Autor Thema: Gambeson - Aketon  (Gelesen 8307 mal)

Fabianus

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Gambeson - Aketon
« am: 23. August 2007, 16:34:14 »
Salve,
weil in einem anderen Thread die Frage aufgekommen ist. Hier diesbezüglich mein aktueller Kenntnisstand; vielleicht können andere noch ergänzen oder korrigieren oder Quellen nennen.
Kurz bevor ich anfange- der Text bezieht sich grob aufs 13. Jhd. und auf den Raum zwischen Pyrenäen und Oder.


Aketon
Wortherkunft: vom arabischen Al'Qton, vermutlich von französischen Kreuzfahrern übernommen und "einfranzösischt" zu "Akéton" oder "hoqueton", eingedeutscht zu "Aketon" oder "Ahketon". Al'Qton bedeutet übersetzt Baumwolle. Im englischen heißt Baumwolle heutzutage Cotton.

Funktion: Der Aketon wurde unter dem Kettenhemd getragen. Er verteilte die Energie, die ein Hieb auf den Körper einwirken ließ, im Zusammenspiel mit dem Kettenhemd auf eine größere Fläche. Außerdem machte es das Tragen des Kettenhemdes angenehmer, da es Scheuerstellen polsterte etc. Außerdem konnte ein Aketon aus mehreren Lagen Stoff das EIndringen eines Pfeiles in den Körper, wenn der Pfeil die Kette durchschlug und schon abgeschwächt war, verhindern. Selbst bei in Folge dessen auftretenden Prellungen o.ä. war die Infektionsgefahr von offenen Wunden nicht vorhanden, wenn der Pfeil im Aketon steckenblieb.

Aufbau: Außenmaterial schweres, wiederstandsfähiges Leinen, da über dem Aketon das Kettenhemd getragen wurde, wäre auch Leder denkbar. Innenmaterial vermutlich dünnes Leinen oder Hanf/Flachs. Der Aketon bestand vermutlich aus mehreren Lagen Stoff, entweder Leinen, Wolle oder auch Baumwolle (im Orient, ab ~1300 auch im Okzident), die übereinander gelegt und in Längsrichtung abgesteppt wurden.
Mehrere Lagen Stoff ergeben einen einigermaßen guten Schutz vor Schnitten und polster auch relativ gut, sobald sie fest miteinander vernäht sind; sie werden dann sogar recht hart.
Eine andere Variante ist es, den Aketon in Röhren abzusteppen und mit allerlei Zeugs zu Füllen- z.B. Stoffresten, Garn, Rosshaar, Werg (unversponnene, kurzfaserige Leinenfasern), Filz etc. Bei einem Aketon müsste die Füllung aber sehr dünn werden.


Form und Tragweise: Der Aketon war in aller Regel knielang bzw. maximal 2-3cm länger als das Kettenhemd. Er hatte lange Ärmel, an dem Fäustlinge gleich integriert sein _können_. Da ein Kettenhemd mit normalerweise angesetzten Fäustlingen getragen wurde, liefern Abbildungen keinen Aufschluss. Ebenso ist ein (dicker) Stehkragen möglich, der den gesamten Hals verdeckt. Andere Variante wäre ein Kollir. Der Aketon war vorne und hinten bis zur Hüfte geschlitzt.
Aketons wurden normalerweise unter dem Kettenhemd getragen. Da sie nur aus Stoff bestanden waren sie relativ günstig; wer das Geld für ein Kettenhemd besaß konnte sich den Aketon bestimmt auch leisten.
Schnallen, Riemen und Schnürungen sind als Verschluss eher unüblich. Normalerweise wurde der Gambeson geschlossen über den Kopf angezogen.
Besonderheit: Es gibt auch schon ab etwa 1250 vereinzelt Kettenhemden mit kurzen Ärmeln. Da unterhalbdavon nichts Aketon-ähnliches sichtbar ist, ging der Aketon anscheinend nur bis dahin, wo auch Kette war.


Gambeson
Namensherkunft: ungeklärt. Ich habe dazu bisher noch keine zufriedenstellende Erklärung gefunden; weiß da vllt jemand was?

Funktion: Der Gambeson verteilt die Energie einer auftreffenden Waffe auf eine größere Fläche. Außerdem schützt er bei entsprechender Fertigung vor Schnitten und Pfeilwunden. Die Wirkung eines _richtigen_ Gambesons in bezug auf Armbrustbeschuss wurde untersucht; die meisten Bolzen, die durch das vernietete Kettengeflecht kamen, blieben im Gambeson stecken. Nachzulesen auf http://www.historiavivens1300.at .

Aufbau: Außenmaterial und Innenmaterial wie beim Aketon. Polsterung vermutlich ähnlich, nur wesentlich massiver. Ich habe in Sekundärliteratur von bis zu 40 Lagen Leinen gelesen. Ein solcher Gambeson würde auch wirksam vor Schnitten schützen, auch wenn einige Lagen Stoff zerfetzt werden würden. Alternative zu mehreren Lagen Stoff/Wolle oder "Platten" aus Wollfilz (s. obigen Link) wäre wie beim Aketon das Nähen vor Röhren, die mit Polstermaterial gefüllt werden. Je nach Füllmaterial hat das Auswirkung auf die Wirkung in Bezug auf Schnitten. Sollte mit Stoffresten gefüllt werden, würde dies weniger vor Schnitten schützen. Auf der Seite http://www.medieval-crusader.de steht glaube ich, dass auch zu Zöpfen geflochtenes Rosshaar genutzt wurde. Wer mal einen solchen Zopf in der Hand hatte kann sich sicherlich vorstellen, dass das gut geschützt hat :-)

Form und Tragweise: Der Gambeson war in aller Regel knielang bzw. maximal 2-3cm länger als das Kettenhemd. Er hatte in der Regel lange Ärmel, an dem Fäustlinge gleich integriert sein _können_; allerdings sind auch kurzärmlige Abgebildet. Ebenso ist ein dicker Stehkragen möglich, der den gesamten Hals verdeckt. Andere Variante wäre ein Kollir. Der Gambeson war vorne und hinten bis zur Hüfte geschlitzt.
Gambesons wurden normalerweise als alleinige Rüstung getragen. Sie waren, da aus Stoff und anderen Textilien, für das Gros der Soldaten erschwinglich.
Schnallen, Riemen und Schnürungen sind als Verschluss eher unüblich. normalerweise wurde der Gambeson geschlossen über den Kopf angezogen.
Besonderheit: Es gibt einige Bildbelege, bei denen ein kurzärmliger Gambeson oder einer komplett ohne Ärmel über dem Kettenhemd getragen wurde. Dies diente wohl als Zusatzrüstung und schützte den Torso noch besser vor Hieben und Pfeilen.


Quellen

Ja, das ist das Problem. Diese Differenzierung ist das Ergebnis von mir sowie einigen anderen Leuten und noch mehr These als Faktum. Problematisch ist nunmal, dass es sich um eine Textilpanzerung handelt, die recht schnell zersetzt wird. Daher gibt es keine oder nur kaum Funde von Aketons/Gambesons. Außerdem ist es schwierig, auf Abbildungen Informationen zum Aketon zu finden, da über dem noch das Kettenhemd getragen wird. Vielmehr wird hier angenommen, dass ein Gambeson zu dick für unter ein Kettenhemd ist; einmal, weil es recht unbeweglich wird, einmal, weil man dann wesentlich mehr Material für Kettenhemd bräuchte und das den Preis erheblich erhöhen würde, und einmal weil die auf Miniaturen abgebildeten Personen alle zu schlank sind- hätten sie einen dicken Gambi drunter hätten sie breiter dargestellt werden müssen.
Auch in der Primärliteratur habe ich bisher wenig Hinweise auf Gambesons/Aketons gefunden. Deswegen stützt sich der Beitrag zu meinem Leidwesen nur auf einige Abbildungen, unbestätigte Sekundärliteratur (größtenteils aus dem Internet) sowie einigen Schlussfolgerungen. Das bisschen an Bild und Textmaterial werde ich aber noch im Laufe der Woche nachreichen.

____

Das ist also wie gesagt mein Kenntnisstand und die Differenzierung von Gambeson und Aketon. Ich übernehme keinerlei Haftung für die Korrektheit des Textes ;-)
Nein, aber wenn jemand weitere Quellen, Korrekturen, Hinweise oder andere These hat, bitte her damit! :-)

Also dann.
Gruß,
Fabianus
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Berthold von Krukow

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Gambeson - Aketon
« Antwort #1 am: 23. August 2007, 17:28:44 »
Sehr interessanter Beitrag.
Für mich sieht es so aus, als würden sich Aketon und Gambeson nur in der Dimension der Füllung unterscheiden.

Anzumerken wäre noch, daß es speziell hier für den Ostseeraum belegt ist, daß ein Gambeson mit getrocknetem Seegras ausgestopft wurde. Sicherlich ein material, daß hier oben für jedermann erschwinglich war, da man es einfach nach einem Sturm am Strand sammeln konnte.

Gruß Berthold
Wenn wir vergessen wer wir waren, hören wir auf zu sein wer wir sind.

Benedikt von Söllbach

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Gambeson - Aketon
« Antwort #2 am: 23. August 2007, 19:13:51 »
Gegen eine Lederschicht als äußere Schicht spricht, dass Leder ein sehr teurer Rohstoff war; desweiteren gibt es kein so gutes Klima in der Rüstung, als wenn diese aus Stoff wäre.

In der Ordensregel (139) ist ein Aketon erwähnt, zumindest wird er so interpretiert:
"zur Aufbewahrung seines Waffenrocks und seiner Achselstücke..."
Wenn man die englische Regel nimmt, werden auch die (vermeintlichen) Achselstücke klarer:
"and one for his sourcoat and arming jacket..."
Probate spiritus si ex Deo sunt. ("Prüfet den Geist, ober er von Gott kommt" - Paulus)
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Fabianus

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Gambeson - Aketon
« Antwort #3 am: 23. August 2007, 21:41:51 »
@ Berthold; wofür ich fast 1000 Wörter schrieb hast du in einem Satz auf den Punkt gebracht *smoky*
Ja, Seegras wäre natürlich auch plausibel... Ich fahr vielleicht im September ein Wochenende an die Oststee, dann werd ich mal was sammeln und das Zeug auf Schnittfestigkeit etc untersuchen ;-)
Honi soit qui mal y pense

Thomas, der Verwalter

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Gambeson - Aketon
« Antwort #4 am: 23. August 2007, 22:35:59 »
Seit gegrüß Bruder Fabianus

Eure Arbeiten gefallen mir sehr gut. Die Idee mit der Website ist auch klasse. Ich fand die schon toll, hast aber auch noch viel vor.

Von der Eifel nach Berlin, ist wie vom Dreirad in eine Rakete *jokely*

Gott mit dir

Thomas, der Verwalter
Gott mit Euch

Thomas, der Verwalter

Martí

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Gambeson - Aketon
« Antwort #5 am: 23. August 2007, 23:29:31 »
Zitat
Original von Fabianus
...Aketon
Wortherkunft: vom arabischen Al'Qton, vermutlich von französischen Kreuzfahrern übernommen und "einfranzösischt" zu "Akéton" oder "hoqueton", eingedeutscht zu "Aketon" oder "Ahketon". Al'Qton bedeutet übersetzt Baumwolle. Im englischen heißt Baumwolle heutzutage Cotton...

Hallo Fabianus,

ich zitiere hier einmal aus einem Spanischlehrbuch (Paso a Paso, ein systematischer Einstieg in die spanische Sprache) Dort heißt es gleich in der ersten Lektion :

>>Pero el castellano toma también palabras de otras lenguas:
Palabras germánicas, como por ejemplo guerra, ropa ...
Muchas palabras árabes, como cero, azúcar, algodón ...<<

Übersetzung:

Aber das Kastellanische (Spanisch) nimmt auch Wörter aus anderen Sprachen:
Germanische Wörter, wie zum Beispiel Krieg, Bekleidung ...
Viele arabische Wörter, wie Null, Zucker, Baumwolle ...

Vielleicht hilft das ein wenig um die Abstammung des Wortes näher zu erklären ;-)

Saludos,
Martí
...Caminante, no hay camino
sino estelas en la mar...

(Antonio Machado)