Weil Berthold danach gefragt hat, hier ein Auszug aus einem meiner Bücher:
Schon bevor die großen Ritterorden über eigene Flotten verfügten, übernahmen sie den Transport von Pilgern mittels gemieteter Schiffe der großen Seefahrtstädte. Die Pilger wurden bereits in den abendländischen Templerhäusern in der Nähe der Einschiffungshäfen aufgenommen. Solche Häuser gab es bei Arles, Saint-Gilles, Marseille, sowie Genua, Pisa, Venedig, Bari, Brindisi usw. In diesen Häusern der Templer und Johanniter, die gleichzeitig als Hospize, Krankenhäuser, Lager und Komthureien dienten, wurden die Reisenden oftmals vor der großen Überfahrt wiederhergestellt. Die Strapazen der Reise zu den Hafenstädten waren für die schwächeren der Pilger mitunter zuviel. Krankheiten und allgemeine Erschöpfung waren oftmals das Ergebnis. Außerdem hatten die Pilger volles Vertrauen zu den Ritterorden, denn die Ordensschiffe wurden durch Kriegsschiffe eskortiert und die Passagiere liefen auch nicht Gefahr, in den morgenländischen Häfen als Sklaven verkauft zu werden, wie es mitunter bei anderen christlichen Kapitänen geschehen konnte.
Die Templer verfügten seit Ende des 12. Jahrhunderts über eigene transportschiffe. Von Marseille aus konnten die Schiffe der Templer und Johanniter sechstausend Pilger im Jahr befördern, wovon ein Schiffahrtsvertrag der Stadt Marseille mit dem Templer- und dem Johanniterorden aus dem Jahre 1233 zeugt.
Da die Pilgerbeförderung offensichtlich ein sehr gutes Geschäft darstellte, wehrten sich die südeuropäischen Hafenstädte gegen die durch die Orden organisierten und auf Ordensschiffen durchgeführten Pilgerfahrten. Der Vertrag reglementiert die Beförderung von Passagieren, welche die einträglichste Geldquelle für die Seestädte darstellte. Die Beförderung von Waren und Eigentum der Orden war dagegen nicht betroffen. Der Vertrag ist eine der wenigen gemeinsamen Handlungen der beiden Ritterorden, die überliefert wurden. Diese Urkunde wird heute noch im Archiv des Malteserordens in La Valetta aufbewahrt. Das Dokument besitzt gemäß Wiedergabe durch Adam Wienand folgenden Wortlaut:
„Im Namen des Herrn, im Jahre seiner Menschwerdung 1234 am 17. April in der siebenten Indiktion ( eine Indiktion bedeuted eine Zeiteinheit von 15 Jahren, die ursprünglich im römischen Reich für Zwecke der Steuereinziehung benutzt wurde). Kund und zu wissen allen Gegenwärtigen und Zukünftigen, daß in dem großen Rat zu Marseille, der in dem Rathause nach gewohnter Weise auf Glockengeläut und Heroldsruf sich versammelt hat, eine nach dem Alphabet geteilte* Notariatsurkunde vorgelesen worden ist, deren vollständiger wörtlicher Inhalt folgender ist:
Im Namen des Herrn Amen! Im Jahre seiner Menschwerdung 1234, in der sechsten Indiktion am 3. Oktober. Kund sei allen Gegenwärtigen und Zukünftigen, daß in Zwietracht und Widerrede verhandelt wurde zu Akkon vor dem Herrn Odo von Mümpelgard, Connetable des Königsreichs Jerusalem, zwischen dem Orden der Ritterschaft des Tempels und dem Orden des Hospitals St. Johann einerseits und der Bürgerschaft von Marseille andererseits. Es behaupteten nämlich die genannten Orden, Privilegien zu besitzen, welche sie auf Verlangen vorzeigen wollten und durch Zeugen bekräftigen, wenn es nötig sei, wonach die früheren Herren und Vizegrafen von Marseille, nämlich Doncelin und Hugo und Raimund von Baux und Gerold Ademar von Monteil und ihre Ehefrauen, sowie Raimund de Tritis ihnen die Konzession erteilt hätten, Schiffe und Fahrzeuge im Hafen von Marseille zu halten, auf und mit welchen sie vollkommen frei aus diesem Hafen über das Meer und an der Küste Spaniens fahren könnten zur Beförderung ihres Eigentums, sowie der Pilger und der Kaufleute unter Erhebung eines Passagepreises oder nicht, wie dies in den genannten Privilegien des Näheren angegeben sei. Es behaupteten auch die Meister der beiden Orden, daß die Marseiller den Inhalt der genannten Privilegien nicht beachten wollten, ja häufig gegen Recht und Gerechtigkeit ihnen Geld abgepreßt und unendliche Kränkungen und enormen Schaden zugefügt, welchen letzteren allein sie auf zooo Mark Silber anschlügen (in der Tat eine sehr hohe Summe). Die Meister der beiden Orden bäten daher den Connetable, die Schiffe und das Eigentum der Marseiller mit Beschlag zu belegen, damit sie sich damit entschädigen könnten. Dagegen trat nun Johannes de St. Hilaire, der Konsul der Marseiller zu Akkon mit der Erklärung auf, es sei ihm über die schwebende Frage keinerlei Befehl oder Vollmacht von dem Herrn Raimund, Grafen von Toulouse und Herrn von Marseille, erteilt, auch nicht von der Kommune Marseille, und könne er den beiden 0rden bezüglich ihrer Beschwerden nicht gerecht werden, da die jetzt zu Akkon befindlichen Marseiller Kaufleute seien und mit der Sache nichts zu tun hätten, was der Connetable und seine Kammer gewiß für Recht erkennen würde. (Der Connetable war der oberste Kronbeamte des Königreiches und Präsident der Haute Cour.) Nachdem von beiden Teilen über die obigen Punkte lange hin und her gestritten war zwischen den Meistern der beiden Orden einerseits und dem Herrn Rostagne de Haut-Puy und Guicelmin de Caranzon Namens der Marseiller andererseits, so wurde mit Hilfe des Herrn Connetable und des Herrn Johann von Helin, Herrn von Beirut und vieler anderer Vornehmer Friede und Einigung über die genannten Punkte erzielt in nachfolgender Weise: Es gestatten die Herren Rostagne de Haut-Puy und Guicelmin de Caranzon kraft ihrer Vollmacht, wie sie in dem durch den öffentlichen Notar Wilhelm Imbert ausgefertigten, mit den Siegeln der Kommune Marseille und des Grafen Raimund von Toulouse bekräftigten Notariats-Instrument ausgedrückt ist, den beiden genannten Orden, in dem Hafen von Marseille zu halten, zu beladen oder zu entladen nur zwei ihrer eigenen Schiffe zweimal im Jahr, nämlich zwei Schiffe im Passagium des Augusts (dem sogenannten Sommer-Passagium) und zwar eins von dem Tempelorden, das andere von dem Hospitalorden und im Passa- oder März-Passagium (dem sogenannten Frühjahrs-Passagium, nach welchen beiden Perioden sich die damalige Schiffahrt, die alle Winterreisen vermied, teilte) ebenfalls zwei Schiffe, eins vom Tempel, eins vom Hospital, zur Beförderung der Angehörigen und des Eigentums der beiden Orden. Und in jedem Schiffe sollen sie aufnehmen können bis höchstens 1500 Pilger, Kaufleute aber so viele sie wollen (es ergibt sich daraus, daß ein solches Schiff ungefähr 2000 Personen fassen konnte, vorausgesetzt, daß die gewöhnliche städtische Auflage von allen Gegenständen gezahlt wird, die von Kaufleuten wie von Privatpersonen in der Stadt vertrieben werden. Sollten aber die genannten Orden mehrere Schiffe zum Transport ihres Eigentums benötigen, so sollen sie diese haben dürfen, doch sollen sie in ihnen keine Pilger und keine Kaufleute befördern. Es versprachen die genannten Meister der beiden Orden, daß sie dies tun wollten und keine Schiffe zur Beförderung von Kaufmannsgut und von Pilgern unterhalten wollten von Portus Cocoliberi bis Portus Monachi (Provenzalische Küste), sondern nur die oben bezeichneten Schiffe, und zwar in dem Hafen von Marseille, wie dies vereinbart ist. Und erklärten sich die beiden Meister kraft dieses Vertrags bezüglich ihrer oben erwähnten Privilegien jetzt vollständig zufriedengestellt. Ebenso versprachen die genannten Herren Rostagne und Guicelmin, daß sie nach Kräften bei dem Herrn Grafen von Toulouse und der Kommune von Marseille auf Bestätigung dieses Vertrages hinwirken würden. Und zur größeren Festigung dessen haben diese gegenwärtige, nach dem Alphabet geteilte Urkunde wir Bruder Harmann de Peragors (Perigord), Meister des genannten Ordens der Ritterschaft vom Tempel, und wir Bruder Gerinus, Meister des genannten Ordens vom Hospital St. Johann, und wir Rostagne und Guicelmin mit Anheftung unserer Siegel bekräftigen lassen.
Geschehen ist dies vor Odo von Mümpelgard, Connetable des Königreichs Jerusalem und Baillie desselben für den Kaiser (Friedrich II) von Deutschland, in Gegenwart des Herrn Johann von Ibelin, Herrn von Beirut, (es folgen vier syrische Barone, dann die Tempelritter), Fra Balduin de Beurage, Fra Reinald der Deutsche, Fra Jacob del Lois, Komthur des Tempelhauses zu Akkon, Fra Gerald de Jussac, Fra Wilhelm Arnald (und dann die Hospitaliter), Fra Arnald de Montbrun, Marschall des Hospitals St. Johann, Fra Wilhelm de Monte Acuto, Drapierer, Fra Roger der Spanier, Fra Wilhelm de Castronovo (der spätere von 1243 bis 1257 urkundlich auftretende Großmeister), Fra Nivelon und Fra Rainer der Deutsche.
Dies ist geschehen im Palaste des Herrn Connetable und Baillie Odo von Mümpelgard. Und ich Peter de Corveria habe auf Bitten und Befehl beider Teile diese Urkunde geschrieben und mein Zeichen darauf gesetzt.
Nachdem der Inhalt dieses Instruments von dem genannten großen Rat von Marseille vernommen und vollständig verstanden, auch eine Beratung über diese Einigung und diesen Frieden, der abgeschlossen und verhandelt worden ist, zwischen den Meistern der genannten Orden einerseits und Rostagne de Haut-Puy und Guicelmin de Caranzon namens der Marseiller anderseits, wie schon oben bemerkt, eröffnet worden ist, so habe ich Vivaldus, Syndikus der Kommune von Marseille, mit Zustimmung des genannten großen Rats und dieser große Rat selbst namens der Kommune von Marseille diese Einigung und alles bestätigt, wie es in dem Instrument vorgesehen ist. Und zwar so, daß es die Meinung des genannten Syndikus und des großen Rats ist, daß unter der Bezeichnung Schiff sollen verstanden sein „Salander" (schnellsegelnde Lastschiffe) Tariden (ebenfalls Lastschiffe) und andere zur Meerfahrt geeignete Fahrzeuge.
Geschehen in dem grünen Saal des Rathauses von Marseille in Gegenwart des Fra Bertrand de Comps, Priors von St. Gilles (der spätere in einer Urkunde von 1236 auftretende Großmeister, Nachfolger des obigen Großmeisters Girinus), des Fra Arnaud de Miserata, Komthurs des Hauses von St. Gilles, Fra Pontius Bernard, Komthur des Hauses von Marseille, Fra Wilhelm de Valencia (Valence an der Rhone), Komthurs der Schiffe (commendatoris navium), Fra Giraud, Kaplans des genannten Priors, Fra Bernhard, Kaplan des Herrn Grafen von Toulouse, ebenso des Hugo de Lucco, Komthur des Hauses Bailles, des Fra Wilhelm de Capmeillier, Komthur des Tempelschiffes (Commendatoris navis Templi), des Fra Bosmund, des Fra Peter, Komthur des Hauses Fosses (die vier genannten gehörten dem Templerorden an) und in Gegenwart von acht weiteren Zeugen (die dem provenzalischen Adel angehörten) und vieler anderer.
Ich Wilhelm Imbert, öffentlicher Notar zu Marseille habe auf Geheiß des genannten Syndikus und des großen Rats diese Urkunden geschrieben, mein Zeichen darauf gesetzt und zu mehrerer Bekräftigung des Vorstehenden mit dem Siegel der Kommune Marseille besiegelt.