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Thesen zu Ordenskleidung

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Heidensohn:
Hallo zusammen,

In letzter Zeit habe ich mich ein wenig zur Kleidung der Zisterzienser umgetan und das Erfahrene mit meinen Forschungen zu den Franziskanern und Dominikanern verknüpft. Ich glaube, dass ein paar Thesen auch für das Verständnis der Ordenskleidung der Templer recht interessant sind. Und deshalb möchte ich sie hier mal zur Diskussion stellen. Ich formuliere mit Absicht sehr absolut, es blieben aber diskutierbare Thesen.


1) "Habit" ist kein ordensübergreifendes spezielles Kleidungsstück, sondern steht jeweils für die spezifischen Erkennungszeichen einer Gemeinschaft.

Ist der Habit die Kutte? Gehört die Bruche zum Habit? Was ist der Habit? Meine Antworten: Nicht immer. Nein, aber sie gehört zur Ordenskleidung. Und: Habit bezeichnet die Kennzeichen eines Religiosen, das was seinen Stand und seine Zugehörigkeit nach Außen erkennbar macht. Deshalb gehört die Tonsur für Geweihte zum Habit, nicht aber Bruche und Beinlinge, die jedoch nichtsdestotrotz getragen werden (nur halt nicht sichtbar/wichtig sind). Habit ist also nicht die Gesamtheit aller Kleidungsstücke, sondern nur die spezifische äußere Erscheinung. Das kann die "Kutte" sein, wenn damit wie bei den Zisterziensern die cuculla gemeint ist (siehe unten). Bei den Franziskanern/Minderbrüdern ist es aber schon das Zusammenspiel aus brauner "Kutte", Gürtelstrick (siehe unten) und Barfüßigkeit. Bei den Dominikanern die dunkle capa (wieder: siehe unten) und in eingeschränkter Weise auch das weiße Skapulier und die weiße tunica.
Bei den Ritterbrüdern der Templern ist der Habit also streng genommen nur der Rittermantel. Er definiert ihren Orden und Stand.


2) Vor 1300 gab es in der offiziellen Ordenskleidung keine separate Gugel.

In den letzten Jahren habe ich ein paar Bilder von Ordensbrüdern verschiedenster Orden betrachten können. Ich warte immer noch auf einen belastbaren Bildbeleg für eine "klassische" Gugelkapuze mit Kragen bei einem Religiosen vor 1300. Bei einem Franziskusbild, dass den Durchbruch hätte bedeuten können, ergab das Betrachten vor Ort, dass es nachträglich abgeändert worden war (wahrscheinlich im Kapuzenstreit zwischen Minoriten und Kapuzinern). Selbst die separaten Kapuzen, die nach 1300 langsam aber stetig in fast allen Orden aufkommen sind erstmal eine sehr eigentümliche Zwischenform und die marktbekannte Gugel kommt erst im 15. Jahrhundert auf. Selbst dann nur mit knapp an die Schultern reichendem Kragen und abgerundeten Hinterkopf (gar kein Zipfel). Eine als "Kapuze des Hl. Franziskus" bezeichnete Reliquie stellte sich als abgeschnittener Teil einer Franziskanerkutte heraus (man konnte Ärmelansatz und Gerenansätze auf alten Fotos noch erkennen). Bedenkt man wie spät die Gugel vom eher unschönen Wetterschutz der draußen Arbeitenden zu einem Teil der Mode wurde, dann macht das sogar Sinn.
Kein Beleg - Finger weg von separaten Gugeln vor 1300.


3) Der lat. Quellenbegriff cucullus/cuculla bezeichnet vor 1300 keine Kapuze, sondern ein Obergewand.

Als Benedikt von Nursia im spätantiken Mittelitalien seine Regel geschrieben hat, mag die cuculla noch ein Poncho-ähnlicher Kapuzenüberwurf gewesen sein, aber etwa ab dem 10. Jahrhundert bezeichnet der Begriff im Ordensumfeld ein weites Gewand mit Kapuze, das über der tunica getragen die erkennbare und typische Oberbekleidung eines Mönches war. Dabei war die Form keineswegs einheitlich. Es existierten zumindest zwei grundverschiedene Formen: Die Skapulierkukulle und die Talarkukulle (wie sie Zimmermann nennt und dazu noch die mMn im Hochmittelalter nicht nachweisbare "Kaselkukulle" angibt). Erstere wurde von den Cluniazensern in extensiver Form kultiviert, zweitere von der lothringischen Reform und den Zisterziensern genutzt. Durch die Vorreiterstellung der Zisterzienser wurde sie stilbildend und zu der Mönchskutte schlechthin.


4) Weiß wird überbewertet. Die Zisterzienser werden erst um 1130 erstmals als albus bezeichnet und vor dem 14. Jahrhundert gibt es keine entsprechende verbindlichen Anweisung.

Es hat mich erst verwirrt, dass auf sehr vielen Abbildungen der Hl. Bernhard v. Clairveaux mit braunen, ja schwarzen Kutten abgebildet wurde. Tatsächlich geben die frühen normativen Werke der Zisterzienser keinerlei Aussage zur Farbe der Kleidung, außer dass sie ungefärbt sein sollen. Erst Petrus Venerabilis schreibt in einem Brief an Bernhard vom weißen und schwarzen Orden, was aber hoch symbolisch aufgeladen ist und deshalb keine generelle Verwendung ableiten lässt. Höchstens eine Tendenz zu hellen ungefärbten Stoffen im Gegensatz zu den tiefschwarzen Kleidern der älteren benediktinischen Orden. Die Abgrenzung von den "schwarzen Mönchen" den Cluniazensern war schon durch die grundlegend andere Form der cuculla gegeben. Von älteren Reichsmönchen und der lothringischen Reform hob man sich dann durch die "schäbigeren" und regionsabhängigen Naturfarben ab. ST STEPHEN HARDING AND THE FIRST FOUR FOUNDATIONS. English thirteenth-century third quarter parchment MS Mm. 5. 31 f. 113r (detail) Pray. Unknown - Cambridge, University Library. (France Farbtafel Nr. 6) zeigt in einer einzigen Buchmalerei bei Zisterziensern ein weites Farbspektrum von fast schwarz über grau und braun zu weiß. Erst 1335 werden endgültig weiß und braun (für das Skapulier, heute schwarz) als Kleidungsfarben festgeschrieben - und es heißt dass auch da noch viele Brüder die braune cuculla trugen.
Wenn sich die Templer an dem Habit der Zisterzienser orientierten, dann bedeutet das also nicht, dass sie weiß getragen haben müssen.


5) Der lat. Quellenbegriff capa/cappa bezeichnet einen Kapuzenmantel, der ein nichtmönchisches Gegenstück zur oben genannten cuculla ist.

Bei den Dominikanern habe ich gemerkt, dass capa hier keineswegs eine "Gugel mit besonders breiten Kragen, wie ein Poncho" ist, sondern etwa knöchellanger, vor der Brust mit einer Naht geschlossener Mantel mit angenähter Kapuze. Als Grundform dieses Mantels scheint ein Halbkreis gedient zu haben. Durch die ursprünglich sehr weit herunter gehende Brustnaht (sie wurde im Lauf des Mittelalters immer kürzer und verschwand schließlich) und die Kapuze ist die capa ein geschlossener Mantel, was die Bezeichnung erklären könnte. Interessanterweise ist die capa das Kennzeichen der ich nenne es mal "nichtmonastischen Religiosen". Sie wurde von den Regularkanonikern (Prämonstratensern, Victorinern und eben auch Dominikanern) getragen, die explizit keine klassischen (benediktinischen) Mönche waren und von den Laienbrüdern/Konversen der Zisterzienser. Das IV. Lateranum 1215 hält die Weltpriester an die capa zu tragen.
Während die cuculla Mönchtum signalisiert, signalisiert die capa Religiosentum, wäre also nachvollziehbarer Weise die Mantelform für die Kapläne der Templer (in der "Dominikaner-Variante").


6) Der lat. Quellenbegriff tunica bezeichnet ein Hauptkleidungsstück und wird in allen Orden verwendet.

Wie auch immer man es übersetzt nennen will: tunica ist das wollene, Schlupfgewand mit engen langen Ärmeln ohne Kapuze. Wenn man alles über ihr auszieht, dann ist man immer noch anständig bekleidet. Deshalb wird bei den Franziskanern die weite braune Kutte tunica genannt, obwohl sie von der Form her an eine cuculla angelehnt ist (weite Ärmel + Kapuze): Am Anfang war sie das einzige Oberbekleidungsstück und zugleich oberste und unterste Wollschicht. Während die Augustiner-Eremiten praktisch zeitgleich dasselbe Kleidungsstück cuculla nannten, weil sie darunter eben noch eine tunica trugen.
Normalerweise ist die tunica bei Religiosen lang, die Ritterorden können hier aber aus praktischen Gründen eine Ausnahme sein.


7) Die Praxis einen Strick mit Knoten als Gürtel zu nutzen ist eine Eigenart der Minderbrüder/Franziskaner/Minoriten und ziemt sich nicht für andere Orden.

Finger weg von Gürtelstricken! Echt jetzt Leute. Ebenso wie barfuß gehen ist das im Mittelalter erst ein Zeichen für absolut übersteigerter (und damit entweder lächerliche oder verehrenswerte - bisweilen auch gefährliche) Religiosität und dann das Erkennungszeichen der Minderbrüder. Ordensregeln sind nicht nur dafür da Ausschläge in Richtung Verweltlichung zu vermeiden, sondern auch Ausschläge in Richtung gefährlich-ketzerischer Endzeitprediger-Mystik zu unterbinden. Kein Orden außer dem des durchgeknallten Kaufmannssohns aus Umbrien hat den Strick getragen (außer als Bußübung - aber dann immer unter der Kleidung)  und der hatte während des ganzen Mittelalters Probleme mit Häresieverdacht. Wenn ein Templer einen Strick um die Hüften trägt, dann stellt er sich im hochmittelalterlichen Weltbild in die Ecke der an der Straßenkreuzung brabbelnden Endzeitfanatiker und der in Waldhütten hausenden Eremiten. Beide sind nicht per se schlecht und werden durchaus verehrt, aber warum tritt man dann einem Ritterorden bei. Natürlich kann man es irgendwie zusammengesponnen erklären, aber es war mit Sicherheit nicht üblich.
Die Knoten dienten, wie anhand von Franziskanerabbildungen sehr gut nachweisbar ist übrigens zuerst als Stopperknoten, während das andere Strickende eine Schlaufe war. Also nichts mit "zuknoten". Die heutigen Arten der franziskanischen Orden den Strick zu tragen, haben recht wenig mit der mittelalterlichen gemein.


8 ) Klassisch ausgebildete Lateiner mittelalterliche Ordensschriften übersetzen zu lassen, aus denen man sich Aussagen zu Spezialthemen wie Kleidung und Liturgie erhofft, geht so gut wie immer nach hinten los.

Man merkt es bei den verschiedenen Regelübersetzungen, über die hier in beachtenswerter Ausführlichkeit diskutiert wird: Ohne Kenntnis mittelalterlicher Kleidung (und selbst mit) übersetzt jeder anders. Vergleichbarkeit ist praktisch nicht gegeben. Viel hilfreicher ist es die Übersetzer zu bitten Worte, die Spezialbezeichnungen sind (Substantive und Adjektive, die Kleidung bezeichnen, Titel und Personenbezeichnungen), in der Quellensprache stehen zu lassen. Zum besseren Verständnis vielleicht noch in Klammern dahinter eine grobe Übersetzungsrichtung. Man kann dann ganz anders mit anderen Quellen vergleichen und diskutieren.


Alle Aussagen auf Basis von:
Zimmermann, Gerd: Ordensleben und Lebensstandard. Die Cura Corporis in den Ordensvorschriften des abendländischen Hochmittelalters. Berlin 1999 (unveränderter Nachdruck).
France, James: The Cistercians in Medieval Art. Sutton 1998.
Slawik, Sebastian: Neue Orden - neue Kleider? Der Habit der Franziskaner und Dominikaner im 13. und frühen 14. Jahrhundert. Bamberg 2012 (unveröffentlichte Masterarbeit).


Was meint ihr?

William:
Schöne Zusammenfassung - deckt sich größtenteils mit unseren neueren Diskussionsergebnissen.

In dem Punkt klassische Übersetzungen von mittelalterlichem Latein kann ich unbedingt zustimmen und noch ergänzen, das es schon im Mittelalter sehr unterschiedliche Übersetzungen und auch Texte gab, die alleine deshalb von einander abwichen, weil die Kleriker immer noch ein "besseres" klassisches Latein sprachen und schrieben, während im eher weltlichen oder Laienbereich viele mittelalterliche frühfranzösische oder englische Begriffe "einlateinischt" wurden (also so wie heute immer wieder "eingedeutscht" wird!). Aber schon bei Textvergleichen zwischen französischen Mönchen und römisch klerikalen Texten (z.B. Papstbullen) finden sich deutliche Unterschiede.

Generell gab es keine Normierung in den Sprachen und Schriften und allein regional wurden Begriffe (auch in der Landessprache!) schon völlig unterschiedlich benutzt - das macht es nahezu unmöglich eine einheitlich gültige (Regel-)übersetzung anzufertigen.
Aber so wie wir uns in den letzten Diskussionen geeinigt haben, kommen wir schon recht nah dran - also konkret: das genannte Kleidungsstück immer im Konsens mit der jeweiligen Textpasage und dem erhofften/vermuteten Zweck zu suchen. (Auch das bietet natürlich noch viel Spielraum, aber macht es wahrscheinlicher)


Gruß
Will

Cornelius:

--- Zitat von: Heidensohn am 15. Dezember 2012, 14:33:44 ---
1) "Habit" ist kein ordensübergreifendes spezielles Kleidungsstück, sondern steht jeweils für die spezifischen Erkennungszeichen einer Gemeinschaft.
--- Ende Zitat ---
Da kann ich einigermaßen zustimmen...
--- Zitat ---Bei den Ritterbrüdern der Templern ist der Habit also streng genommen nur der Rittermantel. Er definiert ihren Orden und Stand.
--- Ende Zitat ---
...hier aber nicht. Die katalanische Templerregel hat zumindest einen Hinweis darauf, dass mit Habit im Orden mehrere Kleidungsstücke gemeint sind, auch wenn alle damit als "offiziell" gelten. Es sind der Mantel, die Capa und der Waffenrock (denn alles das soll man in Gefangenschaft nicht tragen, aber ich habe das Buch gerade nicht hier, um den Artikel zu nennen). Bei den bisherigen etwa 50 Artikeln, die ich in der großen Templerregel durchgearbeitet habe, um Originalbegriffe statt moderner Übersetzungen einzufügen, wird ohnehin so selten vom Habit gesprochen, dass eine Reduzierung auf den Mantel (der als "mant(e)au(x)" öfter auftaucht) zweifelhaft scheint. Falls es einen Grund gibt, seine Gleichsetzung mit Habit zu erwägen, dann wohl den, dass der Mantel als (vermutlicher) Teil des Hausgewandes wohl der typischste Habitvertreter war.

Der Hinweis auf die dunklen Zisterziensergewänder ist nützlich; da unterstützt ein wenig die Illustrationen der Templer im spanischen Schachbuch, die auch braune Kutten tragen (trotz weißer Mäntel).

William:
Auch auf dem Steinsarg finden wir die dunklen Kutten unter den weißen Mänteln.

Ich vermute die Stellung des Mantels als Habit liegt in der Hervorhebung als Standeszeichen innerhalb des Ordens und in den Strafen begründet. Soweit ich mich erinnere, ist es nur verboten/unter Strafe gestellt den Mantel an einen Nagel zu hängen, in Wut auf den Boden zu werfen, ihn jemanden zu geben, dem er nicht zusteht oder ihn beim unerlaubten Verlassen des Hauses mitzunehmen etc. .

Solche harten Strafen finden wir im Umgang mit der Cappa und dem Waffenrock nicht. (Ausnahme: standesrechtliche Dinge!)

Daher würde ich in der Cappa und dem Waffenrock eher den "Ersatzhabit" in besonderen Situationen sehen - also eben im Kampf und auf Reisen - aber auch hier eben um den "guten" Mantel zu schonen!

Somit hat der Mantel schon einen besonderen Stellenwert unter der Ordenskleidung.

Wichtig ist, im Gegensatz zu reinen Mönchsorden, eben auch, das es für den Kampf ein spezielles "Ordensgewand" gibt - den Waffenrock, der zwar hier den Mantel ersetzt, da er auch das Kreuz zeigt, aber als "Arbeitskleidung" für den harten Kampfeinsatz eben nicht so pfleglich behandelt werden muss.

Ich persöhnlich tendiere zu der Auffassung, das alles was die Ordensinsignien trägt unter "Habit" fällt und der Mantel eben - als Repräsentationsgewand - dabei noch einen besonderen symbolischen Stellenwert hat.

Gruß
Will

Cornelius:
Jep, wobei man sicherlich nochmal genau schauen muss, ob es Ordensinsignien in dem Sinne gibt und ob das auch alles zusammen passt. Sonst schafft man sich wieder so ein unscharf definiertes Wort. Ob die "Bekreuzung" der (Kleidungs-) Stücke deckungsgleich verläuft, müsste man mal überprüfen, aber da bin ich wie gesagt noch zu unfertig mit meiner Arbeit.

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