter der Kette ungeschützt gelassen ?! Das erscheint mir nicht logisch....

2.) Das Kettengeflecht der Beinlinge ( man bedenke, dass das Material damals nicht so rund und ohne Grate war ) die Wollbeinlinge sicher sehr schnell ins Textil-Nirvana befördert hätte und die Ritterbrüder dadurch einen ziemlichen Verschleiss an Beinlingen gehabt hätten

3.) Ein Kettenbeinling an einem Wollbeinling doch etwas rutschig ist ( ausser man knallt die Kette derart an das Bein fest, dass nix mehr geht ...)


Meine Überlegung geht daher eher in die Richtung einer teilweisen Polsterung über die die Kette gebunden wurde.
"Gambesonbeinlinge" werden es nicht durchgehend gewesen sein, da man mit einer zu dicken Polsterung das Bein nicht mehr abbiegen könnte und durch die extreme Posterung den Schenkelschluss zum Pferd nicht mehr hätte um das Pferd, ohne Gebrauch der Zügel, im Gefecht zu lenken.


Beni hat mal gemeint wir würden die Polsterung überhaupt heute überbewerten ... wie seht ihr das ?
Titel: Re:Kettenbeinlinge und Polsterung
Beitrag von: Jorge von Brunswik am 19. Juli 2012, 18:27:43
Das ist wirklich ein Thema wozu es noch viele Fragen gibt. Was ich mir vorstellen könnte, jedoch ohne diesen Gedanken belegen zu können wäre, daß man die kettenbeinlinge auf Leder genäht haben könnte. Das wäre schonend für die Wollbeinlinge und würde auch nicht so den Schenkelschluß zum Pferd behindern wie die von Dir genannten "Gambesonbeinlinge".
Nur mal ein kleines Gedankenspiel von mir ohne Anspruch auf historische Belegbarkeit. ;)
Titel: Re:Kettenbeinlinge und Polsterung
Beitrag von: Johannes vom Gollenstein am 19. Juli 2012, 21:49:34
Hm... komplizierte Geschichte...

Kette auf Wolle kann ich mir nicht vorstellen, das ribbelt sich ziemlich rasch durch.

Denkbar wäre vielleicht wirklich ein lederner Unterbau, ähnlich wie bei den Chaps der Cowboys. Mit so einem Konstrukt hätte man auch gleich die Problematik der Befestigung "am Mann" gelöst.
Aber Leder war ja nach unserem Wissensstand nicht unbedingt gang und gäbe als Bekleidung...

Ich könnte mir einen Unterbau/Beinlinge aus Leinen vorstellen, vielleicht ähnlich dem Aketon (der ja dünner als ein Gambi ist).
Denkbar wären vielleicht mehrer Schichten Leinen ggf. mit leichtem Postermaterial dazwischen.

Auf jeden Fall muß die Polsterung am Bein m. E. die Schenkelinnenseiten sowie an den Gelenken dünner ausfallen, sonst leidet die Beweglichkeit doch erheblich.

Bleibt die Frage: wie kriege ich dieses Konstrukt am Ritterlein befestigt???
Titel: Re:Kettenbeinlinge und Polsterung
Beitrag von: Alesandro von Hainichen am 19. Juli 2012, 23:05:14
Lange war der Papa krank, jetzt diskutiert er wieder Gott sei dank.... (Frei nach Wilhelm Busch)  ;D

Die Bilder und Statuen die uns bekannt sind zeigen die Kettenbeinlinge ja idealisiert als enganliegend und körperbetont - also fehlt hier der Anhalt für die Art und Form der Beinlinge.

Auf Grund der vorhandenen geringen Fakten und logischen Vermutungen meiner Vorgänger mal eine Idee von mir und bestimmt nicht der Weisheit letzter Schluss:

- es hat Polsterbeinlinge gegeben da Kette auf Haut bzw. Wollbeinling eher unpraktisch und zu gering in der Schutzwirkung

- eine dicke Polsterung wie bei römischen Gladiatoren würde die Beweglichkeit zu weit einschränken und die Kontrolle des Pferdes über den Schenkeldruck erschweren

Ergo:

Polsterbeinlinge währen meines erachtens eher in Form von Beinlingen die an den Aussenseiten und an der Vorderseite ähnlich wie ein Aketon gepolstert und mit Kette versehen waren. Also mehrere Lagen Leinen und Wollstoff die die Beweglichkeit nicht zusehr einschränken, durch die Auslassung von Innenseite und Rückseite bleibt die Beweglichkeit erhalten und auch Schenkeldruck so wie normales Gehen währe nicht eingeschränkt....

Befestigung über Nestelbänder/ Lederriemen an einem Gürtel/ Bruchengürtel


Was haltet ihr davon ?
Titel: Re:Kettenbeinlinge und Polsterung
Beitrag von: Cornelius am 19. Juli 2012, 23:46:33
Die Idee des Lederfutters finde ich gar nicht so schlecht, nicht zuletzt da auch gefütterte Kettenhemden wohl verbreiteter waren als man denkt (sicherlich nicht nur wie beim klassischen Kazaghand à la Usama b. Munqidh), ganz abgesehen von Schuppen- und Lamellenpanzern, die auch eine Unterlage gehabt haben können (eine "akademische" Unterscheidung zwischen beiden ist die, dass nur der Schuppenpanzer ein Trägermaterial brauchte, D. Nicolle, wenn ich mich nicht irre). Ich will allerdings bezweifeln, dass mittelalterliche Ringpanzer eher mehr als weniger schartige Raspelhemden waren, denn als solche wären sie kaum praktikabel gewesen. Ein Aketon unterm Hemd (wie er nur mühsam belegt werden kann) fiele dem ja auch zum Opfer. Was das Rutschen angeht, so sollte eine Aufhängung am Gürtel und evtl. ein Knieriemen (muss in der Manesse zu sehen sein, aber da habe ich nur dunkel einen Forenbeitrag von Tempus Vivit im Kopf) zusammen mit der hinteren Schnürung reichen. Zumindest meine ich, dass es bei mir gereicht hat. Hatte die Dinger ewig nicht dran...

Die Schutzwirkung ist wieder so ein Ding, bei der ich nicht die Vermeidung von Schmerz als Kriterium ansetzen würde. Und wenn halt vor allem offene Wunden vermieden werden sollen, dann "schützt" ein Kettenbeinling auch mit nur Wolle oder vielleicht einem biegsamen Leder drunter. Außerdem – wäre Polsterung üblich gewesen, warum dann später die Stoffdiechlinge mit Kniekacheln? Meiner Meinung nach findet hier das gleiche statt wie mit den Gambis bzw. Plattenröcken über der Kette: Der bisherige Schutz war ausreichend, aber ein paar Veränderungen im Krieg machten etwas mehr Panzerung attraktiv. Die vielen (Moment, hier müsste man mal zählen!) Diechlinge für Reiter sprechen meiner Meinung nach auch dafür, dass die Einschränkung bei Schenkelhilfen nicht nennenswert war. Vielleicht spielen da auch die gestreckten Beine mit rein.

Eine letzte Sache ist die, dass ich (vor allem beim historischen Fechten) gelernt habe, Abbildungen oder komische Formulierungen doch nicht so einfach als künstlerische Freiheit oder übermäßige Stilisierung zu deuten. Usama spricht deutlich davon, dass die Franken schlanke große Männer bewunderten. Wenn uns die Illustrationen von dünnen Rittern irgendetwas verraten, dann das, dass sie sich bestimmt gut und schnell bewegen konnten. Und das halte ich für arg authentisch.
Titel: Re:Kettenbeinlinge und Polsterung
Beitrag von: Midan von Malterstorp am 20. Juli 2012, 06:28:09
Auf Abbildungen, z.Bsp. Manesse sieht es wirklich so aus, als ob die Ritter keine Polsterung darunter haben. Das würde eher für was dünnes, ggf Leder sprechen. Allerdings sind die auch nicht hinten offen, sonder komplett geschlossen. Außer vielleicht die Fußsohle). Gegen das Scharfkantige helfen Rundringe. Sauber vernietet ist der "Kratzfaktor" recht klein.
Titel: Re:Kettenbeinlinge und Polsterung
Beitrag von: Lancelot Graf von Rothenfels am 20. Juli 2012, 07:29:14
@ Allessandro ( welcome back - schön, dass du wieder da bist  :)  )
Meine Überlegungen gehen in genau die selbe Richtung wie deine !  Erscheint mir auch am praktikabelsten...

@ Cornelius
Bedenke aber, dass die gestreckten Beine die Reitweise auf einem Turnier waren um den Lanzenstoss aubzufangen. In einem Schlachtengetümmel wurden die Pferde durch Schenkeldruck gelenkt um die Hände für Schild und Waffe freizuhaben - da war nix mit gestreckten Beinen. Auch erscheint es mir nicht logisch die Beine nur gegen offene Wunden zu schützen ( speziell am Pferd ) Oberkörper und Kopf jedoch zu polstern .....

@Midan
Wie Allesssandro bereits bemerkt sind die Abbildungen größtenteils idealisiert .... hab auch auf einer Abbildung noch nie ienen Ritter als Michelin Männchen dargestellt gesehen wie es im richtigen Leben aber mit all der Polsterung ist. Ich nehme daher die Manes punkto Polsterung nur teilweise als Beleg an.

Titel: Re:Kettenbeinlinge und Polsterung
Beitrag von: Cornelius am 20. Juli 2012, 11:23:16
@ Cornelius
Bedenke aber, dass die gestreckten Beine die Reitweise auf einem Turnier waren um den Lanzenstoss aubzufangen. In einem Schlachtengetümmel wurden die Pferde durch Schenkeldruck gelenkt um die Hände für Schild und Waffe freizuhaben - da war nix mit gestreckten Beinen. Auch erscheint es mir nicht logisch die Beine nur gegen offene Wunden zu schützen ( speziell am Pferd ) Oberkörper und Kopf jedoch zu polstern .....
Die meisten "kriegerischen" Abbildungen zeigen die Beine aber auch gestreckt. Solange sich die Steigbügel nicht verkürzen, kann er die Schenkel ja kaum anwinkeln. Ich hätte eben vermutet (aber da lasse ich mich gern belehren), dass die Schenkelhilfen auch mit gestrecktem (oder sagen wir: langem) Bein funktionieren.

Warum sollte man die Beine weniger schützen? Na weil sie, vor allem für einen Reiter, nicht sofort lebensnotwendig sind. Und außerdem denke ich, dass – vom Kopf mal abgesehen – der Rest des Körpers auch nicht wesentlich besser geschützt war, was die Beine dann wiederum gar nicht so schlecht aussehen lässt. Vergessen wir nicht, dass die Rüstung mit Ringpanzer schon eine noble Sache ist und dass zu früheren Zeiten trotzdem zu Pferde gekämpft wurde.
Titel: Re:Kettenbeinlinge und Polsterung
Beitrag von: Gabriel von Kettenhofen am 20. Juli 2012, 12:18:58
Und wenn man die Theorie der ledernen Reithose unterm Gewand wieder aufgreift? Dann wäre durch diese Hose der lederne Schutz schon da und die Beinlinge, ob hinten offen oder nicht, bräuchten nur noch drübergezogen zu werden.
Titel: Re:Kettenbeinlinge und Polsterung
Beitrag von: Charles v. säbelberg am 20. Juli 2012, 13:55:13
Werte Brueder,

Auch ich glaube das die Polsterung ueberbewertet wird.

À.-dadurch die beweglichkeit des Reiters/Ritter zusätzlich eingeschränk wird und der kontakt zum Pferd gemindert wird,gerade om nahkampf zu Pferd mit Schwert und Schild.
B.-gerade in der Darstellung eines Ordensritter im Heiligen Land,man denke an die Temperaturen,wäre eine zu starke Polsterung fatal,sogar tötlich,bei der Schlacht oder auch belagerung,an eine verfolgung des Feindes Zu Pferd,garnich Zu denken,wäre bei starker Polsterung spätestens nach 15 Minuten schluss Und der Bruder am Hitzestau/Hitzschlag verstorben.

Also ALS  weltlicher Ritter beim Turnier,ja da kann ich es mir vorstellen ,aber nicht als Ordensritter in Spanien oder im Heiligen Land.

Gott zum Gruss

Charles
Titel: Re:Kettenbeinlinge und Polsterung
Beitrag von: Lancelot Graf von Rothenfels am 20. Juli 2012, 18:26:21
@Cornelius

Eine Schenkelhilfe wird primär mit den Unterschenkeln gegeben und dies ist bei gestrecktem , langem Bein nicht möglich denn dieser befindet sich in einem solchen Fall an der Schulter des Pferdes ( und dort ist eine Hilfe sinnlos ) - weiters würde das lange Bein den Sporn ad Absurdum führen , aus den selben Gründen wie vorher aufgezeigt kann der Sporn nicht an der Schulter des Pferdes eingesetzt werden.

Weiters ist der (Oberschenkel)schluss am Pferd notwenig um bei einer Seitwärtsbewegung des Pferdes auf diesem zu verbleiben ..... das gestreckte Bein jedoch macht nur Sinn bei einem Sturmlauf oder einer geradeaus gerittenen Lanzenattacke um die Wucht des Aufpralles abzufangen. Dazu gab es ja auch die speziell geformte Galerie der Sättel.

In einem Kampfgetümmel ist ein Pferd ohne Zügelhilfen ( denn die Hände wurden, wie gesagt,für Schild und Waffe gebraucht ) und langem Bein ( hier entfielen auch die Schenkelhilfen ) nicht kontrollierbar.

Warum das Bein genauso geschützt werden sollte ?  Na weil ( wenn auch nicht Lebensbedrohlich ) z.B. ein Schlag mit einem Flegel / einer Keule  auf die Kniescheibe diese ohne Polsterung zertrümmern würde und der Reiter - ob diesem Schmerz - sofort Kampfunfähig wäre ... oder ein Axt oder Schwertstreich der die Kette teilweise durchdringen und eine lebenswichtige Arterie verletzen könnte ..... da würden mir noch einige Beispiele einfallen die gerade bei einem Berittenen FÜR eine Polsterung unter den Kettenbeinlingen sprechen würden.

@ Charles ( schön wieder was von dir zu lesen ! )
Der Einsatz der Polsterung im hl. Land ist sicher komplett unterschiedlich als z.B. bei einer DO Prussenfahrt im Winter im östlichen Ordensland ......  Ich denke, dass hier einiges an Denkansätzen neu geordnet werden müsste.

Der Einsatz von Lederbeinlingen (und einer ledernen Reitbruche) käme mir hier dann wieder in den Sinn - so wie Johannes v.G. dies als erfahrene Reiterin ebenfalls bereits bemerkt hat ....
 ;)



Titel: Re:Kettenbeinlinge und Polsterung
Beitrag von: Cornelius am 22. Juli 2012, 12:31:04
OK, danke für den Hinweis, ich hätte gedacht, dass man mit dem Unterschenkel auch trotzdem noch an dem Bauch kommt, aber hm... halten wir zumindest fest, dass man sich nicht viel Polsterung leisten kann (zumindest außen, vielleicht ging eventuelle Panzerung ja nicht komplett ums Bein...?!).
Warum das Bein genauso geschützt werden sollte ?  Na weil ( wenn auch nicht Lebensbedrohlich ) z.B. ein Schlag mit einem Flegel / einer Keule  auf die Kniescheibe diese ohne Polsterung zertrümmern würde und der Reiter - ob diesem Schmerz - sofort Kampfunfähig wäre ... oder ein Axt oder Schwertstreich der die Kette teilweise durchdringen und eine lebenswichtige Arterie verletzen könnte ..... da würden mir noch einige Beispiele einfallen die gerade bei einem Berittenen FÜR eine Polsterung unter den Kettenbeinlingen sprechen würden.
Das sind eben wieder die Punkte Rüstung gegen Beweglichkeit, bei der ich auf letzteres Spekulieren würde, denn man schützt sich ja eben nicht gegen heftige Frontalangriffe, sondern "nur" gegen das, was mit Beweglichkeit und Kampfkunst nicht abgewehrt werden kann. WENN man mit seiner Keule nah genug an einen Reiter rankommt und dann in der Hektik das Bein volle Kanne trifft, DANN wäre in der Tat der Schaden groß. Ich kenne es aber aus dem bisschen Reenactmentfechten, das ich gemacht habe, und noch mehr aus dem historischen bzw. Sportfechten, dass selbst in einem geregelten Zweikampf mit abgegrenztem technischen Repertoire (nicht im Sinne von Beschränkung aus Schutzgründen, sondern als das, was quellenmäßig belegt und damit sinnvoll ist), dass selbst dort Techniken nur mit viel Übung funktionieren. Wie viel unsauberer muss das dann im Schlachtgetümmel sein?! Ich denke immer mehr, dass die Rüstung hauptsächlich gegen das gedacht war, was in der Handschrift 3227a (um 1389) als "Zecke" beschrieben wird, also ein kurzer schwacher Hieb – bzw. ein "Streifschuss", wie wir heute sagen würden. Dagegen reichen die Ringpanzerstrümpfe allemal, selbst wenn nur dicke Wolle drunter ist. Die hypothetische Lederbruche braucht man dafür eigentlich auch nicht.

Im historischen Fechten sind wir gerade wieder beim Abrüsten. Mit Fechtmeisterjacke und etlichen Gelenkschützern erleidet man zwar weniger Schaden, aber man kann sich auch schlechter bewegen, so dass die Kampfkunst ansich nicht so recht wirken kann (man bedenke, dass die meisten überlieferten Systeme aus dem "Blossfechten" kommen, also dem Kampf ohne Rüstung). Es funktioniert wunderbar.
Titel: Re:Kettenbeinlinge und Polsterung
Beitrag von: Benedikt von Söllbach am 23. Juli 2012, 11:29:23
Cornelius Idee nochmal "moderner" aufgegriffen:
Heute schützt man sich auch nicht gegen die "dicken" Dinger, sondern gegen das "übliche": Mein Kevlarhelm in der Bundwsehr schützt vor herumfliegenden Splittern, nicht aber vor Direktbeschuss.

Die These mit Aketonähnlicher Panzerung integriert im Beinling hatte ich auch schonmal, da da einfach der Tragekomfort höher ist. Allerdings sind textile Panzer eben nur schwer nachzuweisen (auf Abbildungen) und man geht in der forschung ja eher davon aus, dass das Panzerhemd vorwiegend über "normaler" Kleidung getragen wurde. Man sieht das auch gut an den Bogen- und Armbrusschützen im "Liber ad honorem Augusti", die sind bis auf den Helm komplett ungepanzert. In der recht detailreichen Macbibel lassen sich meines Wissens keine Textilpanzer unter Ketenpanzern nachweisen. Einen Museumsbeleg kenne ich nur in Form einer Polsterhaube unter Helm aus dem 16. Jhd. sowie bildlich (und nicht ganz so sicher) in Form einer Polsterhaube unter Kettenhaube auf dem Aachener Karlsschrein.

Vielleicht lesen wir die Ordensregel auch zu sehr als STAN-Liste. Es steht da aber auch immer "kann haben" und nicht "hat"; wir dürfen nicht davon ausgehen, dass jeder Bruder jede Ausrüstung hatte. Viel wahrscheinlicher hatten die Meisten Brüder eben nicht alles, somit auch nicht jeder Bruder denAketon aus der Ordensregel (der ja auch nicht 100% als solcher feststeht! Körner schreibt ja "Schulterstücke", Curzon "Espaliers").
Titel: Re:Kettenbeinlinge und Polsterung
Beitrag von: Lancelot Graf von Rothenfels am 24. Juli 2012, 11:20:45
Der Beleg zur Polsterhaube ist in der Wiener Rüstkammer zu sehen - "Haube zum Einknüpfen in einen Stechhelm / 1420 - 1490"  siehe link zu Medieval Crusader der zwei schöne Bilder davon auf seiner Seite hat ( Danke und liebe Grüße H.P.  ;)  ) http://www.medieval-crusader.de/Mittelalter/Huete.html (http://www.medieval-crusader.de/Mittelalter/Huete.html)

Das heisst wir sollten die gesamte Darstellung mit z.B. Gambe unter dem Kettenhemd überdenken ?!

Ausser natürlich als Schutz im (Frei)Kampf ..... da ist es logisch sich auch nicht "A" zu schützen .

Das würde bedeuten, dass ein etwas festeres Untergewand unter der Kette ausreichend war um eben gegen zb. "zufällige" Schwertstreiche zu schützen aber nicht um durch Polsterung Schläge zu entschärfen.

Für einen Einsatz im hl. Land mag mir das Einleuchten da ja der Hitzeaspekt auch noch dazukommt.  

Jedoch für einen Einsatz in Europa ( als Beispiel hier nochmal der DO mir seinen Prussenfahrten im Winter ) würde mir die Logik zu einem "Doppelnutzen" für Schutz vor Kälte + Schutzwirkung als Polsterung unter der Kette raten.

Vielleicht sollten wir von verschiedenenAusführungen je nach den Einsatzgebieten ausgehen......
Titel: Re:Kettenbeinlinge und Polsterung
Beitrag von: Cornelius am 25. Juli 2012, 11:00:44
Im Gefecht spielt, selbst wenn wir von längeren Kampagnen und Zeiten des Herumstehens ausgehen, Wärme und Kälte wohl die geringste Rolle, vor allem da man unter Kette (oder jeder anderen Form von Gepäck) immer etwas warm wird und notfalls nen Mantel überwerfen kann. So wie es aussieht, waren Schuppen- und Lamellenpanzer mit (wenigstens teilweise) metallischen Segmenten im Orient verbreiteter, obwohl sie sich auch gut aufheizen müssten und weniger Ventilation bieten als ein Ringpanzer. Gestorben sind sie anscheinend auch nicht reihenweise, aber ein gewisser regionaler Einfluss war zweifelsohne dabei.

Die Gambisache nagt eh an mir. Curzon übersetzt ja nicht espalier(es), sondern das ist der Originaltext und "Schulterpanzer" o.ä. scheint wohl die treffende Übersetzung (http://www.historiavivens1300.at/realien/gambes1.htm) zu sein. Wenn wir an die MacBibel denken, so ist dort die einzige gesteppte Stoffrüstung unter Ringpanzerhemden ein Kragen (genau wie es die andersfarbigen Krägen auch unter Gambesons gibt). An Ärmeln und Beinen schaut da nichts mit Steppnähten hervor; ich habe deswegen extra die ganzen paarundachtzig Bilder durchgesehen (auch wenn man eine einzelne Quelle jetzt nicht überbewerten sollte etc. etc.). Meiner Meinung nach ergibt es auch Sinn. Erst einmal sind zwei oder drei Lagen (Kleidungs-) Stoff unter dem Panzer auch schon eine Art Polsterung und zweitens würde es zum System der gebogenen Nasalhelme passen (an denen Schwerthiebe von oben ja abrutschen), die neue Aufschlagfläche, nämlich die Schultern, tatsächlich zu verstärken. Außerdem bewegt sich die Schulter beim Fechten ständig und da kann etwas Abstand zur Kette tatsächlich nicht schaden, aber das ist jetzt eher eine Anmerkung tertiärer Argumentationskraft. Deutlicher ist da meiner Meinung nach die Einführung des Plattenrocks, den man bestimmt nicht zusätzlich zu ohnehin schon dicker Panzerung von Gambi und Ringpanzer getragen hätte.

Ich hatte da mal ne unselige Diskussion hier (http://forums.taleworlds.com/index.php/topic,216111.msg5205970.html#msg5205970) mit einigen wenigen Quellen für "Gestepptes" unter dem Hauberk, falls sich jemand da durchwühlen möchte...
Titel: Re:Kettenbeinlinge und Polsterung
Beitrag von: Benedikt von Söllbach am 26. Juli 2012, 14:52:50
Hm.

Mir fällt jetzt gerade spontan ein, dass Upton-Ward irgendwas von Arming Jacket schreibt, ich weiß ad-Hoc aber nicht mehr, ob das ihre Übersetzung für "espalier" oder ein weiteres Kleidungsstück meint. Vielleicht haben wir in dem Artikel ja die Erwähnung von beidem vorliegen: Kragen UND Polsterwams? Ich denke, diese Frage sollten wir auch nochmal beleuchten, denn vielleicht hat das auch Auswirkungen auf die offene "Kampfkutte-Waffenrock"-These (wenn nämlich der "Jupel d' Armer" tatsächlich kein Waffenrock sondern ein Steppwams ist).

Gibts denn überhaupt Belege für Steppwämser um das 12 Jhd?
Titel: Re:Kettenbeinlinge und Polsterung
Beitrag von: Oliver Graf von Ehrenberg am 26. Juli 2012, 17:30:39
Bin mir da zwar nicht ganz sicher, aber das soll aus dem 12 Jahrhundert sein: "La relique de de Bussy Saint Martin".
Titel: Re:Kettenbeinlinge und Polsterung
Beitrag von: Lancelot Graf von Rothenfels am 26. Juli 2012, 18:12:33
Für die, die Französisch können ..... http://www.guerriersma.com/contenu/Articles_tutos/manche_bussy/manche_bussy.htm (http://www.guerriersma.com/contenu/Articles_tutos/manche_bussy/manche_bussy.htm)
Titel: Re:Kettenbeinlinge und Polsterung
Beitrag von: Cornelius am 27. Juli 2012, 12:11:35
Hm, das Problem mit den stets ausgebesserten Reliquien ist halt ihre beschränkte Aussagekraft. Gern bleiben ja auch nur Sonderfälle erhalten. Ich habe den Text allerdings auch nur mal kurz durch Google gejagt und die furchtbar übersetzten Passagen im Original nachgelesen.
Ich denke, diese Frage sollten wir auch nochmal beleuchten, denn vielleicht hat das auch Auswirkungen auf die offene "Kampfkutte-Waffenrock"-These (wenn nämlich der "Jupel d' Armer" tatsächlich kein Waffenrock sondern ein Steppwams ist).
U-W übersetzt in der Barcelonaer Regel (die eigentliche ist erst vorgestern angekommen, dann kann ich mich mal an eine für uns brauchbare deutsche Regelübersetzung setzen) jupel d'armer (bzw. in einer der orthografischen Varianten) einmal mit Gambeson und einmal mit Waffenrock. Im Originaltext wird der jupel d'armer einmal zusammen mit der Capa und dem Mantel in einem Kontext erwähnt (ich glaube, es geht um Kleidungsstücke, die man in Gefangenschaft nicht tragen darf oder so, muss mal nach meinen Aufzeichnungen sehen, aber die wollte ich ja gebündelt präsentieren), der nahe legt, dass es alles "offizielle" Kleidungsstücke waren und das wäre der Gambeson wahrscheinlich nicht.

Dass der jupel d'armer eine Polsterjacke bezeichnet, erwähnt D. Nicolle, aber mich würden dafür mal die Quellen und dazugehörigen Zeiträume interessieren. In der Templerregel scheint es sich um den Waffenrock zu handeln, aber da bin ich hoffentlich schlauer, wenn ich die bisherigen Übersetzungen und die letzte (italienische) Templerregeledition nebeneinandergelegt habe.

Pardon für's Abschweifen vom Thema.
Titel: Re:Kettenbeinlinge und Polsterung
Beitrag von: William am 28. Juli 2012, 18:45:54
Habs irgendwo schon mal angemerkt:

In England heißen heute die "modernen" enganliegenden Reithosen, mit Lederbesatz am Po und innerem Oberschenkel "Breeches". Das ist von der Wortherkunft - ohne große Veränderung - das mittelalterliche englische Wort für Bruche!
Breeches wurden auch die Reithosen späterer Armeen genannt - bis zu den "Knickerbockern" der Wehrmacht.

Zufall??

Damit wären wir bei der vermutete "Reitbruche", die in ähnlicher Machart wie die "Breeches" eben alle Anforderungen erfüllen würde: Polsterung unter der Kette, sicheren Sitz im Sattel, keine Falten am Po und somit kein Wundsitzen etc.!  

Gibt zwar keinen echten Beleg, aber ist für mich die sinnvollste aller Thesen.

Aus online Ethymyology Dictionary:

breeches c.1200, a double plural, from O.E. brec "breeches," which already was plural of broc "garment for the legs and trunk," from P.Gmc. *brokiz (cf. O.N. brok, Du. broek, Dan. brog, O.H.G. bruoh, Ger. Bruch, obsolete since 18c. except in Swiss dialect), perhaps from PIE root *bhreg- (see break). The Proto-Germanic word is a parallel form to Celt. *bracca, source (via Gaulish) of L. braca (cf. Fr. braies), and some propose that the Germanic word group is borrowed from Gallo-Latin, others that the Celtic was from Germanic. Expanded sense of "part of the body covered by breeches, posterior" led to senses in childbirthing (1670s) and gunnery ("the part of a firearm behind the bore," 1570s). As the popular word for "trousers" in English, displaced in U.S. c.1840 by pants. The Breeches Bible (Geneva Bible of 1560) so called on account of rendition of Gen. iii:7 (already in Wyclif) "They sewed figge leaues together, and made themselues breeches."

Wir sehen in der Bruche immer nur die mittelalterliche "Unterhose" - aber war es wirklich nur eine Unterhose? Trugen Frauen Unterhosen?
Was wenn damit immer auch eine Art "Reithose" oder "Arbeitshose" - beim Bauern auf dem Feld etc. - gemeint ist?  ;)

Würde zumindest erklären warum daraus über Generationen von Reithosen erst eine Militärhose und schließlich wieder die Reithose wurde.....ohne den Namen zu ändern!
Titel: Re:Kettenbeinlinge und Polsterung
Beitrag von: Cornelius am 03. August 2012, 15:21:23
Moment mal, steckt nicht auch im Wort "Unterhose" eine "Hose"? Sind Unterhosen etwa auch Hosen?  :P Entschuldige, das bot sich gerade an, aber ich würde die Theorie nur mit Vorsicht genießen, weil das zu weite Felder zusammenzieht. Breeches bezeichnet ja auch Kniebundhosen und die müssen gar nichts mit Pferden zu tun haben.

Egal, ich habe gerade ein paar Quellen und Vermutungen von Jens Börner zum Thema Aufhängung der Ringpanzerbeinlinge gefunden:
http://www.tempus-vivit.net/taverne/thema/Kettenbeinlinge#125
http://www.albrechts.se/forum/viewtopic.php?f=27&t=75&start=20#p608

Seine These, dass sich aus dem Lendenier als kleinem Gürtel ab dem 14. Jahrhundert ein gepolsterter Gürtel entwickelte, würde ich um den Einwurf ergänzen, dass die "Trennlinie" von Oberkörper und Beinen in Bezug auf die Kleidung im 14. Jahrhundert ja langsam nach oben rutschte. Wenn ich den Beinlinggürtel (mal hypothetisch angenommen) über längere Unterhemden ziehe, brauche ich vielleicht noch nicht soviel bzw. gar keine weitere Polsterung. Wenn im 12./13. Jahrhundert eh noch keine weiteren Beinpanzerungen außer dem Ringpanzer dazukommen, mag das sogar funktionieren. Die Beleglage ist allerdings wie immer dünn, man müsste mal die Probe auf's Exempel machen und schauen, in wie weit Lendeniere sonst als Gürtel erwähnt werden.
Titel: Re:Kettenbeinlinge und Polsterung
Beitrag von: William am 04. August 2012, 17:08:59
Moment mal, steckt nicht auch im Wort "Unterhose" eine "Hose"? Sind Unterhosen etwa auch Hosen?  :P Entschuldige, das bot sich gerade an, aber ich würde die Theorie nur mit Vorsicht genießen, weil das zu weite Felder zusammenzieht. Breeches bezeichnet ja auch Kniebundhosen und die müssen gar nichts mit Pferden zu tun haben.


Genau das meine ich ja - was wir heute unter einer "Unterhose" verstehen, muss nicht zwangsläufig auch im Mittelalter diese Bedeutung gehabt haben.

Wenn es, wie heute, mehr aus hygienischen Gründen üblich gewesen wäre einen "Schlüpfer" zu tragen, dann wäre dies doch auch für Frauen sinnvoll gewesen (bin da nicht so bewandert in Frauenkleidung, aber ich glaub die trugen die wohl eher nicht - oder?)
Also wenn wir mal gedanklich von der Unterhose als Hygienewäsche weggehen, dann können wir tatsächlich trennen in Unter- und Hose.
Dabei ist die Bruche ja im eigentlichen Sinne auch gar keine "unter"- Hose, denn sie wird ja als sichtbares und einziges Mittelteil getragen!

Auch stellt sich ja immer wieder die Frage warum man von der "richtigen" römischen oder keltisch/germanischen Hose zugunsten der Bruche und Beinlinge abging.

Die Kombination aus Bruche und Beinlingen ist ja eigentlich nur eine Dreiteilung der "kompletten" Hose - warum?
Der Herstellungsaufwand ist doch größer!
Wenn wir uns den Grund dieser Dreiteilung erschließen könnten, kämen wir der Sache evtl. etwas näher.

Ich spekulier mal etwas, was diese Gründe angeht:

1. der am meisten durch Sitzen und Verschmutzen beanspruchte Teil der Hose wird aus einem billigeren Stoff hergestellt und ist somit kostengünstiger auszutauschen - würde zu den Darstellungen von Bauern auf dem Feld in Bruche passen - die guten Beinlinge werden bei schmutziger Arbeit geschont - der Mittelteil ist somit ein "Wegwerfartikel".

2. Der "Hosenmittelteil" - also die Bruche kann dem Bedarf angepasst werden - also z.B. die von einigen Autoren vermutete Reitbruche - die sicherlich strapazierfähiger und weniger faltig war als die "weiche" und bequem weite Hausbruche - somit kann ich meine "guten" Beinlinge immer tragen, aber die Bruche wird halt dem Bedarf angepasst.

Der Adelige, der ausreiten will, tauscht einfach seine bequeme Hausbruche gegen eine strapazierfähige Reitbruche und im Kampf dann gegen eine Polsterbruche.

Damit wären gleich mehrere Ungereimtheiten erklärbar - also wäre eben auch eine "Polsterbruche" und/oder "Polsterbeinlinge" erklärbar, wie sie z.B. als Senftenier im "Willehalm" beschrieben wird! (Später wurden daraus dann die Diechlinge über der Kette)

Auch wäre die Kombination einer "Reitbruche" mit Polsterbeinlingen eine mögliche Alternative - somit könnte man in der Dreiteilung quasi in neudeutsch ausgedrückt eine "Multi-Funktions-Hose" sehen, was eben nur durch die Teilung machbar ist.
Das wäre ein plausibler Grund warum man von der einteiligen Hose abging und später bei den Plattenrüstungen bzw. ohne Rüstung wieder zu den "normalen" einteiligen Hosen zurückkam. Denn da war diese angepasste Austauschbarkeit nicht mehr nötig.

Es ist in der Literatur dann eben trotzdem immer NUR eine Bruche und weil es unschicklich war diese zu zeigen wird eben auch in den Texten nicht weiter darauf eingegangen.......

Wie gesagt ich spekuliere nur, beziehungsweise mache eine Art "Brainstorming" um mal anders an das Thema heranzugehen - wir haben ja schon öfter erlebt, das es manchmal nur einer etwas anderen Sichtweise bedarf um sich einem Thema weiter zu nähern. Es ist also nur eine Idee - noch nichteinmal eine These! Aber evtl. fällt ja noch jemandem etwas dazu ein, wenn man es mal so rum angeht!

Gruß
William
Titel: Re:Kettenbeinlinge und Polsterung
Beitrag von: Lancelot Graf von Rothenfels am 06. August 2012, 11:20:19
Im Namen der Moderation des Forums möchte ich daran erinnern, dass Provokationen in welcher Weise auch immer ( Smilies, zweideutige Andeutungen usw. ) zu unterlassen sind. Wir wollen konstruktiv über Dinge diskutieren und nicht die Ansichten und Spekulationen anderer Forenmitlieder ins Lächerliche ziehen lassen.
Dies bitte als kurze Erinnerung zu sehen !!!

Danke und Grüße
lance
Titel: Re:Kettenbeinlinge und Polsterung
Beitrag von: Cornelius am 06. August 2012, 13:19:19
Ich spekulier mal etwas, was diese Gründe angeht:

1. der am meisten durch Sitzen und Verschmutzen beanspruchte Teil der Hose wird aus einem billigeren Stoff hergestellt und ist somit kostengünstiger auszutauschen - würde zu den Darstellungen von Bauern auf dem Feld in Bruche passen - die guten Beinlinge werden bei schmutziger Arbeit geschont - der Mittelteil ist somit ein "Wegwerfartikel".
...bzw. der leichter zu reinigende Artikel. Soweit gehe ich auch mit, lediglich die ominöse Reitbruche würde ich mit Vorsicht gebrauchen, solange da nicht mehr vorliegt als Lehnharts Vermutung (ich habe vor ein paar Wochen erstmals in eins seiner Bücher reinblättern dürfen und da war mir sogleich irgendetwas Halbgares aufgefallen, aber ich habe leider noch nicht geschafft, mich damit näher zu beschäftigen). Die Frage ist ja auch, wie notwendig so eine Reitbruche überhaupt ist und ob die vielen Falten auf den Illustrationen nicht eher hochmittelalterlichem Manierismus geschuldet sind. Außerdem – den Aspekt bloßer Mode sollte man wohl nie unterschätzen. Mit einzelnen Beinlingen kann man spontan mehr experimentieren als mit einteiligen Hosen; ich würde da nicht verlangen, überall einen praktischen Sinn zu suchen.

Während das Lendenier wohl ziemlich eindeutig die gürtelartige Befestigung für Eisenhosen war (selbige rutschen im Willehalm auf die Sporen, wenn man sie vom Lendenier löst), scheint Senftenier in etwa das gleiche zu sein, weniger Polsterbeinling oder "Diechling". Vgl. hier, Artikel ab S. 111 (http://archive.org/details/neuphilologische1617uusfuoft). Darin gleichzeitig eine Polsterbruche zu sehen hielte ich für wackelig, denn in Willehalm 231,25 sieht das ein wenig nach Rüstungsverteilung aus und ich denke nicht, dass man ohne weiteres jemandes Kampfunterhosen ansich genommen hätte.... Aber ich habe gerade keine Online-Ausgabe einer neuhochdeutschen Übersetzung gefunden.

PS: Das Forum speichert bei automatischer Abmeldung (trotz mehrer Klicks auf "Vorschau"!) den aufgesetzten Artikel nicht wie die vBulletin-Foren; kann man das anschalten? Ich hatte gerade Glück, dass es mit der Zurück-Taste des IEs klappte, aber darauf will ich mich nicht verlassen.
Titel: Re:Kettenbeinlinge und Polsterung
Beitrag von: William am 06. August 2012, 15:19:48
Die Frage ist ja auch, wie notwendig so eine Reitbruche überhaupt ist und ob die vielen Falten auf den Illustrationen nicht eher hochmittelalterlichem Manierismus geschuldet sind.

Das ist eben der Punkt an dem frühere Diskussionen im Sande verliefen - bzw. wegen der fehlenden Belege.

Wir hatten das Thema ja schon des Öffteren und das Problem waren eben immer mangelnde eindeutige Belege für/gegen eine Reitbruche oder Polsterbeinlinge - im Gegenzug dazu die eindeutige Notwendigkeit aus Sicht der heutigen Reiter hier im Forum!

Praktische Test heute sind zwar auch immer nur bedingt aussagekräftig, aber sprechen eben klar für eine Reitbruche und für eine Polsterung unter den Kettenbeinlingen (Es gab mal ein englisches Video im Netz, wo mit dem Schwert auf einen Schweineschinken gedroschen wird - mal nur mit Kette, mal mit Polsterung - und die Verletzungen waren mit der Variante "NUR_Kette" sogar noch deutlich heftiger als komplett ohne Kette.)

Dazu eben die Tatsache, das ansonsten ja unter jeder Kette eine Polsterung getragen wurde - Gambi, Polsterhaube und Polsterung unter den Fäustlingen, Parsche = Kettenrüstung für Pferde mit darunterliegender Polsterung aus Leinen und Leder - was ja darauf hindeutet, das die Problematik an sich schon bekannt war!

Meine Idee soll ja nur mal der Versuch sein über einen anderen Weg weiter zu kommen - kann sein das es eine Sackgasse wird - aber über den direkten Weg mit Beleg und Gegenbeleg sind wir in den letzten Jahren ja nie zu einem Ergebnis gekommen.

Das der Begriff breeches/Bruche über Jahrhunderte, bis heute eben, sehr häufig (nicht immer!) eine militärische oder zivile Reithose beschreibt, ist finde ich schon ein Hinweis, den man beachten sollte und der etwas weitergehende Recherche rechtfertigt.
In anderen historischen Forschungsfeldern - z.B. Germanistik/Kelten/Wikis etc. - wird sehr viel über die Etymologie eingegrenzt.

Wie gesagt, es kann sein das uns auch das überhaupt nicht weiter hilft - aber ich denke das es nicht schaden kann einfach mal über andere Wege vorzustoßen, auch wenns am Ende dann möglicherweise doch nicht weiter führt.

Ansonsten kauen wir womöglich nur die alten Argumente wieder und wieder durch..........  

Mal eine andere Frage: Wie sah es denn bei der "Konkurenz" aus? Auf arabischer Seite gab es doch sehr viel Literatur, die in Detailfragen oft zuverlässiger sind als die christlichen Texte.
Natürlich können wir keine Rückschlüsse auf vergleichbare Kleidung bei den Christen ziehen, aber wie sieht es mit "Kriegsbeute" aus? Da wären auch weltliche Texte von Interesse - auch Inventarlisten aus weltlichen Magazinen, Einkaufslisten für weltliche Kriegszüge in Europa etc.

Wie auch immer - ohne neue Quellen werden wir da nicht weiter kommen!

Auch die moderne Literatur führt zu dem Problem kaum weiter, da dieses Thema, wohl aus den selben Gründen wie bei uns, bei den meisten Autoren immer ausgeklammert wird oder einfach nur frühere Vermutungen übernommen werden.

Beispiel "Senftenier": einige Definitionen lauten "Diechlinge" andere spekulieren wild und setzen es teils gar mit dem Gambeson gleich, aber genau eingrenzen kann es keiner - hab zumindest noch keine klar belegte Aussage dazu gefunden!
Aus dem "Willehalm" kann man nur rauslesen, das ein/dieses Senftenier wohl sehr wertvoll war, denn es heißt, das "...er einen Falken dafür hergeben würde..." (frei aus dem Gedächtnis zitiert).
Also ist es wohl eher unwahrscheinlich, das es sich dabei nur um einen gepolsterten Gürtel handelt! (Wie teuer war ein guter Gambi? Daraus könnte man evtl. Rückschlüsse ziehen wie teuer dann Polsterbeinlinge wären!)
Hinzu kommt, das die Begriffe auch zeitgleich in Verwendung waren.
(Hatte mal einen Text/Buch in dem beide drin waren - aber den jetzt zu finden.......puhhhhh! Oder war es gar auch im Willehalm?)

Etymologisch stammt Senftenier von "sanft" - was im Zusammenhang mit Rüstung schon als Polsterung interpretiert werden kann (kann!) - in "Lendenier" steckt das Wort "Lende" - was eben mehr auf einen "Lendenschutz" - also Hüftgurt o.Ä. hindeutet.
Daher werden diese beiden Begriffe, in der modernen Fachliteratur, meist nicht gleichgesetzt.

aus Willehalm:

"dâ der lendenierstric erwant, etlîchiu het ein semftenier, der noch ein sölheʒ gæbe mier, daʒ næm ich für ein vederspi"
"etslîcher nicht vollen die semftinîr zu den beinen gebunden het"
"was ein sælige hant, diu di riemen alle bant oben an daʒ senphtenier"
"oben an daz senftenier so wol gesteppet huffenier"

Anmerk.: "huffenier" wird meist mit "lendenier" gleichgesetzt - somit wird das Huffenier/Lendenier , über benannte Riemen (lendenierstric)  in die Ösen des Senftenier gebunden (alle bant oben an daʒ senphtenier), was schon sehr auf eine Beinpolsterung hindeutet.

http://www.hs-augsburg.de/~harsch/germanica/Chronologie/13Jh/Wolfram/wol_wi07.html
Titel: Re:Kettenbeinlinge und Polsterung
Beitrag von: William am 06. August 2012, 22:05:14
So mal weiter brainstorming:

Übersetzen wir mal ein wenig...

pair of breeches (engl.) npl. haut-de-chausses (franz.)  Chausses kommt etymologisch von Chauser - siehe dann Art. 315 : Körner übersetzt die franz. Regel (chauser) mit Reitstiefel - dabei müßte es wohl eher (Reit)hosen heißen - eben jene breeches = Bruche!
Der Übersetzungsfehler kommt wohl von der lateinischen Ursprungsform des franz. Chausser = calceo, was Schuh bedeutet.

Wenn nun die mittelalterlichen breeches ja Bruchen sind und in Art. 315 chausses gemeint sind, dann erklärt das warum in den Bekleidungsartikeln nirgends Reitstiefel erwähnt werden - dafür aber eben zwei Bruchen pro Bruder.

Nach Art 315 sollen die Brüder beim scharfen Ritt also chausses = Bruche tragen, aber kein Eisen an den Beinen!

Benedikt wollte das die Ordensbrüder (z.B. Cisterzienser) keine Bruchen im Ordensalltag trugen - nur auf Reisen!

Wenn man jetzt mal den Faden weiter spinnt - wer sagt denn das ein "Lendenier" wirklich nur ein Gürtel ist? In dem Begriff steckt ja das Wort Lende - die Lenden bezeichnen aber nicht nur physiologisch deutlich mehr als nur die Taille.
Wieso finden wir in den Ausrüstungsartikeln kein Equivalent zum Lendenier? Das die Brüder Kettenbeinlinge mit (Ritter) und ohne Fußteil (Sergeanten) trugen, ist eindeutig geregelt - aber woran haben sie es festgemacht?

Wie wäre es mal mit dem Gedankenspiel, das ein Lendenier viel mehr schützt als nur die Taille? Also z.B. auch das Gemächt und dementsprechend eher wie eine "kurze Hose" getragen wurde - mit den Lendenierstricken, an denen dann eben das Senftenier befestigt wurde (und eben bei Bedarf auch die Kettenbeinlinge). Das würde auch einen deutlich bequemeren Sitz und Gewichtsverteilung mit sich bringen, als nur ein Gürtel der auf den Hüften hängt.

Dann wäre das Lendenier ein Mittelstück wie wir es auch bei der zivilen Bruche finden und die Polsterbeinröhren (Senftenier) entsprächen den Beinlingen - in der Regel haben wir weder Lendenier noch Senftenier, aber wir haben Bruche und Beinlinge - je 2x!


Während das Lendenier wohl ziemlich eindeutig die gürtelartige Befestigung für Eisenhosen war (selbige rutschen im Willehalm auf die Sporen, wenn man sie vom Lendenier löst), scheint Senftenier in etwa das gleiche zu sein, weniger Polsterbeinling oder "Diechling".  Darin gleichzeitig eine Polsterbruche zu sehen hielte ich für wackelig

Genau! Keine Polsterbruche - aber Polsterbeinlinge!
Wenn nun ein Lendenier mehr dem Mittelteil einer Hose - also der Bruche - entsprechen würde, wäre das Senftenier eben mit den Beinlingen gleichzusetzen - nur eine andere/militärische  Variante der zivilen Dreiteilung aus Bruche und Beinlingen.
Somit könnte am Lendenier sowohl die Polsterung, wie auch die Kettenbeinlinge befestigt werden. (ich hoffe ich konnte es so erklären, das es bildich vorstellbar ist.)


Bedenkt, das dies eine Art online-brainstorming von mir ist - also wenn es etwas durcheinander geht, dann nur weil ich erstmal ein paar Sachen mal anders in "den Topf" werfe - nur um evtl. mal neue Gedankengänge hervorzubringen!!!!!! (Ist schwer schriftlich - in einer netten Runde käme man da sicher schneller und mit weniger Missverständnissen voran!)

Also das oben genannte ist nur eine Sammlung von Gedankenfetzen - KEINE These von mir, daher brauchen wir nicht darüber streiten ( ;D ), sondern sollten uns eben in brainstorming-art gegenseitig "Bälle" zuwerfen! ;)
Titel: Re:Kettenbeinlinge und Polsterung
Beitrag von: Cornelius am 07. August 2012, 10:11:15
Ich dachte eben, dass es irgendwo auch einen Hinweis gab, dass am Senftenier etwas festgebunden war – und ich könnte ja schwerlich die sogenannten Diechlinge oder Polsterbeinlinge an sich selbst festnesteln.

Ich habe mal meinen Germanisten angeworfen, vielleicht hat der noch eine Willehalm-Übersetzung bei sich. Außerdem scheint es mit der Bearbeitung der Regelübersetzung dringend zu werden. Hm...dann versuche ich mal, mich noch diese Woche ranzusetzen. Wenn wir einen deutschen (bzw. zwecks Inhaltsproblemen mit U-W und anderen Quellen verglichenen) Regeltext haben, in dem nur Originalbegriffe verwendet werden, müssen wir uns nicht mehr mit verschiedenen Interpretationen herumschlagen.
Titel: Re:Kettenbeinlinge und Polsterung
Beitrag von: William am 07. August 2012, 10:56:09
Das wäre wirklich sehr hilfreich.

Die meisten Fehlinterpretationen kommen durch immer wieder neu übernommene falsche, bzw. einseitige Übersetzungen, wo es mehrere möglichkeiten gegeben hätte.

Es wäre daher gut, wenn du dir die Mühe machst bei unklaren Artikeln alle möglichen Übersetzungen in Klammern dahinter zu setzen.


EDIT:  
Ich dachte eben, dass es irgendwo auch einen Hinweis gab, dass am Senftenier etwas festgebunden war – und ich könnte ja schwerlich die sogenannten Diechlinge oder Polsterbeinlinge an sich selbst festnesteln.

Aus dem Willehalm kann man nicht nur herauslesen, das Lendenier und Senftenier mit den Lendenierstricken zusammengebunden werden - wenn man die "vorsichtige" mittelalterliche Dichterotik mit einbezieht, kann man sogar herauslesen wo die beiden in etwa zusammengebunden werden:
"was ein sælige hant, diu di riemen alle bant oben an daʒ senphtenier"

Er beneidet also die "Hand", die die Riemen zusammenbinden darf - und betont eben noch das es oben am Senftenier ist , was eben der Oberkante der Beinlinge entspricht! ;D
(Für diejenigen die den Willehalm nicht kennen - es geht hier um die Rüstung von Kriegerinnen :D)

Somit wäre es auch schwerlich möglich, das mit "Senftenier" der "Gambi" gemeint sein kann, wie einige Autoren vermuten - denn oben am Gambi wird sicherlich nicht der "Gürtel" befestigt der die Kettenbeinlinge hält..........sonst würde man wie Quasimodo gehen...lol

Gruß
William
Titel: Re:Kettenbeinlinge und Polsterung
Beitrag von: William am 08. August 2012, 12:22:53
Unabhängig davon wie diese Diskussion nun weiter läuft, sollten wir in jedem Fall im Hinterkopf behalten oder uns bewußt machen, das eine mittelalterliche Bruche KEINE Unterhose im Sinne von Hygieneunterwäsche war!

Vielmehr stellt sie das austauschbare Mittelteil einer dreigeteilten (Ober-) Hose dar!

Die zeitgenössischen Darstellungen einer zivilen Bruche, in ihrem weiten Schnitt und aus dem weicheren Material - was man am Faltenwurf sieht - verleiten dazu in ihr eine Art "Boxershort" zu sehen. ;D

Sicherlich ist daraus später dann wirklich die heutige Unterhose entstanden, aber eine Unterhose im heutigen Sinn war zu der Zeit noch unüblich.

Somit sollten wir also im Vergleich zu heutiger Kleidung von einer "Hose" ausgehen und - um dann den Faden wieder aufzunehmen - deshalb spricht nichts dagegen, das eine solche Hose eben auch dem jeweiligen Bedarf und Zweck entsprechend angepasst werden konnte.
Was dann eben auch den Sinn der Dreiteilung - als Multifunktionshose - verständlich machen würde.
Also vergleichbar mit den modernen Hosen, die einen Reißverschluß am Oberschenkel haben, um daraus je nach Bedarf eine lange oder kurze Hose zu machen! ;)
Eine solche "Multifunktionshose" wäre quasi revolutionär im MA und würde die rasante Verbreitung und den Verzicht auf die, aus dem FrühMi ja bekannten, einteiligen Hosen erklären.

Daher kann eine Bruche, die ein Zisterzienser nur zum Reisen tragen durfte, also durchaus auch aus einem stabileren Material gewesen sein - bzw. die (Kampf-, Reit-, Reise-) Bruche eines Ritters auch ebenfalls dem Bedarf angepasst gewesen sein kann - vom Namen her bliebe sie in jedem Fall eine Bruche - da das ja eben nur den Mittelteil der dreiteiligen Hose bezeichnet und keine Unterhose!

Das würde dann erklären, warum es keine namentliche Erwähnung/Aufzählung einer Reithose oder Reisehose gibt und warum in Art. 315 die Templer beim scharfen Ritt eben eine (siehe Übersetzungen oben) Bruche - aber ohne Eisenhosen - tragen sollen. (Was ja von der Formulierung her in dem Artikel darauf hindeuten könnte -könnte! spekulativ! - das es eben sonst eher üblich war zu der (Reit-)Bruche, beim Reiten außerhalb des Trainings, auch die Kettenbeinlinge zu tragen. Ebenfalls hätten wir damit die Entsprechung zu den Regeln der Benediktiner und Zisterzienser, die eben eine Bruche nur zum Reisen - nicht im Ordensalltag genehmigen!

Wenn wir jetzt weitergehnd davon ausgehen, das ein Senftenier eben tatsächlich einer Beinpolsterung, in der Art von Beinlingen, entspricht und wir kein Schnittmuster/Bildbeleg für ein Lendenier haben (zumindest ist mir kein Beleg bekannt!), dann könnte in der Dreiteilung aus Lendenier (im Schnitt einer Bruche - als Hosenmittelteil!) die gleiche Dreiteilung wie bei Bruche und Beinlingen, im zivilen Bereich, gesehen werden.

Wenn dann Bruche+ Beinlinge aber eben nur ein Begriff für eine "Hose" ist, dann würde das auf die Kombination von Lendenier + Senftenier ebenfalls zutreffen und das würde erklären, warum wir diese - für die Kettenbeinlinge ja dringend benötigten Ausrüstungsteile - nicht in der Regel aufgeführt finden.

Wenn man diese Gedankenkette nun einmal logisch zu Ende denkt, wäre also die Bezeichnung "Bruche" eine allgemeine Bezeichnung für das "Hosenmittelteil" und die Bezeichnung "Lendenier" wäre eine genauere Spezifizierung für den Zweck dieses speziellen Hosenmittelteiles, eben als gepolsterte Schutzausrüstung und Befestigung für die Kettenbeinlinge, eines Gerüsteten!

Viele "wenn" dabei und immer noch rein spekulativ, aber ich finde gar nicht soooo weit hergeholt - zumindest wäre es ein guter Ausgangspunkt für eine weitere Recherche.

Es macht nun evtl. Sinn, von dieser Gedankenkette ausgehend, einmal die Regeln anderer (Ritter-)Orden zu überprüfen, um zu sehen ob wir dort eine Entsprechung finden.

(Als Gegenbeleg könnte man dann ganz klar eine Aufzählung sehen, in der in einem Satz/Artikel Bruche und Lendenier zusammen erwähnt werden!)

Gruß
William
Titel: Re:Kettenbeinlinge und Polsterung
Beitrag von: Alesandro von Hainichen am 08. August 2012, 22:03:53
Unabhängig davon wie diese Diskussion nun weiter läuft, sollten wir in jedem Fall im Hinterkopf behalten oder uns bewußt machen, das eine mittelalterliche Bruche KEINE Unterhose im Sinne von Hygieneunterwäsche war!

Vielmehr stellt sie das austauschbare Mittelteil einer dreigeteilten (Ober-) Hose dar!

Das würde ich jetzt nicht so komplett unterschreiben - spätestens ab dem späten 14 Jhd. war sie sehr wohl eine Unterhose in der modernen Form da die Hose bereits hinten und vorne geschlossen bzw. teilgeschlossen (Schahmkapsel) war und eine Bruche nichts mehr halten musste und wirklich nur noch zusätzliche Unterwäsche war..

Für die Zeit vorher gebe ich dir jedoch recht in diesem speziellen Punkt...
Titel: Re:Kettenbeinlinge und Polsterung
Beitrag von: Benedikt von Söllbach am 09. August 2012, 09:44:42
Zitat
Benedikt wollte das die Ordensbrüder (z.B. Cisterzienser) keine Bruchen im Ordensalltag trugen - nur auf Reisen!
Dieses Gebot hat sich lt. den Briefwechseln im 12. Jhd aber in nahezu keinem Orden durchgesetzt (vgl. Zimmermann - "Ordensleben").
Die Bruche kann, zumindest in unseren breiten, im 12. Jhd bei den templern als gegeben angesehen werden, auch deren Ordensregel sagt ja, dass die Bruche sogar nachts zu tragen ist. Der eine Artikel (dass Brüder, die im Palast [Anm. Jerusalem!] verbleiben, keine Bruche "drunter" tragen sollen) schießt da zwar quer, ich denke aber nicht, dass der durchgesetzt wurde.

Ich würde das Thema Kettenbeinlinge und Reitbruche gerne trennen, Wir wissen, dass es Kettenbeinlinge gab, aber Reitbruchen sind ziemlich spekulativ. Lasst uns erstmal versuchen, auf der Beleglage zu spekulieren. Ich glaube, dass wir da weiterkommen können.

Zum Thema "Jupel d' Armer" nicht in während der Buße tragen: Das ist mir auch schon aufgefallen. Tatsächlich ist es so (nachzulesen in meinem Büchlein und der Regel), dass Brüder unter Buße nicht am Waffendienst teilnehmen durften und ihre Ausrüstung einem anderen Bruder überantworten mussten. Sie durften nur im schlimmsten Notfall zu Waffen greifen.
Keine Waffen->Keine Kampfteilnahme->Kein Waffenrock.
Ich denke auch nicht, dass der jupel d' armer der Aketon ist, wenn es einen Aketon verbreitet gab, dann ist es der "Espaliers" und nicht der Jupel. Espaliers und jupel d armer sind aber zwei getrennte Kleidungsstücke in einem einzigen Artikel, also zumindest dort sicher zu unterscheiden.

Wie gesagt, es besteht auch die Wahrscheinlichkeit, dass einfach gar keine Polsterung unter Panzerhemd- und Beinlingen getragen wurde und die einzige Polsterung ein Polsterkragen war; zumindest halt im 12. und 13. Jhd.
Titel: Re:Kettenbeinlinge und Polsterung
Beitrag von: William am 09. August 2012, 13:27:54
Unabhängig davon wie diese Diskussion nun weiter läuft, sollten wir in jedem Fall im Hinterkopf behalten oder uns bewußt machen, das eine mittelalterliche Bruche KEINE Unterhose im Sinne von Hygieneunterwäsche war!

Vielmehr stellt sie das austauschbare Mittelteil einer dreigeteilten (Ober-) Hose dar!

Das würde ich jetzt nicht so komplett unterschreiben - spätestens ab dem späten 14 Jhd. war sie sehr wohl eine Unterhose in der modernen Form da die Hose bereits hinten und vorne geschlossen bzw. teilgeschlossen (Schahmkapsel) war und eine Bruche nichts mehr halten musste und wirklich nur noch zusätzliche Unterwäsche war..

Für die Zeit vorher gebe ich dir jedoch recht in diesem speziellen Punkt...

Stimmt - meine Zeiteingrenzung war nicht präzise genug!

Ab dem Moment wo entweder Diechlinge über der Kette getragen wurden und dann nachdem sich Plattenpanzerung durchsetzte war die Multifunktionshose nicht mehr nötig und entwickelte sich in zwei Richtungen - wieder einteilige (Ober-) Hose und Unterhose. Aber das spricht ja sogar noch für die Annahme, das es eben die Funktion war, die das Aussehen vorher bestimmte. (Danke für das Argument Alesandro!)

@Beni:

Ich vermute ja eben, das man diese beiden Dinge nicht unbedingt trennen kann - bisher wurde das immer strikt getan, aber wenn wir es eben gedanklich mal nicht trennen, sondern souzusagen eine gemeinsame Diagnose (Grund) für mehrere Symptome (Kleidungsstücke ) suchen, können wir zwar keine Belege herbeizaubern, aber evtl. die Huntergründe mal von einer anderen Seite beleuchten um so über einen anderen Weg zum Ziel vorzustossen. Nur ein Versuch.....nicht mehr!

Also wenn wir eben mal davon ausgehen, das die Bruche nicht immer und unbedingt ein weißer "Schlabberboxershort" war, sondern das was sie ja eigentlich ist - ein Hosenmittelteil - dann käme dies eben für mehrere Funktionen (Arbeits-, Reise-, Reit- und Kampf-/Polsterhose) in Frage!
Dabei muß sie ja nichteinmal gepolstert gewesen sein (Da stimme ich dir zu! Das würde dann auch den hohen Wert eines tatsächlich gepolsterten "Senfteniers" im Willehalm erklären!)

Also mehr wie eine heutige "Arbeitshosen", aus einem stabileren Material - evtl sogar mit Lederbesatz zum Reiten (eben der Funktion angepasst!) und daher dann auch die Fortführung des Namens für spätere Militärhosen und Reithosen -  bis heute !
Diese "Fortführung" der Bezeichnung passt einfach nicht zu einem "Schlüpfer" ;D

Generell geht es eben nur darum in der Bruche nicht mehr nur den "Ma-Schlüpfer" zu sehen - den es ja auch gab und wo zweifellos später der moderne Schlüpfer draus entstanden ist!

Bei Bewaffnung und Rüstung allgemein, ist es natürlich damals nicht anders gewesen wie heute: Es gab immer die absolut beste Idealrüstung, aber die konnte sich kaum jemand leisten.
So werden manche nur einige wenige gute Teile gehabt haben und andere gar nix - sehen wir ja auch in diversen zeitgenössischen Abbildungen - wobei diese ja sogar schon idealisiert sein werden und trotzdem finden wir Kämpfer mit wenig oder gar keiner Rüstung im Kampfgetümmel.

Also klar - der vollgerüstete Ritter mit Ganzkörperpolsterung war sicher schon damals ein kaum erreichbares Ideal, aber andererseits waren die Templer dafür gerühmt und bekannt eben immer die besten Waffen, Rüstungen und Pferde zu haben (siehe auch Aufnahmezeremonie) - das heißt, das wir davon ausgehen können, das zumindest die Ordensritter sehr dicht am Ideal waren.

Ferner haben wir ja eben diese für mittelalterliche Verhältnisse "rasante" Verbreitung der dreigeteilten Hose!

Nach Jahrhunderten einteiliger Hosen würde "plötzlich" die Kombihose so populär, das sie nahezu spontan europaweit die FrühMi-hose verdrängte - dann aber mit dem Auftauchen der Diechlinge und Plattenpanzerung genauso schnell weider verschwand!!!
Also eben nur in der Zeit getragen wurde, wo auch Kettenbeinlinge getragen wurden - Zufall?

An die "Modetheorie" mag ich deshalb  nicht so recht glauben, denn schließlich reden wir von einem Kleidungsstück, das nicht zu sehen war und bei dem es als unschicklich galt, wenn es doch mal zum Vorschein kam!
  
Wenn es also nur um die Optik und nicht um eine spezielle Funktion gegangen wäre, dann hätte man auch einfach an eine einteilige Hose Fußteile oder Stege nähen können
( auch Mi-Parti finden wir bei den späteren einteiligen Hosen) Das kann also nicht der Grund gewesen sein - zumal allein der Herstellungsaufwand für eine dreiteilige Hose deutlich größer ist und eben wie gesagt die zufällige Deckungsgleichheit zwischen der benötigten Funktion/zeitgemäßen Rüstung und der Dreiteilung der Hose.

Im Gegenzug gab es "Modewellen" deren Sinn viel offensichtlicher ist und die dennoch wesentlich länger für eine vergleichbare Verbreitung brauchten (z.B. Helm- u. Schildformen, Übergang von Kettenfäustlingen zum Plattenhandschuh etc.) - teilweise dauerte es bis zu 100 Jahre, bis diese Verbesserungen sich überall durchsetzten.

Also wieder die Frage: Was macht die Kombi aus Bruche und Beinlingen so "besonders", das sie sich so schnell und konsequent durchsetzte?

Und wieso ausgerechnet nur im HoMi - also in der Zeit wo die Kettenbeinlinge am populärsten waren!
(Sicher gab es auch schon im FrüMi Kettenbeinlinge - aber sie waren eher selten/teuer und daher die Ausnahme - im HoMi dann eben "Standard", wie wir ja an der Ordensregel sehen, wo auch für (meist nichtadelige) Sergeanten die Kettenbeinlinge Standard waren!)

Daher wieder meine Eingangsaussage: Wenn wir uns den Grund für die spontane aber nur kurzzeitige "Erfolgsgeschichte" von Bruche und Beinlingen erschließen können, kommen wir möglicherweise schneller zum Ziel! ;)

Aus eben diesen o.g. Gründen, möchte ich spaßeshalber mal nicht trennen!

Mag ja sein, das es genau diese gedankliche Trennung war, die uns immer in eine Sackgasse führte! (Weil wir eben "krampfhaft" nach belegen für oder gegen unterschiedliche Kleidungsstücke suchten!)
Natürlich ist es ebenso möglich, das es wirklich alles nur Zufall ist - aber dann machen wir eben eine "Ausschlussdiagnose" und grenzen auch dadurch weiter ein! :D

(Wie gesagt: sucht doch bitte mal mit nach einer Aufzählung in der Lendenier und Bruche, als getrennte Kleidungsstücke, gemeinsam auftauchen - damit wäre diese Idee - zumindest teilweise - vom Tisch!)
Titel: Re:Kettenbeinlinge und Polsterung
Beitrag von: Benedikt von Söllbach am 13. August 2012, 17:06:57
Von einer anderen Ecke nochmal etwas Querfeuer:
Was meine Recherchen ergaben, ist die Bruche nicht mit der Hose gleichzusetzen. Das Equivalent zur frühmittelalterlichen Hose sind die Beinlinge ("Hôsen" im MhDt. kommt nicht von ungefähr) und nicht die Bruche. Mir sind auch dreiteilige Bruchen fürs HoMi nicht bekannt; die Bruche ist etwas anderes als nur ein weiterer Teil der Hose!
Die Entwicklung der Bruchen und Beinlinge verlief zwar parallel, aber wohl nicht direkt zusammenhängend; so gab es im Homi sicherlich Menschen, die zwar keine Bruche, dennoch aber Beinlinge anhatten. Deutlich merkt man das bei den Orden, bei denen teilweise die Bruche (nicht aber Beinlinge) verboten waren bzw. nur bei Reisen ausgegeben wurden. Ich vermute da außerdem einfach mehr "zwiebelschalenprinzip", vielleicht des Hochmittelalterlichen Temperaturmaximums wegen.

Auch deine Argumente bei "nicht zu sehen" kann ich nicht stützen:
Das "unschickliche" kann man nur für die gehobenen Gesellschaftsschichten, bei denen lange Kleider usus waren, annehmen. Bei der arbeitenden Bevölkerung war die Bruche sicherlich sichtbar, das sieht man alleine schon bei den Feldarbeitern in der Kreuzfahrerbibel (nb. ist dort ein König beim großen Geschäft abgebildet, bei der die Bruche deutlich zu sehen ist)

Übrigens liegt auch eine falsche Grundannahme bei den Sergeanten zugrunde: Du schreibst, diese wären nichtadelig; das ist aber nicht korrekt. Korrekt ist, dass sie nicht-ritterlich waren, im Sinne der Ordensregel "Ritterbürtig=zwei Generationen vorher waren Ritter". Es finden sich sehr wohl hochrangige Adelige unter den Sergeanten des Ordens.

Zum Thema Bruche schreibt Zimmermann noch etwas ausführlicher; aber leider nur in Bezug auf die Orden. ich hab das glaub ich im Büchlein als Fußnote, bitte selber mal nachblättern (mein Exemplar ist noch tief im Umzugskarton versteckt).
Die "spontane" Teilung der einteiligen Hose liegt glaube ich auch bei den Römern begründet, da nahm das nämlich seinen Anfang. Ich könnte mir tatsächlich vorstellen, dass das eine Anpassung ans wärmer werdende Klima war.
Titel: Re:Kettenbeinlinge und Polsterung
Beitrag von: William am 13. August 2012, 20:15:34
. Das Equivalent zur frühmittelalterlichen Hose sind die Beinlinge ("Hôsen" im MhDt. kommt nicht von ungefähr) und nicht die Bruche.

..und wo werden die Beinlinge dann festgemacht?  Kennst du ein Bild auf dem das Gemächt dann zwischen den Beinlingen baumelt? Sicher ist Bruche nicht gleichzusetzen mit Hosen - aber sie biildet eben das Mittelteil/Verbindungsstück zwischen den Beinlingen, die ohne wohl nur unter langen Gewändern getragen werden können. Aber genau das habe ich ja auch geschrieben - wenn in den Orden nur auf Reisen Bruchen getragen werden sollten (sollten! Also egal obs durchgesetzt wurde oder nicht!) dann setzt das ja voraus, das man die Beinlinge auch ohne Bruche tragen kann - nur woran waren sie dann festgemacht? An einem Lendenier? Das ist ja eben die Frage: War ein Lendenier sicher ein anderes Kleidungsstück? Gibts dafür einen Beleg?


Zitat
Mir sind auch dreiteilige Bruchen fürs HoMi nicht bekannt;

Hä? Das verwirrt mich jetzt! Was meinst du mit dreiteiliger Bruche??
Ich meinte mit Dreiteilung immer Bein links - mittelteil - Bein rechts = dreiteilig

Zitat
die Bruche ist etwas anderes als nur ein weiterer Teil der Hose!

Jaaa davon gehen wir immer aus - aber wer sagt das? Ist das evtl. nur eine unbewußte moderne Interpretation, weil die Bruche eben mehr wie ein Boxershort aussieht? ;)

 
Zitat
Die Entwicklung der Bruchen und Beinlinge verlief zwar parallel, aber wohl nicht direkt zusammenhängend; so gab es im Homi sicherlich Menschen, die zwar keine Bruche, dennoch aber Beinlinge anhatten.

siehe oben - woran waren die Beinlinge dann befestigt?
Das ist eben auch eine der Fragen die man in dem Zusammenhang klären muss! (Denk dran, ich verteidige hier keine These - ich weiß´selber nicht wo wir ankommen - es ist ein gemeinschaftliches "was wäre wenn" denken - oder Neudeutsch "brainstorming"!) ;D


Zitat
Deutlich merkt man das bei den Orden, bei denen teilweise die Bruche (nicht aber Beinlinge) verboten waren bzw. nur bei Reisen ausgegeben wurden. Ich vermute da außerdem einfach mehr "zwiebelschalenprinzip", vielleicht des Hochmittelalterlichen Temperaturmaximums wegen.
OK - das ist ja auch mein Gedanke - aber eben nicht nur Zwiebelschale - wobei es eben keinen Beleg für etwas anderes als den bruchen zwischen den Beinlingen gibt!

AAAAber mal angenommen es gab noch etwas anderes - wie sah es aus - gab es dann unterschiedliche Varianten für unterschiedliches Wetter - oder gar für unterschiedliche Funktionen ?(was ja letztlich nur eine andere Umschreibung ist!)
Also wenn du sagtst es gab evtl unterschiedliche ...........nennen wir es mal "Ersatzbruchen" für unterschiedliche klimatische Bedingungen, dann ist das im Endeffekt auch nichts anderes als "Ersatzbruchen" für unterschiedliche Einsatzzwecke........ :D
Damit sind wir an dem Punkt wo es spannend wird, denn wenn es das eine gab - warum nicht auch das andere!
Du hast glaub ich etwas flüchtig meine Posts gelesen - dort habe ich z.B. auch gesagt, das es ja schon reicht, wenn die Bruche nicht aus "locker-flockig-Feinripp" ist , sondern einfach mal aus schwererem Material!
Was hätten wir dann? Eine schwere Bruche - für schlechteres Wetter - aber auch zum ausreiten!
Polstern wir die dann noch, was haben wir dann? Eine noch wärmere Bruche - aber eben auch ein Polsterteil unter der Rüstung!

Wir reden also grad nur etwas aneinander vorbei, denn deine Variante mit "Klimaanpassung " ist vom Grundgedanken her das Gleiche wie mein "Anforderungsanpassung" - ich hoffe nun sind wir wieder auf einer Linie! ;)


Zitat
Auch deine Argumente bei "nicht zu sehen" kann ich nicht stützen:
Das "unschickliche" kann man nur für die gehobenen Gesellschaftsschichten, bei denen lange Kleider usus waren, annehmen. Bei der arbeitenden Bevölkerung war die Bruche sicherlich sichtbar, das sieht man alleine schon bei den Feldarbeitern in der Kreuzfahrerbibel (nb. ist dort ein König beim großen Geschäft abgebildet, bei der die Bruche deutlich zu sehen ist)

...und du bist sicher, das die Bauern so rumliefen? Oder will uns der Maler damit nur sagen: "das ist ein dummer armer Leibeigner" - " das ist ein Adeliger"  :o
Spaß beiseite - aber auch das habe ich ja erwähnt - das der Bauer eben die Kombi aus Bruche und Beinlingen als Arbeitskleidung trägt - das wäre aber wieder nur eine andere Funktion, denn wenn der Bauer sie als Arbeitskleidung trägt, warum dann nicht der Ritter (im Material angepasst!) als Kampfausstattung?

Ich glaube du hast die Fragestellung noch nicht ganz nachvollzogen - es geht ja eben darum, das die Bruche durchaus unterschiedliche Funktionen (evtl. auch Aussehen) und Wettervarianten gehabt haben kann - soweit gehen wir ja konform - aber es war dann eben immer trotzdem in Aufzählungen, Beschreibungen und Ordensregel nur eine Bruche!!!!!!!
Darum finden wir eben keine explizit genannte "Winterbruche" oder "Reisebruche", oder eben die "Reitbruche"!!
Weil es eben immer nur eine Bruche war! Aber eben vom Material her dem Bedarf angepasst! (Genau das ist ja die Idee dahinter - darum spreche ich von einer "Multifunktionshose"!)

Zitat
Übrigens liegt auch eine falsche Grundannahme bei den Sergeanten zugrunde: Du schreibst, diese wären nichtadelig;

Nö! Ich schreibe "meist nichtadelig" und das kann man sehr schön nachvollziehen, wenn man sich die überlieferten Namenslisten der europäischen Komture anschaut - viele "Müller, Meier , Schulze - also nicht wörtlich gemeint  ;D
Aber eben überwiegend nichtadelige Namen- in anderen Threads habe ich ja auch immer ganz klar gesagt, das es sehr wohl auch Adelige ohne Ritterstatus unter den Sergeanten gab! Sry - wenn ich das nicht deutlich genug formuliert habe, aber du solltest wissen, das ich sonst ja immer gegen das "Kleinmachen" der Sergeanten - als Untergebene der Ritter wettere! ;)

Zitat
Die "spontane" Teilung der einteiligen Hose liegt glaube ich auch bei den Römern begründet, da nahm das nämlich seinen Anfang. Ich könnte mir tatsächlich vorstellen, dass das eine Anpassung ans wärmer werdende Klima war.

Das wäre interessant - wie gesagt es ist keine Aussage, was ich hier in den Raum werfe, sondern eine Frage! Also wenn es da schon so etwas gab, kämen wir darüber evtl. näher an die eine Grundfrage, nach dem "Warum!"

Aber mit den Römern kenne ich mich fast gar nicht aus - gibt es da Quellen? Ausrüstungslisten für Legionäre, wo auch bereits so eine Dreiteilung zu finden ist? Evtl. sogar einen Hinweis warum? Das ist eine gute Spur!

Die römischen Legionäre haben in vielen unterschiedliche Klimazonen gekämpft/gelebt - genau wie die Ordensbrüder! ............und wie gesagt eine "dickere Bruche" hällt eben nicht nur die Familienjuwelen besser warm, sondern schützt auch gleich noch vor einem fiesen Abrieb beim Reiten oder bösen Tritten von übellaunigen Barbaren! ;D ;D ;D ;D


Gruß
Will
Titel: Re:Kettenbeinlinge und Polsterung
Beitrag von: Cornelius am 25. August 2012, 16:11:53
Ich missbrauche dieses Thema kurz als Memo, da ich kein passenderes mit wenigstens ansatzweise aktuellen Beiträgen gefunden habe:

vorsichtiger Beleg für abgesteppte (Polster-?) Kleidung unter dem Hauberk (http://warfare.uphero.com/Medieval/Felim_Oconnor-Dominican_Priory_of_St_Mary-County_Roscommon.htm)

Es ähnelt einem der wenigen anderen Belege für Aketons unterm Hauberk, wo sie ähnlich längs abgesteppt waren.
Titel: Re:Kettenbeinlinge und Polsterung
Beitrag von: Benedikt von Söllbach am 28. August 2012, 09:49:18
Zuerst dachte ich "Naja, das könnte auch stilisierter Faltenwurf sein", aber die Arme machen das doch eine ganze Nummer eindeutiger.
Titel: Re:Kettenbeinlinge und Polsterung
Beitrag von: Cornelius am 09. September 2013, 12:31:45
Und schon wieder eine Memo, diesmal zu Schnürungen für geschlossene Ringpanzerbeinlinge: http://www.myarmoury.com/talk/viewtopic.php?p=264568#264568

Außerdem ist es interessant, dass es bei dem Fund, der aufs 15. Jhd. datiert wird, spezielle größere vernietete Ringe fürs Durchfädeln der Lederschnürung (vermutlich Wild, also Hirsch etc.) gegeben hat. Schnürungen ansich scheinen in dieser Zeit bevorzugt ziackzackförmig (also mit einer sich spiralförmig windenden Schnur) ausgführt worden zu sein.

Außerdem muss ich kurz noch diese Seite vermerken: http://www.kostym.cz/Anglicky/obsah.htm Es ist schon erstaunlich, wieviel Rekonstruktionsarbeit wir uns sparen könnten, wenn wir nur über die existenten Funde bescheid wüssten. Da liegen komplett erhaltene Beinlinge in den Beständen, teilweise mit Gürtelfragmenten (wie oben in dem Thema), das muss man sich "nur" mal näher anschauen und schon ist alles Suchen nach Schnittmustern erledigt.
Titel: Re:Kettenbeinlinge und Polsterung
Beitrag von: Heinrich von Hohenfels am 20. Januar 2014, 09:08:09
Ja belege für eine Polsterung unter den Beinlingen gibt es wohl keine. Im Gegensatz zu Polsterungen, sprich einem wattierten Waffenrock unter dem Kettenhemd.
Wie an anderer Stelle schon mal erwähnt teile ich die Theorie von Lehnart, dass der "Espaliers d'arms" ein Gambeson ist, der im Schulter-/Brustbereich stärker gepolstert ist.
Zu Polsterung unter den Kettenbeinlingen vieleicht noch kurz die Erwähnung von ledernen Beinlingen beim Deutschen Orden. Vieleicht hatten die Templer ja auch so was und es wurde halkt mal nicht erwähnt. Wäre vieleicht mal einen Test wert, wie sich lederne Beinlinge (zusätzlich zu normalen Beinlongen?) tragen lassen.
Titel: Re:Kettenbeinlinge und Polsterung
Beitrag von: Cornelius am 20. Januar 2014, 15:30:15
Wie sieht der Beleg in der Deutschordensregel genau aus? Beim Aketon unterm Ringpanzer bin ich immer noch der Meinung, dass die Belege so dünn sind, dass es wohl nicht als Standard anzunehmen ist. So richtig braucht man das Ding ja auch nicht, denn im Gegensatz zu beiden Knien, wenn ich auf einem Pferd sitze, kann ich den Oberkörper fast immer durch den Schild decken.

Ich muss mich bei genügend Zeit mal wieder an die Körner-Übersetzungsüberarbeitung setzen; da war in der Auflistung militärischer Gegenstände auch noch ein Ding, das ich bisher nicht kannte.
Titel: Re:Kettenbeinlinge und Polsterung
Beitrag von: Wilhelm von Sunderburg am 21. Januar 2014, 12:20:35
Da meine Spezialisierung auf einem Sarianten liegt, fällt wir spontan nur das ein.

Zitat
“Im übrigen steht ihnen alles zu, was die Ritterbrüder haben, mit Ausnahme des Roßpanzers, den sie nicht haben, ferner des kleinen Zeltes und des Kessels.
Sie können jedoch ein Panzerhemd haben ohne Panzerärmel, außerdem Eisenhosen ohne Schuhe sowie einen Eisenhut.”[7]

Quelle: [7] LEHNART, Ulrich: “Kleidung und Waffen der Früh- und Hochgotik ...”; S. 96
Titel: Re:Kettenbeinlinge und Polsterung
Beitrag von: Cornelius am 22. Januar 2014, 08:42:16
Mir geht es um den Originaltext. Ich bin bei der Überarbeitung der Körner-Übersetzung erst bei Artikel 181, habe aber schon genügend Beispiele für unpassende oder allein schon unterschiedliche Begriffsübersetzungen zwischen Körner und Upton-Ward im Vergleich zum altfranzösischen Originaltext gesehen, dass ich die Arbeit auf jeden Fall weiterführen will und zudem alle Rekonstruktion erst einmal auf Eis gelegt habe. Irgendwo habe ich noch die alte Deutschordensregel herumliegen, aber nur in einem sperrigen eingescannten pdf von GoogleBooks... außerdem kommt der Vergleich erst, wenn ich mit der Templerregel fertig bin; irgendwie muss man ja Ordnung halten.
Titel: Re:Kettenbeinlinge und Polsterung
Beitrag von: Cornelius am 10. Juni 2015, 10:00:24
Noch eine Memo, Roland hat gestern diese Abbildung aus einer HS des frühen 14. Jhs. aufgetan, auf der man rechts evtl. ein Lendenier/Huffenier sieht, also den (gesteppten?) Polstergürtel, an dem die Eisenhosen festgebunden waren: https://www.facebook.com/266934476773420/photos/a.445842678882598.1073741902.266934476773420/663820830418114/?type=1&theater
Titel: Re:Kettenbeinlinge und Polsterung
Beitrag von: William am 24. Mai 2016, 10:26:16
Wie sieht der Beleg in der Deutschordensregel genau aus? Beim Aketon unterm Ringpanzer bin ich immer noch der Meinung, dass die Belege so dünn sind, dass es wohl nicht als Standard anzunehmen ist. So richtig braucht man das Ding ja auch nicht, denn im Gegensatz zu beiden Knien, wenn ich auf einem Pferd sitze, kann ich den Oberkörper fast immer durch den Schild decken.

Ich muss mich bei genügend Zeit mal wieder an die Körner-Übersetzungsüberarbeitung setzen; da war in der Auflistung militärischer Gegenstände auch noch ein Ding, das ich bisher nicht kannte.

Gibt's hier was Neues? :)

Zu dem Bildbeleg:

Wenn das graue die Kettenbeinlinge sind und das gesteppte ein Lendenier, was ist dann das da zwischen?
Sind es Beinlinge unter den Kettenbeinlingen oder Diechlinge über der Kette?

Am einem Knie sieht es eher so aus, als wenn die Kette unter die Stoffbeine geht - am anderen genau anders?

Schwer zu sagen......



Zu meiner farblichen Hervorhebung:

Richtig - man könnte eher auf den Gambi verzichten, als auf eine Polsterung unter den Kettenbeinlingen!

Denn wie schon erwähnt wird der Oberkörper durch einen Schild geschützt - die Beine und Knie nicht!

Ganz im Gegenteil!

Dank der mittelalterlichen Reitweise mit gestreckten Beinen sind besonders die Beine gefährdet.....und damit auch die gesamte Existenz, denn ein Ritter, der auf Grund einer schweren Beinverletzung nicht mehr reiten kann ist für seinen Lehnsherren wertlos.

Daher bringt auch eine Lederhose unter den Kettenbeinlingen nicht viel, denn die Kette schützt nur vor Schnittverletzungen, aber nicht vor den Brüchen bei Hieben auf den exponierten Unterschenkel/Kniebereich!

Das bringt mich auf eine Idee - wie sieht es denn aus mit "üblichen" Verletzungen bei Rittern?
Es werden doch in letzter Zeit wieder vermehrt Skelettfunde untersucht!

Wenn man dort bei Rittern häufige Hiebspuren an den Beinen oder gar Brüche gefunden hat, dann würde das gegen die These eines gut geschützten Beines sprechen - andersherum würde es die These sogar untermauern. ;)
Titel: Re:Kettenbeinlinge und Polsterung
Beitrag von: Cornelius am 26. Mai 2016, 10:54:01
Wenn das graue die Kettenbeinlinge sind und das gesteppte ein Lendenier, was ist dann das da zwischen?
Sind es Beinlinge unter den Kettenbeinlingen oder Diechlinge über der Kette?

Am einem Knie sieht es eher so aus, als wenn die Kette unter die Stoffbeine geht - am anderen genau anders?

Schwer zu sagen......
Richtig, ganz genau ist das nicht auszumachen. Ich denke, der Herr rechts mit dem vermeintlichen Huffenier hat sonst nur Wollklamotten an (evtl. weil man ihn entwaffnet hat?). Wenn die Deutung stimmt, würde man das Rüstzeug derart anziehen, dass auch die Beinpanzerung "über" der Oberkörperbekleidung getragen wird und man nicht etwa alles für über und alles für unter der Hüfte getrennt anzieht. Ich habe mich auch immer gefragt, wie ich das denn nun genau mache, das Lendenier für die Eisenhosen übers Unterhemd geschnürt oder doch fein getrennt darunter? Hat man nicht ohnehin vielleicht beides gemacht? Ohne weitere Quellen schwer zu beurteilen.
Zitat
Denn wie schon erwähnt wird der Oberkörper durch einen Schild geschützt - die Beine und Knie nicht!

Ganz im Gegenteil!

Dank der mittelalterlichen Reitweise mit gestreckten Beinen sind besonders die Beine gefährdet.....und damit auch die gesamte Existenz, denn ein Ritter, der auf Grund einer schweren Beinverletzung nicht mehr reiten kann ist für seinen Lehnsherren wertlos.
Ich will mich da ohne ausführliche Versuche nicht äußern; habe vor einer Weile auch mal Arne Koets angeschrieben, der ja viel im Bereich Rossfechten forscht und jüngst sogar in unsere Zeit (https://www.facebook.com/media/set/?set=a.10154096682929761.1073741832.605814760&type=3) vorgedrungen ist. Vielleicht haben die längeren Schilde bis zum Beginn des 13. Jh.s ja ausgereicht und erst als sie dann kürzer wurden, kamen die Senfteniere und Kniekacheln (wie heißen die auf französisch? Poleyns?) auf.
Zitat
Das bringt mich auf eine Idee - wie sieht es denn aus mit "üblichen" Verletzungen bei Rittern?
Es werden doch in letzter Zeit wieder vermehrt Skelettfunde untersucht!
Dafür gibt es glaube ich nicht genug, außerdem lässt sich meines Wissens bei den bekannten Massengräbern kaum mehr unterscheiden, wer davon wie gekämpft hat und – wichtiger noch – ob die Verwundungen von Kämpfen, Massakern oder postmortalen Verstümmelungen stammen. Es gibt mindestens eine Untersuchung, die das ignoriert und dafür kritisiert wurde, denn seriös wissenschaftlich kann man bei solchen Sachen kaum auf Kampfverletzungen schließen.