Autor Thema: Thesen zu Ordenskleidung  (Gelesen 24141 mal)

Stefan von Dachau

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Re:Thesen zu Ordenskleidung
« Antwort #15 am: 03. April 2013, 11:43:40 »
"Durchgeknallt" ist sicherlich gewagt und ein wenig einfach betrachtet, aber in der Auslegung nicht ganz unangebracht oder ganz aus der Welt zu reden. Natürlich will ich niemanden damit persönlich zu nahe treten oder gar in seinem Glauben beleidigen. Faktisch gesehen ist jedoch die Auslegung unseres Bruders Heidensohn nicht völlig von der Hand zu weisen...
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Lancelot Graf von Rothenfels

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Re:Thesen zu Ordenskleidung
« Antwort #16 am: 03. April 2013, 16:25:07 »
Ersetzen wir "Durchgeknallt"  doch einfach mit:
" er war in seiner Zeit in Denken und Handeln etwas vom herkömmlichen Weg abgekommen"
 oder ähnlichem und alle sind wieder gut  ;D
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Re:Thesen zu Ordenskleidung
« Antwort #17 am: 03. April 2013, 17:11:13 »
Demnach währe ja fast jeder Freigeist "Durchgeknallt" so wie Mutter Theresa, Mahadma Ghandi, Albert Einstein, Charles Darvin und viele weitere........

Ich finde es nunmal nicht angebracht bei im grunde schön recherchierten Ausführungen sowas in dem Zusammenhang lesen zu müssen.

Ich bin da jetzt nicht besonders gekränkt oder verletzt drüber, halte es nur für falsch.
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Re:Thesen zu Ordenskleidung
« Antwort #18 am: 03. April 2013, 20:20:30 »
Durchgeknallt ist nur ein anders Wort für Verrückt ... und wenn ich das zerlege , nämlich ver rückt - ausserhalb der Norm oder ausser der normalen Spur zu laufen , ist es für mich schon keine verunglimpfung mehr sondern eher das Gegenteil.

Ich bin auch durchgeknallt ... und stolz darauf  ;D

Und bitte keine Liebeserklärungen vor allen anderen ...denn was kommt als nächstes ?!  :P
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Re:Thesen zu Ordenskleidung
« Antwort #19 am: 03. April 2013, 20:51:54 »
Stimme zu. Da es sowohl "positiv" (Gebrauch) gibt wie auch "negativ" (Missbrauch), ist für mich "durchgeknallt" mit einem "geistigen Hirnbruch" zu identifizieren, in der Weise, dass der Betreffende seinen Verstand "frei macht". Jeder Freigeistgewordene hat einen Hirnbruch zu verzeichnen. Das vormalige Gefängnis (Gefangenschaft durch Dogmen) wurde somit durchbrochen. Wer einen kranken Menschen als durchgeknallt bezeichnet, missbraucht sowohl diesen Begriff als auch seine Bedeutung.

Cornelius

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Re:Thesen zu Ordenskleidung
« Antwort #20 am: 26. Juli 2016, 11:55:08 »
Ich platziere hier mal eine Memo an mich selbst: http://daten.digitale-sammlungen.de/~db/0007/bsb00070697/images/index.html?seite=65&fip=193.174.98.30. Ohne zuviel zu verraten – weil ich mir noch mehr Belege zusammensuchen muss: Dank einige Gespräche mit dem SteuerBacchus würde ich inzwischen annehmen, dass die erste Kleidungs"lage" nach der Unterwäsche die cote war (in Übereinstimmung mit der weltlichen Kleidung, die ja auch zweigeteilt ist, ersichtlich am späteren surcot, sowie u. a. der obigen Abbildung und der des Temlersergeanten auf seinem Stuhl), zumindest an den Ärmeln sehr eng geschneidert, und darüber der wesentlich weitere jupel a giron getragen wurde, extra weit (deswegen die Keile) und eventuell – aber da müsste man sich die schachspielenden Templer nochmal vornehmen – mit Kapuze.

Werde mir jetzt immer einen Vormittag der Woche zum Weiterarbeiten an der Regel nehmen; bin letzten Sonntag schon wegen der Doppelbelegung von chausses/chaucer für Hosen, Schuhe und evtl. anziehen halb verrückt geworden.  :P

PS: Habe gerade gesehen, dass unser Heidensohn schon in die gleiche Richtung argumentiert hat:
3) Der lat. Quellenbegriff cucullus/cuculla bezeichnet vor 1300 keine Kapuze, sondern ein Obergewand.

Als Benedikt von Nursia im spätantiken Mittelitalien seine Regel geschrieben hat, mag die cuculla noch ein Poncho-ähnlicher Kapuzenüberwurf gewesen sein, aber etwa ab dem 10. Jahrhundert bezeichnet der Begriff im Ordensumfeld ein weites Gewand mit Kapuze, das über der tunica getragen die erkennbare und typische Oberbekleidung eines Mönches war. Dabei war die Form keineswegs einheitlich. Es existierten zumindest zwei grundverschiedene Formen: Die Skapulierkukulle und die Talarkukulle [...] zweitere von der lothringischen Reform und den Zisterziensern genutzt. Durch die Vorreiterstellung der Zisterzienser wurde sie stilbildend und zu der Mönchskutte schlechthin.


4) Weiß wird überbewertet. Die Zisterzienser werden erst um 1130 erstmals als albus bezeichnet und vor dem 14. Jahrhundert gibt es keine entsprechende verbindlichen Anweisung.


[...] Erst 1335 werden endgültig weiß und braun (für das Skapulier, heute schwarz) als Kleidungsfarben festgeschrieben - und es heißt dass auch da noch viele Brüder die braune cuculla trugen.
Bin gerade im Itinerarium Symonis Semeonis ab Hybernia ad Terram Sanctam (in den 1320er Jahren war er dort unten, die einzige Handschrift des Berichtes sei zwischen 1335 und 1352 entstanden, so in der Einleitung S. 2 der Ed. M. Esposito, Dublin 1960) auf eine Passage (S. 100f.) gestoßen, wo die an Ärmeln und auch allgemein ser lange Kleidung von Beduinen mit den weißen cuculle der "Grauen Mönche" (d. h. der Zisterzienser, laut Übersetzung) verglichen werden.
« Letzte Änderung: 22. August 2016, 21:28:21 von Cornelius »

Benedikt von Söllbach

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Re:Thesen zu Ordenskleidung
« Antwort #21 am: 23. August 2016, 22:12:11 »
Bisher interpretierte ich das ähnlich wie du schreibst, ging aber von "verdrehten" Begriffen aus, d.h. den jupel interpretierte ich als dt. Leibrock in der Funktion als Cotta. Es macht aber Sinn das anders zu interpretieren, wie auch schon Heinrich v. Hohenfels hier im Forum bereits angemerkt hat. Der Unterschied zu meiner bisherigen Auffassung wäre also doch im Ergebnis die Geren, die vorne und hinten an der "Kutte" wären, und wahlweise mit/ohne Kapuze ausgestattet war?
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Re:Thesen zu Ordenskleidung
« Antwort #22 am: 23. August 2016, 23:17:01 »
Der SteuerBacchus hat mich darauf hingewiesen, dass die Geren vorn und hinten ein Indiz dafür sein könnten, dass man trotz schmuckloser Stoffe doch eine halbwegs aristokratische Stofffülle angestrebt hat – oder es sollte lediglich die Weite dieser Überbekleidung (jupel --> Joppe) betont werden. Auf jeden Fall legen Heidensohns Anmerkungen und die o. a. Abbildungen nahe, dass (auch) im monatischen Bereich über der Unterwäsche eine cote getragen wurde (enge Ärmel, aber wie lang?) und über dieser ein Übergewand, bei uns der der jupel a girons. Ob hier eine Kapuze dran war, ist schwer zu sagen, da die Regel meines Wissens nichts dazu andeutet und die einzige Abbildung auch noch eine der Kapuzen in anderer Farbe zeigt, weswegen es auch eine Gugel (chaperon in der Regel) sein könnte – eigentlich verboten, aber Schach spielen sie ja auch.

Benedikt von Söllbach

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Re:Thesen zu Ordenskleidung
« Antwort #23 am: 24. August 2016, 13:08:16 »
Bei den Schachtemplern sieht man meiner Meinung nach nicht die cote, sondern den Jupel, trotz enger Ärmel.
Den Farbunterschied würde ich - ohne näheres Wissen - eher auf Ausbleichen o.ä. Verfärbungen (oder gar auch auf Farbsymbolik) zurückführen, als auf eine Absicht des Malers, Kleidungsrealität abzubilden.
Dass sie Schach spielen ist kein Argument, das Bild stammt nämlich aus dem "Buch der Spiele" und dort sieh man so ziemlich alle Personen irgendwelche Spiele spielen; das ist kein Beleg für einen Regelverstoß (in meinen Augen zumindest).

Schau dir auch mal das Bild aus dem Libro d' Argeles an (s.u.), dort sieht man in meiner Interpretation die Cote (oder doch nur das Hemd?) und den darüberliegenden weit geschnittenen Jupel (ohne Kapuze - lediglich zeichnerisch weggelassen oder tatsächlich auch ohne vorgekommen). Dass es eher die Cote ist und nicht das Leibhemd würde ich der Farbe zuschreiben.
Links daneben sitzt erwähnenswerterweise übrigens ein Mönchischer Schreiber in Kukulle (beim Templer handelt es sich angeblich um einen Bruder Hauskomtur).

Es wäre auch nochmal interessant, in den Zimmermann ("Ordensleben") zu schauen, welche Bekleidungsstücke in anderen Orden üblich waren. Ich meine, dass ich dazu in meinem Buch ausführlich geschrieben habe (eigenes Kapitel "Bekleidungsreihenfolge").

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Re:Thesen zu Ordenskleidung
« Antwort #24 am: 24. August 2016, 23:20:30 »
Bei den Schachtemplern sieht man meiner Meinung nach nicht die cote, sondern den Jupel, trotz enger Ärmel.
Sehe ich auch so; ich würde denken, dass die Ärmel der cote auf jeden Fall enganliegend sind und die des jupels zumindest so weit, dass sie drüber passen.

Mit den kapuzentragenden Schachtemplern wäre ich trotzdem vorsichtig; erkennt man denn auf dem Steinsarg (von dem wir unbedingt bessere Bilder brauchen), ob da Kapuzen dran sind? Vielleicht gab es auch beide Varianten, aber ich sehe da ohne einen Zweitbeleg immer noch zu viele Optionen, warum da Kapuzen dazugemalt worden sein könnten.
Zitat
Schau dir auch mal das Bild aus dem Libro d' Argeles an (s.u.), dort sieht man in meiner Interpretation die Cote (oder doch nur das Hemd?) und den darüberliegenden weit geschnittenen Jupel (ohne Kapuze - lediglich zeichnerisch weggelassen oder tatsächlich auch ohne vorgekommen). Dass es eher die Cote ist und nicht das Leibhemd würde ich der Farbe zuschreiben.
So sehe ich das auch; dass daneben ein Mönch mit Kapuze dargestellt wird, zeigt zudem, dass es nicht am Unvermögen des Zeichners gelegen haben muss. Sein jupel hat übrigens auch schön viel Saumweite, wie man unten sieht.

PS: Wenn uns die Quellen ja oft genug verwirren; zumindest bestätigen die Abbildungen die Regelparagraphen 324 und 386, aus denen klar wird, dass eine Bundhaube nur in Verbindung mit der Wollmütze getragen werden darf. Körner hat nebenbei in Nummer 324 eine militärische Bedeutung reininterpretiert, die dort nichts zu suchen hat.
« Letzte Änderung: 24. August 2016, 23:29:56 von Cornelius »

SteuerBacchus

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Re:Thesen zu Ordenskleidung
« Antwort #25 am: 10. September 2016, 13:18:05 »
So, nachdem ich jetzt schon erwähnt wurde, möchte ich zu diesem Thema auch noch Stellung beziehen.
Zunächst möchte ich betonen, dass mein Kernkompetenzgebiet in dieser Frage der Deutsche Orden ist und ich mich daher immer zunächst auf den beziehen werde. Ich könnte mir aber vorstellen, das das auch Templer weiterbringen könnte, da der OT ja, wie drücke ich das jetzt positiv aus, nicht dafür bekannt war das Rad neu zu erfinden ;)

Ich war gerade daran die Feder zu schärfen und meine Ordner aufzuschlagen um Heidensohns Punkt 2 zu widerlegen, aber es stellt sich raus, das alles was ich aufbringen kann auch nach 1300 zu sein scheint. Zumindest kann ich aber bei der Gelegenheit gleich auf die Gugelfrage eingehen. Es ist für mich offenkundig, dass es beim OT Kapuzen gab (zumindest nach 1300 :3) und die separat von der Oberbekleidung getragen wurden, also nicht angenäht waren. Zumindest gilt dies für die Laien.
1. Berufe ich mich auf Bildbelege, die kniende Brüder zeigen ,entweder zum Gebet, als Stifterfiguren, oder zum Lehen empfangen. Auf ihrer Schulter liegt eine abgesetzte Kapuze die oft auch eine andere Farbe hat als die Oberbekleidung. Weiterhin gibt es diese eine Abbildung die einen Ordensbruder zeigt, der seine Kapuze auf dem Kopf als Hut trägt.
2. Die späteren Gesetze der Ordensregel. Bereits mit Einführung der Halbbrüder wird explizit ausgeführt, dass die Kapuzen nicht angenäht werden sollen, damit man sie bei Bedarf abnehmen kann. Später wird hinzugefügt, dass die Laien des Ordens nur Kapuzen tragen im Krankheitsfall oder von St. Michael bis St. Walpurga. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein kranker Ordensbruder sich erstmal eine Kapuze an seine Kleidung nähen lässt, sondern dass er einfach reinschlupft.

Ich bin dadurch also möglicherweise etwas voreingenommen, aber ich hoffe es wird damit klar, warum ich bei den Schachtemplern eine lose Kapuze sehe. Der Farbunteschied in einem Fall unterstreicht diese Sichtweise zusätzlich.

Zur Oberbekleidung: Ja, den Begriff "jupel" (lat. "iupellum", danke dafür -.-) finde ich schwierig. Ich dachte da auch zuerst an eine Jacke, und das kann man wohl ziemlich sicher ausschließen :D
Klarer wird es dann wenn von roc und surcot die Rede ist, weil die Funktionen hier eindeutig sind. Die Verknüpfung surcot=jupel fand bei mir durch Ausschlussverfahren statt, da zumindest in der OT Regel sowohl tunica als auch roc nicht das oben liegende Kleidungsstück sein können. Hier sind wir aber schon bei der Frage der Benennung, Da ist der mittelalterliche Mensch, wie Heidensohn im 1. Post schon gezeigt hat, nicht immer ganz konsequent und macht sich offenbar einen Spaß daraus uns zu verwirren. So wie ich das sehe, komme ich aber bei Form und Funktion der Kleidungsstücke auf das gleiche Ergebnis wie Benni bei den Templern. Ein gutes Zeichen!

Was ich jetzt gern noch diskutieren würde: Wenn ich den eingangs aufgestellen 8 Punkten noch einen hinzufügen dürfte, wäre es aus meiner Sicht:

9) Geistliche Oberbekleidung hat keine mittleren Geren.

Alle mir bekannten erhaltenen Kleidungsstücke von Geistlichen haben ausschließlich seitliche Geren. Und ich erinnere mich an einen Gesetzestext, der mittlere Geren als "weltlich" beschreibt, den sollte ich vielleicht mal raussuchen. Ich habe den Gedanken sogar weiter gesponnen und würde mich inzwischen auch gegen mittlere Reitschlitze bei Waffenröcken aussprechen(zumindest bei nur überknielangen, ärmellosen), da die ja mittelere Geren erfordern und zudem noch das Gemächt bzw. die Unterwäsche entblößen könnten.
Heidensohn, wenn ich mich recht erinnere dürftest du ja mit deinem rekonstruierten Franziskushabit auch gezeigt haben, das man keine mittleren Geren braucht um Stoffülle zu erzeugen.
Es würde mich also brennend interessieren, wie ihr auf Geren vorne und hinten kommt, oder ob jemand diese These sonst irgendwie widerlegen kann.
« Letzte Änderung: 19. September 2016, 18:24:10 von SteuerBacchus »

Cornelius

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Re:Thesen zu Ordenskleidung
« Antwort #26 am: 11. September 2016, 12:38:30 »
Moin allerseits! Habe vorhin ein eigenes Dokument aufgesetzt, um die Ausrüstungshinweise der Regel gesammelt aufzulisten, da passt das Thema ganz gut.

Zum jupel*: Laut Art. 138 (die übliche Zählung, also die von Curzon, Körner und Upton-Ward) bekommen die Brüder u. a. einen jupel a girons devant et derriere, also einen jupel mit Geren (oder Falten, Einsätzen usw.) vorn und hinten. Die Positionierung ist so klar wie sonst Weniges in der Regel (es sei denn, man will hier noch am Begriff giron kritteln, aber das halte ich für vergleichsweise sicher). Wir hatten ja schon mal überlegt, ob gerade das Fehlen von Front- und Rückgeren im geistlichen Umfeld (auf die Belege bin ich gespannt!) ein Grund für die explizite Formulierung sein könnte. Die Regel suggeriert, dass offen getragene (Art. 493) und übermäßig lange (Art. 22) Kleidung eitel und deswegen untersagt sei, aber in der größeren Saumweite jetzt ein Ventil für's Prunkbedürfnis zu sehen kommt mir gerade immer weniger überzeugend vor... körperbetonte Kleidung spielt zu der Zeit ja auch keine so große Rolle, als dass man hier eine Methode zum Verhindern desselben sehen könnte. Viel mehr sagt die Regel zu diesem jupel leider nicht; nur dass (Art. 314) man das Teil oder wenigstens die cote** zur Frühmesse tragen soll; in Art. 425 und 558 wird er jupel de vestir genannt (also jupel zum Anziehen, Kleidungs-jupel etc.).

Kannst du schnell mal die typischen Ausrüstungsliste-Artikelnummern der DO-Statuten raussuchen? Ich habe nur die Ausgabe von Max Perlbach hier, aber da sich das mühsam lesen lässt, würde ich lieber gezielt vergleichen, ob es echte Textparallelen gibt, die uns weiterhelfen könnten.

Zum Thema Kapuze für Kranke: Die Templerregel gestattet in Art. 314, den Mantel zur Frühmesse und bei Krankheit über dem Kopf zu tragen. Das Verbot von chaparons (Art. 324) wurde ja weiter oben erwähnt; wie nennt man die Gugel beim DO?

*Nebenbei definiert das von mir genutzte Anglo-Norman Dictionary "jupel" als:
close-fitting tunic or doublet, worn under the hauberk: Isabelle de Vernoune [...] amova ses biens al Chastell' de Cardoille et a la ville pur sauvement garder pur les enemyes d'Escoce come autres gent fesoient, c'est asavoir deux sakes de leynes prise de .xx. mars et une coupe d'argent prise de .xl. s. et une jupell' prise de .c. s. et une seal a pallefré pur chivaler prise de .ij. mars  View TextNorthern Pet 116
Beim "jupon" sogar:
close-fitting tunic or doublet, worn under the hauberk : E ad faciendum unum jupoun de taffata blu […] unum jupoun de stuff […] unum jupoun de zatayn blu poudré en garteriis blu Wardrobe Expenses Ed III Expenses 34; taillours […] ount [...] taillez robes, jopons et autres garnementz Blk Bk Ston i 98.22; et la lez taillerez trestout en manteulx, taberdes longez, purpointz  (var. longs jupons) , surcotez (sic!), cotes, hopelondez, chaperons ové longez cornettez et corsetez  View TextMan lang ANTS 6.5 (var.)

**UW übersetzt hier "coat of mail", nur ein Beispiel der mitunter drastischen Schusselfehler in den beiden Übersetzungen.


PS: Habe gerade gesehen, dass der OT (Art. 11, bei Perlbach S. 38) "an mantelen, an cappen, an wapenroeken eyn swart cru°ce" vorschreibt; es sind also die gleichen Habitteile (lies: Uniform) wie bei den Templern, und hier wird auch kein Unterschied bei den Kreuzen gemacht (bei den Templern werden die Kreuze nur auf den Waffenröcken der Sergeanten erwähnt, was schon einige Diskussionen ausgelöst hat). Hier lohnt ein (vorsichtiger) Abgleich also.
« Letzte Änderung: 11. September 2016, 13:26:58 von Cornelius »

Benedikt von Söllbach

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Re:Thesen zu Ordenskleidung
« Antwort #27 am: 19. September 2016, 00:09:51 »
Zwei Punkte fallen mir beim Lesen eurer Ausführungen auf.
Kapuzen: vielleicht wollte sich der DO hier aber auch explizit von den Templern mit diesem Unterschied abgrenzen? Immerhin verbietet die Templerregel ja das chaperon, also die Huttrageweise der Gugel/Losen Kapuze! Spannend ist jetzt auch, das der Artikel recht spät der templerzeit entstand - zufall, oder templerseitiges pendant zur DO-Erlaubnis?
Hier fällt mir auch spontan der disput zwischen den Orden im 12. Jhd ein! Und der Mantelstreit!

Und der punkt 9, keine mittelgeren bei geistlichen:
Allgemein bekanntes wurde nicht erwähnt. Vielleicht ist die bewusste Abweichung von dieser praxis genau der lang gesuchte Grund für diese Anweisung im Templerorden? Das erscheint plausibel, immerhin wurde die Regel ja nicht ohne klerikale Aufsicht erstellt (Abt Bernhard sei erwähnt! )


Beide Punkte passen für mich perfekt ins Bild! Immerhin betonte Bernhard in seiner Lobrede ja auch, dass die templer eine Mischung zwischen weltlich und geistlich seien - das käme auch mit den mittigen Geren zum Ausdruck, zumal diese am Hausgewand ja gut sichtbar waren.

Ps, bei den Waffenröcken (den nach dem brief) würde ich erstmal nicht so weit gehen und Reitschlitze anschließen. Die weltlichen Bilder sind da doch zu eindeutig.
« Letzte Änderung: 19. September 2016, 00:15:19 von Benedikt von Söllbach »
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SteuerBacchus

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Re:Thesen zu Ordenskleidung
« Antwort #28 am: 19. September 2016, 20:38:34 »
Zu den Ausrüstungsparagraphen: Die Regel 11 hast du ja selbst schon gefunden. Da werden die Kleider nur aufgelistet und in Gewohnheit 34 ist auch noch etwas dazu. Ansonsten ist das was ich anspreche einzeln in den Gesetzen der späteren Hochmeister verbaut, man muss also entweder von da an durcharbeiten oder man nimmt das Wortverzeichnis am Ende. Das es da, wie in der Regel, noch direkte Parallelen zu den Templern gibt ist also eher unwahrscheinlich, was aber nicht heißen muss, dass es bei den Templern nicht genauso war.

wie nennt man die Gugel beim DO?

In den Capitelbeschlüssen von 1289 VI.9. (natürlich aus Perlbach S.137) taucht der begriff "beffen" auf. Übersetzt wird er u.A. hier mit "Kapuze" oder "Kragen". Den Inhalt hab ich ja oben schon paraphrasiert.
Gleich darauf in den Gesetzen Burchards von Schwanden, sogar gleich dem erste, taucht der Begriff wieder auf. Diesmal geht es um das Schaprun der Halbbrüder, das eine abnehmbare, nicht angenähte "beffe" hat.
Damit ist das ganze für mich einigermaßen klar.

Ach ja und Heidensohn, falls du noch mitliest: Das könnte man schon als Beleg für eine Gugel/Kapuze vor 1300 sehen :P (wenn auch wahrscheinlich ohne Kragen, dafür mit derselben Funktion.)


PS: Habe gerade gesehen, dass der OT (Art. 11, bei Perlbach S. 38) "an mantelen, an cappen, an wapenroeken eyn swart cru°ce" vorschreibt; es sind also die gleichen Habitteile (lies: Uniform) wie bei den Templern, und hier wird auch kein Unterschied bei den Kreuzen gemacht (bei den Templern werden die Kreuze nur auf den Waffenröcken der Sergeanten erwähnt, was schon einige Diskussionen ausgelöst hat). Hier lohnt ein (vorsichtiger) Abgleich also.

Dafür stehen da auch so Sachen wie: "Kein brûder sal haben rocke mit czweien crûcen, âne wôpenrocke unde âne kursit." GWi III 1. Ich bin mir bis heute nicht sicher, was mir dieser Satz sagen soll xD

Zur Gerenfrage:

Musste jetzt ein bisschen suchen. Versteckt war es jetzt schließlich in einer Fußnote bei Perlbach S.151., bei den Gesetzen Dietrichs von Altenburg. Und zwar wurde offenbar in 2 der Handschriften der Ordensregel folgende Bestimmung beigefügt: (man bedenke: Wir sind jetzt mitten im 14. Jahrhundert, nicht erschrecken ;))
"knoufe an den ermelen, colnier (=Kragen) an den rocken, selbende an den mentelen und an den sorchoten, spangen an den gurtelen, hutsnure geverwet, beslozzene rocke unde sorchote mit geren vorne, barchantes rocke unde gên in den rocken ungegurtet, saynes hosen, dise dinc verbiete wir unde biten die brûdere, daz sî ir cleidere, sorchot, rocke, mentele, kappen, hersenier (der einzige Hinweis auf eine Bundhaube beim OT übrigens, ich kenne da KEINE Abbildung) unde andere cleidere snîden nâch der alden forme geistlîche unde gezimelîche."

Maßregelungen zur Kleidung, insbesondere als Präventivmaßnahme gegen die Modereformen des 14. Jahrhunderts sind in den Gesetzen häufig und tauchen bei vielen Hochmeistern auf. Dabei scheint man aber immer wieder auf den selben Dingen rumzureiten und die "alten Formen" zu betonen, keine Knöpfe an den Ärmeln, keine engen und kurzen Röcke etc. Es geht also da offenbar nicht darum neue Kleidung und neue Formen einzuführen sondern die alte mit aller Gewalt beizubehalten. Von daher bin ich ursprünglich aus diesem Text heraus auch zu dem Schluss gekommen, dass es sich bei diesen Dingen, inklusive der Geren vorne, um etwas handelt, das sich für einen Ordensmann nicht gebührt. Allerdings, was ich noch dazu sagen muss, diese Regel war, im Gegensatz zur Templerregel, von vornherein wesentlich knapper ausgeführt und hat nie ausführlich erklärt warum dieses oder jenes erlaubt oder verboten ist. Es wundert also nicht, dass man auch hier keinen Exkurs über die moralischen Hintergründe der Bestimmung erhält, sondern nur gesagt bekommt was Sache ist und nicht warum das so ist.

Insgesamt wundert mich immer noch was jetzt die Geren vorne und hinten bei der Templerjupel sollen. Es macht etwas mehr Sinn, dass mittlere Geren in der Regel extra erwäht sind, aber nochmal die eingangs gestellte Frage: Wozu sollen die wirklich gut sein?

Und kurz zum Schlitz am Waffenrock: Bin davon auch nicht hundertprozentig überzeugt, kenne aber 2 Abbildungen (wobei 1 nur ne Münze ist) von eindeutig seitlich geschlitzen Waffenröcken aus dem 14. Jahrhundert und es passt ansonsten auch zu einem Verbot zu vorderen Geren an Röcken, deswegen wollte ich es nicht unerwähnt lassen.

Kapuzen: vielleicht wollte sich der DO hier aber auch explizit von den Templern mit diesem Unterschied abgrenzen? Immerhin verbietet die Templerregel ja das chaperon, also die Huttrageweise der Gugel/Losen Kapuze! Spannend ist jetzt auch, das der Artikel recht spät der templerzeit entstand - zufall, oder templerseitiges pendant zur DO-Erlaubnis?
Hier fällt mir auch spontan der disput zwischen den Orden im 12. Jhd ein! Und der Mantelstreit!

Beim Mantelstreit ging es ja gerade darum, dass der OT den Templern in ihrem Habit zu ähnlich war, nicht andersrum. Ich kann mich der These nicht so ganz anschließen, denn einerseits hatte ich nie den Eindruck, dass man sich von dem Templern abgrenzen wollen würde, wie gesagt, eher das Gegenteil scheint der Fall gewesen zu sein. Ich würde mich da eher Heidensohns ursprünglicher Aussage anschließen, dass es mehr eine zeitliche Frage ist. Denn auch wenn es beim OT vor 1189 kein explizites Verbot gibt, gibt es auch keinen Hinweis für eine Verwendung vor dem Kapitel von 1289.
Die Entscheidung scheint auch eher pragmatischer Natur zu sein. Kapuzen für Kranke, Pfaffen (mit Tonsur!) und im Winter klingt ganz danach als würde man einfach seinen Kopf warmhalten wollen. Da passt für mich dann alles gut zusammen, zur Jahrhundertwende. Der Orden zieht nach Norden um (alle Ritterorden machen das ja notgedrungen mehr oder weniger), es wird kälter, da das Klimaoptimum des Hochmittelalters zu Ende geht. Auch im weltlichen Bereich hat es ja im 14. Jahrhundert viel mehr Hüte als im 13. Könnte mir folglich auch vorstellen, dass auch die Templer im 14. Jahrhundert der ordensübergreifenden "Mode" gefolgnt sind und Kapuzen hatten, belegen kann ich es aber nicht.

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Re: Thesen zu Ordenskleidung
« Antwort #29 am: 28. Juli 2020, 15:14:43 »
Ich wärme mal kurz dieses Thema auf, um einen Bildfund festzuhalten, der mir gerade untergekommen ist. Es handelt sich um eine Darstellung der Verhaftung der Templer, zumindest dem Bildinhalt und dem umstehenden Text zufolge (den ich zwar nicht im Ganzen lesen kann, aber die Templer und König Philipp der Schöne kommen vor). Enthalten in KBR MS 5 (wenn ich das richtig lese), fol. 334v: https://opac.kbr.be/Library/doc/SYRACUSE/18364520. Und natürlich macht es uns die Darstellung der zwei roten Kreuze auf den Mänteln nicht gerade einfacher. Womöglich müssen wir die als Verdeutlichung der Miniaturenmaler interpretieren. Der Rest passt zu dem, was wir an Bild-. und Textquellen haben; Bundhaube und Wollhut sind ja belegt, genauso wie die einfarbigen jupels.