Autor Thema: Hospitaliter, spätes 12./13. Jhd. / Adelsdarstellung, zweite Hälfte 13. Jhd.  (Gelesen 52660 mal)

Thomas W.

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Ich möchte die ruhigen Tage nutzen, um meine überarbeitete "Hauptdarstellung" nun auch noch mal in dieser Ruprik vorzustellen.

An meinem Hospitaliter Ritterbruder arbeite ich* bereits seit 2013. Im Jahre 2014 wurde einiges nochmals neu geplant, überarbeitet und auch über den Haufen gerworfen. Es wurde sich für diese Austattung an Belegen und Quellen der Zeit orientiert, bzw. (falls nicht zureichend vorhanden) nach bestem Gewissen interpretiert. Ziel war, dem ganzen Projekt mehr "Geschichtsnähe & Qualität" zu verleihen und Stück für Stück weg vom "GroMi" zu kommen. Mein Schwerpunktgebiet ist der militärische Zweig des Ordens. Im Jahre 2015 und 2016 konnte nochmals ein weitere Schritt an Verbesserungen umgesetzt werden.

Den aktuell herzeigbaren Stand der Dinge meiner Interpretationen möchte hier anhand dieser drei Collagen kurz sichtbar machen.



Zusehen sind hier die zivilen Varianten meines Ritterbuders. Einmal mit Sommermantel und die mit Wintermantel, sowie eine mit Arbeitsbekleidung für das letzte Viertel des 12. Jhd.



Auf der oberen Collage sieht man verschiedene militärische Varianten für das letzte Viertel des 12.Jhd. Sie zeigen für diese Zeit mögliche Schildformen auf. Auch verschiedene Körperpanzerungen sind zu sehen (zwei verschiedene Ringpanzer & ein Schuppenpanzer). Einige für diese Zeit mögliche Helmvarianten, Überbekleidungen und Bewaffnungen sind ebenfalls zu erkennen.



Wie bereits oben erwähnt, konnte in diesem Jahr nochmals einiges überarbeitet und verbessert werden. Zu nennen wären hier z.B. einige Helme, deren Kalotten aus einem Stück getrieben wurden. Neu ist auch ein Schild der in Blankenbauweise gebaut und Knochenleim verleimt, mit Rohhaut bezogen und historischen Pigmenten bemalt wurde. Zudem gelang in diesem Jahr (zivil wie militärisch) der Sprung ins erste Viertel des 13. Jhd (siehe auch die obere Collage).

Und hier wird es im kommenden Jahr weiter gehen. Ziel ist immer noch das ganze Projekt in den nächsten Jahren bis auf ~1300 herum auszubauen.

Grössere Bilder und detailiertere Beschreibungen zu den meisten einzelnen Bildern findet ihr bei Interesse in meiner Galerie im Mittelalterforum oder auf facebook.

Die Profis unter euch werden hier und da sicher noch den ein oder anderen "Schnitzer" erkennen. Ich bin stark daran interessiert, diese in Zukunft noch zu verbessern und Stück für Stück abzustellen. Neue Rechercheerkentnisse können und werden in Zukunft ebenfalls immer wieder eine Berücksichtigung erfahren.




*Auf diesem Wege möchte ich mich nochmals ganz herzlich bei allen Freunden & Ideengebern, Kritikern, Schmieden, Handwerkern und Schneidern bedanken, die mich bei diesem Projekt direkt und indirekt unterstützt haben. Ohne euch wäre das so nicht möglich gewesen! Ich freue mich weiterhin auf eine gute Zusammenarbeit mit euch!
« Letzte Änderung: 01. Februar 2018, 08:01:09 von Thomas W. »
Grüsse, Thomas

Benedikt von Söllbach

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Re:Hospitaliter, letztes Viertel 12. Jhd. & erstes Viertel 13. Jhd.
« Antwort #1 am: 28. Dezember 2016, 11:08:56 »
Respekt für deine Arbeit!
Die Collagen sind sehr schön geworden.

Interessant finde ich die Helmbemalung; die ist den Templern ja grundsätzlich* verboten gewesen. Taucht das in den Hospi-Statuten auf?

(*: Es gibt allerdings in Perugia Bilbelege für Bemalte Helme, man weiß nicht, was das zu bedeuten hat; vermutet wird eine militärische Kennzeichnung der Anführer)
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Thomas W.

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Re:Hospitaliter, letztes Viertel 12. Jhd. & erstes Viertel 13. Jhd.
« Antwort #2 am: 28. Dezember 2016, 17:58:09 »
Respekt für deine Arbeit!
Die Collagen sind sehr schön geworden.

Interessant finde ich die Helmbemalung; die ist den Templern ja grundsätzlich* verboten gewesen. Taucht das in den Hospi-Statuten auf?

(*: Es gibt allerdings in Perugia Bilbelege für Bemalte Helme, man weiß nicht, was das zu bedeuten hat; vermutet wird eine militärische Kennzeichnung der Anführer)

Vielen Dank Benedikt von Söllbach!

Zu bemalten Helmen. Mir ist bei den Hospitalitern kein Verbot, das bemalte Helme beinnhaltet, bekannt. Allerdings steht meines Wissens auch nirgends geschrieben, dass Helme bemalt sein durften. Ich halte eine Bemalung aber durchaus auch für den Hospitaliterorden (aus ähnlichen Gründen die du für den Templerorden anführst) für möglich.

Das Fresko aus der Hospitaliterkomturei Santa Maria in Sigena (Katalanien/Spanien) hat mich dazu bewogen, mal eine historische Helmbemalung umzusetzen. Es zeigt laut Prof. M. Pagès i. Paretas mit hoher Wahrscheinlichkeit zwei frühe Hospitaliter Ritterbrüder die einen Pilgerzug begleiten. Einer der beiden Ritter, trägt einen rot bemalten Helm. Auf der eingelagerten Freske konnte die rote Originalfarbe am Bereich des Helmes nachgewiesen werden. 

Man kann davon halten was man möchte. Ich weiss, dass die Meinungen dazu auseinander gehen. Mich interessierte zudem auch, ob es mit rein historischen Mitteln (in diesem Fall rot-ockernes Pigment & Leinöl) überhaupt möglich war, eine deckbare und haltbare Farbe auf's Metal zu bringen. Und was soll ich sagen, es hat mit dem roten Pigment gut funktioniert. Die Farbe deckt und hält (siehe Bild) soweit wie eben eine Pigmentfarbe (ohne moderne Zusätze) halten kann. Ohne Fremdeinwirkung blättert nichts ab. Pro Helm benötigte es (nach einigen Experimenten zum Mischungsverhältnis) nur einen Anstrich.

 
Grüsse, Thomas

Thomas W.

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Re: Hospitaliter, letztes Viertel 12. Jhd. & erstes Viertel 13. Jhd.
« Antwort #3 am: 13. März 2017, 20:17:44 »
Hier zusehen sind Teile meiner geschichtsnahen Kriegsausrüstung eines Hospitaliter Ritterbruders um 1200.


(Bildquelle: Ritter Erasco)

Zusehen sind:
- ein Ringpanzer, vernietet, vom Kopf bis zu den Füssen
- Einhandschwert (Typ XII) mit Paranussknauf (nach Abbildung aus dem Rolandslied um 1180 und original Funden), scharf ausgeschliffen, Scheide ist vorhanden, aber nicht auf dem Bild
- Stachelsporen, aus Messing, verzinnt
- früher Topfhelm mit aus einem Stück getriebener Kallotte, Gesichtsplatte in Anlehnung an Abbildungen aus Schweden (12. Jhd.) und Deutschland (13. Jhd.)
- Streitkolben aus Bronze, Schaft aus Esche
- Lanze mit panzerbrechender Blattform, scharf ausgeschliffen, (nach einem Fund aus Mecklenburg (12./13. Jhd), Schaft aus Esche
- Schild, Plankenbauweise mit Knochenleim verleimt, Rohhautbezug, Pigment-Leinölanstrich (rot-ocker & Eierschale)
- kleines Kreuz, handgeschmiedet (ohne Beleg)
Grüsse, Thomas

Benedikt von Söllbach

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Re: Hospitaliter, letztes Viertel 12. Jhd. & erstes Viertel 13. Jhd.
« Antwort #4 am: 04. April 2017, 19:35:03 »
Schön!
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Cornelius

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Re: Hospitaliter, letztes Viertel 12. Jhd. & erstes Viertel 13. Jhd.
« Antwort #5 am: 16. Oktober 2017, 10:10:04 »
Hurra, das Forum ist wieder einfach erreichbar! Sehr schöne Darstellung; hast du spontan mal die Quellen für diese Gesichtsplattenform am Helm parat? Die Zacken sind ja schon abgefahren. Die Schildberiemung würde mich auch mal interessieren, falls du mal Zeit für eine Innenansicht hast.

Thomas W.

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Re: Hospitaliter, letztes Viertel 12. Jhd. & erstes Viertel 13. Jhd.
« Antwort #6 am: 18. Oktober 2017, 18:10:10 »
Hallo Cornelius,

Sehr schöne Darstellung; hast du spontan mal die Quellen für diese Gesichtsplattenform am Helm parat? Die Zacken sind ja schon abgefahren. Die Schildberiemung würde mich auch mal interessieren, falls du mal Zeit für eine Innenansicht hast.

Die Form des Helmes respektive der Gesichtsplatte ist an ein schwedisches Vorbild aus dem späten 12. Jhd. angelehnt. Die Vorlagen für diese Interpretation stammen aus der Lyngsjo Kirche in Schweden. Die Abbildungen sind auf dem dortigen Taufbecken zu finden.




(Bildquellen: myarmoury.com)

Es gibt zudem noch eine deutsche Vorlage aus dem 13. Jhd. (wenn ich mich recht erinnere 1220iger Jahre) für diese Helmglocken- und Gesichtsplattenform . Hier sind die Gesichtsplatten allerdings goldfarben und die Ecken sind nicht so spitz, sondern abgerundet. Kann dazu leider gerade den Bildbeleg auf die schnelle nicht finden... wenn ich ihn hab, reiche ich ihn nach.

Die Rückseite bzw. die Riemen des Schildes sehen so aus:


(Bildquelle: ich)

Grüsse, Thomas

Cornelius

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Re: Hospitaliter, letztes Viertel 12. Jhd. & erstes Viertel 13. Jhd.
« Antwort #7 am: 23. Oktober 2017, 15:13:52 »
Wunderbar, danke dir! Was die Schilde angeht, bin ich von den Armriemen für die frühen und größeren Dreiecksschilde fast gänzlich abgekommen. Aber mein erster selbstgebauter hat das Ding natürlich ganz brav noch nach Kohlmorgen. Hast du ihn mal nur mit Fessel und Handriemen geführt?

(Falls wir darüber schon mal gesprochen haben, ist es mir leider entfallen; ich bin auch nicht mehr der jüngste...)

Thomas W.

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Adelsdarstellung, zweite Hälfte 13. Jhd.
« Antwort #8 am: 01. Februar 2018, 08:31:45 »
Dies ist meine Adelsdarstellung ("Graf Hartmann I. von Werdenberg-Sargans"). Die Bilder entstanden auf dem "Mittelaltertag in Sargans" (2017). Sie zeigen eine Interpretation des Grafen Hartmann aus den späten 1260ern.


(Bildquellen für diese Collage: MDJ Photo & eigenes Bild)

Die Bruche und ein Untergewand wurden aus Leinen gefertigt. Die beiden Cottas auf dem Bild sind aus reiner Seide. Die blaue Cotta ist am Kragen und den Ärmeln aufwendig bestickt und mit Perlen und Koralle verziert. Der Mantel ist aussen aus Wolle und innen mit Seidenbrokat gefüttert. Die Beinlinge sind aus feiner, dunkelblau gefärbter, Wolle und die Schuhe sind nach einem Konstanzer Fund von Stefan von der Heide gefertigt. Die Sporen sind aus verzinntem Messing hergestellt. Der Hut ist gefilzt, mit Seidenbrokat gefüttert und mit zahlreichen Pfauenfedern verziert. Die Krempe wurde mit Fehpelz besetzt. Man sieht zudem einen gewebten Seidengürtel, der mit zeitgenössischen Beschlägen versehen wurde. An ihm hängt ein Almosenbeutel (Wolle/Seide), sowie eine Tasche nach Runneburg Fund (mit Knochenschnallen), die ebenfalls mit Seide hinterlegt wurde. Es sind zudem wappenförmige Tasselscheiben und zeitgenössischer Schmuck zu erkennen.

Es war ein wirklich spannendes Projekt, in dem runde 12 Monate der Planung und Vorbereitung lagen. Ein Projekt, das mal keinen „militärischen Schwerpunkt“ hatte und sich voll und ganz auf den „zivilen Part“ konzentrierte (der für mich persönlich sonst eher „zweitrangig“ ist). Dabei habe ich mich für diese Interpretation neben den Standartwerken von Ulrich Lehnart und Cösta Dittmar-Trauth auch an zeitgenössische Belegen aus Mittel- und Süddeutschland, sowie der Schweiz und Frankreich gehalten und hatte das grosse Glück, dass mich ein "kleines Heer" an fähigen Handwerkern bei der Umsetzung unterstützte.

Kommen wir nun noch zu den Leihgaben: Die wunderschöne grüne mit Perlen verzierte Surcote aus Seidenbrokat zum Beispiel. Daniel und seine liebe Frau Alice von der "comthurey alpinum.ch" haben mir dieses schöne Stück für diesen Tag ausgeliehen. Auch das Schwert ist eine Leihgabe, die mir Jürgen von "projekt-deutschritter.de" zur Verfügung gestellt hat. Denn (jetzt bitte nicht lachen...) ich hatte Mitte des letzten Jahres noch keine geeignete Schwert-Scheidenkombination im eigenen Bestand (dieser Mangel wird aber derzeit behoben). Gut, dass man sich dann auf Freunde verlassen kann!

Grüsse, Thomas

Cornelius

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Das ist ja mal dekadent! Sind die Brokatstoffe von Sartor? War ja mittelschwer beeindruckt, als ich die das erste Mal auf der Reenactment-Messe gesehen habe.

Thomas W.

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Das ist ja mal dekadent! Sind die Brokatstoffe von Sartor? War ja mittelschwer beeindruckt, als ich die das erste Mal auf der Reenactment-Messe gesehen habe.

Ja, sind sie. Der Stoff ist der beste Kompromiss, den ich finden konnte. Alleine für das Mantelfutter wurden ~5m davon verarbeitet.
Grüsse, Thomas

Johannes vom Gollenstein

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Dekadent trifft es ja mal voll!

SEHR schöne Darstellung wieder einmal!!! Großes Kompliment!

Thomas W.

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Dekadent trifft es ja mal voll!

SEHR schöne Darstellung wieder einmal!!! Großes Kompliment!

Danke Johanna! Ja, ein bisschen "bling bling" war in diesem Fall notwendig. Es hat Spass gemacht, sich mit diesen Themen auseinander zusetzen. "Perfekt" ist diese Interpretation zwar noch nicht, aber die Basis ist ok.
Grüsse, Thomas

Benedikt von Söllbach

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Da bleibt mir echt die Spucke weg!
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Thomas W.

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Da bleibt mir echt die Spucke weg!

Danke dir, Benedikt!

Beim Hospitaliter ist für den März/April 2018 auch ein Update in Planung. Du hast vermutlich die Recherchen (um z.B. die Belegbarkeit der Schildfarben und der Verwendung der "Cappa" über der Rüstung im 12./13. Jhd.) im Facebook und MAF verfolgt? In diesem Punkt (und einigen anderen Details) wird es für meine Darstellung weitere Optimierungen/Ergänzungen geben.

Das ist der aktuelle Zwischenstand bzw. "Ausblick":

(Bildquellen für diese Collage: eigene Bilder & Kitguide Comthurey Alpinum)
Grüsse, Thomas