Autor Thema: Bidenhänder Mitte 13. Jahrhundert?  (Gelesen 20350 mal)

Benedikt von Söllbach

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Bidenhänder Mitte 13. Jahrhundert?
« Antwort #15 am: 04. Juli 2007, 20:19:05 »
Nun, die Schwertbezeichnung hängt sich aber an der Grifflänge und nicht der Schwertlänge gemessen am Träger auf. Es gibt da eine sehr gut Nomenklatur, Schwerter wurden von diversen Autoren in relativ genaue Kategorien eingeteilt.
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Berthold von Krukow

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Bidenhänder Mitte 13. Jahrhundert?
« Antwort #16 am: 04. Juli 2007, 21:39:57 »
Und dennoch sind diese Nomenklaturen nur ein Versuch heutiger Museologen und Altertumsforscher eine Klassifizierung und damit Beschreibung für Dinge zu erstellen, für die es damals keine DIN-Norm gab. Die maschinelle Serien(massen)produktion wurde erst im 19. Jahrhundert erfunden. Im Prinzip war jedes handgeschmiedete Schwert ein Unikat. Es gab Massenware für das Heer, wo sich die Teile sicherlich ähnelten aber auch hier wird es nicht zwei gleiche Stücke gegeben haben.
Einzelstücke für einen Ritter waren entweder nach dessen Wünschen angefertigt oder aber auf dessen Bedürfnisse hin gestaltet.
Einguter Waffenschmied konnte erkennen, welche Form, Größe und Ausgewogenheit für den betreffenden Kunden optimal waren und fertigte dementsprechend die Waffe an - nicht nach irgendwelchen EU-Richtlinien. Diese Einzelstücke sind nur nie in den Museumskatalogen aufgetaucht, weil sie vererbt, mit dem Besitzer bestattet oder vom siegreichen Feind als Trophäe behalten wurden. Das sind die so seltenen Einzelstücke, die auf Sammlerauktionen horrende Summen erziehlen und kaum groß in Umlauf kommen. Und deswegen glauben wir heute, daß es sie nicht gegeben hat.
Wir kennen nur die Funde, die auf irgendwelchen Schlachfeldern ausgegraben wurden, die so gewöhnlich waren, daß sie noch nicht mal als Beute taugten und vielleicht das eine oder andere Stück, das wirklich mal den Weg aus einer Privatsammlung in ein Museum schafft. In der Ausstellung "Saladin und die Kreuzfahrer" waren zwei Schwerter Ludwigs von Thüringen zu sehen, dem Herren der Wartburg und getreuem Ehegatten der Heiligen Elisabeth von Thüringen, die diesjahr ihren 800. Geburtstag feiern würde. Ludwig fiel auf dem 4. oder 5. Kreuzzug, da müßte ich nochmal genau nachschauen. Jedenfalls führte er damals zwei Schwerter auf dem Kreuzzug mit einen "Einhänder" und ein zweites deutlich längeres Schwert dessen Griff auch gut mit der zweiten Hand zu greifen war. Leider war Fotografieren in der Ausstellung verboten, deswegen ist das Handybild sehr schlecht und das wesentliche Detail - Griffende und Knauf des längeren Schwertes sind nicht zu erkennen. Ich werd das Bild demnächst mal hier dazustellen. Man kann dennoch erkennen, daß das eine Schwert deutlich länger ist.

Gruß Berthold
Wenn wir vergessen wer wir waren, hören wir auf zu sein wer wir sind.

Benedikt von Söllbach

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Bidenhänder Mitte 13. Jahrhundert?
« Antwort #17 am: 04. Juli 2007, 21:56:14 »
Klar, da hast du recht.
Es ist aber auch so, dass viele Fundstücke versteckt wurden (in Steinkisten vergraben) oder schlicht in Flüße geworfen wurden (sehr viele Funde).
Die wenigsten Fudne stammen direkt vom Schlachtfeld, da Erdboden in der Regel nicht gut konserviert - im Gegensatz zum Schlamm der meisten Flüsse.

Die Schwerter waren natürlich nach dem Wunsch des Auftraggebers gemacht, das betrifft vor allem Kreuzstange und Knauf - allerdings war das auch der Mode unterworfen, die Zeitlich und regional teils recht unterschiedlich war, wie die Fundlage belegt
Der Funktionale Teil der klinge aber, richtete sich nach dem Einsatzgebiet des Schwertes, also zu welcher Gelegenheit es getragen/benutzt wurde und vor allem, gegen welche Rüstung es eingesetzt werden sollte.
Aus deisem Grund finden sich um frühen Hochmittelalter nur Hiebschwerter, die spitzeren Stoßschwerter tauchen erst auf, als die Rüstungen durch Platten verstärkt wurden.

(Sinngemäß aus Oakeshott "Records of the Medieval Sword")
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Bidenhänder Mitte 13. Jahrhundert?
« Antwort #18 am: 06. Juli 2007, 07:00:01 »
pax -

nach einer info in der ausstellung " kreuzritter" auf der schallaburg kamen schwerter mit geeigneter spitze zum zustoßen erst im 14 jhdt. auf - bis dahin war die spitze abgerundet und das schwert nur für das hauen ausgelegt.

die angaben sind ohne gewähr da ich damas (wissentlich) nicht selbst dabei war  *pfeifl*

gehabt euch wohl

Benedikt von Söllbach

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Bidenhänder Mitte 13. Jahrhundert?
« Antwort #19 am: 06. Juli 2007, 08:32:34 »
Naja, das kommt drauf an, wie man "abgerundet" definiert.
Die Schwerter hatten nachweislich (s. Funde) schon eine Spitze.
Diese war aber halt nicht so spitz wie die der späteren Stoßschwerter; aber von "abgerudnet" würde ich nicht sprechen, da dies impliziert, dass sie absichtlich keine spitze hätten, was nicht der Fall ist.
Nicht vergessen darf man, dass viele Funde starke Korrosion an der spitze haben, die gut erhaltenen haben aber alle eine Spitze (ausgenommen die meisten Richtschwerter).
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Bidenhänder Mitte 13. Jahrhundert?
« Antwort #20 am: 06. Juli 2007, 09:19:54 »
pax

das kann und will ich nicht widerlegen - wie gesagt - ich habe nur wiedergegeben was ich in der ausstellung erfahren habe.....

Marc-Anton

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Bidenhänder Mitte 13. Jahrhundert?
« Antwort #21 am: 06. Juli 2007, 11:42:40 »
Zitat
Original von Xardas
Soo ich melde mich dann auch mal dazu.
Also zu allererst:  
Der Begriff Anderthalbhänder (oder Alternativ Bastardtschwerd) ist Mumpitz. Schwerter werden ab einer bestimmten Länge nicht mehr einhändig führbar, da sich durch den langen Hebel das Gewicht vervielfacht und eine optimale Kraftübetragung nicht mehr möglich ist (Ausnahme Rapier, da anders konzipiert) Sie werden dann nur noch 2-händig gegriffen. Ein Langes Schwert ( euer "Andertahlbhänder") wird extrem selten einhändig geführt und meist auch nur um den Gegner mit zusätzlicher Reichweite zu überraschen (siehe "das Gayszeln" Talhoffer Tafel 10) Es gibt Ausnahmen in denen ein EINHÄNDER (etwa 90-100 cm) 2-händig gegriffen wurde um z.B. die massive Kalotte eines Helmes zu durchdringen (Codex Manesse).

http://www.brandenburg1260.de/ruestungen.html In diesem Artikel, gibt es ein zeichung eines großen Schwertes, das ausgegraben wurde (1250). Einfach nach unten scrollen.

Das lange Messer stellt für Nichtadelige einen Kompromiss dar, da sie keine Schwerter führen durften. Diese Vorschrift wurde dann einfach umgangen indem man die Waffe nur einseitig schliff (die klinge war meist Säbelförmig). Ob die soviel billiger waren bezweifle ich, kann dazu aber auch keine qualifizierte Aussage machen.
Jedenfalls waren die genauso gut wie Schwerter.
Nun ist es nicht so das die ersten "langen Schwerter" von den Kelten gebaut wurden?
Mir war so als ob die länger als die Sparta waren.
Wotan mag uns den weg weisen.
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Marc-Anton

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Bidenhänder Mitte 13. Jahrhundert?
« Antwort #22 am: 06. Juli 2007, 11:45:14 »
Zitat
Original von Deutschherrenritter
pax -

ich behaupte mal frech :
alles eine frage der sichtweise !

hat ein 2 meter mann mit einem 80cm schwert nun einen einhänder ?

 ..........und hat ein 1,50m mann mit dem selben schwert nun einen bidenhänder ????????  *headbangl*

gehabt euch wohl
Ist nicht die Länge des Griffe entscheidendt?

Optisch hat der kleine Kerl ja eher nen Breitschwert. *jokely*
Was ist eigentlich mit selbigen?
Seit wann gibts diese?
Und wer fürhte so etwas?
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Aber Balder erleuchtet ihn.

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Bidenhänder Mitte 13. Jahrhundert?
« Antwort #23 am: 06. Juli 2007, 12:15:37 »
Thomas Laible schreibt vom "Breitschwertunfug"; nachdem es Breitschwerter als Schwerttypus nie gegeben hat. Näheres liefere ich heute Abend nach.
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Bidenhänder Mitte 13. Jahrhundert?
« Antwort #24 am: 06. Juli 2007, 16:47:20 »
Thomas Laible: "Das Schwert", Seite 24 unten:
Zitat
Der "Breitschwert"-Unfug
Der Ausdruck "broadsword" (Breitschwert) ständig in Büchern, Filmen und Fernsehen - und meistens wird er vollkommen falsch auf mittelalterliche Schwerter angewendet. Eigentlich ist mit "broadsword" ein schwerer Degen gemeint - es gab zu dieser Zeit keine speziellen englischen Ausdruck für den Degen, man kannte nur "rapier" und den Oberbegriff "sword". Die Bezeichnung "broadsword" kam im 18. Jhd. auf und wurde dazu benutzt, um Degen mit breiter Klinge von den schlanken Rapieren zu unterscheiden. Die Waffentypen, die unter den Begriff "broadsword" fallen, werden im Deutschen gewöhnlich als Reitschwert, Korbschwert, Pallasch oder einfach nur Degen bezeichnet. Mit mittelalterlichen Schwertern haben sie also gar nichts zu tun!
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Xardas

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Bidenhänder Mitte 13. Jahrhundert?
« Antwort #25 am: 15. Juli 2007, 00:52:11 »
Das der Begriff anderthalbhänder heute existiert will ich nicht bestreiten. Aber in zeitgenössischen Quellen kommen Bergiffe wie Bastardtschwert oder Anderthalbhänder nicht vor. Wurde ein Schwert Zweihändig geführt handelte es sich um ein Langes Schwert. Aber ich finde dieser Anderthalbhänderbegriff so IHH^^ Das erweckt immer den Eindruck als hätte man das damals mal so mal so gefasst. Den dieser Begriff erzeugt auch immer soviele Verwechslungen.
@Berthold: Ich glaube aber in eine Formation kämpfst du damit nciht sooo lange... Glaubst du nicht, dass es irgendwann Kräftezehrend wird? (also mal auf eine echte Schlacht gesehen)

Bruder R

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Bidenhänder Mitte 13. Jahrhundert?
« Antwort #26 am: 16. Juli 2007, 13:11:37 »
Ganz persönlich gesagt ist da nicht so ein großer Unterschied ob man einen Anderthalbhänder einhändig führt oder einen Einhänder führt. Kommt alles nur auf dein Training an.

Berthold von Krukow

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Bidenhänder Mitte 13. Jahrhundert?
« Antwort #27 am: 16. Juli 2007, 14:25:16 »
Hallo Xardas,

in diesem Leben bin ich natürlich noch in keiner Schlacht gewesen, in welcher mit Schwert und Schild und ähnlichem prügelwerkzeug aufeinander eingehauen wurde.
Aber:
Die Hollywoodstreifen, in denen sowas publikumswirksam dargestellt wird, kannst Du meist vergessen. Auch das heutige Gedängel auf den Schlachtfeldern auf Märkten und bei Reenactmenttreffen kannst Du getrost vergessen. Letztendlich gestaltete sich eine Schlacht ob zu Pferde oder zu Fuß in der damaligen Zeit fast immer als Zweikampf, jedenfalls solange das Kräfteverhältnis ausgewogen war, was die Mannstärke betraf. Und da wurde nicht lange gedängelt. Drei bis vier gezielte Hiebe und der Kampf mußte vorbei sein. Und es wurde nicht wahllos auf einander rumgehackt, da war die Gefahr zu groß, daß das eigene Schwert vorher den Geistaufgibt. Es wurde auf die richtige Situation gewartet bzw. man versuchte den gegner durch geschicktes Manövrieren in diese Situation zu bringen.
Das Langschwert war mit Sicherheit nicht die Infanteriewaffe in jener Zeit. Aber für den berittenen Kämpfer war eine lange Klinge schon von Vorteil.
Und in der Tat mein Langschwert ist weitaus ausgewogener und weniger ermüdend als mein kurzes. Das kommt sicher auch immer auf die Machart des Schwertes an. Klingen von Binz und wie sie alle heißen, die mit modernster Metallurgie von heute hergestellt sind, dürfte es damals nicht gegeben haben.
Ich hab grad letzte Woche eine Langsax von einem polnischen Schmied in der Hand gehabt, das war so leicht, daß ich erst dachte es sei aus Alu gemacht. Hatte aber nach dem Gedängel vom Wochenende weniger Scharten als die meisten herkömmlichen Schwerter.
Mit einem Einhänder aus dem Material bin ich natürlich wesentlich schneller und wendiger als mit einem Langschwert. Dann noch eine Schrankwand oder ein Wagenrad als Schild und ich bin nahezu unbesiegbar im Zweikampf.

Gruß Berthold
Wenn wir vergessen wer wir waren, hören wir auf zu sein wer wir sind.

Neithan

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Bidenhänder Mitte 13. Jahrhundert?
« Antwort #28 am: 17. Juli 2007, 11:18:01 »
Bist du ernsthaft der Meinung das es im Mittelalter keinen Linienkampf gab und sämtliche Beschreibungen und Darstellungen der verschiedenen Formationen erfunden sind? Oder habe ich dich da nur falsch verstanden?
gruß Neithan

Berthold von Krukow

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« Antwort #29 am: 17. Juli 2007, 12:14:13 »
@ Neithan,
sicherlich gab es den Linienkampf im Mittelalter noch. Letztendlich sind selbst die Preußen noch so vorgegangen und Napoleon war der erste, der die Linie aufgebrochen hat.
Doch letztendlich brach jede Linie früher oder später auf. Früher, wenn einmal die Reiterei drübergefegt war, später wenn nur Infanterielinien gegeneinander standen. Aber selbst dann haben sich die Linien aufgerieben und das Schlachtgetümmel war ein heilloses Durcheinander, in dem sich der einzelne Kämpfer nur noch anhand des eigenen Banners orientieren konnte, wo es lang ging und wie die Truppe stand. Deswegen war es dem Bannerträger bei Androhung drakonischer Strafen verboten ohne Befehl des Marschalls das Beauseant zu senken, nicht aus irgendwelchen falsch verstandenen Ehrvorstellungen.
Das meinete ich damit, daß es letztendlich (wenn man denn die Linie überlebt hatte) nur noch Mann gegen Mann ging.

Gruß Berthold
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