Visitator-das ist so'ne Art Innenrevisor. Ein Apostolischer Visitator wird von Rom entsandt und hat in dieser Funktion kirchenrechtlich umfangreiche Befugnisse: Er ist nur dem Papst verpflichtet und als "Kontrolleur" für eine gesamte, zu kontrollierende Diözese eingesetzt. In Zeitraum seines Wirkens (zeitlich unbestimmt: nur der Papst selbst bestimmt über Einsetzung und Entlassung einer Visitation) darf ein visitierter Bischof nur in Abstimmung mit dem Visitator entscheiden und ist zur unbedingten Zusammenarbeit verpflichtet. Der Visitator hat also kirchenrechtlich sozusagen staatsanwaltschaftliche Befugnisse gemischt mit der kirchenrechtlichen Jurisdiktion in der jeweiligen Diözese, die er visitiert. Das Ergebnis einer Visitation wird unmittelbar dem Papst vorgebracht, der dann über weitere zu ergreifende Maßnahmen entscheidet.
Aber das klingt sensationeller, als es ist: Visitationen sind üblich und kirchenrechtlich an der Tagesordnung. Der Papst kann nämlich das Recht der Visitation nach unten weitergeben - dann kommt eben kein Apostolischer Visitator in eine Diözese, sondern zum Beispiel ein bischöflicher Visitator in eine Pfarre oder eine Ordensgemeinschaft. So kann durch alle Ebenen der Kirche über den Instanzenweg nachgeprüft werden "ob noch alles in Ordnung ist".
Oft hat das mit Kontrolle weniger zu tun, als mit rein organisatorischem Pragmatismus. Große Diözesen, die unerwartet ihren Bischof verlieren können zum Beispiel durch einen Apostolischen Visitator geleitet werden, da er ja Vollmachten wie ein Bischof hat und auch nur dem Papst verpflichtet ist.
Im Mittelalter waren Visitatoren oft in abgelegenen Gegenden eingesetzt um Ordensgemeinschaften kirchlich abzusichern, da sie als Vertreter des Papstes kirchlichen Schutz garantieren konnten. Orden selbst sicherten durch Visitationen (zumeist erfolgreich) die Einhaltung der Ordensregeln in den einzelnen Häusern ab.
Da sich Portugal, Kastilien und Aragon wegen ihres aktiven Kampfs gegen die Mauren gegenüber dem Vatikan zeitweise etwas mehr erlauben durften, wurden dort "vorsichtshalber" zwischen dem 14. und dem 16. Jahrhundert regelmäßig Visitationen angesetzt. Da die hier eingesetzten Visitatoren im "Arbeitsalltag" mehr die Funktion "Apostolischer Berichterstatter" hatten (sie standen natürlich unter dem besonderen Schutz der Kirche und waren daher juristisch immun) wurden sie in Urkunden und Rechtsakten namentlich meist nicht erwähnt. Anders als Inquisitoren nahmen sie nämlich in der Regel keine Verurteilungen vor: die waren dem Papst vorbehalten.
Euch allen einen besinnlichen 4. Advent!
Ru D'Aiche