Autor Thema: halboffene Kettenbeinlinge  (Gelesen 8017 mal)

Stephanus de Flozze

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halboffene Kettenbeinlinge
« am: 13. November 2010, 22:28:17 »
Gott zum Gruße,

hat vielleicht jemand Belege zur Hand, ob und wenn ja bei halboffenen Kettenbeinlingen (2. Hälfte 12. Jhr.?) u.U. auch Leder zwischen Kette und Beinlingen war? Diechlinge kamen ja wohl erst später auf. Bin derzeit auf der Suche nach einer praktikablen Lösung bei der Trageweise bzw. würde gerne von Erfahrungen bei "authentischer" Trageweise profitieren.
Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass selbst bei den entlastenden Schnürungen unter- oder oberhalb des Knies,  und einem breiten, zusätzlichem Gürtel an der Bruchenwulst das Ganze nicht unheimlich die Wolle der Beinlinge zerscheuert hat, von der fehlenden Dämpfung bei Schlägen/Stössen mal ganz abgesehen. Oder gibt es irgendwo in den Ordensregeln einen Hinweis auf lederne Beinlinge, die ja eher dem säkularen Adel vorbehalten waren?
Vorab schon mal vielen Dank!!


Stephan

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halboffene Kettenbeinlinge
« Antwort #1 am: 14. November 2010, 07:11:49 »
Belege hab ich grad keine zur Hand aber:
Wie wärs mit Polsterbeinlingen?

Benedikt von Söllbach

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halboffene Kettenbeinlinge
« Antwort #2 am: 14. November 2010, 13:20:47 »
Polsterbeinlinge lassen sich zu der Zeit nicht belegen, das ist ja genau das Problem.
Völlig ohne Belege gehe ich aber auch davon aus, dass Polsterung an den Beinen unterhalb der Kette getragen wurde, einfach wegen den praktischen Überlegungen.
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Stephanus de Flozze

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halboffene Kettenbeinlinge
« Antwort #3 am: 14. November 2010, 19:19:34 »
Also doch Leder? Und wie sieht es mit Lederbeinlingen überhaupt aus? In Zudammenhang mit letzteren würde mich mal interessieren, ob Berittene beim Orden hier auch eine entsprechende "Hirschlederene"/Reiterbruche hatten.

Benedikt von Söllbach

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halboffene Kettenbeinlinge
« Antwort #4 am: 15. November 2010, 08:47:31 »
Zumindest in der Regel taucht keine solche Bruche oder lederne Beinlinge auf. Die Erwähnungen der Beinlinge beziehen sich stets auf Wolle (bei Körner steht allerdings mal "leinerne Strümpfe", das ist aber wohl ein ÜBersetzungsfehler, der bei Upton-War schlüssiger ist (=>Wolle, passt auch zu den anderen Regelerwähnungen der Beinlinge)).

Die einzige Stelle, an der ich bisher von ledernen Reiterbruchen gelesen habe, ist der Lehnart, wo er spekulativ sowas vermutet. Belege habe ich noch keine gefunden.

Ich würde also momentan nicht annehmen, dass Lederbruchen oder -beinlinge bei den Templern in Gebrauch waren.
Aber eine andere Frage, weil mir bisher noch keine Lederbeinlinge über den weg gelaufen sind: welche säkularen Quellen kennst du dafür?
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halboffene Kettenbeinlinge
« Antwort #5 am: 15. November 2010, 11:46:08 »
Genaue Quellen oder gar Bildbelege sind mir auch noch nicht untergekommen, aber hier mal ein Zitat aus dem "Willehalm" (Wolfram v. Eschenbach, ca. 1210/1220):

"Der Landsherr konnte sehen, daß sie noch den Harnisch trugen. Nicht weit vom Gürtel hatte manch eine ein Senftenier[/B] ........"

Erklärung zu "Senftenier":

Die Leibrüstung (werc, halsberc, brünne, harnasch, rock, wer) bestand aus dem harnisch (auch panzier oder habergoel) und einem langärmeligen Kettenhemd. An diesem wurden außerdem noch Kettenbeinlinge und -fäustlinge befestigt, sowie eine Kapuze (koife oder hersenier), an der auch die finteile, die über Mund und Kinn gezogen wurde, saß.
Unter dem schweren Kettenzeug wurde polsternde Schutzkleidung (senftenier) getragen: der Lendengürtel (lendenier), der Schulterschutz (spaldenier) und besonders der kollier, ein Stehkragen zum Schutz des Halses.


Da hier geschrieben steht:.. nicht weit vom Gürtel....und dazu von dem Harnisch getrennt, könnte man hier einen Beleg für solche Beinpolsterung vermuten - aber eben leider nicht beweisen!

Von der Logik her macht es allerdings keinen Sinn unter der Kettenhaube, den Kettenfäustlingen, der Kettenrüstung (die ja nur Schnittschutz sind!) eine mehrlagige Polsterung zu tragen um dann die Beine quasi ungeschützt zu lassen!
Dabei sind es grade die Beine, die im Kampf gegen Fußkämpfer besonders gefährdet sind!

Also nur Spekulation, aber als These eigentlich ziemlich sicher! *smoky*

Daher meine Meinung::
 das was später als "Diechlinge" zusätzlich über der Kette getragen wurde, gab es in der Machart des Gambeson, eben auch unter den Kettenbeinlingen - alles Andere würde einfach keinen Sinn machen!

Wenn man bei dieser Polsterung dann noch den Gesäß- und inneren Oberschenkelbereich mit weichen Leder besetzt, bekommt man zu der Schlagsicherheit auch noch die "Antirutscheigenschaften", die eine gute Reithose bietet dazu.

Es wird wohl einen Grund haben, warum auch heute noch im englischen die Reithose, mit eben jenem Lederbesatz, "Breeches" - also auf deutsch Bruche - heißt!

Wenn denn nun im englischen nicht zwischen einer normalen Bruche und einer Reitbruche unterschieden wurde, mag das die Erklärung sein, warum diese nicht extra erwähnt wird.

So würde es meiner Meinung nach Sinn machen und wir hätten quasi Reithose und "Beingambi" in einem Stück - mit der Bezeichnung "Bruche", allerdings eben eine besondere Art von Bruche - für Panzerreiter eben!


Gruß
William
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Benedikt von Söllbach

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halboffene Kettenbeinlinge
« Antwort #6 am: 15. November 2010, 12:15:54 »
Man darf aber nicht vergessen, dass die Sättel früher anders konstruiert waren. Sie waren z.b. mitunter mit Stoff bezogen, nicht wie heute mit Leder, und vor allem hatten die Kriegssättel vorne und hinten markante Erhöhungen (mir fällt gerade der Fachbegriff dafür nicht ein, "Zwiesel"?), die eben den Reiter im Sattel hielten.
Vielleicht gab es die Notwendigkeit der "Antirutschbeschichtung" früher schlicht auch nicht?
Aber wir driften etwas vom Thema ab; disktuiert wurde das ja schon im Sattel-Thread: Sättel

Um nochmal zum eigentlichen Thema zurückzuführen:
Eine kombination halte ich nicht für wahrscheinlich; eine Polsterung unter den Panzerbeinlingen jedoch schon. Ob diese "Integriert" war, bleibt offen; ich nehme es aber an, weil das ja schon sehr Formgebend wäre.
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« Antwort #7 am: 15. November 2010, 12:32:57 »
Zitat
Original von Benedikt von Söllbach
...............mit Stoff bezogen, nicht wie heute mit Leder, ...........................Vielleicht gab es die Notwendigkeit der "Antirutschbeschichtung" früher schlicht auch nicht?
.............


Also ich kann dir nur raten, dich einmal mit Kettenbeinlingen auf ein Pferd zu setzen und dann im Galopp eine recht scharfe Kurve zu reiten! *jokely* Nur Fliegen ist schöner.... *jokely*

Stoff ist noch viiiiiiiiel rutschiger und mein Portugieser-Sattel kommt dem MA-Sattel schon sehr nahe - Form und Stoffbezug!

Das Gefühl mit Kettenbeinlingen darauf läßt sich am ehesten mit "Kugellagereffekt" beschreiben - fast unmöglich sich im Sattel zu halten! (evtl ein Grund für die spätere Einführung der Dichlinge?)

Ich denke schon das das zusammengehört - es wäre einfach unsinnig an so eine Beinpolsterung nicht auch gleich 3 Stück Leder zu nähen um dann sicher im Sattel zu sitzen! (egal ob nun fest an den Kettenbeinlingen oder separat anzuziehen...)

Gruß
William
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Benedikt von Söllbach

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halboffene Kettenbeinlinge
« Antwort #8 am: 15. November 2010, 13:08:41 »
Zitat
Portugieser-Sattel kommt dem MA-Sattel schon sehr nahe
Vom groben äußeren schon, aber hast du dir auf den Abbildungen die Sättel mal genauer angesehen? Dort gehen die Brücken vorne und hinten nämlich auch etwas über die Seite, sodass man sich gut einkeilen kann. Auch die Reittechnik war im MA anders als heute.

Und man kann auch bezweifeln, ob in einer Schwadron einer im schnellen Galopp eine scharfe Kurve reitet...

Nichts für ungut, aber ich finde, wir raten hier zu sehr. Wir sollten das außerdem auch im Sattelthread fortführen.
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halboffene Kettenbeinlinge
« Antwort #9 am: 15. November 2010, 19:29:24 »
Neben Gesprächen unter anderem mit DO-Darstellern (zwar 13. Jhr) bin ich auch beim Lesen eines Aufsatzes in einem SPIEGEL-Spezial "Die Welt der  Staufer" über die materielle Kultur der Staufer auf die Lederbeinlinge gestossen. Leider habe ich das Heft verliehen werde aber am Woe noch mal genau recherchieren und hierzu einen präzisen Litereaturverweis liefern.
In der Erzählung vom jungen Helmbrecht (Bauernsohn der [Raub]Ritter wurde) wurde- glaube ich mich zu erinnern- auch erzählt, dass der Vater ihm neben diversen anderen Sachen auch rote Lederbeinlinge schenkte...

In einem Tempus vivit Threat bin ich überdies noch über Folgendes
gestolpert:
The King's Mirror (Speculum Regale -- Konung's Skuggsja)  an English translation by Laurence Marcellus Larson. New York,  Twayne Pul. Inc. 1917, p. 181.

[My corrections appear in brackets and italics]

Your costume [clothing] you should plan beforehand in such a way that you come fully dressed in good apparel, the smartest that you have, and wearing fine trousers [hosen] and shoes. You must not come without your coat [kirtle]; and also wear a mantle, the best that you have. For trousers [hosen] always select cloth of a brown dye. It seems quite proper also to wear trousers [hosen] of black fur [leather], but not of any other sort of cloth, unless it be scarlet. Your coat [kirtle] should be of brown color or green or red, and all such clothes are good and proper. Your linen should be made of good linen stuff, but with little cloth used; your shirt should be short, and all your linen rather light. Your shirt should be cut somewhat shorter than your coat [kirtle]; for no man of taste can deck himself out in flax or hemp.

Benedikt von Söllbach

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halboffene Kettenbeinlinge
« Antwort #10 am: 16. November 2010, 08:19:58 »
Sowohl der Helmbrecht als auch der Königsspiegel sind aber zeitlich für dich zu weit hinten angesiedelt (1275-1300 bzw 1250+), obendrein ist der Königsspiegel nicht zentraleuropäisch...
Diese beiden Quellen sind zwar interessant, aber nicht von dir und mir nutzbar, allenfalls las Idee, nicht aber als Indiz oder gar Beleg :(

Interessanterweise stellt der Königsspiegel außerdem roten Wollstoff ("scarlet", d.i. Scharlach) über die Lederbeinlinge; "black fur" kann man außerdem auch mit "schwarzem Fell" übersetzen und das interpretiere ich eher als eine Referenz auf hochwertiges Rauchwerk, nicht auf blankleder.
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