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Schildberiemung

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Benedikt von Söllbach:
Cornelius schrieb im Thema http://forum.templernetzwerk.de/index.php?topic=5647.msg64387#msg64387:

--- Zitat ---Ich habe vor kurzem gut 2000 Bildquellen aus dem 12. und 13. Jh. nach Schildkampfesweisen durchforstet und da ist mir aufgefallen, dass die berühmten Unterarmriemen höchstens bei vertikal gehaltenen frühen Tropfenschilden und bei einigen sehr späten kleinen Dreiecksschilden aus dem späten 13./frühen 14. Jh. vorkommen. Die überwiegende Mehrheit dazwischen (und danach) scheint nur über Schildfessel und Handriemen (meist am Rand, einige Quellen suggerieren aber auch zentrale Handriemen) geführt worden zu sein, mit dem Schild dicht am Körper und der Möglichkeit, ihn daher (weil er nicht festgeschnallt ist) schnell auf den Rücken oder an die Seite zu werfen, mit der linken Hand zu gestikulieren, zu Ringen oder eben zweihändig zu fechten. Wenn man sich dann noch ansieht, welche abgefahrenen Beriemungen mitunter dargestellt wurden (http://cudl.lib.cam.ac.uk/view/MS-EE-00003-00059/ folio 5r, also "Image 15"), sollte man selbst Jan Kohlmorgens Interpretationen (und vor allem die Nagellochreste der von ihm beschriebenen Originale) nochmal genau betrachten und ggf. kritisch hinterfragen. Die Diskussion können wir aber gern in einem passenderen Thema weiterführen, es erklärt im übrigen auch ganz gut die Entwicklung zum langen/zweihändig geführten Schwert.
--- Ende Zitat ---

Das Thema finde ich spannend, darum möchte ich das nochmal aufgreifen.

Ich habe die Schilde aus Marburg nie selbst in Augenschein nehmen können, aber speziell vom Brienzer Schild (um 1200) hatte ich Kontakt zum Kurator des Museums in der Schweiz.
Von dort habe ich einige Scans von fotografischen Dokumentationen und einen Restaurierungsbericht erhalten.
Kohlmorgen schreibt ja oft von Lederresten, die sich unter den Nägeln befunden haben und auch von metallenen Unterlegscheiben, damit das Leder nicht so leicht ausreißt.
Ich halte seine Aussagen im allgemeinen schon für verlässlich; speziell beim Brienzer Schild kann ich den Beriemungsvorschlägen aber nicht folgen. Ich habe auf Theoretischer Grundlage einen eigenen Beriemungsvorschlag erarbeitet, der die Nagelpositionen (auch die der kleinen kreisrund angebrachten um Nägel, vermutlich für Abdeckungen) berücksichtigt. Die vielen gröberen Nagelreste mit Lederresten lassen doch eigentlich nur den Schluss zu, dass daran Riemen befestigt waren? Die Frage ist nur, wofür diese Riemen verwendet wurden...

Midan von Malterstorp:
Aus meiner Erfahrung lohnt es sich, einen Rohhautrand anzubauen. Meinen (Kern Sperrholz) Reiterschild habe ich nun schon viele Jahre. Dazu muss man sagen ich mache selten Vollkontakt und kämpfe nie mit scharfen Schwertern. Den Rohling habe ich jedoch bereits zweimal erneuert, will sagen mit neuem Leinen (nur außen) bezogen.

Cornelius:
Zuvor noch etwas zum Hintergrund: Mich hat die Theorie von Roland Warzecha überzeugt, dass mit zentral gefassten Wikingerrundschilden im Duell aktiv gefochten werden konnte (bzw. musste); der Schild ist also für die Bindung da und das Schwert dringt dann vor allem in entstandene Öffnungen ein, wenn der Gegner mehr oder minder "zusammengefaltet" ist. Erst mit gewölbten Schilden, die näher am Körper getragen werden (vermutlich alles auf die Angriffsweise der Kavallerie zurückzuführen), wird der Schwertarm exponiert, das Schwert übernimmt die Bindungsarbeit (von da an bis in die Neuzeit) und es entstehen längere Parierstangen und langärmelige Ringpanzerhemden (übrigens auch längere Schwertgriffe, um beim Fechten umgreifen zu können).

Ungefähr da setzt meine Theorie zur Benutzung des typisch-hochmittelalterlichen Dreiecksschildes ein (die Gottseidank ein paar andere Leute schon für einleuchtend erachtet haben, also ist es kein völliger Blödsinn...jetzt steht nur die große Experimentierphase an). Der Schild wird eindeutig nah am Körper und mit Fessel um den Hals geführt, das taucht in den Bildquellen am häufigsten auf. Früher habe ich mich immer gefragt, wie so ein aktiver (oder besser: offensiver) Schildeinsatz passieren soll, aber er ist anscheinend nicht passiert. Die Bindungsarbeit hat das Schwert übernommen, unterstützt durch eine mobile linke Hand.

Wir brauchen an Beriemung also eine Schildfessel, die um Hals bzw. Schulter reicht, und einen bzw. ein Paar Handriemen (dass diese, wenn als Paar vorhanden, überkreuzt gewesen sein sollen, ist vermutlich auch so ein Trugschluss, parallel gefasst muss die Kontrolle besser sein – man sieht es noch bei neuzeitlichen orientalischen Rund- und Faustschilden – und mit Hand drin sieht es auf dem Bild wie überkreuzt aus). Handriemen in der rechten oberen Ecke sind belegt, aber auf einigen Bildern werden die Schilde anscheinend am gestreckten Arm getragen, wofür der Riemen wenigstens in der Mitte sitzen müsste. Die Zeichnung aus dem Leben Eduard des Bekenners (s.o. erster Beitrag) suggeriert das und weist weiterhin auf eine größere Problematik hin: Bisher hat man Beriemungen aufgrund von Nagel(loch)- und Lederresten rekonstruieren müssen, während die Handhabung irgendwie vorausgesetzt wurde. Ich werde mir ab jetzt vornehmen – wie auch Benedikt anführte –  durchzuprobieren, welche Beriemungen es für welche Funktion (zu Fuß/zu Pferde/mit Schwert/mit Speer oder Lanze etc.) gegeben haben könnte und wie diese dann verwendet wurden. Die abgefahrene Konstruktion in der o.a. Handschrift ist z.B. mit einigen von Kohlmorgen erwähnten Nagellochresten durchaus möglich (nicht ganz exakt, aber immerhin).

Wahrscheinlich haben wir die meisten unserer Schilde bisher völlig unhistorisch benutzt.  ;)

Ach ja, zu den Zweihandschwertern: Die olle Theorie, dass sie wegen verstärkter Rüstung aufgekommen sein sollen, ignoriert ja ein Stück weit, dass sich damit die ganze Fechtweise hätte spontan ändern müssen. Mit der neuen Annahme aber wird der Weg für "schildloses" Fechten schon deutlich eher freigemacht und die längeren Gehilze für zweihändige Hiebe (oder Stiche) ergeben im Kontext von Ringpanzerhemden auch Sinn, denn im Gegensatz zum Plattenharnisch bringt mehr Hiebgewalt hier tatsächlich etwas. Gleichzeitig bildet der am Körper geführte Schild schon eine Art Proto-Plattenrüstung, denn dort draufzuhauen bringt nichts. Machen aber trotzdem viele.  :P

William:
Nur mal als Erfahrungswerte - ohne in die Diskussion einsteigen zu wollen:

Als ich mit dem Hobby anfing, hatte ich die "Standardberiemung" - Lederschlaufen für eine nahezu horizontale  Armhaltung und Umhängeriemen.

Als Reiterschild sehr gut geeignet, aber für den Fußkampf völlig untauglich - meine Ansicht!

Ich habe dann diverse andere Varianten ausprobiert, aber keine war wirklich in jeder Situation brauchbar.

Also habe ich mir damals 2 unterschiedlich beriemte Schilde gebaut - für einen reichen Grafen sicherlich kein Problem.

Als Templerdarsteller stand ich dann jedoch wieder vor dem Dilemma!

Ich habe jetzt quasi eine "Viereckberiemung", die ich noch durch diagonale Stabilisierungsriemen optimieren werde - ohne Beleg! - diese Beriemung ermöglicht sowohl den annähernd horizontalen Griff beim Reiten, wie auch einen passiven Griff vertikal von unten ( z.B. gegen Pfeilhagel) aber  - sehr nice! - auch einen vertikalen Griff von oben! Damit läßt sich der Schild als sehr aktive Deckung und auch als Waffe im abgesessenen Zweikampf einsetzen.

Alles nur experimentell - ohne Belege! Aber sehr praktisch, wenn man mit nur einem Schild alle Kampfsituationen abdecken möchte! ;D

Wie gesagt, das soll kein fachlicher Diskussionsbeitrag sein, nur ein Beitrag zu "Erfahrungswerten"! ;)

Cornelius:
Es gibt jetzt ein paar Bilder von unserem ersten kleinen Experiment. Demnächst gilt es, an der Schildberiemung und danach den einzelnen möglichen Techniken zu arbeiten.

https://www.facebook.com/media/set/?set=a.326095754190625.1073741858.266934476773420&type=1
(auch für nicht-Facebookeraner wie mich einsehbar)

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