Autor Thema: Landkarten  (Gelesen 7684 mal)

Johannes vom Gollenstein

  • Engagiert
  • ***
  • Beiträge: 850
Landkarten
« am: 25. Mai 2011, 11:45:51 »
Wer hat Informationen und/oder Fotos zum Thema Land- und Seekarten Mitte des 13. Jd.?

Reiste man überhaupt schon anhand von Karten?
Oder mehr nach Wegbeschreibungen ("Geh dahin, wo man Italienisch spricht..."  *smoky*)
Waren sie grob vergleichbar mit heutigen Karten?

Ich kenne nur diese Abbildungen mit Jerusalem als Mittelpunkt, aber danach kann man kaum gereist sein.
Allerdings habe ich auch in einer Doku gehört, speziell die Templer hätten auf ein reiches Arsenal an Karten (speziell Seekarten) zurückgreifen können. Aber bei diesen Dokus weiß man ja nie...

Ich würde gerne, wenn es sie denn gab, eine Karte vom Hl. Land zu dieser Zeit erstellen und bin für jede Hilfe dankbar!

Benedikt von Söllbach

  • Dienender Bruder
  • Administrator
  • Engagiert
  • ***
  • Beiträge: 3.361
  • Um 1193; Freier Ritterorden der Templer/Landsberg
    • http://beni.hallinger.org/history
Landkarten
« Antwort #1 am: 25. Mai 2011, 13:54:58 »
Die Karten, die ich bisher gesehen habe, sind alle nach dem Kreisschema mit Jerusalem in der Mitte angefertigt.
Man darf sich das Reisen aber auch nicht so vorstellen, wie heute; damals gab es nicht so ein dichtes Wegenetz, das die Navigation erschwerte. Man reiste von Ort zu Ort und die größeren Routen waren bekannt.

Ähnlich ging es bei Seereisen zu; soweit ich weiß (und ich weiß es nicht gut) schipperte man nicht einfach übers offene Meer, sondern hielt sich an den Küsten - das ist auch der Grund, warum man Seewege relativ einfach abriegeln konnte. Das war zudem auch wegen des Proviantes eine wichtige Sache. Die Bestimmung der geographischen Länge übrigens ist erst seit der Erfindung der präzisen Schiffsuhr verlässlich möglich.
Probate spiritus si ex Deo sunt. ("Prüfet den Geist, ober er von Gott kommt" - Paulus)
Rule of the day:

Bruder Kevin

  • Mitglied
  • **
  • Beiträge: 69
Landkarten
« Antwort #2 am: 25. Mai 2011, 14:15:08 »
Ich kenne auch nur die kreisrunden Karten.

Wie Ben schon sagte, dass Wege- und Routennetz war damals noch nicht so vielfältig wie heute.

Ich kenne bespw. Karten aus/ von Mainz und Umgebung, in der man sich an den Flusswegen orientierte und Städte mittels Punkten kennzeichnete.




Andere Karten hingegen orientierten sich an markanten Punkten wie bspw. Burgen oder Kirchen oder Kathedralen.

Vielleicht findest du ja hier
http://www.mittelalter-server.de/Mittelalter-Karten/Das-Mittelalter_ma_karten.html#Abbildungen
nen paar Anregungen.
"Ihr zieht mit dem Heer?" – "Der Platz meines Ordens ist beim Heer." – "Ihr geht in den sicheren Tod." – "Der Tod ist immer sicher."

Benedikt von Söllbach

  • Dienender Bruder
  • Administrator
  • Engagiert
  • ***
  • Beiträge: 3.361
  • Um 1193; Freier Ritterorden der Templer/Landsberg
    • http://beni.hallinger.org/history
Landkarten
« Antwort #3 am: 25. Mai 2011, 20:37:42 »
Kevin, das ist aber keine historische Karte, sondern eine aus unserer Zeit...
Probate spiritus si ex Deo sunt. ("Prüfet den Geist, ober er von Gott kommt" - Paulus)
Rule of the day:

Bruder Kevin

  • Mitglied
  • **
  • Beiträge: 69
Landkarten
« Antwort #4 am: 26. Mai 2011, 05:03:06 »
Jep.

Das sind "heutige" Karten aus der Mainzer Umgebung von der Marburger Uni, in der die Stifte, Kirchen, etc. der Zeit um 1030-1220 aufgezeichnet sind.

Habe diese verwendet, da diese für die Veranschaulichung am Besten geeignet sind. Hier sind die Flussnetze gut zu erkennen und auch die Idee, dass sich an markanten Punkten/ Knotenpunkten, etc orientiert wurde, ist verständlich anzuschaun.

Werde aber mal sehen ob ich noch Karten aus der gewünschten Zeit als Referenz finde.

Aus einem Seminar in Bonn kann ich folgendes beitragen:
Die Römer orientierten sich ursprünglich an den Städten, die sie auf dem Weg von einem Ort zum anderen passierten. Sie dachten linear und hielten im Laufe der Zeit ihr Straßennetz kartografisch fest.

Ein Überbleibsel stellt die so genannte "Tabula Peutingeriana" dar. Sie basiert u.a. auf die "Itinerarium Antonini", welche das römische Straßennetz mit ca. 17 Reiserouten darstellte. Ähnliches gab es auch für die Schiffsrouten in der "Itinerarium Antonini Augusti maritimum".

Die "Tabula Peutingeriana" zählt zum UNESCO-Weltdokumentenerbe und orientierte sich an Standorten der Legionen bzw. römischen Städten/ Herrschaftsgebieten und führte selbst Entfernungen untereinander auf.

Im Laufe der Jahrzehnte/ Jahrhunderte orientierte man sich weiterhin an markanten Punkten. Genaue Karten bezogen auf größere Gebiete gab es damals aufgrund zersplitterter Herrschaftsrechte kaum. Sie waren stets ungenau und orientierten sich an Bergketten, Flüssen, Hausgüter, Vogteien, Kirchen/ Stifte/ Klöster u.ä.

Einen Versuch der kartografischen Darstellung für das Mittelalter wurde für die Jahre 1138 bis 1254 durch Droysen vorgenommen.
"Ihr zieht mit dem Heer?" – "Der Platz meines Ordens ist beim Heer." – "Ihr geht in den sicheren Tod." – "Der Tod ist immer sicher."

Benedikt von Söllbach

  • Dienender Bruder
  • Administrator
  • Engagiert
  • ***
  • Beiträge: 3.361
  • Um 1193; Freier Ritterorden der Templer/Landsberg
    • http://beni.hallinger.org/history
Landkarten
« Antwort #5 am: 26. Mai 2011, 08:32:14 »
Bilder zu dieser römischen Karte gibts auf Wikipedia: http://en.wikipedia.org/wiki/Tabula_Peutingeriana
Allerdings hilft uns das fürs Mittelalter ja nicht unbedingt weiter (d.h. die ursprüngliche Frage); die Idee wird aber deutlich.
Danke auch nochmal für die Erläuterungen, Kevin!
Probate spiritus si ex Deo sunt. ("Prüfet den Geist, ober er von Gott kommt" - Paulus)
Rule of the day:

William

  • Engagiert
  • ***
  • Beiträge: 2.025
  • Komtur der Komturei Celle
Landkarten
« Antwort #6 am: 26. Mai 2011, 10:19:07 »
Die römischen Karten werden, wenn überhaupt in Klöstern verwahrt worden sein und am ehesten dem Hochadel - wenn überhaupt noch - bekannt gewesen sein.

Dagegen wurde das, zwar mittlerweile desolate aber immer noch rudimentär vorhandene, römische Straßennetz weiterhin genutzt und in einigen Ländern/Regionen, sogar per Dekret gepflegt (natürlich ohne die bauliche Fachkenntnis der Römer).

Eine Navigation wird also anhand dieser alten Römerstraßen - die ja dann auch fast zwangsläufig die wichtigsten Städte verbanden durchgeführt worden sein.

Man schloß sich eh meist in Gruppen zusammen - da auch die Rasthäuser, Märkte, Zollburgen etc. an diesen wichtigen Routen lagen, haben sich dort Reisende und Händler getroffen und gemeinsam den Weg fortgesetzt - oft sogar mit eigens dafür angeworbenen Söldnern und Führern.

Allein schon wegen der Kenntnis der Handelswege haben sich Reisende dann oft den Händlern angeschlossen - diese werden sicherlich keine Karten benutzt haben, sondern sie kannten die Wege aus Erfahrung.
Oft von früher Kindheit an, wenn sie ihre Väter begleitet hatten.

Fuhrleute , die professionell Waren transportierten, waren ebenso kundig und transportierten Waren oft nur über kleinere Strecken, aber teilweise auch sehr weit.

Gleiches gilt für die Binnenschiffer - alle Flüsse, die beschiffbar waren, hatten auch eine wirtschaftliche Bedeutung und wurden als Reisewege genutzt, deren Endpunkte dann meist größere Städte waren, die sich eben dort wegen des Handels etabliert hatten.

Auch Furten und die seltenen Brücken waren wichtige Knotenpunkte.

Seefahrer blieben meist in Sichtweite der Küste und kannten einfach die Küste "auswendig". Wichtig waren da natürlich besonders auffällige geografische Besonderheiten, aber auch relativ bekannte Wind und Meeresströmungen, da man noch nicht gelernt hatte gegen den Wind zu segeln.

Somit wird sich der Reisende eher in Gruppen unter fachkundiger Führung bewegt haben, bzw von Stadt/Markt/Hafen/Furt zum nächsten markanten Punkt durchgefragt und somit etappenweise fortbewegt haben.

Lokale Führer - z.B. bei der Alpenüberquerung werden auch zuweilen in der Literatur genannt.

Also wird so etwas wie eine Reiseplanung anhand einer Karte den meisten Menschen völlig unbekannt gewesen sein - bestenfalls große Heerzüge könnten über so etwas verfügt haben. Also z.B. wenn der Kaiser mal wieder mit einem Heer über die Alpen marschierte um die lombardischen Städte zu "befrieden" - ansonsten werden Karten keine nennenswerte Rolle gespielt haben.

Daher sind die erhaltenen Karten auch eher nach religiösen Gesichtspunkten ausgerichtet - mit Jerusalem als Nabel der Welt und weniger um danach zu navigieren.

Gruß
William
Ist es nicht klüger zu akzeptieren, dass man nichts Genaues weiß, als sich auf tönernen Füßen Wahrheiten aufzubauen?

Raimundus von Bilicis

  • Donat
  • Mitglied
  • **
  • Beiträge: 29
  • Recht neu in der Darstellung, immer am Austausch von Wissen interessiert. Zur Zeit strebe ich die Darstellung eines Handwerksbruders
    • Templerkomturei Pinningen
Landkarten
« Antwort #7 am: 26. Mai 2011, 18:24:05 »
Laudetur Jesus Christus,

Wenn mich mein Gedächtnis nicht täuscht, habe ich vor längerer Zeit mal was über Karten des Mittelalters gelesen. Wenn esum Landwege ging war man weitestgehend auf Erfahrung angewiesen. Jedoch war es im Bereich der Schifffahrt wohl schon so, das es sehr gut gehütete Karten gab mit teilweise sehr eigenwilligen Koordinatensystemen, die manchmal nur ein Kapitän nutzen konnte. Bis ins 15 Jhdt. zieht sich dies durch und Kolumbus hatte ja auch einige Auseinandersetzungen mit der "Gilde" der Navigatoren. Im Norden waren bei den Wikinigern wohl auch teilweise eine Art Karten bekannt und in Verbindung mit einer Art Breitenkompaß konnten sie sich damit bis nach Florida fortbewegen. Ich werde nächstens noch mal in meinen Infos nachforschen.
Man kann nicht jedes Problem mit dem Schwert lösen, manchmal braucht man die Axt dafür.

Richard von Vellberg

  • Engagiert
  • ***
  • Beiträge: 225
    • http://www.templer-vellberg.de
Landkarten
« Antwort #8 am: 27. Mai 2011, 11:36:15 »
Lt. Prof. Dr. A. Meyer (mittelalterliche Geschichte) und Prof. Dr. K. Ruffing (Antike) hier an der Uni Marburg (Fachbereich Geschichte) wurden bei Reisen auf dem Landweg in der Antike und auch noch im Mittelalter vor allem Itinerarien (Wegbeschreibungen) verwendet.
Es gab zwar teilweise Karten, die aber je nach Epoche nach wichtigen Orten ausgerichtet waren, aber lange nicht mit unseren heutigen Karten zu vergleichen sind, da diese Karten nur nach den Wegbeschreibungen der Händler angefertigt wurden, was bedeutet, dass der Hersteller der Karte möglicherweise noch nicht einmal selbst das Gebiet kannte. Hinzu kommt dass vor allem in der Antike, aber teilweise auch noch im Mittelalter wurden Geometrische Formen in die Geographie hineininterpretiert, so nahm man lange Zeit an, dass die Donau direkt auf gleichem Längengrad in das Schwarze Meer mündet wie der Nil ins Mittelmeer.
Die Professoren haben einige Karten in einer Übung vor einigen Wochen gezeigt, welche mit heutigen Karten kaum etwas zu tun haben und nach denen man auf keinen Fall hätte reisen können.
Dagegen waren die Itinerarien ziemlich genau und sehr gut zu verwenden, nach diesen Itinerarien könnte man auch heute noch reisen, allerdings müsste man sich natürlich das ein oder andere moderne Bauwerk wegdenken ;-)
Erst mit dem Spätmittelalter und der Neuzeit kommen halbwegs vernünftige Karten auf.

Wie es sich mit dem Seeweg verhält, kann ich leider nicht sagen, da dies nicht Teil der Übung war. Außer das man wie hier schon erwähnt wurde vor allem an der Küste entlang gefahren ist.

Gruß
Richard
"Zum Wohl der Menschheit muß jeder das Seine tun." Friedrich der Große, König von Preußen

Johannes vom Gollenstein

  • Engagiert
  • ***
  • Beiträge: 850
Landkarten
« Antwort #9 am: 07. Juni 2011, 08:33:44 »
Erst einmal muss ich mich entschuldigen, dass ich mich nicht schon früher wieder gemeldet habe. Hatte so viel um die Ohren und bin nicht dazu gekommen...

Vielen lieben Dank für die vielen Infos zum Thema! Ich werde mich in der nächsten Zeit eingehend da durch wühlen, ich habe noch nicht alles en detail gelesen.
Aber die Tendenz geht schon in die Richtung, die ich bereits vermutet hatte.

Vielen Dank!!!