Autor Thema: Das wohl leidige Thema des Ringelpanzers...  (Gelesen 7138 mal)

Markus

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Das wohl leidige Thema des Ringelpanzers...
« am: 05. September 2010, 20:08:52 »
Salvete,

Dieser Beitrag wird wohl etwas länger ausfallen... wird aber nicht vollends in die Tiefe der Materie gehen.
Ich erhebe auch nicht den Anspruch auf absolute Wahrheit, gibt nur Näherungswerte. Der Kompromiss zwischen historischer Korrektheit und der Umsetzbarkeit (hinsichtlich Anwendung/Ausführung) gilt auch für mich :P

Das Thema Ringpanzer ist eigentlich schon total durchgekaut aber dennoch stehen immer noch offene Fragen im Raum, die wohl nicht oder auch nie endgültig (selbst mit dem Heranziehen der Hilfswissenschaften wie der Metallurgie et cetera) geklärt werden können.
Ich möchte hier über meine Erkenntnisse und Erfahrungen zur Produktion von Ringen berichten.

In meiner darsgestellten Zeit (angestrebt: Kavallerie) werden fast Knielange "Hemden" mit angesetzten Fäustlingen und Haube mit Ventaill getragen.
In diesem Punkt sind sich wohl fast alle einig.

Mich interressiert vielmehr die Technologie der Herstellung bzw. wie fertige ich meinen eigenen Ringpanzer selber an.
Was ist hier als historisch zumindest weitesgehend als korrekt anzusehen?!

Den benötigten Draht selbst zu ziehen oder herzustellen ist wohl mit Blick auf Arbeitsaufwand, des fehlenden technischen know-hows, sowie  benögtigtem "Werkzeug etc" und den Kosten (1kg Draht ab etwa 2 € beim Händler) nicht sehr sinnvoll.
Genauso unsinnig halte ich die Diskussion über Materialstärke und Innendurchmesser. Es gibt genug Funde (Fragmente), deren Herstellung  im gleichem Zeitraum oder gleichen "Epoche" zuzuordnen sind und dennoch Unterschiede in Durchmesser und Materialstärke (vermutlich auch regional bedingt) aufweisen.
Ich persönlich nutze geglühten Draht, der 1,6 bis 1,8 mm stark ist.  Das ist etwas übertrieben..das ist schon wahr... er (der Panzer) wird  verdammt schwer.. aber für mich perönlich stellt das kein Problem dar (hoffe ich zumindest).
Das glühen mache ich selbst mit Holzkohle und Fön im Grill, weil ich im Moment nur verzinkten Maschendrahtzaun mit grüner Plastikummantelung zur Verfügung hab (was solls.. ich hab ihn geschenkt bekommen und für die eigentliche Nutzung keine Verwendung).
Deshalb beziehe ich mich ausschließlich auf die Arbeitschritte:
1. Spiralen drehen und überlappendes Auftrennen; 2. Plätten der Ringe; 3. das Lochen und 4. das Vernieten.

Schon allein beim Aufwickeln des Drahtes (Wicklungsrichtung) sollte beachtet werden, dass dies in Linksrichtung, also in gegengesetzter Richtung des Uhrzeigersinns passiert (http://www.amici-morum.de/16.html schöner Literaturanhang)


Fast ausschließlich alle Anleitungen zum Ringpanzerbau zeigen uns jedoch eine Rechtswicklung:


Beim Templer Böhl

und bei tempus vivit http://www.tempus-vivit.net/bild/986
sieht das schon anders aus.

Ich habe auch den "Fehler" gemacht und rechts herum aufgedreht. Ich weiss nicht, ob die Drehrichtung entscheident war/ist oder dem Ringhersteller irgendeinen Vorteil beschert, denn das Auftrennen (abknipsen) bei Rechdrehung fällt mir persönlich viel leichter und ich kann eine einigermaßen gleichmäßige Überlappung sicherstellen.
Die Vermutung, dass ein überlappendes Abschneiden nicht stattgefunden hat, sondern wie bei der Herstellung von offenen Ringen und anschließenden zurechtbiegen kann ich weder befürworten noch explizit verneinen. Ehrlich gesagt habe ich keine Ahnung und muss dahingehend weiter recherchieren.

Der 2. Punkt betrifft das Plätten der Ringe:

Die Funde belegen, dass Rinpanzer im Frühmittelalter bis hin zum HMA aus vermutlich gestanzten und/oder Feuerverschweissten Ringen abwechselnd mit genieteten Ringen hergestellt wurden. Erik Schmid hat dies bekanntlich im Umfangreichen Maße dargestellt. Stanzen oder feuerverschweissen fällt für die Eigenherstellung auch erst mal weg, weil auch dieser Aufwand zu groß ist und meiner Meinung nach in keinem Kosten/Nutzen Verhältnis steht.
Man könnte also zum Eisenwarenhändler maschieren und sich einige tausend Unterlegscheiben besorgen, die natürlich anders legiert sind als der relativ weiche Draht. Deshalb sind bei den meissten Darstellern, wenn sie ein vernietetes Hemd tragen alle Ringe vernietet. Genau diesen Weg habe ich auch eingeschlagen.
Nun zur Frage. Wie gehe ich vor? Es ist wohl auch belegbar (bis zum HMA), dass die Ringe nur an der Überlappung geplättet wurden und derst später (ab 14. Jhdt.) die Ringe ganz geplättet wurden. Ich habe mich dazu entschieden alle Ringe zu plätten. Jedoch nicht so, dass sie wie Unterlegscheiben aussehen. Die Runde Form soll erhalten bleiben. Ich plätte meine Ringe mit einem Stempel und einer Führung, weil ich allein mit dem Hammer für mich persönlich keine guten Ergebnisse erzielt habe.
siehe hier rechtes Geflecht. Das linke ist mein erster Versuch 6in1.
Vorderseite: Rückseite:
Die Überlappung muss breit genug geplättet sein, um das Lochen zu ermöglichen. Deshalb werde ich wohl oder übel diesen Kompromiss des Plättens mittels Stempel eingehen müssen.

3. Das Lochen
Das Kapitel ist kurz....
Ich benutze eine Zange mit Dorn. Bohren sieht zwar im Endresultat besser aus (Nietkopf) aber ist nicht belegbar und im Mittelalter bis hin zur frühen Neuzeit wohl nicht möglich gewesen.
Das Lochen per Dorn hat noch einige Vorteile:
1.Man nimmt kein Material weg und 2. Kann der Nietdraht als Keil verwendet werden, damit bleibt die Oberfläche der Unterseite "glatt" und das Polster leidet nicht so stark.
Als letzten Punkt ist aufzuzeigen,dass das Material  ineinander gedrückt wird und die Stabilität erhöht:


4. Das Vernieten
Ich verwende für das Vernieten die typische Rundniete (Dreiecksnieten und die Vollplättung erst ab dem 14.Jhdt.), die ich aus einem Stück Bindedraht (1,2 mm) herstelle und zur gewünschten Länge abknipse.

Dann drücke ich den angespitzten "Metallstift" komplett durch und setze den Nietkopf. Mit dieser Methode bin ich recht erfolgreich.
Den Stift knipse ich für gewöhnlich nach dem Durchdrücken etwas ab, um einen ordentlichen Nietkopf (rund, leicht konisch) herzustellen (wenn die Spitze zu lang ist, gibt es nur eine häßliche Umbiegung) und um eine gewisse Gleichmäßigkeit der Köpfe sicherzustellen. Ich mache das mit richtig viel Druck, damit kein Spallt oder ähnliches entstehen kann.
Ich habe oft gehört, dass der Ring wegplatzt, wenn zu viel Druck ausgeübt wird. Das passiert wohl oft bei gekauften, fertig gelochten Ringen. Wenn mir das passiert, dann ist schon was beim Lochen schief gegangen und der Ring wird entfernt.
Hier noch ein Bild vom geplätten bis hin zur fertig genieteten Ring:


hier noch ein paar Bilder meiner Werkzeuge, die ich mit hergestellt hab:

Mein erstes Geflecht zirka 550 Ringe (Pi mal Daumen)
Vorderseite:

Rückseite:


Und hier mal 6in1 (beides 1,8mm zu 8mm ID) genietet (geglühter Draht) und unverniet (V2A) ... ist jetzt ein klasse Topfuntersetzer:



Nun zum Schnittmuster und "Webart".
Ist es vertretbar oder in irgendeiner Form für ca, 1200 A.D. belegt, dass der Kragen, Schulter und Brustbereich (teilweise auch der Rücken ) ein 6in1 geflecht aufweist?
Ich habe dahingehend Benedikt angeschrieben, der mir auch nicht recht weiterhelfen konnte, aber vielleicht habt ihr ja eine Idee?
Ich stelle mir das in dieser Art, wie bei tempora nostra gezeigt vor:

Warum frage ich das? Ganz einfach.. ich werde in meinem Leben wohl nur ein Hemd anfertigen. Der Arbeitsaufwand ist einfach zu ernorm, dass ich auch noch ein zweites bauen würde.
Wenn man schon sowas macht, dann soll es natürlich ein absolutes Unikat sein und auch was her machen. Ich bin von dieser Idee irgendwie nicht abzubringen.

Ich hoffe, dass ich jetzt nicht einen Schrei der Empörung auslöse.
Dennoch.. für konstruktive Kritik bin ich immer zu haben.

Benedikt von Söllbach

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Das wohl leidige Thema des Ringelpanzers...
« Antwort #1 am: 05. September 2010, 20:17:44 »
Hallo und erstmal danke für die ausführliche Darstellung!

Zitat
Ich habe dahingehend Benedikt angeschrieben, der mir auch nicht recht weiterhelfen konnte
Das wollte ich nochmal kurz präzisieren:
Mir ist von den Funden die ich kenne nicht bekannt, das der Halsbereich mit Trötringen gearbeitet worden wäre, noch dass dies in anderer Flechtweise als 4-in-1 getan worden wäre.
Ich kann das also aus meiner Sicht nur verneinen, aufgrund der dünnen (bzw. quasi nicht vorhandenen) Fundlage um 1200 ist es aber halt so, dass das spekulativ ist.

Ich würde in jedem Fall ein einfaches Hemd mit geradem Rücken- und Frontlappen herstellen, die an der Schulter durchlaufen (also keine Schulternaht, bei der sich das Geflecht ändert).
Probate spiritus si ex Deo sunt. ("Prüfet den Geist, ober er von Gott kommt" - Paulus)
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Markus

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« Antwort #2 am: 06. September 2010, 14:35:55 »
Danke Benedikt für die Präzisierung. Ich denke langsam auch, dass dies der bessere Weg ist.
Hast Du vielleicht ne Idee oder Theorie über die Richtung der Aufwicklung?
Bei nähere Betrachtung von erhaltenen Stücken aus dem 15. und 16. Jhdt. sind die Ringe ebenfalls recht herum aufgewickelt
http://www.hma-info.de/mirror/Kettenhemd/31901_c.jpe
http://www.museum-joanneum.at/upload/file/Kettenhemd.jpg

Ich habe keine besseren Bilder gefunden... man muss schon genau hinsehen

Benedikt von Söllbach

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« Antwort #3 am: 07. September 2010, 09:08:28 »
Hallo,
sorry, darauf habe ich nicht geachtet. Das wäre aber durchaus interessant. Vielleicht sagt ja Erik Schmidt bereits was dazu?
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