Zusammenfassung unserer themenbezogenen Besprechung vom Mittwoch, 17.03.10:
Um hier zunächst einmal Klarheit zu erlangen wer denn nun eigentlich als Turkopole in Frage kommt, sollten wir uns die Geschichte der Region ins Gedächtnis rufen:
Weite Teile des späteren Königreiches Jerusalem gehörten jahrhundertelang zum Oströmischen Reich - waren somit dem Byzantinischen Recht und Glauben zuzurechnen.
Somit gab es dort - im Byzantinischen Reich eine Mischpopulation aus Griechen, einheimischen Persernachkommen, Juden, urchristlichen Gemeinden, und Muslimen.
Es gab nach Oströmischen Vorbild eigenständige Königreiche wie z.B. Armenien (urchristlich) und Syrien.
Auch in den benachbarten muslimischen Reichen wie z.B. Ägypten gab es noch große Teile urchristlicher Bevölkerung (Kopten) die von den muslimischen Herrschern nicht nur geduldet, sondern sogar gern gesehen waren, da von Muslimen keine Steuern erhoben werden durften, von den Menschen des Buches, also Christen und Juden, aber sehr wohl !
Zwischen den byzantinisch orthodoxen Christen und den urchristlichen Glaubensgemeinschaften gab es Mischehen - einem gläubigen Muslim war es als Mann ebenfalls erlaubt eine christliche Frau zu nehmen - andersherum auf keinen Fall!
Soviel zur Population und Glaube.
Der erste Kreuzzug wurde von Papst Urban ins Leben gerufen, nachdem er eine Bitte um Hilfe aus Byzanz erhalten hatte, dem weite Teile seines einstigen Reiches durch die vordringenden Turkvölker abhanden gekommen waren und Papst Urban hegte den Wunsch die ost- und weströmische Kirche wieder zu vereinen, während es dem Basileus einzig darum ging die Ländereien, die als Puffer dienten, wieder in Besitz zu nehmen.
Die christlichen Heere eroberten dann auch diese Gebiete zurück, aber statt sie an Byzanz abzutreten, gründeten sie eigene Fürstentümer und schließlich das Königreich Jerusalem, was zu einem heftigen Streit mit Byzant führte.
Einige der ehemals byzantinisch zugehörigen Königreiche blieben jedoch unter Protektorat Jerusalems selbstständig, bzw. erhielten ihre Selbstständigkeit zurück - so z.B. Armenien.
Diese Reiche waren wieder christlich (orthodox und urchristlich) aber lebten in ständiger Angst vor den benachbarten muslimischen Reichen - daher waren sie aus Eigennutz bemüht die neuen christliche Herrscher nach Kräften zu unterstützen!
Verzeiht das ich so weit ausholen mußte um folgendes klarzustellen:
Es gab also damals ein riesiges Potential an einheimischen Christen - zwar nicht römisch katholisch aber dennoch christlich! Diese Christen hatten ein großes Interesse an einem stabilen Bündnis mit den Kreuzfahrerstaaten!
Somit ist schon mal klar, das es dort sowohl für weltliche Herren, wie auch für die Ritterorden, leicht möglich war christliche Söldner anzuwerben!
So wundert es dann auch nicht, das so ziemlich alle Autoren in den einheimischen Söldnern Christen sehen - ganz besonders eben auch bei den Ritterorden.
Diese einheimischen Christen hatten jedoch in vielen Jahrhunderten Krieg die Lebensgewohnheiten und eben besonders auch die dort üblichen Kampftaktiken angenommen und als sich die Notwendigkeit ergab ein militärisches Gegengewicht zu den sarazenischen Reitern aufzubauen, griff man natürlich auf die bereits vorhandenen Möglichkeiten zurück!
Wer aber kam da nun genau in Frage?
Sicherlich nicht der einfache Ziegenhirte oder Bauer "von nebenan", denn die Unterschiede zwischen Arm und Reich waren dort traditionell noch ausgeprägter als im Okzident.
Wer also hatte die Möglichkeit zu Reiten, zu Kämpfen und das auch noch mit dem Reiterbogen?
Nur die Personen kamen in Frage, die eine solche Ausbildung erhalten hatten - also Soldaten aus den einheimisch,christlichen Regionen.
Also sowohl Nachkommen von griechischen Byzantinern, armenische und syrische "Ritter" (Adelige) wie auch einfache Soldaten.
Somit ist der in Frage kommende Personenkreis klar einzugrenzen.
Man kann also zusammenfassen, das es sich bei den angeworbenen Kämpfern erstens um kampferprobte einheimische Christen handelt und zweitens dafür sowohl Adelige, wie auch Nichtadelige in Frage kommen - eben genauso wie bei den westlichen "Neuzugängen".
Das erklärt dann auch warum es keine "Turkopolenaufnahme" oder "Verhaltensmaßregeln für den Umgang mit Turkopolen" in der Ordensregel gibt! (Auch keine abweichenden Strafen!)
Es war nämlich gar nicht nötig, da die vorhandenen Artikel und Retrais für die dienenden Brüder und Ritter ja demnach 1:1 anzuwenden waren.
Somit ist auch der Status klar - ebenso wie bei den westlichen Brüdern, gab es dann Adelige und Nichtadelige, es gab Freiwillige "für Gottes Lohn", die sich entweder auf Zeit, oder dauerhaft dem Orden anschlossen und solche die gegen Sold oder für eine begrenzte Zeit beim Orden kämpften.
Das erklärt dann auch die offensichtlichen Widersprüche in der Regel, wonach einmal die Turkopolen (Rationen/Wein/Bannerträger) bevorzugt werden und es dann wiederum für einen Kleriker der Ordens eine Strafe war an der Tafel der Turkopolen zu speisen - denn es waren zwar Christen, aber eben orthodoxe/urchristliche Christen, die nicht nur wie Sarazenen aussahen, sondern auch deren Sprache und Gebräuche in Jahrhunderten übernommen hatten.
Somit war es ihnen zwar erlaubt bei den Brüdern zu wohnen, mit ihnen zu Reisen und in einem Haus zu speisen, aber eben an einer eigenen Tafel!
Das die Turkopolen dann zwar teilweise einen "Ritterstatus" hatten, erklärt warum sie einerseits priviligiert waren - aber eben trotzdem aufgrund der kulturellen Unterschiede und der Sprache im Frieden unter sich blieben.
Auch militärisch macht es Sinn, das die Anführer der Turkopolen eben einheimische Adelige waren, denn nur die kannten die Taktik und konnten sich in ihrer eigenen Sprache verständigen.
Die Vertrautheit mit Sprache und Kultur erklärt dann auch warum alle Ordensoberen, neben einem sarazenischen Schreiber, auch einen Turkopolen als Begleitung bekamen.
Daraus resultiert dann, das es weder nötig war eine neue Ausrüstung, noch ein neues Hirarchiesystem in die Regel aufzunehmen, denn alles was für vergleichbare Ränge auf die Turkopolen zutraf war ja schon für die westlichen Neuzugänge klar geregelt:
Adelig/Ritterbürtig = Ritterstatus
Nichtadelig = dienender Bruder
daraus ergibt sich dann eben analog zwangsläufig auch die Ausrüstung und Bekleidung!
Somit ist klar warum beim Kampf, im heiligen Land, die Turkopolen und die anderen dienenden Brüder unter dem Turkopolier kämpften, denn neben der Taktik war der einzige Unterschied die Bewaffnung - also Bruder (westlich) Lanze oder Kurzwaffe, Bruder (orientalisch) = Bogen.
Einzige, in der Regel, erwähnenswerte Besonderheit ist dann eben, das die Turkopolen immer dem Turkopolier unterstanden und eine eigene Tafel innerhalb des Konvents hatten. (sprachliche, kulturelle und religiöse Abweichungen von den westlichen Brüdern)
Damit sind die anscheinenden Widersprüche in der Regel erklärt und gleichzeitig die nicht vorhandenen Vorschriften für Turkopolen.
Es muss also nur auf die wenigen Ausnahmen eingegangen werden, da alles Andere ja bereits durch die Regel abgedeckt wird.
Da die Turkopolen nur eine neue Truppengattung waren (es können also auch durchaus vereinzelt westliche Kämpfer unter ihnen gewesen sein!) - kann davon ausgegangen werden, das es neben den Turkopolen für Sold auch noch einfache Söldner gab - z.B. Fußkämpfer, die dann aber nicht unter die Regularien der Turkopolen und der Regel fallen, da sie eine untergeordnete Bedeutung hatten und evtl auch nicht die Kriterien für eine dauerhafte oder zeitlich begrenzte Aufnahme in den Orden erfüllten.
Gruß
William
p.s. @ Benedikt und Daniel: ich hoffe ich habe das Ergebnis unserer Beratung und Diskussion vollständig zusammengefaßt - sollte ich noch etwas vergessen haben, könnt ihr ja editieren. Um es nicht noch länger zu machen habe ich die Quellen hier nicht erwähnt - das könnt ihr ja bitte noch nachschieben - danke!