Mittelalter > Mittelalter allgemein
Schildberiemung
Heinrich von der Losheide:
Ich glaube,dass die Schildberiemung sich von Träger zu Träger mit der Zeit verändert hat....will meinen, dass es nicht nur EINE Musterberiemung gab,sondern viele auf den Träger angepasste Formen, so wie dieser es haben möchte um den größten Nutzen aus dem Schild zu ziehen...
Cornelius:
Dass es flexible oder eher multifunktionale Systeme gegeben hat, die dann an den Fechter angepasst wurden, halte ich für wahrscheinlich (bzw. belegen es ja einige wenige Abbildungen und die vielen Nagellöcher und Riemenfragmente in den erhaltenen Schilden). Trotzdem lassen sich in den Quellen Benutzungskonventionen feststellen. Alles andere würde auch völlige Anarchie in einem im engsten Sinne lebenswichtigen Bereich unterstellen, und das ist arg unwahrscheinlich.
William:
@Cornelius
konntest du bei deinen Recherchen Unterschiede zwischen Reiterschilden und Fußkampfschilden feststellen?
Ich habe in diese Richtung nie ernsthaft gesucht, aber in meiner Zeit als Reiter auf Mittelalterturnieren, konnte ich praktische Erfahrungen sammeln.
So wäre dieser reine "Handgriff" für einen Reiter eher schlecht, da man mit dem Schildarm auch gleichzeitig die Zügel führen muss. (Ich hatte zwar mein Pferd darauf trainiert auch nur über Beinhilfen und Sprache zu reagieren, aber es gab doch immer wieder Situationen, in denen es nicht ohne Zügelhilfe ging!)
Ferner war es nicht möglich den Schild einfach am Schildriemen seitlich baumeln zu lassen, da die Schildspitze das Pferd verletzen könnte, bzw. auch falsche Lenkimpulse an das Pferd vermittelt, wenn z.B. die Spitze in die Flanke stuppst.
Daher war bei größeren Schilden auch nur eine umgekehrte Trageweise auf dem Rücken möglich - also Spitze nach oben.
Die zwei nahezu horizontalen Schlaufen am linken Arm haben sich damals als einzig praktikable Lösung gezeigt - allerdings nur bei den noch längeren Schilden, denn wenn die gegnerische Lanze bei der horizontalen Trageweise unterhalb des Armes trifft, wird ein größerer Schild ans Bein gedrückt. Gefährlich dagegen waren Treffer oberhalb der Kippachse, da sie die Lanze Richtung Kopf lenken konnten, wenn man in einem ungünstigen Winkel getroffen wurde. (Normalerweise versucht man ja den Winkel so einzustellen, das die Lanze seitlich, nach außen, abgelenkt wird.)
Auf alle Fälle sind wir damals auf Grund dieser Experimente zu dem Schluss gekommen, das es entweder unterschiedliche Beriemungen gab - je nach Einsatz für Fußkampf oder beritten, oder eben eine Kombiberiemung.
Evtl. erklärt das ja bisher schwer zuzuordnende Nägel und Lederreste bei alten Orginalschilden.
Wie gesagt nur Erfahrungswerte, aber evtl. ja hilfreich bei deiner Recherche!
Midan von Malterstorp:
Für meinen kleinen Reiterschild habe ich daher 2 Griffmöglichkeiten. Die untere ist (wegen der beseren Handhabbarkeit) für den Fußkampf für mich ideal. Die obere nutze ich nur beim reiten. Der Schild "hängt" dann ziemlich, erfüllt aber seinen Zweck zum Schutz der Seite. Ein heben über Kopf ist so allerdings ungünstig.
Cornelius:
Die Illustrationen allein scheinen fast nur Tendenzen vorzugeben, denn man findet oft genug Ausnahmen. Ich denke aber, dass es für (reine?) Infanterieschilde Belege für tieferliegende Handriemen gibt, die es besser erlauben, den Schild zum Schutz des Kopfes nach oben zu ziehen (alle Quellenangaben kann ich nachreichen, bin nur gerade zu faul):
Ein weiterer wäre der von Kohlmorgen erwähnte ominöse Röldalschild, dessen tiefe Beriemung er nicht deuten konnte. Zumindest liegen die Handriemen aber auf vielen Quellen (selbst bei Reiterschilden) nicht so hoch wie bei Kohlmorgens "Standardrekonstruktion":
Für Reiter ist es dagegen von Vorteil, wenn sie den Schild dank höherliegender Handriemen besser absenken können. Wesentlich besser zu belegen ist, dass die Handriemen sehr oft sogar in der Mitte des Schildes lagen und nicht so nah an der rechten Kante. Letzteres findet sich zwar auch, aber fast nur bei Reiterschilden, nie bei denen für Infanteristen. Ich habe selbst gemerkt, dass ein Führen des Schildes über Handriemen und Fessel zwar auch geht, aber die Handriemen mehr in Richtung Mitte wohl mehr Sicherheit böten:
eher "zentrale" Handriemen:
stark exzentrische Handriemen:
Ausnahmen bestätigen die Regel, aber auch hier sind es Schilde, die aus einem Reiterkontext stammen (und wie wir anhand der bisherigen Bilder dieser Eneît-Hs von 1210–1220 sehen konnten, variiert die Position auch von einer Illustration zur nächsten):
Ich habe meinen Schild nach Kohlmorgenanleitung bisher nur einmal richtig auf dem Pferd getragen und – es mag an den unhistorisch-angewinkelten Beinen gelegen haben – die Rutschbahn zu meinem Hals hin war mir jedes Mal unsympathisch. Ich kann mir gut vorstellen, dass der Schild im Reiterkampf und vor allem gegen Lanzen mit dem Unterarm dahinter besser hält, aber da fehlen uns allen vermutlich die Erfahrungen mit echten Lanzenangriffen (scharfe Spitzen verändern die ganze Sache sicherlich auch nochmal, denn die werden deutlich weniger abrutschen). Zudem heißt der Unterarm hinterm Schild ja nicht, dass er daran festgeschnallt sein muss. Die Belege für eindeutige Unterarmriemen, die ich kenne, gibt es hier:
Kurz danach hört es auch schon auf, ggf. kann man das eine aus der Bibliothek Mazarin dort oben entsprechend deuten, wo nicht klar ist, ob die Initialfigur mit dem Drachen den roten Tropfenschild mit Unterarmriemen und Handriemen oder nur mit zwei Handriemen führt. Dagegen stehen etliche Darstellungen, auf denen auch Reiter eindeutig keinen Unterarmriemen benutzen (siehe auch schon oben). Darstellungen, bei denen der Schildarm verdeckt ist, gibt es natürlich zuhauf, aber die bringen uns nicht weiter. Die von Kohlmorgen rekonstruierten unteren Handriemen lassen sich vereinzelt finden, aber oft genug werden die Zügel eben auch weit oben getragen dargestellt (s.o. beim Rolandslied und der Bilderbibel aus Navarre, beide bei den "stark exzentrischen Handriemen"). Dann vielleicht doch mehr Schenkelhilfen, wer weiß... das von dir beschriebene Kippproblem könnte ggf. auch mit den höherliegenden Handriemen erklärt werden, denn dann könnte eine Lanze wirklich schlecht zum Kopf hin abgleiten.
Das auf-den-Rücken-werfen der Schilde ist zwar hauptsächlich für die Infanterie belegt, aber selbst wenn dann findet es sich mit der Spitze nach unten:
Worauf stützt sich das mit der Spitze nach oben, William? Zuletzt noch werde ich wohl die Schildfesselpunkte weiter nach unten verlagern, als ich sie bisher habe. Dafür gibt es einfach zu viele Belege, die dem rechte oberen Ansatzpüunkt bei Kohlmorgen widersprechen. Außerdem kann ich dann hoffentlich den rechten Arm besser hinterm Schild überkreuzen, denn momentan steht die Fessel einfach zu horizontal im Weg. Aber jetzt genug getippt, ich sollte arbeiten.
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