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Kreuzzüge, reell betrachtet

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volfing:
Liebe Freunde!

Ich möchte hier bewusst ein Thema eröffnen, von dem viele glauben, sie kennen es zur genüge. Obwohl die meisten denken, sie haben schon alles unzählige Male gehört, es wurde schon alles geschrieben und es ist sowieso alles klar, existieren meines Erachtens viel zu viele falsche Meinungen.

Die Rede ist von den Kreuzzügen. Jeder von euch beschäftigt sich in irgendeiner Form mit dieser Zeit, doch wird in Gesprächen allzu schnell eingeräumt, dass die Kreuzzüge aus heutiger Sicht ein Verbrechen waren. Waren sie das wirklich?

Das Christentum verbreitete sich innerhalb der ersten 3 nachchristlichen Jahrhunderte nur sehr langsam innerhalb des römischen Reiches, das zu dieser Zeit den gesamten Mittelmeerraum, also Europa, Nordafrika und den nahen Osten umspannte (nachzuschlagen in jedem Geschichtsatlas). Die Christen hatten zu dieser Zeit unter vielen Repressalien zu leiden.
 
Erst unter Konstantin dem Großen im ersten Viertel des 4. Jahrhunderts wurde das Christentum den anderen Staatsreligionen, wie z.B. Sol invictus, gleichgestellt. Konstantin sympatisierte mit dem Christentum. Die Kriege die er führte, wurden nicht im Namen des Christentumes geführt, sondern waren gegen das Tetrachensystem gerichtet, aus dem er selbst hervorgegangen ist. Erst nach seinem Triumph begann das Christentum sich auszubreiten.

In der ganzen damals bekannten Welt gab es christliche Bischofsitze. Im 7. Jahrhundert entstand der Islam und begann sofort mit seinen Eroberungszügen. Vom 7. bis zum 9. Jahrhundert eroberte der Islam alle vormals christlich-römischen Gebiete von Anatolien, über Syrien, Ägypten, Nordafrika bis Spanien. Das Vordringen im Westen konnte erst bei Tours und Poitiers gestoppt werden. Das byzantinische Reich wurde zu einem Rumpfstaat im Westen der Türkei (ebenfalls nachzuschlagen in jedem Geschichtsatlas).

Dies war die Ausgangssituation zu Beginn der christlichen Reconquista in Spanien im 10. und 11. Jhdt., bzw. mit ein Anlaß für den Beginn der Kreuzzüge, die sich daher ebenfalls eher als Rückeroberung ehemals christlichen Gebietes, denn als Eroberung immer schon fremden Gebietes darstellen. Nach dem Zusammenbruch der Kreuzzugsbewegung gelang dem Halbmond zwar nicht mehr die Rückeroberung Spaniens, aber immerhin im Osten das Vordringen bis vor Wien (16. Jhdt. Und 17.Jhdt.).

Es stellt sich natürlich die Frage, ob aus der Bedrohung dieser zangenartig geführten Eroberungszüge des Islam, die Kreuzzüge nicht völlig zu Recht geführt wurden. Ansonsten hätte der Halbmond wahrscheinlich bereits mitte oder ende des 14. Jhdts. Mitteleuropa erreicht.
Ich versuche dies immer meinem Publikum klarzumachen, wenn wieder einmal die Verbrechen der christlichen Kreuzzüge thematisiert werden.

So, und jetzt interessieren mich eure Meinungen.

Daniel:
Hallo,

ich sehe es ähnlich wie du. Jede kriegerische Aktion war und ist heute noch ein Verbrechen, denn immer werden Menschen dabei getötet und dasist ein Verbrechen! Egal wer angreift und warum.
Großangelegte Eroberungszüge fidnet man in der Geschichte fast jeder Nation und es gibt immer welche (meistens die Verlierer) die später meinen, das war ein Verbrechen.

Heutzutage sind die USA die großen "Eroberer". Mal sehen wie die Geschichtsschreibung in 500 Jahren über sie urteilen wird und wer dann der große "Eroberer" ist.

Kriege wurden und werden immer geführt. Für mich persöhnlich gibt es keinen Grund einen Krieg zu führen. Doch viele beurteilen einen Krieg nach dem Grund ob es nun ein Verbrechen ist oder nicht. Da kommen dann Überlegungen und Einstellungen hinzu wie "darf man für seinen Glauben töten" usw und sofort....

Die Kreuzzüge sehe ich nicht als herausragende Geueltat oder ähnliches, denn man findet in der Geschichte immer wieder derartige Kriege und Schlachten. Es ist halt ein blutiger Fleck im Laufe der Geschichte, wenn auch ein sehr interessanter  *smoky*

Ich hoffe ich habe nicht zusehr abgeschweift.

Gruß,
Daniel

André de Dujardin:
Hallo Volfing,

ich glaube das auch damals schon die Glaubensfrage nur ein Vorwand für kriegerische Auseiandersetzungen war. Ich bin überzeugt, das Gott die Hände über den Kopf zusammengeschlagen hat und zu sich selbst sagt " Das habe ich so nicht gewollt". Es liegt in der Natur der Menschen, Habsucht, Neid und Gier nicht als Gründe für ihr Handeln darzustellen, sondern sich hinter scheinheligen, schönfärbenden Ausreden zu verstecken.
Den Kreuzfahrern hat man von Seiten der Kirche versprochen im heiligen Land Vergebung für ihre Sünden zu erlangen. Unter der Hand haben sich die tausenden Menschen über den unsagbaren Reichtum und die vielen Schätze, welche auf sie warten würden, unterhalten.
So ist es auch mit den Kriegen welche im Namen Allahs geführt wurden (und werden) gewesen.
Meiner Meinung nach, ist Krieg immer ein Verbrechen. Auch die Keuzzüge gehören dazu.
Der Islam begann im 7 Jhd. mit seinen Eroberungen im Namen Gottes, um die eigenen Interessen (Macht, Reichtum etc.) zu verbreiten. Die Christen fühlten ihre Interessen (Macht, Reichtum etc.) dadurch bedroht und schlugen im Namen des selben Gottes zurück.
Die einzige Person die wohl nicht gefragt wurde, war wohl Gott selbst.

André de Dujardin


"Wer frei von Sünde ist, werfe den ersten Stein."

volfing:
Lieber Andre´!

Du sprichst genau die Argumente an, die wir Heute für diese Problematik verwenden. Ich glaube aber, um die Kreuzzüge zu verstehen, müssen wir unser heutiges Denken ablegen. Wir müssen Aufklärung und Humanismus für die Betrachtung beiseitelegen.

Natürlich hat man den Kreuzfahrern Versprechungen gemacht, da ansonsten das Interesse nicht entstanden wäre. Natürlich hatten auch die Fürsten Beute und Eroberungen im Sinn. Das war durchaus damals auch legitim.

Ich denke aber nicht, daß der Durchschnittseuropäer 1096 die tatsächliche Bedrohung erkannt hat. Und das war Vorrangig.

Die Christen (die mit mehr Weitblick), fühlten natürlich ihre Interessen bedroht. Schau dir aber einmal eine Karte des Islam im 11. Jhdt. an. Die Frage ist doch ob sie nicht auch erkannten, daß die Existenz des Christentums auf dem Spiel stand. Immerhin saßen die Sarazenen auch auf Sizilien (3. Front nach Spanien und Byzanz). Es gab auch Einfälle der Sarazenen in Italien und Plünderungen Rom´s!!!!!

Man kann meines Erachtens die Kreuzzüge des Mittelalters nicht mit Amerika von heute vergleichen. Damals gings um die Existenz, heute ums Öl und Geschäft, was natürlich verwerflich ist. Wir sollten daher unsere Sichtweise nicht leichtfertig auf die Zeit vor 900 Jahren anwenden.

Friedrich Von Rechberg:
Meiner Meinung nach gab es keine Bestrebungen des Islams, irgendwelcher Kalifen, die unter einander unterschiedliche Interessen haben, diese in Mitteleuropa zu sehen, ist etwas weit her geholt meiner Meinung nach. Oder welche Anzeichen gibt es deiner Meinung nach dafür?

Erst als die Islamische Welt "geeint" war, gab es entsprechende Bestrebungen, weitere Eroberungen anzustellen.

Zudem lebte die christliche Bevölkerung unter muslimischen Herrschern z.B. in Jerusalem in Eintracht, sie wurden nicht verfolgt, konnten also normal leben, abgesehen davon, dass sie Sondersteuern bezahlen mussten.

Da es in Europa auch keine Zentralmacht gab, den Papst ausgenommen, musste ein Ziel gefunden werden, es wurde ein Zusammengehörigkeitsgefühl geschaffen, da es einen gemeinsamen äußeren Feind gab. Theoretisch waren ja die eigenen Besitzständer der Kreuzfahrer in Europa gewahrt, der Besitz war also sicher, solange man auf Kreuzzug war.

Die Kreuzzüge waren eher ein eigener Industriezweig in Europa...

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