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Schwert vs. Rüstung - der ewige Wettlauf zwischen Waffenwirkung und Schutz
Thomas W.:
Bei der Rüstungsentwicklung ging der Trend ab dem letzten Viertel des 13. Jhd. gezielt dahin, die Ringpanzer mit weiterer Schutzausrüstung zu verstärken. Der Plattenrock kam auf und des weiteren wurden auch einzelne Stahlplatten gezielt an den Ringpanzer gebunden. Im 14. Jhd. nahm die Entwicklung der Rüstungen dann "unter Hochdruck" ihren weiteren Lauf.
Die Schwertklingen erfuhren in dieser Zeit ebenfalls Anpassungen in verschiedene Richtungen. Während die einen der Meinung waren, dass es Waffen benötigt, die vorallem zum Stich optimiert sein müssten (Typ XV zum Beispiel), gingen zeitgleich andere den Weg und verfeinerten die Wucht- und Schnitteigenschaften der Schwerter (klassischstes Beispiel ist der Typ XIII) um den verstärkten Schutzwaffen auf diese Art "paroli" zu bieten.
Schnell war auch ein "Mittelweg" gefunden, der gute Schnitt- und Sticheigenschaften in einer Klinge vereinte. Auf diesen "Mittelweg" möchte ich in diesem Beitrag näher eingehen. Hier seht ihr mal drei verschiedene Typen von Einhandschwertern als Rekonstruktion, die diese Fähigkeiten besitzen.
(Bildquellen dieser drei Fotos: ich)
-der Typ XIV (hier bereits mit der selten zusehenden verstärkenden Mittelrippe zwischen Ort und Hohlkehle, jeweils links auf den Bildern zusehen) und einer sehr breiten Klingenbasis war der erste Typ, der diese beiden Eigenschaften vereinte. Primär wurde er laut Oakeshott aber noch zum "hauen und schneiden" benutzt. Laut ihm war sein primärer Gegner noch der Kämpfer in Kettenrüstung. Dieses Stück lässt sich auf 1300-1350 datieren.
-der Typ Typ XVI (Mitte) war dann die erste richtig bewusste Weiterentwicklung als "Allrounder", der dazu geeignet war Rüstungen "gemischten Types" anzugreifen. Da auf dem Schlachtfeld trotz verstärkter Panzerungen immer noch häufig Kämpfer in Kettenrüstung anzutreffen waren, bestand der Wunsch nach einer Waffe, mit der auch noch kräftig gehauen und geschnitten werden konnte, die Klinge aber auch bereits steif genug für Stiche war. Mit einem geänderten Klingenquerschnitt (weg von der komplett linsenförigen, hin zur -im vorderen Teil- rautenförmigen Klinge, die alle Typ XVI hatten) war dies nun beides möglich. Interessant ist, dass von diesem Typ auch sehr kurze Klingen als Fund (z.B. eine mit nur 53,3cm) existieren. Dieses Schwert lässt sich auf um 1300 bzw. das frühe 14. Jhd. datieren.
-der Typ XVIII (rechts) hatte später im 15. Jhd. gar keine Hohlkehle mehr, die Mittelrippe ging über die komplette Klingenlänge. Oakeshott beschreibt diese Waffen als die "Rückkehr der waren "thrust and cut swords". Er führt diese Entwicklung darauf zurück, dass im 15. Jhd. der verstärkte Einsatz von Feuerwaffen damit begann, die Plattenpanzerungen nach und nach vom Schlachtfeld zu vertreiben. Nun lag der Schwerpunkt nicht mehr nur darin, die "Lücke in der Rüstung" für den gezielten Stich zu suchen, sondern es konnte auch wieder vernünftig gehauhen und geschnitten werden. Laut Oakeshott war die Hauptverbreitungszeit dieses Typs von 1410 bis 1510. Das Original dieses Exemplares ist auf die 1420er Jahre datiert.
P.S: Entschuldigt die schlechte Bildqualität. Auf dem Handy sahen die irgendwie besser/heller aus.
Cornelius:
Das ist ne spannende Sache, über die wir vermutlich noch nicht annähernd genug wissen. Ich frage mich beim Typ XIV zum Beispiel, ob die Kürze der Waffe nicht auch dadurch begründet gewesen sein konnte, dass man das Ding besser an der Seite tragen konnte, ohne sich bei jedem Treppensteigen Gedanken um die Scheide machen zu müssen. Breiter wurde sie dann nur, um die Klingenpräsenz zu erhalten – ob Typ XIV-Schwerter nennenswert steifer sind, will ich bezweifeln, würde aber Roland Warzecha dazu fragen, denn ich hatte den Typ bisher nicht im Original in der Hand. Die anderen Typen (X, XII etc.) sind mitunter deutlich länger als manche Reproduktionen (vor allem die für's Reenactment mit klobigen schweren Klingen), so dass ich mir schon vorstellen kann, dass die vor allem für Kavallerie attraktiv sind, aber nicht, wenn man mit dem Ding ständig Wehrgänge rauf- und runterklettern muss. (Ich muss bei sowas immer an Säbel des 19. Jhs. denken, die auf der Quartseite nicht etwa deswegen weniger Bügel haben, weil man sich dort besser decken könne, sondern weil so ein breiter Korb an der Seite nervt oder sogar gefährlich wird, wenn man vom Pferd und mit dem Brustkorb darauf fällt.
So weit erst einmal meine Gedanken; den Typ XVIII (mal abgesehen von der beinahe-Doppelbelegung mit Typ XV, noch so ein Fall – wie auch X, Xa und XI – wo Oakeshott de facto ne Doppelbelegung hat) sehe ich aber schon mehr beim Kampf gegen Rüstungen als beim Schneiden... dafür sind diese Dinger (gerade die sog. Castillon-Schwerter) einfach zu wuchtig. Aber natürlich, notfalls geht auch das.
Thomas W.:
--- Zitat von: Cornelius am 01. Februar 2018, 15:21:34 ---Das ist ne spannende Sache, über die wir vermutlich noch nicht annähernd genug wissen. Ich frage mich beim Typ XIV zum Beispiel, ob die Kürze der Waffe nicht auch dadurch begründet gewesen sein konnte, dass man das Ding besser an der Seite tragen konnte, ohne sich bei jedem Treppensteigen Gedanken um die Scheide machen zu müssen. Breiter wurde sie dann nur, um die Klingenpräsenz zu erhalten – ob Typ XIV-Schwerter nennenswert steifer sind, will ich bezweifeln, würde aber Roland Warzecha dazu fragen, denn ich hatte den Typ bisher nicht im Original in der Hand.
--- Ende Zitat ---
Der Schutz der Scheide könnte eine These sein, ich glaube aber nicht daran. Der XIV ist nicht "immer" nur kurz. Es gibt auch frühe lange Exemplare (z.B. Solingen & Leeds) dieses Types. Deutlich "steifer" waren nur einige (nämlich die mit dem Mittelgrad), der Rest hatte ja noch komplett den selben Klingenquerschnitt (linsenförmig) wie die früheren Typen X, XI, XII uns XIII (inkl. Subtypen). Das eine relative kurze und sehr breite Klinge bei einem Stich grundsätzlich weniger "nachgibt", dürfte auch noch ein kleiner Vorteil des Typ XIV sein. Nachteil war halt die geringere Reichweite.
--- Zitat von: Cornelius am 01. Februar 2018, 15:21:34 ---Die anderen Typen (X, XII etc.) sind mitunter deutlich länger als manche Reproduktionen (vor allem die für's Reenactment mit klobigen schweren Klingen), so dass ich mir schon vorstellen kann, dass die vor allem für Kavallerie attraktiv sind, aber nicht, wenn man mit dem Ding ständig Wehrgänge rauf- und runterklettern muss.
--- Ende Zitat ---
Dazu hab ich neulich erst einen Beitrag in einem Nachbarforum geschrieben (werde ich hier auch noch nachholen). Es gab zwar auch kurze Exemplare, aber in der Regel waren die Schwerter des Hochmittelalters um 1m lang (Ulrich Lehnhart hat sogar eine Durchschnittslänge von 108cm fürs HoMi aus einer Auswahl an Schwertern ermittelt). Die Kopflastigkeit (und ja, sie waren kopflastig) ist meiner Meinung nach ein Phänomen, mit dem der damalige Kämpfer zurecht kam. Es lies sich schlichtweg nicht vermeiden, den die Klingen waren (im Vergleich zum Gehilz) sehr lang (im Schnitt ca. 83-88cm) und es wurden weit mehr "kleinere" Knäufe (die die Balance nicht verbesserten) verbaut, als das heute bei Nachbauten der Fall ist.
Ein "Reenacter" will bei "seinem Schwert" heutzutage in der Regel die bestmögliche Balance, ein möglichst niedriges Gewicht (erst Recht wenn damit gefochten werden soll) und einen "attraktiven" (meist grossen) Paranuss- oder Scheibenknauf. Das ist auch absolut ok so, war damals meiner Meinung nach aber nicht immer so von Bedeutung. Die HoMi-Blankwaffen waren primär für den wuchtigen Hieb konzipiert. Da war eine Kopflastigkeit der Klinge weit weniger ein Thema, als heute.
Ich denke auch nicht, dass man sich damals durch die umgegürteten Waffen in der Bewegung arg gestört fühlte (wenn man sie überhaupt so oft gegürtet trug, wie wir das heute vermuten?). Und wenn doch, war die Scheide (samt Schwert) binnen 2 sek mit einem Handgriff (zwei Finger reichen beim richtigen Knoten zum lösen) von der Hüfte ab- und (fast) genau so schnell wieder umgebunden. Da sehe ich weniger ein Problem.
Das eine lange Klinge, vom Pferderücken aus eingesetzt, ihre Vorteile richtig ausspielen konnte, unterschreibe ich so.
--- Zitat von: Cornelius am 01. Februar 2018, 15:21:34 ---So weit erst einmal meine Gedanken; den Typ XVIII (mal abgesehen von der beinahe-Doppelbelegung mit Typ XV, noch so ein Fall – wie auch X, Xa und XI – wo Oakeshott de facto ne Doppelbelegung hat) sehe ich aber schon mehr beim Kampf gegen Rüstungen als beim Schneiden... dafür sind diese Dinger (gerade die sog. Castillon-Schwerter) einfach zu wuchtig. Aber natürlich, notfalls geht auch das.
--- Ende Zitat ---
Teils sind die Unterschiede zwischen den Klingen nur sehr gering, dass stimmt. Teils sind sie aber wirklich sehr deutlich zu erkennen. Die meisten Klingen sind zu ihrer Zeit auf einen Einsatzzweck hin gezielt "spezialisiert" entwickelt worden. Dieses Thema finde ich persönlich mega spannend! Das aber notfalls mit egal welcher Waffe/Klinge auf den Gegner der in Reichweite war bzw. einen bedrohte, gewirkt wurde, halte für absolut plausibel.
Cornelius:
--- Zitat von: Thomas W. am 01. Februar 2018, 16:20:22 ---Der Schutz der Scheide könnte eine These sein, ich glaube aber nicht daran. Der XIV ist nicht "immer" nur kurz. Es gibt auch frühe lange Exemplare (z.B. Solingen & Leeds) dieses Types.
--- Ende Zitat ---
Das berührt eben gerade die Problematik der Doppelbelegung durch Oakeshott bzw. jeder zu engen Kategorisierung. Das Solinger Schwert ist meines Erachtens eher ein Typ XII, bei dem wiederum die Länge völlig normal wäre (danke übrigens für die Info bezgl. Klingenlängen, genau das war auch mein Eindruck). Wir müssen uns ja an den Originalen orientieren und nicht an einer späteren und inzwischen überarbeitungswürdigen Klassifikation.
--- Zitat ---Deutlich "steifer" waren nur einige (nämlich die mit dem Mittelgrad), der Rest hatte ja noch komplett den selben Klingenquerschnitt (linsenförmig) wie die früheren Typen X, XI, XII uns XIII (inkl. Subtypen). Das eine relative kurze und sehr breite Klinge bei einem Stich grundsätzlich weniger "nachgibt", dürfte auch noch ein kleiner Vorteil des Typ XIV sein. Nachteil war halt die geringere Reichweite.
--- Ende Zitat ---
Genau darauf wollte ich abheben: Der Typ XIV ist meines Erachtens nicht so viel steifer (obwohl auch die bloße Existenz oder das Fehlen eines Mittelgrates per se nichts über die Steifigkeit sagen, sondern nur die maximale Dicke der Klinge), als dass man es mit der besseren Stichwirkung bei Rüstungen erklären könnte. Die niedrigere Reichweite wird auch kein Grund gewesen sein, genauso wenig wie der Wunsch nach einer breiteren Klinge (denn die ist z. B. bei XII schon ausreichend, viel mehr als 6 cm braucht man nicht, um die Finger zu schützen, wenn man das Ding gut ausrichtet). Also bliebe demnach nur die Suche nach dem Grund, warum eine kürzere Klinge gut sein könnte. Praktikabilität beim Tragen scheint mir da gar nicht so weit hergeholt, denn die meiste Zeit brauche ich das Schwert eben nicht zum Fechten, sondern trage es umher, und das vermutlich auch nicht immer repräsentativ über der Schulter, denn evtl. gehöre ich gar nicht mehr zu den Leuten, zu deren Klassenideal es gehört, Gewalt auszuüben und das nach außen hin zu zeigen.
--- Zitat ---Ein "Reenacter" will bei "seinem Schwert" heutzutage in der Regel die bestmögliche Balance, ein möglichst niedriges Gewicht (erst Recht wenn damit gefochten werden soll) und einen "attraktiven" (meist grossen) Paranuss- oder Scheibenknauf. Das ist auch absolut ok so, war damals meiner Meinung nach aber nicht immer so von Bedeutung. Die HoMi-Blankwaffen waren primär für den wuchtigen Hieb konzipiert. Da war eine Kopflastigkeit der Klinge weit weniger ein Thema, als heute.
--- Ende Zitat ---
Hehe, ich würde als Fechter sogar behaupten, dass ein Schwerpunkt nah am Kreuz eben nicht für bestmögliche Balance steht. Praktisch alle Originale, die ich in der Hand hatte, ziehen angenehm nach vorn, und arbeiten so für einen (Hiebe fallen praktisch von allein, Bindungen werden schneller dominiert, und man weiß besser, wo der Ort gerade ist). Mein jetziges Fechtschwert (Typ XII) hat bei 86 cm Klingenlänge den Schwerpunkt etwa 15 cm vorm Kreuz. Und ich finde das wunderbar (obgleich man eine reine Duellwaffe zu Fuß leichter machen könnte).
Thomas W.:
Ja, die frühen XIV haben Anteile beider Klingentypen (XII & XIV). Peter Johnsson beschreibt es ebenfalls so.
Die Stärke der Klinge ist sicher ein sehr wichtiger Punkt, aber nicht der einzig entscheidende. Da bin ich (nicht nur ich) anderer Meinung als du. Wenn dem so wäre, hätte man einfach die Klingen der Typ X bis XII "dicker/stärker" machen können. Aber deswegen sticht der "runde Ort" trotzdem nicht gut durch eine Panzerung (bzw. die Lücke in dieser) und treibt diese auf. Dazu benötigte es Orte, die ähnlich wie "Bodkin-Spitzen" geformt waren, etc.
Ich bin der Meinung, dass der Querschnitt und die allgemeine Form (gerade auch des Ortes) der Klinge ebenfalls wichtig sind, sonst wären diese nicht so konsequent angepasst/geändert worden. Die XIV-Klingen waren vorallem in England populär. Nach Oakeshotts Schätzung zeigen etwa 80% der englischen Ritterfiguren aus der Zeit von 1290 bis 1330 Schwerter des Typs XIV. Anderen Ortes war dieser Typ weit weniger gefragt. Warum das so war, ist nun die Frage... Ich tippe z.B. auf eine einfache "Modeerscheinung" ("der hat eine... ich brauch auch so eine").
Ja, ich teile deine "Fechter-Ansichten", denke aber, dass viele (evtl. mit weniger "Ahnung" und/oder auch "bewusst"?) ihren Schwerpunkt diesbezüglich heutzutage anders setzen.
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