Autor Thema: Die militärische Rolle der Turkopolen  (Gelesen 27806 mal)

Benedikt von Söllbach

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Die militärische Rolle der Turkopolen
« Antwort #60 am: 27. September 2011, 10:03:16 »
Also ich lese aus den letzten Seiten auch heraus, dass aufgrund von verschiedenen Vorstellungen über den Orden heraus diskutiert wird.

Am wenigsten sperrig ist doch die Annahme:
- Kreuzzügler sehen, wie die Heere Byzanz aufgebaut sind (Stammtruppe + Turkopolenschwadrone)
- Sie entdecken, dass sie sowas auch brauchen, um flexibler auf die Feinde reagieren zu können
=> Sie bauen einen Truppenteil mit den militärischen Charakteristika auf mit den Mitteln, die sie selber haben
- Ich finde es schon sehr naheliegend, da den gebräuchlichen Namen mit zu übernehmen.

Dass Turkopolen nicht einfach irgendwelche Bogenschützen waren, sehen wir doch schon daran, dass sie zusammen mit den Sergenaten des Ordens ritten. Sergeanten und Turkopolen müssen also mindestens im Schockangriff gleich eingesetzt werden können, und dafür kann man ungerüstete oder leicht gerüstete berittene Bogenschützen nicht gebrauchen.


@William:
Deine Argumentation (erste Liste) steht und fällt mit der Grundannahme, dass es sich um östliche Einheimische handelt.
Harari zeigt nun ja aber, dass diese Grundannahme falsch ist.

Hier wird meiner Meinung nach viel zu viel in "schwarz-weiß" argumentiert.
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William

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Die militärische Rolle der Turkopolen
« Antwort #61 am: 27. September 2011, 11:08:27 »
Edit: gelöscht!
 
Zitat
Original von Benedikt von Söllbach
 Sergeanten und Turkopolen müssen also mindestens im Schockangriff gleich eingesetzt werden können, und dafür kann man ungerüstete oder leicht gerüstete berittene Bogenschützen nicht gebrauchen.

Das erzähl mal den Heerführern in den napoleonischen Kriegen! *smoky*

Besonders die Ulanen, die in ritterlicher Manier mit Lanze und völlig ungerüstet erfolgreich Jagd auf die gepanzerten Kürassiere gemacht haben.
Oder die Husarenregimenter, die ohne jede Rüstung in Artilleriefeuer und die Salven der Linieninfantrie geritten sind - mit erheblichen und oft schlachtentscheidenden Erfolgen! [kaffeetasse]

Der Erfolg dieser "modernen" leichten Reiterei lag in der Geschwindigkeit des Angriffs und vor allem in der Unberechenbarkeit, da es sich oft um eine Reihe von Scheinangriffen handelte, die nur die Linien des Gegeners in Unordnung bringen sollte, bis dann der echte Vorstoß kam....

Nebenbei gesagt: genau diese Taktik haben auch alle Steppenvölker erfolgreich eingesetzt! Egal ob Hunnen, Mongolen, Türken, Mauren oder Sarazenen!
Ist es nicht klüger zu akzeptieren, dass man nichts Genaues weiß, als sich auf tönernen Füßen Wahrheiten aufzubauen?

Benedikt von Söllbach

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Die militärische Rolle der Turkopolen
« Antwort #62 am: 27. September 2011, 16:02:18 »
Wie du schon sagst und ich oben meinte, man sollte das eben nicht zu dogmatisch sehen.
Ich glaube auch nicht, dass die Turkopolenregimenter so grundsätzlich anders waren, wie die anderen und so großartig überlegen waren. Die Templerregel zeigt ja auch deutlich, dass die Westler die Turkopolen nicht im großen Stil in der Freien Feldschlacht einsetzten, sondern nur als Verstärkung für die Panzerreiter. Ihre Finesse spielten sie vielmehr im Rahmen von "Sonderaufträgen" aus, wie Harari schreibt und wie aus der Templerregel zu entnehmen ist. Lies dir am besten den Teil mit den aufgaben nochmal durch, dann wird das klarer.

Ein Beispiel für einen berittenen Bogesnschützen hast du vor den Kreuzzügen auf dem Teppich von Bayuex. Diese Darstellung belegt eindrücklich, dass es eben nicht eine sarazenische Erfindung war, den Bogen vom Pferd zu benutzen, sondern das viele Völker (hier bemerkenswerter Weise Abendländer!) parallel entwickelten. Da der abgebildet wurde, wenn ich mich recht entsinne das aber niemand konkretes ist (also kein Herrscher o.ä.), ist meiner Meinung nach auch davon auszugehen, dass das nicht nur eine Einzelperson darstellt, sondern diese Kampfweise bereits 1077 eben nicht so unüblich war, wie wir gerne annehmen.
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Die militärische Rolle der Turkopolen
« Antwort #63 am: 28. September 2011, 11:58:49 »
Zitat
Original von William
Es ist "sperrig" (also wohl unlogisch) anzunehmen, das man solche einheimischen christlichen Kämpfer ausgewählt hat, die
1. den Kampfstil kennen
2. das Land kennen
3. den Gegner kennen
4. die schnellen arabischen Pferde kennen
5. das Klima gewohnt sind
6. die Sarazenen mindestens genauso "mögen" wie es Kreuzfahrer tun, da sie seit Jahrhunderten mit ihnen im Krieg leben, meist jedoch unterdrückt wurden.
Hee, ich wollte eine Herausforderung! :P Also:
1. Nein, der Kampfstil ist nicht "sarazenisch" (sagen wir mal arabisch), sondern türkisch. Usama selbst und seine Kumpels kämpften immer mit Lanze und Schwert. Solange du mir keine christlich-türkische Bevölkerungsgruppe nachweisen kannst, gilt das Argument nicht – bzw. "kennen" die Franken den Stil dann genausogut und zwar auch von der anderen Seite der Pfeilspitzen. Neu ist ja zudem nicht die Kampfesweise (s. Hastings/Bayeux), sondern nur der massive Einsatz selbiger.
2.  & 3. & 5. Also mal ehrlich, in dem Moment wären die Einheimischen höchstens fünf Jahre im Vorteil. Höchstens! Die Franken haben's zweihundert Jahre dort unten ausgehalten und ich kann aus eigener Erfahrung sagen, dass man nicht jeden Tag bei 45 Grad in der Wüste steht. Nicht einmal die Araber tun das, die sitzen meistens im Schatten.
4. Hm.... die europäischen Pferde waren damals genauso klein. Außerdem liegt der taktische Vorteil von Turkopolen wohl weniger in ein paar km/h mehr, die ein Pferd galoppieren kann (vor allem wenn damals kaum längere Zeit galoppiert wurde), sondern mehr im Einsatz allgemein bzw. der Loslösung von der Infanterie etc. etc..
6. Die muslimische Eroberung hat nicht deswegen so gut geklappt, weil die einheimischen Christen sooo toll mit den Byzantiner ausgekommen sind. Im Alltag muss die Unterdrückung bzw. Oberherrschaft durch die Muslime deutlich unspektakulärer verlaufen sein. Zum Beginn der Kreuzzüge herrschen zudem die Fatimiden in Ägypten und Palästina (religiös gesehen übrigens Ismailiten), die als vorbildhaft im Einsatz christlicher (sicherlich koptischer) Beamter usw. gelten. Die meiste Zeit hatten die Christen und Juden dort also ein ruhiges Leben.... zumindest bis die Franken kamen und Jerusalem fluteten. Mensch, da fühlt man sich doch befreit und möchte denen beitreten!

Tut mir leid, aber das ist alles ein wenig dürftig.
Zitat
und das obwohl es dort vor Ort sehr viele davon gab?
Jep, nützt bloß nichts, wenn die's selbst nicht können.
Zitat
Selbst Harari kennt kein Beispiel  für den Einsatz solcher Truppen außerhalb der Levante/Outremer! (Einziges "echtes" Indiz für fränkische Turkopolen sind ein paar normannische Namen im Zusammenhang mit Truppen von Sizilien?? Na sowas!)
Das hatten wir doch schon. Er nennt einige Beispiele für berittene Bogenschützen (S. 110), aber die Turkopolen wurden vermutlich deshalb außerhalb der Levante nicht eingesetzt, weil es da nicht nötig war. Bis die Mongolen kommen (das ist Mitte des dreizehnten Jahrhunderts, als es die fränkischen Turkopolen schon etwa 150 Jahre gibt, die byzantinischen noch länger), sind die Türken die einzigen, die massiv solche Truppen (gegen Byzanz und Europa) einsetzen. Und im übrigen stehen sie den Mongolen ethnisch nahe.
Zitat
Dafür ist es dann natürlich völlig logisch, das man sich

1. entschloß europäische Kämpfer "umzuschulen" - denn davon hatte man ja Unmengen in Outremer!
2. Diese Umgeschulten dann auch noch so ähnlich nennt wie den verhassten Feind
3. Nicht einmal erwähnt, das so eine besondere Ausbildung angeboten wurde
 Natürlich auch keinesfalls für Ritter.
4. Diese dann aber - trotz extrem guter Erfolge gegen Armeen die nach rein westlicher Art kämpfen - niemals in einer solchen Schlacht als "Wunderwaffe" auf den westlichen Schlachtfeldern einsetzte?
1. Na klar, was nützen mir ungeeignete Truppen? Dann mache ich lieber praktische draus.
2. Oh, mit Byzanz hatte man sich arrangiert, als die ersten fränkischen Turkopolen wohl aufgestellt wurden. Mensch, es gibt später sogar Kochbücher, in denen explizit sarazenische Speisen aufgelistet werden (und umgedreht arabische Kochbücher mit fränkischen Zubereitunsgweisen); meist du, die hätten ihr Essen nach dem "verhassten Feind" benannt, wenn es tatsächlich so rabiat gewesen wäre? Und dabei ist noch nicht einmal geklärt, wie der Name vererbt wurde und wer ihn verstanden hat. Übernahme von Begriffen oder Namen geht blitzschnell, das sollte jeder Internetnutzer wissen. Denk doch mal an die etlichen arabischen Worte in europäischen Sprachen, an die europäischen im Arabischen (turkubuliyun, kalasat für (Ketten-) Beinlinge sind nur zwei Beispiele, die mir aus Usamas Memoiren einfallen); und auch hier könnte ich wieder die Kochrezepte anführen, z.B. das Romania-Gericht, das vom arabischen Wort für Granatapfel stammt.
3. Ausbildung erwähnen? Wir haben Belege dafür, dass die Norweger so jagten (Kriegsvorbereitung) und wenn man diese Methode konsequent beibehält, müsste man vermutlich eine Menge Sachen für nichtexistent halten. Gerüsteter Kampf mit Schwert und Schild z.B. ist eine Sache, für die wir (leider) keine Quellen haben. Trotzdem werden die sich sicherlich systematisch damit beschäftigt haben, sonst hätten wir um 1300 nicht schon ein so ausgefeiltes Fechtsystem (allerdings fürs Bloßfechten) wie das I.33. Ich würde sagen, dass es am Fundzufall liegt, dass wir leider von niemandem eine Notiz haben, wie die Franken anfingen, vom Pferd aus mit dem Bogen zu schießen. Aber vielleicht war das denen damals zu logisch.
Zitat
Selbst der deutsche Orden, der demnach ja ebenso seine Sergeanten zu Turkopolen ausgebildet hatte - diese dann aber für die Ostfeldzüge niemals einsetzte!
Darauf bin ich auch schon mal eingegangen, liest du das hier überhaupt durch?
Zitat
Schon klar, das ist deutlich weniger "sperrig"! *smoky*
Jetzt schon.
Zitat
Zur Erinnerung:
Der Aufbau der Turkopolen war eine Notwendigkeit, weil die nach westlicher Art kämpfenden schweren Ritterheere ziemliche Verluste hatten hinnehmen müssen - was für herbe Verluste hätte dann erst ein Heer in Europa hinnehmen müssen, wenn die Deutschritter z.B. bei Tannenberg massiv solche Turkopolen eingesetzt hätten? Aber die hatten sie sicherlich alle in Outremer vergessen!
Bzw die europäischen Kämpfer haben diese spezielle und effektive Art zu kämpfen  und gegen schwere Ritterheer damit zu punkten sicherlich sofort wieder vergessen, nachdem sie wieder europäischen Boden unter den Füßen hatten! *tdance*
Die Schlacht bei Tannenberg wurde sicherlich auch aufgrund der leichten Reiterei der Tataren et alii gewonnen; vielleicht hätte sich der DO da tatsächlich ein paar Turkopolen halten sollen. Aber Moment mal, sprechen wir hier nicht vom fünfzehntnen Jahrhundert? Von einer Schlacht, in der Pulverartillerie eingesetzt wurde? Besteht nicht eine gewisse Chance, dass der DO zu dieser Zeit aus anderen Gründen keine Turkopolen mehr hatte? Hm?
Zitat
Also dann ist ja alles klar und wir können endlich aufhören:" ....krampfhaft, orientalische Einheimische als Turkopolen aufzubauschen."
Hoffentlich. Alte Gewohnheiten legt man schwerlich ab, aber auch ihr könnt euer Verlangen nach Exotik ablegen. :P
Zitat
ps. Wer Sarkasmus findet, darf ihn behalten! [kaffeetasse]
Nein, ich gebe ihn dir zurück, weil die Bretter seiner Theaterbühne schon morsch sind.

William

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Die militärische Rolle der Turkopolen
« Antwort #64 am: 29. September 2011, 10:33:14 »
kein Kommentar!
Ist es nicht klüger zu akzeptieren, dass man nichts Genaues weiß, als sich auf tönernen Füßen Wahrheiten aufzubauen?

Diether von Glarum

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Die militärische Rolle der Turkopolen
« Antwort #65 am: 29. September 2011, 19:02:11 »
MMMh?

Die Tiefe der Diskussion um "Harari" etc. ist sicherlich wichtig, aber ...

welche Ausrüstung empfehle ich einem mittelalterbegeistertem Fechter und Bogenschützen, der einen Turcopolen darstellen möchte?

Diether von Glarum
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Benedikt von Söllbach

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Die militärische Rolle der Turkopolen
« Antwort #66 am: 30. September 2011, 09:01:41 »
@William:
Aus meiner Sicht pflückt Harari nicht einfach irgendwelche Belege zusammen, sondern so ziemlich die wichtigsten Quellen, die wir überhaupt haben.

Aber um ihn nochmal zusammenzufassen - ich glaube nämlich, dass sich da unnötig ein Streit entspinnt:
er behauptet doch nirgens, dass die Turkopolen rein fränkisch waren.
Er behauptet lediglich, dass die bisherige These (dass die Turkopolen rein morgenländisch waren und die Kampfesweise rein sarazenisch sei) nicht haltbar ist, da eben aufgrund der vorliegenden Belege keinerlei Rückschluss auf Ethnie, Religionszugehörigkeit und Herkunft möglich ist. Er bezieht das gleichzeitig auf die fränkischen Turkopolen und nicht auf die byzantinischen und legt dar, dass das einzige verbindende Element zwischen allen erwähnten Turkopolen die militärische Funktion ist; bei den westlichen Heeren (auch denen in Übersee) ist "Turkopole" also nichts weiter als eine Truppengattungsbezeichnung.
Wie sich die zusammensetzt, vermutet Harari ebenso wie wir, und da finde ich halt, dass er stichhaltige Argumente liefert.

Im wesentlichen sollten wir glaube ich jetzt einfach mal die Situation in armenien etc noch genauer betrachten, um zu ermitteln, ob zur Zeit der Templer die ansässigen Staaten ausreichend hätten "liefern" können. Harari und Cornelius haben da ja schon einige Negativbelege gebracht, von dir hörte ich bisher aber nichts konkretes; jedenfalls beißt sich das ja offensichtlich oft mit Hararis und Cornelius Meinung. Ich glaube, hier ist konkreter anzusetzen.


@Dieter:
Das kommt jetzt drauf an, was du glauben möchtest.
Aus meiner Sicht entspricht die Ausrüstung der eines normalen Kriegsknechtes, also zumindest einen Helm und entsprechende Bewaffnung; Zusammen mit Sporen als Hinweis auf die berittene Darstellung, besser wäre natürlich ein Pferd.
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Lancelot Graf von Rothenfels

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Die militärische Rolle der Turkopolen
« Antwort #67 am: 01. Oktober 2011, 06:15:47 »
...und da dieses Thema nun ausführlich behandelt wurde, schliesse ich es nun bevor sich die beiden Herren noch virtuell die Köpfe einschlagen.
 *clsd*
Komthur des DO - Kommende Burg Schleynitz

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Benedikt von Söllbach

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Die militärische Rolle der Turkopolen
« Antwort #68 am: 25. Oktober 2011, 10:59:22 »
Administrativer Hinweis: Auf Cornelius Wunsch habe ich die letzte Diskussion (ab dem Beitrag von ihm vom 19.09.2011) um die Turkopolen im Thread Turkopolen gleich Brüder ? hierher verschoben.

Die Diskussion ist damit wieder eröffnet. Bitte bleibt in Zukunft sachlich und nicht beleidigend; seid dabei bitte gleichzeitig nachsichtig und fasst Äußerungen in brüderlicher Liebe auf.
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Cornelius

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Die militärische Rolle der Turkopolen
« Antwort #69 am: 07. November 2011, 13:20:49 »
[...] Mir ist aber in der Literatur noch etwas aufgefallen, das ich mitteilen wollte, nicht zuletzt auch weil hier schon mal ins Feld geführt wurde, dass ja etliche anerkannte Wissenschaftler die Turkopolen bisher als Einheimische bezeichnet hätten. Ich lese gerade R.C. Smails "Crusading Warfare. 1097–1193", zweite Edition, Cambridge 1995 und digital wiederveröffentlicht 2005 als pdf (bei Seitenangaben beziehe ich mich aber auf die Paginierung der Seiten selbst, nicht auf die pdf-Seiten). Laut Vorwort gilt es trotz inzwischen erschienener Weiterarbeit in Details als wegweisendes Standardwerk.

Smails Werk ist bereits 1956 entstanden, betrachtete sich aber damals bereits als kritische Auseinandersetzung mit den Primär- aber auch Sekundärquellen, denn seiner Meinung nach hat man die Kriegskunst der Franken im Orient entweder künstlich isoliert betrachtet oder ist sonstwie oberflächlich damit umgegangen. Sehr oft liest man spätestens in den Fußnoten seine mitunter unbarmherzige Abrechnung mit den Autoren vor ihm. Bei den Turkopolen wirds aber interessant. Er geht erst einmal davon aus, dass die Turkopolen lediglich "normale" leichte Reiterei waren und hält die Hinweise auf Pfeil und Bogen für zu ungenügend, um daraus berittene Bogenschützen zu machen, zumal diese Taktik ja eher türkisch sei und sonst niemand die entsprechende Ausbildung habe (auch die Syrer nicht; vgl. S. 111f). Die These, dass die Franken aus der einheimischen Bevölkerung rekrutierten, stützt er auf G. Dodu: "Histoire des institutions monarchiques dans le royaume latin de Jérusalem", Paris, 1894. Dass sie aus Gemischtehen stammten, behauptet er unter Berufung auf Albert von Aachen und Raimund von Aguilers. Wenn wir uns hier Hararis Kritik in Erinnerung rufen: Beides sind Chronisten des ersten Kreuzzuges, beschreiben also noch nicht die später von den Franken benutzten Turkopolen. Eigentlich will ich aber auf Dodu heraus. Auf S. 52f. legt Smail dessen These dar, wonach die Franken sich stark auf einheimische Soldaten verlassen hätten, darunter auch die Turkopolen. Diese Annahme Dodus verwirft er aber mit Hinweis auf Wilhelm von Tyrus (den ich bisher immer angeführt hatte) und Jakob von Vitry, die beide die Syrer und Armenier als kriegsuntauglich bezeichnen. Halten wir fest: Smail klammert sich zwar an die These der einheimischen Turkopolen, beruft sich dabei aber auf einen Historiker, von dem er sich in der Frage der Rekrutierungsmöglichkeiten für die Franken deutlich unterscheidet. Seine bei aller Kritik vorherigen Autoren gegenüber lächerlich dürftig mutende Abschlussthese lautet also, dass die wenigen "individuals of spirit", die es überhaupt in der kriegsuntauglichen Bevölkerung gegeben hätte, den Turkopolen beigetreten wären (S. 53). Wenn man die Behauptung der einheimischen Turkopolen nun einfach auf die Autorität Smails stützt, bleibt das ganze abstruse Zustandekommen seiner Meinung verdeckt. Der Verfasser der bibliografischen Einleitung zur neuen Auflage von Smails Buch hält übrigens die Möglichkeit offen, dass es sich bei den Turkopolen um Franken gehandelt haben könnte (S. xxix).

Wenn man jetzt an Hararis Neubewertung denkt, wird eigentlich klar, worin das Problem liegt. Smails Konzept der Franken, die dicht gedrängt türkischen Pfeilhagel ertragen, weil sie dem sonst nichts entgegenzustellen haben, ist angesichts der Zahlen an eingesetzten Turkopolen, die Harari aufführt, unwahrscheinlich. Diese Zahlen machen eine grundlegende Rekrutierung aus der einheimischen Bevölkerung im Angesicht der vernichtenden Urteile von Wilhelm von Tyrus und Jakob von Vitry genauso wenig wahrscheinlich; nicht zuletzt ist es ja die von Harari belegte Vielfalt des Einsatzes einheimischer Soldaten, der nachweist, dass sie eben alles mögliche machen mussten, wenn Not am Mann war, und nicht etwa alle zu den Turkopolen gingen, wie Smail noch meint.

Soviel Ansatz nochmal zur Fachliteratur und der Kritik an Harari. [...]


[edits Beni]Ich habe hier unrelevantes gekürzt, vgl. meine bitte von oben.