Autor Thema: Fragen bezüglich eines Schildes  (Gelesen 14764 mal)

Benedikt von Söllbach

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Fragen bezüglich eines Schildes
« Antwort #15 am: 21. Mai 2010, 12:02:27 »
Zitat
Die Truppengattung "Infanterie" gab es im Hochmittelalter noch nicht (oder im Vergleich zur Antike nicht mehr!)
Da schreibt David Nicolle etwas abweichendes: Infanterie gab es durchaus als eigene Truppengattung, nur eben eher nicht zusammengesetzt aus Ritterbrüdern der Orden. Das glaube ich meinte William.

Ansonsten hat er recht.
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William

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Fragen bezüglich eines Schildes
« Antwort #16 am: 21. Mai 2010, 12:15:38 »
Ja sry etwas unglücklich ausgedrückt - gemeint ist zweierlei:

1. Ritter als Infanterieeinheit gab es nicht, denn das ist ein Wiederspruch in sich! *smoky*

2. Den militärischen Begriff "Infanterie" gab es noch nicht (frühe Neuzeit) - natürlich gab es Fußvolk, aber dies hatte taktisch noch recht wenig Bedeutung - Ausnahme : Bogen- und Armbrustschützen!

Das änderte sich erst wieder mit den schweizer Befreiungskriegen, wo nach Jahrhunderten erstmals einfache Bürger - ohne Reiterei - die Schlacht für sich entschieden!*
Damit begann dann auch das Zeitalter der Infanterie, das dann die Kavallerie nur noch für den flankierenden oder reihenbrechenden Einsatz im taktischen Gesamtkonzept vorsah.
(Wie schon in der Antike, wo die Hauptlast des Kampfes auf den Phalangen oder Schildreihen - z.b. Römer - lag.)

Bei den Ritterorden des Hochmittelalters lag dementsprechend die Hauptkampftaktik im berittenen Kampf - das gilt nicht nur für die Ritter, sondern auch für die Sergeanten, Knappen und Turkopolen. (mit den bereits genannten Ausnahmen - je nach Situation)

Gruß
William

* Obwohl seit dem Film Braveheard alle Welt der Meinung ist die Schotten hättens erfunden - Wer hats erfunden? Die Schweizer! *jokely*

Naja genaugenommen haben sie das taktische Prinzip der Phalanx(Hopliten) - bzw Helebardenträger als strategische Hauptsäule - gegen Reiterei nur als erste wiederentdeckt! *smoky*

Zitat Wikipedia: Die Schlacht (Anmerk. Morgarten,15. November 1315 ) wird in der militärhistorischen Debatte als ein wichtiger Meilenstein in einem langen Prozess betrachtet, der als Aufstieg der Infanterie, also der Fußsoldaten, bezeichnet wird.

o.T. Williams kleine Taktikecke^^
Zwar hatten die Schotten schon etwas ähnliches, die  Schiltrons, aber weder bei Stirlingbridge, noch bei Falkirk brachten diese Einheiten den entscheidenden Vorteil und somit ein Umdenken in der taktischen Vorgehensweise.
Zur Verdeutlichung: Ein Schiltron ist eine rein defensive Formation gegen Reiterangriffe, die sehr schwach gegen Bogenschützen und nicht mobil ist - ähnlich den napoleonischen Karrees (Aufstellung im Viereck/Igelstellung)!
Die Phalanx als lineare, in der Tiefe gestaffelte, Kampfformation kann sowohl defensiv als auch offensiv eingesetzt werden, erfordert eine strenge Disziplin und entspricht auch der römischen Kampfweise, bzw der Angriffsart der napoleonischen Linieninfanterie. Die Landsknechte haben später diese Taktik wieder perfektioniert.
Kleine "Spitze" am Rande: Das was wir heute auf Veranstaltungen als "Schildwall" darstellen, würde einem konzentrierten Reiterangriff nicht eine Minute standhalten.. *smoky*
Ist es nicht klüger zu akzeptieren, dass man nichts Genaues weiß, als sich auf tönernen Füßen Wahrheiten aufzubauen?

Wedumir

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Fragen bezüglich eines Schildes
« Antwort #17 am: 23. Mai 2010, 11:59:14 »
Zitat
Original von William
Wenn ca 700Kg (Pferd,Reiter und Rüstung) mit einer Geschwindigkeit von ca 30 kmh, auf die Spitze einer Lanze konzentriert, auf ein grades Schild treffen, geht das durch wie durch Butter!  *smoky*
...
(Bei heutigen Crashtests fährt ein Auto mit 30kmh gegen eine Wand - stellt euch da einfach mal eine Eisenspitze vorne vor, bei der die Kaft des Aufpralls dann auf ca 2mm konzentriert wird!)

Nach einigem Nachdenken: Einspruch, Euer Ehren.
Das stimmt zwar so weit alles, aber der vergleich mit dem Crashtest würde nur dann stimmen, wenn die Lanze am Pferd festgeschweißt wäre.

Tatsächlich wird die Kraft in der Lanzenspitze dadurch begrenzt, was der Ritter mit seiner Armeskraft zu halten vermag. Das mögen bei einem trainierten Kämpfer 100 kp sein, für den winzigen Augenblick des Aufpralls vielleicht auch das Doppelte.

Um mal ein bisschen dröge Physik ins Spiel zu bringen: Nehmen wir die 100 kp Kraft einfach mal an. Die Lanzenspitze hat eine Auftrefffläche von 1 Quadratmillimeter (das ist jetzt grob vereinfacht, aber damit kann man rechnen).

Das entspricht dann, auf die übliche Angabe Kraft pro Fläche normiert, einer Krafteinwirkung von 10.000 kp pro Quadratzentimeter. Das sind 10 Tonnen/cm2 !

Was nicht zu unterschätzen ist, ist die Wucht, welche die Lanze selber hat. Eine Reiterlanze ist ja nunmal sehr viel schwerer als ein Wurfspeer. Wenn die mit 30km/h unterwegs ist, dann ist es nicht ratsam, sich ihr in den Weg zu stellen. Ich habe mal versucht, die ungefähre Wucht auszurechnen. Dabei kam eine Zahl heraus, die ich hier nicht hinschreibe, weil ich sie selbst noch nicht recht glauben kann.Ich suche noch den Fehler.
Suilad o Wedumir - Grüße vom Waldschrat

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Thomas von Griphenhagen

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Fragen bezüglich eines Schildes
« Antwort #18 am: 23. Mai 2010, 14:18:10 »
Um sich das ganze einmal bildlich vorstellen zu können spult bei dem Video mal zu 1:24.  Ein schöner Test der Durchschlagskraft einer Lanze Video

William

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Fragen bezüglich eines Schildes
« Antwort #19 am: 24. Mai 2010, 10:41:39 »
Zitat
Original von Wedumir
Tatsächlich wird die Kraft in der Lanzenspitze dadurch begrenzt, was der Ritter mit seiner Armeskraft zu halten vermag.........

Das entspricht dann, auf die übliche Angabe Kraft pro Fläche normiert, einer Krafteinwirkung von 10.000 kp pro Quadratzentimeter. Das sind 10 Tonnen/cm2 !

JA, du hast Recht, der Vergleich hinkt natürlich etwas - aber er sollte auch nur eine gewisse Vorstellung vermitteln für den "Panzer" des Mittelalters! *smoky*

Aber um zum Thema zurückzukommen - den direkten Aufprall einer Lanzenspitze übersteht kein Schild. Nur durch den geschickten Umgang und eine gewölbte Form kann ich durch ein Ablenken dem Angriff die Wucht nehmen - dieses Prinzip wollte ich hier nur  verdeutlichen. (Danke für das Video)

Gruß
William
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Fionnbhar of Corcaigh

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Fragen bezüglich eines Schildes
« Antwort #20 am: 26. Mai 2010, 15:18:33 »
Nicht schlecht... Sehr gutes Video, auch die anderen dieser Reihe.
Kleine unwichtige Nebenfrage: Seit wann gibt es diesen Spruch "Atavis et Armis"? Entspringt er den Denkern des modernen Ordens oder gab es diese Parole schon im Mittelalter?

Pax

William

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Fragen bezüglich eines Schildes
« Antwort #21 am: 13. Dezember 2011, 19:40:32 »
Zitat
Original von Wedumir
.... Dabei kam eine Zahl heraus, die ich hier nicht hinschreibe, weil ich sie selbst noch nicht recht glauben kann.Ich suche noch den Fehler.

Huhu, hab das grad mal wiederentdeckt! *jokely*

Hast du nochmal nachgerechnet?

In dem Video ist übrigens noch ein Fehler - er reitet auf einen "Roland" - dieser ist ein Ziel, das auf einem leichtgängigen Gelenk mit Gegengewicht angebracht ist.

Das bedeutet er (der Roland) soll  beim Auftreffen der Lanze wegdrehen, um den Reiter, im Training, nicht vom Pferd zu reissen.

Ich bin selber hunderte Male im Training und im Marktturnier auf einen Roland angeritten - die spürbare Aufschlagwucht ist nicht einmal ein Bruchteil von der Wucht, die man (aus-) halten muß, wenn das Ziel (z.B. Knappe mit Schild bei der "Knappenprobe" - ca. 80 - 90 KG) nicht wegdreht!

In einer Vorführung (mit Krönleinspitze= drei kleine Zacken auf einer flachen "Spitze") sollte mein damaliger Knappe im Moment des Aufpralls den Schild seitlich wegdrehen, um die Wucht abzulenken - einmal hat er es jedoch "verpennt" und die Wucht hätte mich fast aus dem Sattel und hat ihn umgehaun - und wäre es eine scharfe Spitze gewesen, wäre sie wohl einfach durch gegangen.... *smoky*

Wenn der Gegner dann ebenfalls ein Reiter ist, kommt zu der eigenen Geschwindigkeit und Masse ja auch noch die entgegenkommende dazu!

Ich habs nicht so mit mathematischen Berechnungen - aber es würde mich wirklich mal interessieren welche Kräfte da zum Zuge kommen!

Gruß
William
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